Nicht immer ist alles so, wie es zu sein scheint
Die EntführungDie beiden Freundinnen Leni und Ronja verbringen einen Teil der Sommerferien mit Ronjas Vater in einem Haus am Chiemsee. An ihrem letzten Ferientag möchten die Beiden nochmal mit dem Rad zum See. Ihre ...
Die beiden Freundinnen Leni und Ronja verbringen einen Teil der Sommerferien mit Ronjas Vater in einem Haus am Chiemsee. An ihrem letzten Ferientag möchten die Beiden nochmal mit dem Rad zum See. Ihre übliche Abkürzung durch den Wald wird jedoch von einem Kleinlaster blockiert und beim Versuch diesen Kleinlaster zu umgehen, springen maskierte Männer aus dem Auto und kidnappen die beiden 15jährigen Mädchen. Schnell stellt sich heraus, dass die Erpressung dem millionenschweren Unternehmer Karl Festing gilt, Lenas‘ Vater.
Die Lösegeldforderung beläuft sich auf 3 Millionen DM und wird von einer Person eingefordert, die sich „Der Vollstrecker“ nennt. Die erste Kontaktaufnahme zwischen Festing und dem Entführer entwickelt sich zur Machtprobe, denn Festing möchte zum einen einen Betrag in dieser Höhe nicht zahlen und zum anderen glaubt er, dass der Vollstrecker nach seiner Pfeife zu tanzen hat und nicht anders herum. Nur der Einwirkung eines nahestehenden Mitarbeiters hat Leni es zu verdanken, dass ihr Vater dann doch bereit ist, die volle Summe für sie zu zahlen und die Bedingungen der Entführer zu akzeptieren. Trotzdem verlieren im Zusammenhang mit dieser Entführung mehrere Menschen ihr Leben.
Mit diesem nicht so ganz einfachen Fall (oder aber auch mit den nicht so ganz einfachen Menschen) setzen sich dieses Mal die Kriminalhauptkommissare Eva Schaller und Jakob Schuster auseinander.
Die Handlung im Buch ist in 2 Teile gegliedert.
Die Entführung selbst spielt im Jahr 2000 und aus diesem Grund fordern die Entführer ihr Lösegeld auch noch in DM und nicht in Euro. Am Ende dieses Abschnittes ist eine Person tot, die Entführung ist vorbei, es wurde jemand für diese Tat verurteilt und der Fall ist abgeschlossen. Aber ist er das auch wirklich?
Auch wenn man Traumata irgendwie verarbeiten kann und die Entführung schon 17 Jahre zurück liegt, so wird man als Betroffener wahrscheinlich niemals ganz mit dem Erlebten abschließen können. So ist es dann auch nicht verwunderlich, dass eine plötzlich aufgetauchte Leiche, ein achtlos hingeworfener Satz, eine unbedacht gemachte Aussage in einem Gespräch oder ein Mann, der auf einmal regelmäßig in einem Café auftaucht aber niemals etwas verzehrt, alles in Frage stellt, was vor 17 Jahren passiert ist. Nach und nach kommt die Wahrheit ans Licht – und diese Wahrheit ist eine andere als die im Jahr 2000.
Mit „Die Entführung“ habe ich nunmehr den 4. Krimi aus der Feder von Petra Johann gelesen. Sie gehört zu den wenigen Autorinnen, bei denen ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen kann, dass das Buch mich begeistern wird. So auch hier wieder.
Die Produktbeschreibung des Verlags sagt: „Petra Johann wird Sie in die Irre führen – bis zur letzten Seite“. Und genau das tut sie. Neben ihrem sehr angenehmen und lockeren Schreibstil verfügt sie über die Fähigkeit, winzige Details in ihren Sätzen unterzubringen, die man als Leser tunlichst nicht überlesen sollte. Manche dieser Details sind wichtig um die Geschichte der einzelnen Personen verstehen zu können, manche Details führen den Leser näher zum Täter, aber einige Details führen einen auch ganz einfach eine Zeit lang in die falsche Richtung.
Wie in jedem Krimi gibt es „die Guten“ und „die Bösen“ und die, die sich später dann als etwas anderes herausstellen, als sie zuerst zu sein scheinen. Die von der Autorin erschaffenen Charaktere mit ihren Hintergrundgeschichten sind lebensecht und man kann sich durchaus mit ihnen identifizieren (wenn auch nicht immer mit ihren Handlungen).
Leni – lebt bei ihrem wohlhabenden Vater, der sich mehr um seine Geschäfte kümmert als um seine Tochter. Sie ist eher zurückhaltend und unsicher, im Falle der Entführung entwickelt sie jedoch ihre ganz eigene Stärke.
Ronja – lebt auch bei ihrem Vater, der sich als Journalist seinen Lebensunterhalt verdient. Sie ist selbstbewusst, zielstrebig und an einigen Stellen zu forsch in ihrem Auftreten.
Karl Festing – Vater von Leni, ehemaliger Boxer, millionenschwerer Unternehmer und im ersten Anlauf nicht bereit das Lösegeld für seine Tochter zu zahlen. Was für ein Vater !?
Corinna Festing – Mutter von Leni und liebt wahrscheinlich nur sich selbst
Stefan und Birgit Aurich – Eltern von Ronja, getrennt lebend, lieben ihre Tochter über alles und würden alles tun, damit ihrer Ronja nichts passiert.
Gloria Bauer und Nathan Müller: Haushälterin und Buchhalter von Karl Festing und die engsten Bezugspersonen von Leni
Weiterhin noch ein paar Mitarbeiter von Karl Festing, die mehr oder weniger oft durch die Szenen laufen.
Auch die beiden Kriminalbeamten Eva Schaller und Jakob Schuster bringen ihre eigenen Geschichten/Schicksale mit und die Beziehung zwischen den Beiden wird thematisiert, während sie sich mit den mehr oder weniger anstrengenden Angehörigen der Entführungsopfer auseinandersetzen müssen. Während Jakob mir von Anfang an sympathisch ist, braucht Eva da ein bisschen länger um mich zu überzeugen. Letzten Endes schafft aber auch sie es, dass ich sie mag. Die Beiden machen einen guten Job und sind auch bei der Aufklärung 17 Jahre nach der Entführung aktiv bei der Aufklärung dabei.
Das Buch ist von Anfang bis Ende unterhaltsam. Die Aufklärung des Falles kommt ganz anders als gedacht daher und das macht die Geschichte so spannend. Immer wieder hat man jemand anderen als Täter im Visier und ist dann in der Regel doch auf der falschen Fährte.
Petra Johann zeigt, dass man auch ohne großes Blutvergießen einen spannenden Kriminalroman schreiben kann.