Ruhig, Authentisch und Emotional !
Die Stille meiner WorteHannah hat ihre Schwester Izzy verloren, und mit Izzy gingen auch Hannahs Worte. In ihren Gedanken da kreisen sie unaufhörlich und es gibt so vieles das sie sagen möchte, die Worte sind niemals still, ...
Hannah hat ihre Schwester Izzy verloren, und mit Izzy gingen auch Hannahs Worte. In ihren Gedanken da kreisen sie unaufhörlich und es gibt so vieles das sie sagen möchte, die Worte sind niemals still, doch aussprechen kann sie sich nicht.
Das belastet nicht nur Hannah selbst, sondern auch ihre Eltern, die sich scheinbar nicht mehr anders zu helfen wissen und Hannah nach Sankt Anna schicken, eine therapeutische Einrichtung, wo man ihr helfen soll, ihre Sprache wiederzufinden.
Das erste Jahr in Sankt Anna beginnt mit einem Sommercamp am See und dort trifft Hannah auf Levi, der selbst schlimme Dinge durchgemacht hat und weiß wie es ist, wenn man Probleme hat und sich ihnen stellen muss. Er ist fasziniert von Hannah, die sich nachts aus ihrem Zelt schleicht und seinen persönlichen Platz am See in Beschlag nimmt und er möchte unbedingt herausfinden was in Hannah vorgeht, wer sie wirklich ist und will ihr helfen ihre Worte wiederzufinden....
Meinung:
"Die Stille meiner Worte" ist und war tatsächlich mein allererstes Buch von Ava Reed und ich muss sagen, das es nicht das Letzte bleiben wird.
Ava hat einen absolut großartigen Schreibstil, ihre Worte bringen eine emotionale Tiefe mit, auch wenn sie Gedankengänge und Empfindungen ihrer Protagonisten nicht immer komplett ausführt. Ich mochte das sehr, denn es macht besonders Hannah sehr authentisch. Sie hat so viele Worte in sich drin und kann sie doch nicht aussprechen, das heißt das ihre Gedanken permanent kreisen und manchmal einfach viel zu viel sind und sich deshalb ineinander verheddern. Ich finde das hat die Autorin unglaublich gut dargestellt.
Hannah ist eine tolle und liebenswerte Protagonistin, die ein schlimmes Trauma erlitten hat. Sie hat ihre Zwillingsschwester verloren und dabei auch sich selbst. Sich in einer solchen Situation einen Weg zurück ins Leben und vor allem zu sich selbst zu erkämpfen ist ein langwieriger und aufreibender Prozess.
Zum Verlust hinzu kommen noch Schuld, das Gefühl nicht mehr zu einer Familie zu gehören, der Gedanke, das die Eltern einen nicht mehr lieben, der Hass und die Wut auf sich selbst, die Trauer.
Hannahs Päckchen wiegt schwer.
Und damit ist sie nicht allein, denn in Sankt Anna hat jeder Schüler/Patient sein Päckchen zu tragen, das erfährt Hannah schon am ersten Tag des Sommercamps, als sie mit Sarah in einem Zelt untergebracht wird. Sarah, die immer Rollkragenpullover trägt, obwohl es draußen über 30 Grad warm ist, Sarah die sich im Dunkeln fürchtet und in der Nacht von schlimmen Albträumen heimgesucht wird.
Oder Levi, für den es der letzte Ausflug zum See sein wird, weil er für Sankt Anna zu erwachsen geworden ist. Levi, der immer diese hässliche Cap trägt und der offen auf Hannah zugeht und verstehen will, warum sie keine Worte mehr hat.
Hannah und Levi stehen hier eindeutig im Fokus der Geschichte und doch ist es Ava Reed gelungen, auch den Nebencharakteren eine wichtige Stimme zu verleihen, ohne sie zu aufgesetzt oder zu blass erscheinen zu lassen.
Überhaupt konnte sie mich mit dem Gesamtpaket absolut überzeugen, vor allem deshalb weil sich die Geschichte und die Heilungsprozesse der einzelnen Charaktere absolut nachvollziehbar und echt entwickelt haben. In der Aufarbeitung da war sie manchmal schon fast sachlich kühl und genau das ist es, was mir bei Romanen, die sich mit Traumata, Trauer, Verlust, psychischen Problemen, so häufig fehlt. Meist werden sie zu verkitscht und enden in einer Wunderheilung durch Liebe. Sowas ist nett zu lesen, aber es ist unrealistisch. Und genau das ist hier nicht der Fall und das wiederum hat dieses Buch für mich zu etwas Besonderem gemacht, mit dem ich mich identifizieren kann.
Trotzdem gibt es auch hier eine ganz ganz zarte Liebesgeschichte, bei der ich noch nicht mal weiß ob ich sie als solche bezeichnen möchte, denn zwischen Hannah und Levi da entwickelt sich so viel mehr als nur eine Verliebtheit. Es ist eine tiefe Verbundenheit die vor allem auf gegenseitigem Vertrauen basiert, das sie erst lernen müssen zu entwickeln. Es gibt keine verstohlen gestohlenen Küsse, keine offensichtlichen Liebesbekundungen. Es geschieht eher so am Rande, unterschwellig, wie es im Leben auch manchmal so läuft. Ich weiß nicht, wie ich es besser erklären kann und soll.
Die Geschichte entwickelt sich leise und emotional und doch auch irgendwie laut, weil man beim Lesen von so vielen Gefühlen überwältigt wird, die aber nicht immer offensichtlich sind, sondern eher hinter den Worten lauern.
Kurzum, ich mochte dieses Buch unglaublich gerne und bin froh, das es mir vergönnt war, es lesen zu dürfen.
Zum Schluß möchte ich noch kurz dieses traumhaft schöne Cover loben, das nicht nur durch die blaue Aquarelloptik besonders ins Auge sticht, sondern das vor allem auch einen ganz ganz wichtigen Teil der Geschichte widerspiegelt. Ihr werdet beim Lesen schnell feststellen, was es mit der Katze, pardon, dem Kater, auf sich hat. ;)
Fazit:
"Die Stille meiner Worte" ist ein Roman über das Loslassen. Wie schwer es auch einem fallen mag, manchmal muss man erst lernen Menschen, Gefühle, Angewohnheiten und Dinge gehen zu lassen, um ganz zu sich selbst zu finden.
Ein großartiges, emotional prall gefülltes und authentisches Buch, das ich Euch dringend ans Herz legen möchte !