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Veröffentlicht am 23.04.2024

Man kann die Geschichte auch immer in eine andere Richtung drehen

Yellowface
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Das Buch verfügt über ein aufmerksamkeitsstarkes Cover in leuchtendem Gelb mit mandelförmigen Augen, dazu einen passenden Farbschnitt.

Interessant wird es aber, wenn man den Schutzumschlag entfernt. Es ...

Das Buch verfügt über ein aufmerksamkeitsstarkes Cover in leuchtendem Gelb mit mandelförmigen Augen, dazu einen passenden Farbschnitt.

Interessant wird es aber, wenn man den Schutzumschlag entfernt. Es ist mir nur durch Zufall aufgefallen, dass, passend zum Inhalt des Buches, dort eine andere Autorin und ein anderer Titel genannt sind. Und so taucht man, bevor man überhaupt mit dem Lesen beginnt, schon mal in die Thematik ein. Es geht um ein entwendetes Manuskript, das unter einem anderen Namen später veröffentlicht wird.

Doch zum Anfang:

June Hayward hat Literaturwissenschaft und Schreiben studiert und hätte gern schon mit ihrem ersten Roman einen Erfolg gelandet. Das hat nicht geklappt, er erlebte keine zweite Auflage. Seit Studienzeiten ist sie bekannt mit Athena, Tochter chinesischer Einwanderer. Athena hat den Erfolg, den June sich wünscht, ihr erstes Buch wird ein Bestseller und seither reißen sich die Verlage um ihre Neuerscheinungen. Als Athena bei einem Unfall stirbt, ist June Augenzeugin und handelt impulsiv. Sie stiehlt Athenas gerade vollendetes Manuskript und veröffentlicht es nach mehreren Bearbeitungsdurchläufen unter einem Pseudonym.

Thema des Buches sind chinesische Soldaten, die während des 1. Weltkrieges auf Seiten der Alliierten kämpfen und dabei sehr viel Ausgrenzung und Rassismus erfahren.

Zunächst einmal scheint es auf dem Buchmarkt wichtig zu sein, trendige Themen zu bedienen. Rassismus ist ein solches Thema und es wird noch interessanter, wenn lange vergangene und selten thematisierte Ereignisse damit verbunden sind.

June, die sich ab der Veröffentlichung von Athenas Buch Juniper nennt, argumentiert, dass sie dem Buch überhaupt erst eine Leserschaft ermöglicht. Es wäre sonst im Nachlass verschwunden, niemand hätte sich je danach erkundigt. Sie hat außerdem noch zusammen mit einer Lektorin monatelang daran gearbeitet, hat Passagen gekürzt, andere erklärend hinzugefügt und so ist es ein Gemeinschaftswerk geworden. Die Idee und das Grundgerüst kamen allerdings von Athena und June unterlässt es, diesen wichtigen Punkt zu erwähnen.

June hatte lange gemutmaßt, dass junge weiße Frauen auf dem Buchmarkt als Autorinnen wenig nachgefragt seien. Sie hatte es darauf zurückgeführt, dass sie keinen besonderen Werdegang, keine Verfolgung in ihrer Vita vorweisen konnte und somit für die Buchwelt uninteressant sei. Später beschwert sich eine ihrer Kontrahentinnen genau über das Gegenteil. Sie habe kein Gehör gefunden, weil man mit Athena ja bereits eine Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln unter Vertrag habe.

Dieses Buch allerdings schlägt ein, also muss es doch am Thema oder Inhalt liegen. Ohne große Schwierigkeiten findet sie einen namhaften Verlag und alle Unterstützung, die sie sich schon für ihr eigenes Buch gewünscht hätte. Es gibt eine mit viel Marketingmaßnahmen unterstützte Einführungskampagne, öffentliche Lesungen, Nominierungen für Buchpreise, Juniper ist einfach in aller Munde.

Aber wo Licht ist, da ist meistens auch Schatten. Erste Kritiker merken an, dass sie keinen chinesischen Hintergrund habe und daher nicht über dieses Thema authentisch schreiben könne.

Andere werfen ihr doch tatsächlich vor, sich bei Athenas Ideen bedient zu haben.

Als plötzlich noch Athenas Exfreund als Athenas Geist im Internet auftaucht ist es mit ihrer Ruhe vollends vorbei.

Ich hätte recht lange ihrer eigenen Erklärung folgen können, dass sie diesem Buch zu einer Leserschaft verholfen hat. Natürlich wäre es ehrlicher gewesen, Athenas Namen als Verfasserin dann auch zu nennen, zumal ihr das eine Menge Ärger erspart hätte. June aber hangelt sich von einer Lüge zur nächsten und macht die ganze Sache damit immer nur noch schlimmer. Ihre Kontrahentinnen schweigen nicht, im Internet tobt der Shitstorm und June kann ihre Augen nicht von den Einträgen bei Instagram oder Twitter lassen. Sie ist regelrecht süchtig danach, zu erfahren, was andere über sie denken und schreiben.

Ich bin selbst weder bei Facebook, Instagram noch Twitter aktiv und nach der Lektüre des Buches bin ich auch froh darüber. Es scheint mir, als ob jede Stimme auch eine Gegenstimme provozieren würde und der Ton ist äußerst rauh und verletzend. Kein Wunder, dass June mit der Zeit an Verfolgungswahn leidet, zumal ihr ehemalige Kritikerinnen immer mehr zusetzen. Nicht, um Athena Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ganz im Gegenteil: es geht lediglich um das eigene Ego und um das erhoffte große Einkommen.

Irgendwie schien mir die Verlagswelt ein Haifischbecken zu sein, ein Fressen oder gefressen werden. Und so endet das Buch dann auch: Bei so viel Publicity hilft nur, immer wieder Öl ins Feuer zu gießen, um die Flamme brennen zu lassen. Keine wirklich guten Aussichten, aber sie rentieren sich.

Es sind eine ganze Reihe gerade aktueller Themen oder Streitpunkte, die ihren Niederschlag im Buch finden:

.Cancel Culture (Ächtung von vermeintlichem Fehlverhalten)
.Gendern (geschlechterbewusster Sprachgebrauch um die Gleichbehandlung aller Geschlechter/Identitäten zum Ausdruck zu bringen) - wird im Buch konsequent verfolgt
.Kulturelle Aneignung
.Rassismus
.Umgekehrter Rassismus

Ich fand das Buch sehr lesenswert, es arbeitet noch mit mir, vielleicht lese ich es in einigen Monaten ein zweites Mal.

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Veröffentlicht am 15.04.2024

Gegen die Liebe ist kein Kraut gewachsen

Gärten, Gift und große Liebe
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In der Nähe von Oberdistelbrunn hat ein Wellness-Resort eröffnet und die Seniorenrunde um Pauline und Berta begibt sich zum Basenfasten dorthin. Von Anfang an scheint es allerdings mehr Paulines Idee gewesen ...

In der Nähe von Oberdistelbrunn hat ein Wellness-Resort eröffnet und die Seniorenrunde um Pauline und Berta begibt sich zum Basenfasten dorthin. Von Anfang an scheint es allerdings mehr Paulines Idee gewesen zu sein, Berta bekommen weder vegane Süppchen noch Austernseitlingpüree mit Pastinaken und ihre Laune wird immer schlechter. Bis es zum ersten Mord kommt, dem wenig später der zweite folgt.

Dank Pauline werden die beiden Toten überhaupt als Mordopfer identifiziert, sie riecht das verabreichte Gift und kennt die Symptome verschiedener Giftpflanzen, ihr kann man nichts vormachen. Eine ebenfalls anwesende Ärztin hätte es als bedauerlichen normalen Sterbefall durchgewunken.

Im Resort häufen sich die Vergiftungsversuche und selbst zuhause im Dorf nach abgebrochener Fastenwoche findet man vergifteten Joghurt, vergiftete Nusshörnchen etc.

Der vollkommen orientierungslose Kommissar Hartmann und sein Untergebener Kapplhuber tappen völlig im Dunkeln und schießen sich lieber auf Pauline und ihren etwas außergewöhnlichen Neffen ein, auch wenn ein Motiv weit und breit nicht zu erkennen ist und die beiden wasserdichte Alibis haben.

Und so bleibt die Ermittlungsarbeit wieder einmal an Pauline und Berta, aber auch an Bobo und Elsbeth hängen, die dank ihrer Neugier und geheuchelter gut nachbarschaftlicher Bemühungen langsam Licht ins Dunkel bringen.

Klaudia Blasl versteht es, die Lachmuskeln des Lesers in Schwingungen zu versetzen. Ihre Protagonistinnen sind schlagfertig und spontan, bei ihren Kommentaren bleibt kein Auge trocken. Bobo ist so direkt und mit schwarzem Humor gesegnet, dass selbst Pauline manchmal schluckt, Elsbeth kommt mehr aus dem Hinterhalt, ihr traut man es gar nicht zu, dazu wirkt sie zu verpeilt. Umso schlagkräftiger ist sie dann.

Ohne zu viel vom Inhalt schon verraten zu wollen, mir gefielen vor allem:

. der Wortwitz, die Doppeldeutigkeiten und Redewendungen, die man sich merken sollte (und das auf fast jeder Seite)
. Klaudia Blasls enorme Kenntnis zu Pflanzen, auch solchen die giftig sind

Motiv und Lösung des Falles drängen sich ein wenig auf den letzten Seiten, da tat ich mich beim ersten Lesen noch schwer, beim zweiten Lesen hatte ich es dann auch begriffen.

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Veröffentlicht am 10.04.2024

Dreifacher Mord im idyllischen Friedrichsstadt

Kalte Marsch
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Es handelt sich hier um den 10. Fall der Reihe um Ermittler John Benthien.
Cover und Titel des Buches passen meiner Meinung nach nicht so ganz zur Handlung, muten aber norddeutsch an.

Nach seiner Strafversetzung ...

Es handelt sich hier um den 10. Fall der Reihe um Ermittler John Benthien.
Cover und Titel des Buches passen meiner Meinung nach nicht so ganz zur Handlung, muten aber norddeutsch an.

Nach seiner Strafversetzung leitet John die Polizeiwache von Friedrichsstadt, einem ruhigen Ort mit holländischem Flair. Er ist nicht ausgelastet mit dem Retten von Katzen oder dem Schlichten eines Nachbarschaftsstreites, manchmal sind es auch die Streiche einiger übermütiger Jugendlicher, die seit einiger Zeit ihr Unwesen in Friedrichsstadt treiben. Aber er sieht ein, dass er sich seine Situation mit dem Unterschlagen von Beweisen in einem zurückliegenden Mordfall selbst zuzuschreiben hat. Und überdies hatte er sich auch noch in die Täterin verliebt und seine langjährige Partnerin und Kollegin Lilly Velasco mit ihr betrogen.
Aber die Verbrechen machen auch vor einem malerischen Ort wie Friedrichsstadt nicht Halt.
Ein Ehepaar, Laas und Mette Riewerts, das einer Freikirche angehörte, wird ermordet aufgefunden. Verdächtige gibt es viele und es stellt sich bald heraus, dass die erste Frau des ermordeten Mannes, Eef, vor 10 Jahren ebenfalls spurlos verschwand und nie wieder auftauchte. Ein Unwetter, das den Ahorn im ehemaligen Garten des Ehepaars entwurzelt, bringt ihre Leiche ans Tageslicht. Könnten beide Fälle etwas mit der Sekte zu tun haben, der sie angehörten.
Das Buch ist spannend geschrieben. Wir lernen die Sachverhalte aus der Sicht verschiedener Personen kennen: Da ist John, da ist aber auch seine ehemalige Partnerin Lilly, die jetzt die Ermittlungen leitet und da ist Sanne, eine sehr engagierte Staatsanwältin, die auch persönliche Gründe hat, bei den Ermittlungen gegen die Sekte dabei zu sein. Sie ist die Gegenspielerin von John, denn sie war es, die heimlich in seinem letzten Mordfall intern gegen ihn ermittelte und seine Verfehlungen ans Tageslicht brachte. Sie hat sich die Einmischung von John in den Mordfall verbeten, stellt aber bald fest, dass er einfach die bessere Ortskenntnis hat und lenkt ein, da sie eigentlich auch ihre eigene Befangenheit hätte melden müssen.
Lange misst sie mit zweierlei Maß. Bei anderen geht sie nach dem Wortlaut des Gesetzes, bei sich selbst setzt sie bis fast zum Schluss andere Maßstäbe an.
Wie in Cozy Crimes üblich spielt natürlich auch das Privatleben der Ermittler immer eine gewisse Rolle. So weiß John bisher nicht, dass das Kind seiner ehemaligen Partnerin Lilly auch sein Kind ist. Und irgendwie will sich fast nie die Gelegenheit zu einem Gespräch unter vier Augen ergeben.
Das Buch macht schon neugierig auf die Vorgängerbände, man muss sie zum Verständnis dieses Buches nicht gelesen haben, aber da liegt doch einiges in der Vergangenheit, was ich gerne noch erfahren würde.
Gut fand ich, dass auch Johns kleinere Ermittlungen wegen Vandalismus nicht einfach nur Nebenschauplätze waren, sondern sogar noch zur Klärung des Falles maßgeblich beitragen konnten.

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Veröffentlicht am 07.04.2024

Was für ein ergreifendes Schicksal!

Und Großvater atmete mit den Wellen
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Anders als im ersten Buch von Trude Teige über die Großeltern von Juni Bjerke spielt dieser zweite Band nicht auf zwei Zeitebenen. Man erkennt ihn gut als Fortsetzung des ersten Bandes, weil das Cover ...

Anders als im ersten Buch von Trude Teige über die Großeltern von Juni Bjerke spielt dieser zweite Band nicht auf zwei Zeitebenen. Man erkennt ihn gut als Fortsetzung des ersten Bandes, weil das Cover ähnlich gestaltet ist.

Ganz zu Anfang stellt Juni ihren Großvater Konrad und die Familienverhältnisse kurz vor, dann wechselt die Handlung in das Jahr 1943 und mitten in den Zweiten Weltkrieg, dieses Mal allerdings am anderen Ende der Welt, im damaligen Java. Konrad hat in dieser Zeit dort Schlimmes erlebt.

Japan versuchte Anfang der 1940er Jahre andere Länder in Asien zu unterjochen. Vor allem sollte hier die Vorherrschaft der Niederländer sowie der Engländer gebrochen werden und so fand ein gnadenloser Krieg auf dem Meer statt. Wurde ein Handelsschiff aufgebracht, so wanderte die Besatzung in japanische Internierungslager, die den deutschen Lagern in nichts nachstanden.

Trude Teige hat diese Jahre anhand von Zeitdokumenten sehr gut recherchiert.

Die Schilderung dieser Umstände treibt dem Leser schon mal die Tränen in die Augen, obwohl die Autorin es vermeidet, rührselig zu werden. Dennoch werden die Umstände in den Lagern sehr plastisch geschildert.

Trotz dieser schwierigen Bedingungen gedeihen auch im Krieg Liebe und Mitmenschlichkeit. Konrad lernt im Krankenhaus Sigrid kennen, ebenfalls Norwegerin, die ihn nach seiner Odyssee in einem Rettungsboot mitten auf dem Ozean gesund pflegt. Sie verlieben sich ineinander, werden dann aber in getrennten Lagern interniert. Für beide soll das Leben nach Ende des Krieges neu beginnen, diese Hoffnung hält Konrad und Sigrid aufrecht.

Doch Konrad muss bei Kriegsende allein nach Europa zurückkehren, seine Verzweiflung und die Schuldgefühle fressen ihn auf. Er fühlt sich verantwortlich, Freunde und seinen Bruder nicht haben retten zu können und selbst für Sigrid kein Beschützer gewesen zu sein.

Die Geschichte Konrads berührt und lässt mich auch noch Tage später über sein Schicksal nachdenken. Es schien mir, als ob er an Teklas Kind und Enkelin gutmacht, was ihm in der Zeit in Asien nicht gelungen ist.

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Veröffentlicht am 06.04.2024

Trauer ist Liebe zu dem, den man verloren hat

Als Großmutter im Regen tanzte
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Juni kehrt ins Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf einer kleinen norwegischen Insel nahe Kragerǿ zurück. Sie hat in den letzten Jahren nicht nur ihre geliebten Großeltern, sondern auch ihre Mutter verloren. ...

Juni kehrt ins Haus ihrer verstorbenen Großeltern auf einer kleinen norwegischen Insel nahe Kragerǿ zurück. Sie hat in den letzten Jahren nicht nur ihre geliebten Großeltern, sondern auch ihre Mutter verloren. Juni hat kurz vorher festgestellt, dass sie schwanger ist, und zu dem Zeitpunkt ist sie sich sicher, das Kind von ihrem Mann, mit dem sie gerade große Probleme hat, nicht austragen zu wollen.

Sie hat im Haus der Großeltern unbeschwerte Zeiten verbracht, hatte aber auch immer das Gefühl, Mutter und Großmutter nicht wirklich zu kennen. Vor allem gab es da die ständigen Auseinandersetzungen zwischen Großmutter und Mutter.

Das Haus bedarf einer Aufräumaktion und so macht sich Juni ans Werk. Dabei stößt sie auf alte Fotografien, die weitere Fragen aufwerfen, denn sie zeigen ihre Großmutter an der Seite eines deutschen Soldaten. Das Bild muss gegen Ende des 2. Weltkriegs aufgenommen worden sein.

Ins Nachbarhaus ist unterdessen ein junger Historiker eingezogen, der sich gerade von seiner Frau getrennt hat. Er bringt den nötigen Elan und die Neugier mit, diesen Fragen auf den Grund zu gehen.

Die Nachforschungen führen die beiden in den Osten Deutschlands und in die unmittelbare Nachkriegsgeschichte des sich gerade teilenden Landes und ich lerne von einer Norwegerin einen Teil der deutschen Geschichte kennen, der mir selbst fremd war.

Das Buch ist in verschiedenen Zeitebenen geschrieben, optisch hervorgehoben durch verschiedene Schrifttypen. Solange es um Tekla geht, wird von ihr in der 3. Person berichtet, Juni in der Gegenwart ist Ich-Erzählerin.

Trude Teiges Buch ist ein Werk, bei dem man anfängt zu recherchieren und so habe ich auf den Seiten des Deutschlandfunks, aber auch in namhaften Publikationen Aufsätze über die Zeit gefunden. Rückblicke 70 Jahre nach Kriegsende, aber auch Eingeständnisse, dass noch lange nicht alles aufgearbeitet ist, was hätte aufgearbeitet werden können. Der Hass der Norweger entzündete sich jahrzehntelang an den jungen Mädchen, die sich mit deutschen Soldaten eingelassen hatten, sie zum Teil auch geheiratet hatten und Kinder mit ihnen in die Welt gesetzt hatten. Erst 70 Jahre nach Kriegsende hat sich die norwegische Ministerpräsidentin für die Verfolgungen dieser Zeit, den Entzug der norwegischen Staatsbürgerschaft, das Scheren der Haare, die Unterbringung in Lagern und die Vertreibung aus Norwegen entschuldigt.

Ich hätte nie gedacht, dass die Norweger nach dem Krieg den Deutschen so viel Hass entgegenbrachten. Die Erinnerung mag beeinflusst sein von Willy Brandt, der dort während des Krieges Zuflucht fand. So sah ich die Norweger als mehr oder weniger neutral, jedenfalls aber nicht als so deutschfeindlich an.

Trude Teiges Buch zeigt aber auch – einmal abgesehen von den geschichtlichen Fakten – wie sehr die Vergangenheit Menschen in der Gegenwart noch prägen kann. Lilla, Junis Mutter, spürte trotz gegenteiliger Beteuerungen immer eine gewisse Ablehnung Teklas ihr gegenüber und wurde davon geprägt. Tekla wird, wann immer sie ihre Tochter sah, an Demmin zurückgedacht haben. So konnte zu dem Kind nie eine vorurteilsfreie Liebe entstehen. Obwohl Lillas Situation nur angerissen wird, scheint es mir in ihrem Fall ähnlich gewesen zu sein und nun soll Juni sich für oder gegen ein Kind entscheiden und es besteht die Gefahr, das Trauma weiter zu vererben.

Für mich war das Buch ein Exkurs in die deutsch-norwegische Geschichte, in einen unbekannten Teil deutscher Nachkriegsgeschichte unmittelbar nach Kriegsende, aber auch ein Appell für mehr Offenheit miteinander.

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