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Veröffentlicht am 26.05.2024

Teil 1 der „Dramatischen München-Saga“

Glasvulkan - Schall & Rauch
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Richard findet nach dem Tod seiner Mutter Aufnahme im Haus seines Onkels in Temesvar (damals Österreich-Ungarn). Sein Cousin Ferenc (genannt Franci) und seine Cousine Blanka leben ebenfalls noch unter ...

Richard findet nach dem Tod seiner Mutter Aufnahme im Haus seines Onkels in Temesvar (damals Österreich-Ungarn). Sein Cousin Ferenc (genannt Franci) und seine Cousine Blanka leben ebenfalls noch unter dem Dach ihres Vaters, der einer der bedeutendsten Motorenhersteller ist; er ist Inhaber der M.A.S. Motorenwerke für Automobile und Flugzeuge. Durch seinen Umzug sind Richard und Franci nun in der gleichen Schulklasse und stehen kurz vor ihrem Abschluss.

Aufgrund seiner Herkunft ist Franci „Sohn reicher Eltern“ und genau das lebt er auch – er schert sich nicht um die Regeln der Gesellschaft, es ist ihm egal, dass er später einmal die Motorenwerke übernehmen soll, weil er das gar nicht will und er genießt sein Leben in vollen Zügen. Franci träumt davon eine berühmte Persönlichkeit im Filmbusiness zu werden.

Blanka ist leidenschaftliche Sängerin und träumt von einer Karriere im Musikbusiness. Sie ist jedoch etwas jünger als ihr Bruder und muss zuerst die Schule abschließen.

Richard stammt aus ärmlichen Verhältnissen und träumt davon zu studieren. Seine persönlichen und charakterlichen Eigenschaften fordern ihm und seinen Mitmenschen jedoch einiges ab, er wird überwiegend als anstrengend wahrgenommen, was es ihm erschwert Freundschaften zu schließen. Er hat Schwierigkeiten bei sozialen Interaktionen, ist leicht reizbar und schnell überfordert und zeigt besondere Verhaltensmuster, die auf eine Autismus-Spektrum-Störung hinweisen. Aus diesem Grund ist er auch nicht in der Lage, seine Gefühle für Blanka auszudrücken.

Trotz ihrer gesellschaftlichen und charakterlichen Unterschiede freunden Franci und Richard sich an und als Richard zum Studieren nach München zieht, folgt Franci ihm und sie beziehen gemeinsam eine Wohnung. Zwar macht in München jeder sein eigenes Ding, aber ihre Lebenswege sind und bleiben weiterhin eng miteinander verbunden.

Die Hyperinflation, die rasant steigende Anzahl der NSDAP-Anhänger und der damit aufkommende Antisemitismus in den 1920er Jahren machen Blanka, Franci und Richard das Leben schwer. Insbesondere Franci, der es tatsächlich geschafft hat bei den Emelka Filmstudios eine berühmte Persönlichkeit zu werden, gerät als gebürtiger Jude bald in den Fokus der Anfeindungen.

Können Blanka, Franci und Richard ihre Träume verwirklichen oder scheitern sie an den politischen Hürden?

Das Buch „Glasvulkan – Schall & Rauch“ wurde mir über die Kollaborationsplattform storrie.de von der Autorin Silvia Hildebrandt persönlich zur Rezension angeboten. An dieser Stelle vielen Dank für das in mich gesetzte Vertrauen.

Es handelt sich um den 1. Teil der „Dramatischen München-Saga“, die in der Print-Ausgabe 356 Seiten umfasst, und beschäftigt sich mit dem Werdegang der Protagonisten Blanka, Franci und Richard in den Nachkriegsjahren 1920 bis 1926.

Die Handlung des Buches gliedert sich in 3 Abschnitte:
– „Teil I: Mein kleiner grüner Kaktus“
– „Teil II: Straße, Freiheit, Gegenwart“
– „Teil III: Heut‘ geh’n wir morgen erst ins Bett“

Die Autorin Silvia Hildebrandt verknüpft in ihrem Buch mehrere Themen wie die Homosexualität von Franci und die Autismus-Spektrum-Störung von Richard mit den geschichtlichen und politischen Geschehnissen in der Zeit der noch jungen Weimarerer Republik und den damit zusammenhängenden Ereignissen wie der steigenden Zahl der NSDAP-Anhänger und dem damit aufkommenden Antisemitismus.

Ich habe die Geschichte der drei Freunde gerne und aufmerksam gelesen, sie hat mich jedoch nicht wirklich berührt. Richard, obwohl anstrengend, ist der liebenswerteste Protagonist der Geschichte. Was mich betrifft sind jedoch die Passagen, in denen Richard sich in ein Thema verbissen hat und dieses doziert, von der Autorin oftmals zu ausschweifend beschrieben und meine Gedanken schweiften dann ganz gerne von der Geschichte ab.

Franzi ist für mich der typische Sohn aus reichem Hause, der es permanent krachen lässt. Er interessiert sich nicht für das was andere Menschen denken, fühlen oder gar wollen, lebt seine Homosexualität sehr ausschweifend aus, konsumiert Drogen und sein Reichtum, den er mit seiner Karriere beim Film (damals Stummfilm) erlangt, ermöglicht ihm ein Leben in Saus und Braus, während andere Menschen nicht wissen, wo sie 200 Milliarden Mark für das Brot am nächsten Tag hernehmen sollen. Das verschafft ihm nicht nur Freunde, sondern auch Feinde und Neider.

Blanka ist in dieser Geschichte ein wenig untergegangen. Sie liebt Richard und Richard liebt sie, aber aufgrund des merkwürdigen Verhaltens von Richard (der seine Liebe nicht ausdrücken kann), heiratet sie einen anderen Mann. Ihre Karriere als Sängerin scheitert an ihrem jüdischen Aussehen. Bis sie dann doch mit Richard zusammenkommt, vergeht eine ganze Zeit.

„Glasvulkan – Schall & Rauch“ ist definitiv kein Buch, das man so nebenbei einfach wegliest. Der Schreibstil der Autorin ist sehr komplex, passt aber definitiv zu der Zeit in der die Geschichte angesiedelt ist. Man fliegt beim Lesen nicht einfach durch die Seiten sondern es braucht ein gewisses Maß an Konzentration, um alle beschriebenen Dinge und Situationen zu umfassen. Ein paar Schreibfehler haben mich beim Lesen gestört, was jedoch keinen Einfluss auf meine Bewertung hat.

Mir hat die Geschichte gefallen, aber sie hat mich – wie eingangs schon erwähnt – nicht wirklich berührt. Meine Sympathie beim Lesen gehörte Richard, aber auch nur, weil er den schwierigsten Part zu bestreiten hatte.

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Veröffentlicht am 11.05.2024

Zwei Leichen in einem Sarg

Düstergrab
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Einen Tag nach der Beerdigung ihres früheren Schulfreundes spricht der Friedhofswächter Kommissarin Frida Paulsen darauf an, dass sich etwas seltsames am Grab zugetragen hat. Die Anordnung der Kränze hat ...

Einen Tag nach der Beerdigung ihres früheren Schulfreundes spricht der Friedhofswächter Kommissarin Frida Paulsen darauf an, dass sich etwas seltsames am Grab zugetragen hat. Die Anordnung der Kränze hat sich über Nacht verändert, was den Verdacht nahelegt, dass das Grab erneut geöffnet wurde. Frida handelt sofort und erwirkt einen Beschluss, um zu überprüfen, ob die Leiche geschändet wurde. Sie und ihre Kollegen staunen nicht schlecht als sie feststellen, dass sich im Sarg zwei Leichen befinden. Auf dem Körper ihres Schulfreundes liegt die Leiche eines Mädchens. Es stellt sich heraus, dass es sich bei dem toten Mädchen um Lilly Harloff handelt, die vor vier Jahren zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Sophie aus dem Haus ihrer Pflegeeltern verschwand. Seitdem fehlt von den beiden Mädchen jede Spur. Die tote Lilly trägt ein Kopftuch und ein Kleid, die beide einer längst vergangenen Zeit zu entstammen scheinen. Wo hat sie sich die letzten vier Jahre aufgehalten?

Fridas ehemaliger Kollege Bjarne Haverkorn, der von der Mordkommission Itzehoe zum LKA nach Kiel gewechselt hat, ist derzeit damit beschäftigt, eine Cold-Case-Abteilung aufzubauen. Er erinnert sich an den Fall der vermissten Zwillingsschwestern. Da Fridas neuer Kollege Leo Bootz angeschossen wurde und sich schwer verletzt im Krankenhaus befindet, entscheidet Bjarne Haverkorn, sich freistellen zu lassen, um Frida und ihr Team bei den Ermittlungen zu unterstützen.

Aus welchem Grund wurde Lillys Leiche in diesem Grab versteckt?
Offensichtlich wollte der Täter vermeiden, dass sie gefunden wird.

Die Ermittlungen führen Frida Paulsen und ihr Team auf einen abgelegenen Gutshof.

„Düstergrab“ ist der 6. Band der „Elbmarsch-Krimi-Reihe“ von Romy Fölck. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen und auch ohne Vorkenntnisse lesbar und ich hatte keinerlei Probleme mich in den Fall einzufinden, da die Autorin immer mal wieder kurze Hinweise auf vorhergehende Geschehnisse einfließen lässt. Um die beruflichen, aber auch privaten Verbindungen zwischen den handelnden Personen mitzuerleben, hätte ich die Reihe jedoch in der richtigen Reihenfolge beginnen sollen.

Als erfreulich empfinde ich, dass die ermittelnden Kriminalkommissare sich mit ganz normalen Dingen wie Beziehungsproblemen oder Differenzen mit ihren Kindern herumschlagen und keine übergroßen Traumata aus vergangenen Fällen im Gepäck mit sich herumtragen.

Romy Fölck lässt in ihrer Geschichte viele Personen mitspielen, was für mich in Büchern oftmals ein Problem darstellt. Hier konnte ich jedoch jederzeit zwischen den einzelnen Personen differenzieren, nicht zuletzt weil die Autorin gerne den Bezug zu anderen Personen aufzeigt. Für mich, die ich erst im 6. Fall eingestiegen bin, war das sehr hilfreich.

Neben dem Handlungsstrang, der sich mit der Ermordung von Lilly Harloff und der Suche nach ihrer Schwester befasst, suchen Frida Paulsen und ihre Kollegen auch noch nach dem Täter, der auf Kommissar Leo Bootz geschossen hat. Das war ein gezielter Anschlag auf Bootz und kein Kollateralschaden, bei dem die Kugel jemand anderen hätte treffen sollen.

Ich habe keine Berührungspunkte und somit auch keinen Vergleich zu anderen Werken der Autorin, denn dieses war mein erstes Buch von Romy Fölck. Sie schlägt in ihren Ermittlungen eine Brücke zwischen einem Cold Case, nämlich dem spurlosen Verschwinden der beiden Zwillingsmädchen vor vier Jahren und dem (herbeigeführten) Tod von Lilly, der nur ein paar Tage zurückliegt. Durch viele abwechselnde Schauplätze an denen die Ermittlungen durchgeführt werden, hält die Autorin die Spannung durchgehend auf einem so hohen Level, dass man einfach weiterlesen muss um zu erfahren, was vor vier Jahren passiert ist.

Die handelnden Kriminalkommissare sind sympathisch, man mag ihnen gerne beim Ermitteln über die Schulter schauen. Die Auflösungen sowohl im Fall der beiden Zwillingsmädchen, als auch im Fall Bootz waren für mich stimmig und brachten die Geschichte zu einem runden Abschluss.

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Veröffentlicht am 14.04.2024

10 verlorene Jahre

Dich hatte ich nicht auf dem Wunschzettel
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Vor einem Jahrzehnt verließ Maja ihr Zuhause in den schottischen Highlands, um in Glasgow zu studieren und später als Steuerberaterin zu arbeiten. Als ihre Firma Konkurs anmeldet, endet auch ihre Beziehung ...

Vor einem Jahrzehnt verließ Maja ihr Zuhause in den schottischen Highlands, um in Glasgow zu studieren und später als Steuerberaterin zu arbeiten. Als ihre Firma Konkurs anmeldet, endet auch ihre Beziehung zu Rich. Maja beschließt, vorübergehend in ihr Elternhaus zurückzukehren und von dort aus nach einem neuen Job zu suchen.

Während ihrer Fahrt nach Glenavie besucht sie kurz ihre Freundin Kirsty, die an diesem Tag eine Einweihungsparty für ihr neues Haus veranstaltet. Dort trifft sie unerwartet auf Sam, mit dem sie eine gemeinsame Vergangenheit hat.

Zur Überbrückung ihrer arbeitslosen Zeit nimmt Maja einen Job im örtlichen Ski-Zentrum an, in dem sie früher schon sehr gerne gearbeitet hat. Dummerweise trifft sie dort aber jeden Tag Sam, der ebenfalls als Skilehrer im Zentrum arbeitet.

Bald wird beiden klar, dass ihre vergangene Beziehung nie wirklich abgeschlossen wurde. Maja glaubt, dass Sam Schluss gemacht hat, während Sam denkt, dass Maja diejenige war, die die Beziehung beendet hat. Dieses Missverständnis begleitet sie seit einem Jahrzehnt, da in beiden Fällen eine dritte Person die Nachricht über das Ende der Beziehung überbracht hat.

Könnte es sein, dass diese Person damals ein falsches Spiel mit Maja und Sam getrieben hat?

Kaum ist Maja wieder zu Hause bei ihren Eltern, spürt sie den enormen Druck, der von ihrem Vater ausgeht. Er wünscht sich, dass sie eine erfolgreiche Karrierefrau wird, daher ist er mit ihrer Entscheidung, im Skizentrum zu arbeiten, nicht einverstanden. Bei jeder Gelegenheit macht er ihr das deutlich. Maja fühlt sich dieser Erwartung nicht gewachsen, doch sie traut sich nicht, ein klärendes Gespräch mit ihrem Vater zu führen. Ihr wird ständig das Vorbild ihrer Schwester Elise vor Augen geführt, aber Maja erkennt, dass auch bei Elise nicht alles so ist, wie es nach außen scheint.

Sam ist in einer Beziehung mit Catriona. Bereits aus den ersten Beschreibungen dieser Frau wird deutlich, dass ihre Beziehung hochtoxisch ist. Catriona beherrscht die Kunst der Manipulation und weiß, wie sie Sam beeinflussen und für ihre eigenen Zwecke nutzen kann. Sam wird sich dieser Tatsache jedoch erst bewusst, als er wieder mehr Kontakt zu Maja hat.

Mit zunehmender Zeit, die Maja und Sam miteinander verbringen, wird ihnen immer klarer, dass ihre Gefühle füreinander nie wirklich erloschen sind. Sie beginnen, ihre vergangene Beziehung zu reflektieren und aufzuarbeiten. Dabei wird ihnen bewusst, dass sie beide damals belogen wurden. Anstatt noch einmal das persönliche Gespräch zu suchen, haben sie sich voneinander abgewandt und die Beziehung als beendet betrachtet. Auf diese Weise haben sie zehn Jahre verloren.

Die Autorin Zoe Allison erzählt die Geschichte über 442 Seiten abwechselnd aus der Perspektive von Maja und Sam, jedoch durch die Augen einer neutralen dritten Person. Ihr Schreibstil ist angenehm und flüssig lesbar.

Zoe Allison hat vielschichtige und sympathische Charaktere in Maja und Sam geschaffen, die mal stark und mal schwach sind und sich aufgrund ihres Alters und der Umstände noch nicht vollständig im Leben zurechtfinden. Auch die Freunde von Maja und Sam sind liebenswert, jeder auf seine eigene Art und Weise. Darüber hinaus ist Catrionas toxisches Verhalten letztendlich wichtig für die Geschichte, da es dazu beiträgt, dass die Handlung funktioniert.

Die Autorin hat einen wunderbaren Stil, um die alltäglichen Aspekte des Lebens ihrer Charaktere zu beschreiben – ihre Beschäftigungen, Arbeitsplätze und familiären Beziehungen. Jedoch hatte ich gegen Ende das Gefühl, dass die Geschichte auch mit etwa 50 Seiten weniger hätte auskommen können, da für mich der Handlungsstrang bereits vollständig erzählt schien.

Veröffentlicht am 06.04.2024

Irgendwann holt Deine Vergangenheit Dich ein

Keine Reue
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Barbara und Gernot Maienfeld kennen und lieben sich seit der gemeinsamen Studienzeit. Von außen betrachtet erscheinen sie ihrem Umfeld als wohlhabendes Paar, das seit vielen Jahren glücklich verheiratet ...

Barbara und Gernot Maienfeld kennen und lieben sich seit der gemeinsamen Studienzeit. Von außen betrachtet erscheinen sie ihrem Umfeld als wohlhabendes Paar, das seit vielen Jahren glücklich verheiratet ist. Sie leben in einer Altbau-Eigentumswohnung in Stuttgart, die sie vor einigen Jahren mit dem Geld aus einer Erbschaft gekauft haben. Gernot betreibt seit langer Zeit einen Ein-Mann-Verlag, Barbara hat früher als Rechtsanwältin gearbeitet. Jedes ihrer drei erwachsenen Kinder führt zwischenzeitlich sein eigenes Leben, so dass Barbara und Gernot sich nur um sich selbst kümmern müssen.

Gernots Verlag bringt jedoch schon seit einiger Zeit nicht mehr genügend Geld ein, immer mehr Rechnungen bleiben unbezahlt und so schlittern sie sehenden Auges auf einen Bankrott zu. Ihre beiden Kinder Leon und Louise sind nicht bereit ihnen finanziell aus der Klemme zu helfen, einzig Ben möchte darüber nachdenken, wird aber Zeuge eines brutalen Überfalles und bei dem Versuch dem Opfer zu helfen schwer verletzt.

Niemand aus dem Umfeld von Barbara und Gernot weiß, dass die Beiden in den 80er Jahren der linksextremistischen Szene zugewandt waren und damit zur 3. Generation der RAF-Sympathisanten gehörten: Gernot druckte in seinem Eigenverlag Flugblätter, Barbara vertrat straffällig gewordene Linksextremisten vor Gericht; weswegen sie sich mit ihren damals noch kleinen Kindern viele Jahre in der Eifel vor dem Verfassungsschutz versteckt halten mussten.

Von ihren Kindern haben sie aktuell keine finanzielle Hilfe zu erwarten, weswegen sie notgedrungen auf einen Kontakt aus der ehemaligen RAF-Zeit zurückgreifen. Nicht ahnend, dass ihnen deswegen bald ihr komplettes Leben um die Ohren fliegen wird.

Mit „Keine Reue“ hat Ellen Sandberg ihren 7. Spannungsroman vorgelegt und als Fan ihrer Geschichten musste ich natürlich auch dieses Buch lesen. Wie immer greift die Autorin dunkle Kapitel unserer deutschen Vergangenheit auf und verknüpft diese mit einer fiktiven Geschichte (die sich jedoch tatsächlich so zugetragen haben könnte). In diesem Buch führt sie den Leser zurück in die 1980er Jahre, als die 3. Generation der linksextremen RAF-Fraktion mit ihren Entführungen und Morden Deutschland in Atem hielt.

Die Geschichte der Maienfelds wird abwechselnd von verschiedenen Charakteren erzählt. Die Zeit in der Vergangenheit, Ende der 1980er Jahre, schildern sowohl Barbara als auch Lukas Isensee, der verschwundene Bruder von Gernot. Die Geschehnisse der Gegenwart, im Jahr 2019, werden von Ben (in Gesprächen mit seinen Geschwistern) und Polizistin Charlotte Bodmer stückchenweise aufgearbeitet.

Barbara und Gernot Maienfelds Kinder sind in den 1980er Jahren aufgewachsen. Früher nannte man diese Art der Erziehung, die Leon, Luise und Ben „genossen“ haben antiautoritäre Erziehung, heute würde man es Kindeswohlgefährdung nennen oder Vernachlässigung der Aufsichtspflicht. Barbara war nie gerne Mutter und das hat sie auch immer klar und deutlich kommuniziert. Sie und ihr Mann haben sich mehr ihren politischen Zielen gewidmet, als der Erziehung ihrer Kinder. Gernot ist Inhaber eines kleinen Verlages, dessen Publikationen sich mit Themen der linksextremistischen Szene identifizieren, Barbara ist Rechtsanwältin, die sich auf die Fahne geschrieben hat, die Gesellschaft und das politische System zu verändern – indem sie Mandanten verteidigt, die sich die Paradigmen der R.A.F. (Rote Armee Fraktion) zu eigen machten: Sie strebten nach Idealen des Kommunismus, wie sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Gleichheit.

In der Gegenwart ist Sohn Ben in einen Überfall verwickelt. Er ist auf seiner Joggingrunde auf einen Streit zwischen einem Pärchen aufmerksam geworden und wollte der Frau zu Hilfe eilen, dabei wurde er schwer verletzt und die Frau starb. Ben fehlen jegliche Erinnerungen an diesen Vorfall, seine letzte Erinnerung hat mit seinem Frühstück zu tun. Dabei fällt ihm auf, dass er schon immer gewisse Erinnerungslücken hatte, die sich auf Vorfälle in seiner Kindheit beziehen und sein Gehirn hat sich die Kindheit so schöngemalt, dass er – als einziges der 3 Geschwister – fest daran glaubt, dass ihre Eltern sie nicht vernachlässig haben.

Da der Täter des Überfalles einer kriminellen Bande angehört wird Ben unter Polizeischutz gestellt und er sucht – gemeinsam mit seiner Personenschützerin, Kriminalkommissarin Charlotte Bodmer – Zuflucht in der Eifel, in seiner alten Heimat. Dort plagen ihn Albträume und stückweise kommen die Erinnerungen an früher zurück. War seine Kindheit wirklich so schön, wie er sie sich die ganzen Jahre ausgemalt hat, oder schützt ihn sein Gehirn durch das Vergessen von negativen Erinnerungen vor erlebten Traumata?

Durch die Wiederkehr von Bens Erinnerungen und den rückblickenden Erzählungen von Barbara und Gernots Bruder Lukas ergibt sich Stück für Stück ein Bild dessen, was damals wirklich passiert ist und zusammen mit der Lawine, die Barbara und Gernot durch die angestrebte Lösung ihrer finanziellen Probleme in der Gegenwart lostreten, zeigt sich, dass man seine kriminelle Vergangenheit nie wirklich hinter sich lassen kann.

Wie gewohnt hat die Autorin Ellen Sandberg einen sehr angenehmen und gut zu lesenden Stil. Ebenfalls wie gewohnt habe ich das Buch in kurzer Zeit gelesen, wobei ich mit dem politischen Hintergrund der Geschichte nicht ganz so vertraut war und das Internet zu den Gräueltaten der 1., 2. und 3. Generation der RAF befragen musste.

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Veröffentlicht am 01.04.2024

Folge der Sehnsucht Deiner Seele

Sehnsucht nach Ruhm - Melvin
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Schon seit er ein kleiner Junge ist, hat Melvin Cane nur einen einzigen Traum: Er möchte ein berühmter Rockstar werden. Die Inhalte, die ihm in der Grundschule vermittelt werden interessieren ihn nicht, ...

Schon seit er ein kleiner Junge ist, hat Melvin Cane nur einen einzigen Traum: Er möchte ein berühmter Rockstar werden. Die Inhalte, die ihm in der Grundschule vermittelt werden interessieren ihn nicht, nur den Gesangsunterricht mag er. In der vierten Klasse lädt ihn seine Lehrerin dazu ein, an der Schulaufführung zwei Weihnachtslieder zu singen und von da an findet er die Schule ganz ok; insbesondere die Tage, an denen Musik auf dem Stundenplan steht. Seine Lehrerin bestärkt ihn darin, dass – sofern er hart an sich arbeite – aus seinem Gesang mehr als nur ein Hobby werden könne.

Als er mit 14 Jahren in den Stimmbruch kommt und wie ein Rabe krächzt, schenkt sein Vater ihm eine Gitarre, so dass er nicht komplett auf seine geliebte Musik verzichten muss. In einem Music-Camp im Rahmen der Sommerschule lernt er zwei Brüder aus Dansville kennen, Gary spielt Keyboard und John Gitarre. Sie gründen eine Band und die Garage wird ihr Proberaum. Nach dem Stimmbruch fängt Melvin wieder an zu singen und seine kleine Schwester Jackie ist sein größter Fan. Als Melvin 15 ist stirbt sein Vater und nachdem er mit 17 die High School gerade so abgeschlossen hat, packt er seinen Koffer. Mit 500 Dollar in der Tasche und der Gitarre über der Schulter macht Melvin sich bereit, der weiten Welt in Gestalt von New York gegenüberzutreten.

Melvin folgt der Sehnsucht seiner Seele: Der Sehnsucht nach Ruhm

Die Autorin Ava J. Thompson hat in ihrem Buch „Sehnsucht nach Ruhm: Melvin“ ziemlich realistisch beschrieben, wie steinig und schwer der Weg ist, wenn man ganz oben in der Liga mitspielen möchte.

Als Melvin sein Elternhaus verlässt um nach New York zu gehen, ist er überzeugt davon, dass die Welt nur auf ihn und sein Talent gewartet hat. Die Realität holt ihn jedoch ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Niemand interessiert sich für seine Musik, niemand möchte ihm eine Chance geben. Er spricht bei Banken vor um einen Kredit zu erhalten, er verteilt Demo-Bänder seiner Songs und spielt jeden Abend in einer heruntergekommenen Kneipe um sich finanziell über Wasser zu halten.

Dass der schnöde Mammon zwischen Wunschtraum und Realität stand, ernüchterte Melvin.

Melvin hat jedoch eine Eigenschaft, die viele andere nicht haben: Er hat Biss, er möchte zu den ganz Großen gehören und gibt nicht auf. Nach Monaten voller Frustration trifft er Alan Brolin und endlich bekommt er seine Chance. Alan und Melvin eröffnen als Partner ihre eigene Music Hall. Als „Melvin de Flame“ findet sein Leben auf einmal auf der Überholspur statt; seine Karriere geht steil und plötzlich verdient er mit seiner Musik Geld, viel Geld.

Dann kommt, was unweigerlich kommen muss: Melvin kann dem Druck und den Erwartungen an ihn nicht mehr standhalten, versucht seinen Stress mit Alkohol, Drogen und Prostituierten zu bekämpfen und auf dem Höhepunkt seiner Karriere stürzt er in eine Depression. Dann lernt er eine Frau kennen, mit deren Hilfe er wieder zurück ins Leben findet, seine Karriere geht weiter, aber seine Frau hat ebenfalls mit Problemen zu kämpfen. Nach einem gemeinsamen Urlaub stürzt Melvin erneut ab. Um schlafen zu können nimmt er Schlafmittel, um den Tag zu überstehen nimmt er Ritalin; ein Teufelskreis, den zu durchbrechen er nicht mehr die Kraft hat.

Mit dem letzten Kapitel des Buches schließt sich dann der Kreis – zumindest teilweise – zum ersten Kapitel, welches die Überschrift „Das Ende als Anfang“ trägt. Der Kreis schließt sich nur deswegen nicht ganz, weil das Ende offen ist, obwohl das erste Kapitel etwas anderes suggeriert.

Die Autorin Ava J. Thompson hat einen angenehmen Schreibstil, der sich gut und flüssig lesen lässt. Sie verliert sich nicht in der ausschweifenden Beschreibung von Kleinigkeiten, sondern legt ein gutes Tempo vor, aber ohne dass ich mich gehetzt fühle. Die Geschichte von Melvin ist zwar fiktiv, zeigt aber deutliche Parallelen zu Geschichten von realen prominenten Personen, die an ihrem Ruhm zerbrechen. Eine Geschichte, die sowohl unterhaltsam ist als auch zum Nachdenken anregt – ist es wirklich so erstrebenswert berühmt zu werden/sein?

Die „Sehnsucht nach“-Reihe findet ihre Fortsetzung in „Sehnsucht nach Liebe: Jackie“, die am 02.02.2024 erschienen ist und die Geschichte von Melvins Schwester Jackie erzählt.

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