Profilbild von Jackolino

Jackolino

Lesejury Profi
offline

Jackolino ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Jackolino über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.09.2023

Gut gehütete Geheimnisse

Die Windsor-Akte
1

Die Geschichte beginnt in den ersten Monaten des Zweiten Weltkrieges. Der englische König Edward hat wegen Wallis Simpson auf den Thron verzichtet und befindet sich in Paris und feiert dort rauschende ...

Die Geschichte beginnt in den ersten Monaten des Zweiten Weltkrieges. Der englische König Edward hat wegen Wallis Simpson auf den Thron verzichtet und befindet sich in Paris und feiert dort rauschende Feste. Man hat ihm Bedienstete zur Seite gestellt, die aber auch vom Geheimdienst instruiert wurden und Edward bespitzeln sollen. Einer davon ist Ajax Doggerton, ein Student der Literaturwissenschaft, eigentlich in erster Linie an Shakespeare interessiert und nun damit beauftragt, sich in die große Politik möglichst unauffällig einzumischen.
England hat Angst, dass Edward sich von den Nazis umgarnen lässt, Hitler und Ribbentrop hätten nämlich gerne eine willfährige Enkelin von Kaiser Wilhelm auf dem englischen Thron gesehen.
Ajax ist kaum in Paris angekommen, da verliebt er sich schon in Lydie, eine der weiblichen Bediensteten des Herzogspaars. Seine Berichte nach London entstammen mehr seiner Phantasie als der tatsächlichen Wahrheit.
Als die Nazis in Paris einmarschieren, flüchtet das Herzogspaar nach Süden. Ihnen auf den Fersen der britische Geheimdienst mit Mordplänen an Edward und Wallis sowie die deutsche Prinzessin Katharina, die einfach nicht wahrhaben will, dass Edward sie abgelehnt hat.
Die Flucht von Katharina und Lydie vor den sie verfolgenden Agenten Gallaghers konnte man sich bildlich vorstellen. Herrlich, dieser Stopp auf dem Bauernhof mit dem kussfreudigen Gaspard. Und wie dann Lydie blitzschnell in die Rolle der Bäuerin schlüpfte. Auch der Handel mit dem Sargschreiner war genial.

Hätte das Ganze nicht einen wahren Kern, man hätte es gut für das Produkt der schriftstellerischen Phantasie des Autors halten können. Es ging manchmal zu wie in einem Bond-Film, aber auch da befand man sich ja in den Diensten Seiner oder Ihrer Majestät.

Insofern ist es sehr gut, dass Dirk Husemann ganz zum Schluss den geschichtlichen Hintergrund erläutert und erklärt, warum es für Churchill so kompromittierend gewesen wäre, wenn die Akte zu einem frühen Zeitpunkt öffentlich geworden wäre. Dass dafür auch kurz nach Kriegsende noch getötet worden wäre, zeigt einmal mehr die Verblendung und den blinden Gehorsam der mit der Akte Betrauten.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Thema
Veröffentlicht am 30.08.2023

Manches Problem braucht nur einen guten Zuhörer

Hör auf dein Herz, auch wenn es stolpert
0



Floriane ist gerade 50 geworden und hat mit ihrem Mann und guten Freunden und Kollegen eine rasante Geburtstagsparty hinter sich. Alles scheint in Ordnung, schließlich ist 50 das neue 30. Also, kein ...



Floriane ist gerade 50 geworden und hat mit ihrem Mann und guten Freunden und Kollegen eine rasante Geburtstagsparty hinter sich. Alles scheint in Ordnung, schließlich ist 50 das neue 30. Also, kein Grund zur Sorge… oder doch?

Der erste Schlag trifft sie am Abend. Gerade ist die Wohnung aufgeräumt und wieder ansehnlich, das Essen (wenn auch nur Reste von der Party) steht auf dem Tisch, als Wenzel, ihr Mann, ihr das Ende ihrer Ehe verkündet und sie bittet, innerhalb von einer Stunde die Wohnung zu verlassen. Vollkommen durcheinander flüchtet sie in das Notzimmer des Hotels, dessen Managerin sie ist, doch auch da wird ihr am nächsten Tag gekündigt. Eine über 50jährige schwäche die Credibility in einem Haus, das sich gerade zum Ziel gesetzt habe, jünger, hipper und unique zu werden. Jetzt bleibt nur noch Tante Ilse!

Auch wenn der Roman den Regeln des Spannungsauf- und abbaus folgt und damit in gewisser Weise ein Happy End erwartet werden kann, so ist er humorvoll geschrieben. Besonders gut gefallen hat mir tatsächlich die Szene mit Clemens und Cleo, die zwar Floriane vor die Tür setzen, sich aber mit ihrem „Businesskasper-Englisch“ vollkommen lächerlich machen. Und die letzte Botschaft an Wenzel zeugt wirklich von Schlagfertigkeit und Humor!!

Floriana macht tatsächlich das Beste aus ihrer Situation. Sie tut das, was sie am besten kann, nämlich zuhören, und zieht aus den Lebensbeichten ihrer Klienten auch Erkenntnisse für sich selbst. Womit wir wieder beim Denglisch wären, schließlich ergibt sich eine Win-Win-Situation.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.08.2023

Ein kleiner Schritt...in den Tod

Canaria Criminal
0

Ein kleiner Schritt ... in den Tod!

Der Autor Daniel Verano alias Daniel Wehnhardt lebt zwar in Nordhessen, ist aber nach einem längeren Aufenthalt auf den Kanaren dem Charme der Inseln verfallen und ...

Ein kleiner Schritt ... in den Tod!

Der Autor Daniel Verano alias Daniel Wehnhardt lebt zwar in Nordhessen, ist aber nach einem längeren Aufenthalt auf den Kanaren dem Charme der Inseln verfallen und kehrt seither jährlich für einige Zeit dorthin zurück.

Es gibt einen ersten Krimi in dieser Serie – Canaria mortal – den ich bisher noch nicht kenne. Ich wäre nun aber durchaus daran interessiert, weil doch hin und wieder darauf Bezug genommen wird. Der zweite Kanaren-Krimi spielt auf Gran Canaria. Wie in ganz Europa so gibt es auch in Spanien Rechtspopulisten. Einer von ihnen ist Francisco Fraude, frisch gewählter Parteichef der rechtsextremen RAZÓN, der auf den Kanaren Wahlkampf macht und seine Chancen mit einem spektakulären Fallschirmsprung erhöhen möchte. Die Insel-Bevölkerung ist gespalten, während man ihm 30 % der Stimmen zutraut, sind viele auch vehement gegen ihn und fürchten den Rechtsruck der Insel.

Gegen ihn sind vor allem die linksgerichteten Zeitungen der Insel, unter ihnen LA VIDA, bei der Felix und Candela arbeiten. Der Chefredakteur hat sich sogar einer Gruppierung angeschlossen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, ihn zu verhindern.

Francisco Fraude macht seine Ankündigung wahr und springt… in den Tod. Der Fallschirm öffnet sich nicht und er schlägt mit voller Wucht auf den Felsen auf. Hier kommt nun die Polizei ins Spiel, war es ein Unfall oder war es Mord? Technisches Versagen kann praktisch ausgeschlossen werden, also muss jemand nachgeholfen haben.

Ana Montero ermittelt zusammen mit ihrem Kollegen Ruiz. Ihr Weg führt sie kreuz und quer über die Insel. Dabei kommt allerdings bei einem Tempo von 160 km/h wenig entspannte Urlaubsstimmung auf.

Felix und Candela ermitteln auf eigene Faust im eigenen Milieu und stoßen auch da auf einige Ungereimtheiten. Erst ganz spät treffen sich Anas und Felix Wege wieder und tatsächlich kann dieses Treffen in dem Fall zur Lösung beitragen.

Ein dritter Handlungsstrang ist in der Ich-Form geschrieben und bleibt anonym. Hier spricht der Täter, den man allerdings erst sehr spät identifizieren kann.

Neben der Lösung des Falles liegt in diesem Krimi auch ein starker Fokus auf den gefühlsmäßigen Befindlichkeiten der einzelnen Protagonisten. Dadurch lernt man die Personen besser kennen, aber es lenkt natürlich auch von den Ermittlungen ab.

Das Buch liest sich flüssig, ist immer wieder mit spanischen Floskeln durchsetzt, die aber nicht stören, zumal man die Übersetzungen am Ende des Buches findet. Bei einem so umstrittenen Mordopfer gibt es auch genügend Verdächtige, so dass das Buch bis zum Schluss spannend bleibt. Als Cozy würde ich es nicht unbedingt bezeichnen, dafür kommt der Landschaft, den Menschen, der Küche, dem Wein nicht genügend Bedeutung zu, aber gewaltsam und blutrünstig ist es auf jeden Fall auch nicht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.08.2023

Auf der Suche nach der Wahrheit

Die Passage nach Maskat
0

Hier gab es für mich gleich zwei Gründe, mich für das Buch zu interessieren, zum einen habe ich fast alle Bücher von Cay Rademacher gelesen, gerne gelesen muss ich sagen, und zum anderen führte mich unser ...

Hier gab es für mich gleich zwei Gründe, mich für das Buch zu interessieren, zum einen habe ich fast alle Bücher von Cay Rademacher gelesen, gerne gelesen muss ich sagen, und zum anderen führte mich unser letzter Urlaub in den Oman und wenn dann Maskat schon im Buchtitel auftaucht, dann spricht es an und weckt Erinnerungen.
Für das Buch spricht auf jeden Fall auch das Cover, sehr ansprechend und mit dem dampfenden Schornstein und dem gut gekleideten jungen Paar an der Reling auf eine Schiffsreise auf einem Luxusdampfer hindeutend.
Im Oktober 1929 geht eine bunte, internationale Gesellschaft an Bord der Champollion und reist quer durch die Meere bis nach Maskat. Da sind Theodor Jung, ein Fotograf aus Berlin mit seiner jungen Frau Dora, Doras gesamte Familie, der Prokurist der Firma, eine englische Apothekerin mit ihrer armenischen Gesellschaftsdame, ein italienischer Rechtsanwalt, eine französische Stewardess und ein amerikanischer Ingenieur. Alles könnte so schön sein – wenn nicht Dora spurlos verschwinden würde. Eine Dame, von der anschließend die allermeisten Mitpassagiere und Seeleute behaupten, dass sie nie auf der Champollion gewesen sei. Theodor Jung ist verzweifelt und weiß von Tag zu Tag weniger, was er glauben soll. Sollte ihm sein täglich eingenommenes Schlafmittel Phantasien von der Anwesenheit seiner Frau vorgegaukelt haben, obwohl sie doch offensichtlich und nachweisbar Telegramme aus Berlin schickt und obwohl nichts in der Kajüte mehr auf ihre Anwesenheit schließen lässt.
Wären da nicht immer wieder ungeklärte Unfälle wie z. B. ein sich lösender Stein in der Wüste, der Jung fast erschlägt, so dass er sich schließlich selbst in Gefahr wähnt, dann hätte er möglicherweise tatsächlich an sich gezweifelt. Doch es gibt Hinweise auf krumme Geschäfte, auf Familienstreitigkeiten, darauf, dass nicht alles so ist wie es scheint. Und so nutzt Theodor Jung die Tage auf dem Schiff, um diesem Geheimnis um seine Frau auf die Spur zu kommen.
Die Zeit an Bord ist sehr anschaulich in atmosphärischer Dichte beschrieben, der Luxus eines Dampfers der 20er Jahre mit viel Platz für die Oberschicht und ganz beengten Verhältnissen für die Reisenden in den billigen Klassen, das opulente Essen, der in Strömen fließende Champagner, aber natürlich auch das heiße Klima im Suezkanal, die stehende Luft, die schweißtreibende Schwüle in den Kabine. Nicht zu vergessen, das ständige Aufeinandertreffen mit den immer gleichen Personen: Man kann sich kaum aus dem Weg gehen und das ist eine Herausforderung, wenn man sich bedroht fühlt.

Die Handlung im Buch entwickelt sich langsam, so wie die Fahrt mit dem Luxusdampfer. Zweifelt Jung anfangs noch an sich selbst, so fügen sich nach und nach Puzzleteile zusammen. Täglich kommen neue Erkenntnisse dazu, aber auch die Einsicht, dass er keinem der Passagiere trauen kann und so entwickelt sich zwischen ihm und der Stewardess, die ebenfalls seit 12 Jahren noch ihrem im 1. Weltkrieg verschollenen Verlobten sucht, ein stilles Einverständnis und eine Komplizenschaft.
Maskat und seine Corniche sind schön beschrieben, das blaue Licht bei Sonnenaufgang, die Burg im Hintergrund, die Dhaus im Hafen. Und hier klärt sich nun auch alles auf, ein nicht erwartetes Ende, klug eingefädelt, wenn auch nicht für alle Beteiligten mit glücklichem Abschluss.
Das Buch ist mit den Krimis um Roger Blanc nicht zu vergleichen, es spielt in einer anderen Zeit zwischen verschiedenen Kontinenten und manchmal hat man das Gefühl, dass an Bord eine gewisse Gesetzlosigkeit herrscht, die die Beteiligten jeweils zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen. Jedenfalls empfand ich das Ende als relativ offen, was mir nicht ganz so gut gefiel.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.08.2023

Vor dem Sturm

Halligmord (Ein Minke-van-Hoorn-Krimi 1)
0

Das Cover zeigt ein reetgedecktes Haus an der Küste unter einem heranziehenden Sturm, also sehr passend zu unserem Fall.

Ein heranrückender Sturm fördert auf einer Hallig vor der friesischen Küste ein ...

Das Cover zeigt ein reetgedecktes Haus an der Küste unter einem heranziehenden Sturm, also sehr passend zu unserem Fall.

Ein heranrückender Sturm fördert auf einer Hallig vor der friesischen Küste ein menschliches Skelett zutage, das Skelett eines Arztes, der vor mehr als 30 Jahren lt. Aussagen der Halligbewohner eigentlich auf seinem Boot zu Tode gekommen war. Es stellt sich heraus, dass der Arzt erschlagen worden war.
Mit der Aufklärung wird Minke van Hoorn beauftragt, ursprünglich Meeresbiologin, nach dem Tode ihres Vaters aber auf den Polizistenberuf umgeschwenkt. Es wird ihr erster Fall. Eigentlich hatte Minke geglaubt, alle Halligbewohner zu kennen und keinem hätte sie einen Mord zugetraut, aber dann passieren immer mehr seltsame Dinge und ihre Nachforschungen bringen so einiges zutage.

Der erste Hallig-Krimi liest sich sehr gut. Auch wenn man noch nie an der Nordsee war, so kann man sich den Wechsel der Gezeiten und auch das manchmal ganz schlechte und neblige Wetter, das einem jegliche Sicht nimmt, anhand der Schilderungen vorstellen. Für mich ergaben sich während der Ermittlungen auch keine allzu großen Längen, Erkenntnis fügte sich an Erkenntnis und passte sich irgendwann im letzten Drittel dann in ein großes Bild ein. Das Ende war schlüssig und natürlich erinnerte es auch ein wenig an ein großes literarisches Vorbild.

So ein Krimi lebt nicht nur vom Fall allein und den sich anschließenden Ermittlungen, er lebt auch immer von den Personen, die darin geschildert werden. Minke wird sympathisch aber als sehr direkt dargestellt, ihre Mutter vielleicht ein bisschen alternativ aber nett, Bo, der Bruder und Rechtsmediziner ist zwar ein Stadtmensch, muss aber trotzdem manchmal helfend einspringen, David könnte der zukünftige Lebenspartner von Minke werden, Klaus, der Kollege, welcher in Ruhestand geht, ist zwar eine faule Socke, aber wenigstens gutmütig. Alle anderen Protagonisten dürften von Fall zu Fall wechseln.

Insgesamt würde ich sagen, ein Krimi, der einen mitnimmt in die Welt der kleinen Inseln vor der Nordseeküste und der gut unterhält, ohne grausam und blutrünstig zu sein.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere