Jüdisch sein heute
Juli, August, SeptemberDie Eltern der Kunstexpertin Lou kamen mit ihr aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland, als sie ein Kind war. Ihre verstorbene Großmutter Rosa hat als jüdisches Mädchen den Holocaust überlebt und ...
Die Eltern der Kunstexpertin Lou kamen mit ihr aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland, als sie ein Kind war. Ihre verstorbene Großmutter Rosa hat als jüdisches Mädchen den Holocaust überlebt und landete dann mit ihrer Schwester bei Verwandten in Baku, später siedelten Teile der Familie nach Deutschland, andere nach Israel über. Lou ist nun mit Sergej verheiratet, einem recht erfolgreichen Pianisten, der ebenfalls Jude ist. Allerdings pflegen sie einen sehr säkularen Lebensstil und die gemeinsame Tochter Rosa hat noch nie eine Synagoge betreten. Dann reist Lou auf Wunsch ihrer Mutter mit ihr und der kleinen Rosa in ein All Inklusive Hotel auf Gran Canaria, um dort den 90. Geburtstag von Maya, der Schwester ihrer Oma zu feiern. Dazu reisen auch die Familienmitglieder an, die seit Jahrzehnten in Israel leben. Man begegnet sich teils mit einer ordentlichen Dosis Skepsis, ist sich trotz des Verwandtschaftsgrads ziemlich fremd, versucht sich aber auch gegenseitig zu übertrumpfen und es kommt immer wieder zu heiklen Situationen. Und Lou weiß nicht wirklich, ob sie sich ihnen zugehörig fühlen soll, ob sie sich selbst überhaupt noch als Jüdin sieht, wie es mit den russischen Wurzeln aussieht und was von der Geschichte ihrer Oma überhaupt stimmt. Schließlich führt sie diese Erfahrung nach Tel Aviv.
Der Titel des Buches hat meine Neugierde geweckt und, auch wenn auf den ersten Blick nicht ersichtlich, steht dieser im Zusammenhang mit Lous Geschichte, da der Roman nach den Monaten Juli, August und September in drei Bereiche eingeteilt ist. Im Juli geht es um Lous Leben in Berlin, im August um die Reise nach Teneriffa und im September ist der Handlungsort dann Tel Aviv. Ich fand die Lektüre dann auch sehr interessant, da ich mehr über das Leben säkularer Jüd:innen erfahren habe und ich auch den Konflikt, in dem Lou steckt, gut nachvollziehen konnte. Der Schreibstil war gut lesbar, teils auch etwas ins sarkastische gehend, sodass der Roman trotz manch ernster Hintergründe auch humorvolle Passagen aufwies, insbesondere, wenn es um Konflikte in der Familie geht, die jede:r von uns kennt, egal aus welchem Kulturkreis man stammt.