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Veröffentlicht am 13.12.2018

Die Fotografin

Die Fotografin - Am Anfang des Weges
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Die Fotografin

Wir befinden uns im Jahr 1905. Eine Zeit, in der das Frauenbild noch in einem ziemlich engen Korsett steckt; die gutbürgerliche Frau ist von Beruf Gattin, sie darf ohne Erlaubnis ihres ...

Die Fotografin

Wir befinden uns im Jahr 1905. Eine Zeit, in der das Frauenbild noch in einem ziemlich engen Korsett steckt; die gutbürgerliche Frau ist von Beruf Gattin, sie darf ohne Erlaubnis ihres Mannes weder einem Broterwerb nachgehen noch über eigenes Geld verfügen, sie hat keinen Anspruch auf ihre eigenen Kinder - einzig die Gewalt über den Schlüssel der Speisekammer obliegt ihr.

In dieser Zeit lebt Minna – Mimi – Reventlow. Als eine der wenigen Frauen hat Mimi Abitur und eine abgeschlossene Berufsausbildung. Als sie an ihrem 26. Geburtstag einen Heiratsantrag von Heinrich Grohe bekommt, tut sie etwas schier unglaubliches: Sie lehnt diesen Antrag ab und entschließt sich dazu, in die Fußstapfen ihres Onkels zu treten. Sie möchte Wanderfotografin werden und das langweilige Feld der eingefahrenen Studio-Portrait-Fotografie verlassen. Ihr Kopf steckt voller neuer Ideen.

Mimi muss viele Klinken putzen bis ihr ein Zufall dazu verhilft, Bekanntschaft als Fotografin zu erlangen und sie reist eine Zeit lang durchs ganze Land. Als ihr großes Vorbild, Onkel Josef, erkrankt, reist sie zu ihm nach Laichingen. Schnell wird ersichtlich, dass es hier mit „Kurzzeitpflege“ nicht getan ist und Mimi beschließt, bei Josef zu bleiben und ihn zu pflegen. Um ihren Unterhalt zu verdienen eröffnet sie das seit Jahren geschlossene Foto-Atelier ihres Onkels aber mit ihrer offenen und modernen Art und ihrem zielgerichteten Auftreten trifft sie bei den konservativen Laichingern jedoch nicht überall auf Wohlwollen – schon gar nicht bei Herrn Gehringer, dem größten Arbeitgeber Laichingens.


Petra Durst-Benning hat es wieder einmal geschafft – sie hat es geschafft, mich einzufangen mit ihrer Geschichte. Ich liebe ihre Bücher; egal ob die zeitgenössische Maierhofen-Reihe oder die historischen Romane. Zum einen erschafft sie immer starke Protagonistinnen, die ihrer Zeit meist weit voraus sind, zum anderen sind ihre Themen/Schauplätze immer hervorragend recherchiert und gekonnt in einer wunderbaren Geschichte in Szene gesetzt.

„Ich möchte den Menschen Schönheit schenken! Sie in der freien Natur fotografieren, von mir aus auch mit Requisiten. Aber um Himmels willen nicht mit Kopf- und Körperstützen und immer in denselben Posen! Ich möchte mit Licht und Schatten spielen, ich möchte die Menschen mithilfe meiner Fotografien verzaubern …..“

Mimi war mir von der 1. Seite an sympathisch. Wenn es diese starken Charaktere nicht wirklich gegeben hätte (und heute nicht auch noch geben würde), dann wären wir Frauen wahrscheinlich noch immer brave Heimchen am Herd, die sich um nichts anderes als die 3 K (Küche, Kinder, Kirche) kümmern würden.

Petra Durst-Benning hat den Schauplatz ihres neuesten historischen Romans auf die schwäbische Alb gelegt, genauer gesagt nach Laichingen. Dort lebten die Menschen lange Zeit nach festgefahrenen Traditionen: Ganze Generationen von Männern arbeiteten als Weber in den Fabriken der Tuchindustrie, die Frauen fertigten Stickereien in Hausarbeit; es gab nichts anderes und über den Tellerrand zu schauen war damals nicht üblich oder man konnte es sich schlichtweg nicht leisten. Trotz harter Arbeit lebten die meisten Familien in Armut und ihr Hauptnahrungsmittel war „schwarzer Brei“, ein Brei aus Musmehl, den es heute noch in einer deftigen und einer süßen Variante gibt. Die Autorin schafft es mit ihren Beschreibungen, dass man sich als Leser ganz in die damalige Zeit zurückversetzt fühlt.

Mimi lernt in Laichingen das karge und harte Leben der Leinenweber kennen aber sie versteht es nicht, dass niemand der Alteingesessenen aus diesem Joch ausbrechen möchte oder, wenn schon die Eltern es nicht tun, sie nicht wenigstens ihren Kindern die Möglichkeit geben etwas anderes zu tun als Generationen vor ihnen. Mimi erkennt zum Beispiel, dass einer der Jugendlichen ein großes Talent zum Zeichen hat und sie möchte ihm gerne helfen, dass er die Zeichenschule in Stuttgart besuchen darf. Leider stößt diese Idee bei seinen Eltern auf Widerstand. Aber Mimi wäre nicht Mimi, wenn sie sofort aufgeben würde.

Neben dem Erzählstrang von Mimi, die dem Leser die Geschehnisse aus ihrer Sicht zeigt, erfahren wir von Anton und Alexander, wie das eingefahrene Leben in Laichingen sich für die Jugendlichen anfühlt und mit Eveline hat Petra Durst-Benning eine Protagonistin erschaffen, die aus „gutem Hause“ stammt und die Ehe mit einem Leinenweber eingegangen ist.

Alle Protagonisten sind sehr liebevoll und realistisch angelegt worden und es macht Spaß, ihnen als Leser über die Schulter zu schauen und an ihrem Leben teilzuhaben. Natürlich kommen auch die Gefühle nicht zu kurz, denn Mimi lernt auf ihrer Reise durch Deutschland einen Wander-Gewerkschafter kennen, zu dem sie sich gleich hingezogen fühlt. Leider trennen sich ihre Wege und niemand weiß, ob sie sich jemals wiedersehen werden. Vielleicht verhilft das Schicksal ihnen ja zu einem Treffen zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, wer weiß?

Als 1. Teil einer Serie endet das Buch natürlich mit einem Cliffhanger (zumindest finde ich das natürlich, dass das Buch nicht in sich abgeschlossen ist). Die Wartezeit bis zu Band 2 wird schmerzlich, das weiß ich, aber umso schöner wird es im April dann sein, die Fortsetzung lesen zu können.

Zu einem Buch, auf dem Petra Durst-Benning drauf steht, greife ich bedenkenlos – weil ich weiß, dass ich für ein paar Lesestunden wirklich gut unterhalten werde.

Veröffentlicht am 06.12.2018

Neue Thriller-Serie „Freak City“

Freak City / Hexenkessel
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Bei „Freak City“ handelt es sich um die neue Serie des Thriller-Autors Martin Krist. „Hexenkessel“ ist der Auftakt der Reihe und der Leser schaut Pearl bei seiner Arbeit als Ermittler über die Schulter. ...

Bei „Freak City“ handelt es sich um die neue Serie des Thriller-Autors Martin Krist. „Hexenkessel“ ist der Auftakt der Reihe und der Leser schaut Pearl bei seiner Arbeit als Ermittler über die Schulter. Handlungsort ist eine Stadt die niemals schläft: New York.

Pearl ist kein Polizist aber auch kein Privatdetektiv – generell bekommt man als Leser sehr wenig Informationen zu seiner Person. Einzig der Hinweis darauf, dass er ein Halbblut ist, ziemlich auffällige Narben hat und Vermisste, Verschwundene, Entführte, Totgeglaubte, ebenso Entführer, Erpresser, Mörder und Killer sucht. Da er keinem Berufskodex folgen muss, kann er seine Ermittlungen so konventionell oder auch unkonventionell führen, wie er gerade Lust hat. In „Hexenkessel“ begleiten wir ihn auf der Suche nach einer verschwundenen Schauspielerin.

Patsy ist seit 2 Monaten geschieden und zieht gerade mit ihrem neuen Freund Milo einen Einbruch durch. Eigentlich passt das gar nicht zu ihr und so redet sie sich ein, dass sie das nur für ihre Tochter Christie tut. Leider läuft in ihrem Leben gerade so gar nichts nach Plan und so kommt es, dass sie und Milo im Haus ihres Opfers vom Jäger zum Gejagten werden.

„Hexenkessel“ ist ein Thriller mit gerade mal 224 Seiten und nach typisch amerikanischer Manier legt der Autor in dieser Geschichte ein ziemlich schnelles Tempo vor. Das Buch ist in 12 Kapitel unterteilt, die abwechselnd aus der Sicht von Pearl und Patsy erzählt werden und jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger. So gehört sich das in einem Thriller, der Leser muss regelrecht danach lechzen, das nächste Kapitel lesen zu wollen.

Die unterschiedlichen Handlungsstränge von Pearl und Patsy haben scheinbar überhaupt nichts miteinander zu tun. Der Autor schafft es, den Spannungsbogen die ganze Zeit über oben zu halten. Als Leser fragt man sich permanent, wie das alles miteinander in Zusammenhang steht und man findet einfach keine Lösung. Ich bin ja auch bekanntlich kein guter Kriminologe – ich bin diejenige, die meistens bis zur Auflösung im Dunkel steht. Der Schluss des Buches lässt bei mir die ein oder andere Frage offen, wirklich wichtig um das Buch zu verstehen, sind die Antworten auf diese Fragen jedoch nicht.

Grundsätzlich hat mir der 1. Teil der New-York-Reihe sehr gut gefallen und ich werde auch ganz sicher den 2. Teil lesen. Trotzdem gibt es aus meiner Sicht einige wenige Kritikpunkte, die ich gerne anmerken möchte.

Zum einen habe ich extreme Probleme damit, wenn die Protagonisten in unterschiedlichen Handlungssträngen Vornamen haben, die mit dem gleichen Buchstaben anfangen. Da man auf den ersten Seiten noch niemanden wirklich kennt und keine Unterscheidungsmerkmale hat, hatte mein Gehirn mit Pearl und Patsy ein Problem. Sicherlich geht es nicht nur mir so.

Zum anderen gehöre ich zu den Lesern, die sich gerne mit den Protagonisten identifizieren möchten – ich kann nicht mit jemandem mitfühlen, wenn sich mir die Person nicht erschließt. Ein paar Seiten mehr hätten aus dem Buch noch keinen Wälzer gemacht und ein paar Informationen über Pearl, aber auch über Patsy und Milo, hätten mir persönlich gut gefallen. Aber … das ist subjektives Empfinden und die Tatsache, dass es nicht mehr Informationen gibt, ist auch sicherlich vom Autor genau so gewollt. Mich lässt es ein wenig in der Luft hängen, da ich niemanden der agierenden Personen wirklich greifen kann.

Alle Bände von „Freak City“ sind – nach Aussage des Autors – in sich abgeschlossen. Ich hoffe trotzdem, dass die Person von Pearl noch ein wenig mehr beleuchtet wird.

Veröffentlicht am 30.10.2018

Die Frauen der Kamelien-Insel

Die Frauen der Kamelien-Insel
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Die Frauen der Kamelien-Insel

Sylvia und Mael besiegeln ihre Liebe und gemeinsam mit fast 300 Gästen feiern sie ihre Hochzeit auf der Kamelien-Insel. Auf der Gästeliste stehen selbstverständlich auch ...

Die Frauen der Kamelien-Insel

Sylvia und Mael besiegeln ihre Liebe und gemeinsam mit fast 300 Gästen feiern sie ihre Hochzeit auf der Kamelien-Insel. Auf der Gästeliste stehen selbstverständlich auch Sylvias beste Freundin Veronika mit ihrem Ehemann Laurent und ihrer kleinen Tochter Lilli. Dieses bezaubernde Wesen hat Sylvia und Mael total in ihren Bann gezogen und bei den Beiden wächst der Wunsch nach einem eigenen, gemeinsamen Kind. Während für den Ausbau der Kamelien-Insel ein Besucher-Zentrum geplant wird und die Gärtnerei insgesamt floriert, vergeht Monat um Monat, aber bei Sylvia stellt sich die erwünschte Schwangerschaft einfach nicht ein. Plötzlich taucht auf der Insel eine junge Frau auf, die behauptet, dass Mael der Vater ihres 7jährigen Sohnes Noah ist. Wird die noch junge Liebe von Sylvia und Mael tatsächlich schon auf die Probe gestellt?

Die Autorin Tabea Bach nimmt ihre Leser in diesem Jahr zum 2. Mal mit auf die (fiktive) Kamelien-Insel in der Bretagne. Der 1. Band der Trilogie erschien am 23.02.2018 unter dem Titel „Die Kamelien-Insel“. Es ist problemlos möglich dieses Buch unabhängig von Teil 1 zu lesen, macht aber für mich – bei einer Trilogie – nicht unbedingt Sinn, da die Geschichte aufeinander aufbaut. Leider verrät der Klappentext auch hier wieder sehr viel von der Handlung des Buches.

Wie auch schon in Band 1 liegt das Hauptaugenmerk auf Sylvia. Im Gegensatz zu ihrer 1. Ehe hat sie Mael aus Liebe geheiratet und deswegen wirkt sie nicht mehr so kühl und unnahbar, wie im 1. Buch. Sie treibt den Ausbau der Kamelien-Gärtnerei voran und plant den Bau eines sehr großen Besucherzentrums während ihr Mann sich, wie gewohnt, um die Zucht der edlen und auch teuren Kamelien kümmert. Ab dem Zeitpunkt, an dem Chloe mit Noah auf der Insel erscheint, weiß ich jedoch nicht, ob ich Sylvia bemitleiden oder bewundern soll, ich mache abwechselnd beides. Auf der einen Seite lässt sie sich von Mael sehr viel gefallen, was in meinen Augen der großen Liebe zu ihrem Mann geschuldet ist, auf der anderen Seite springt sie in den richtigen Momenten problemlos über ihren eigenen Schatten. Eine starke Frau, ohne überheblich zu wirken.

Mael erfüllt in diesem Buch für mich das typische Klischee eines Mannes. Sobald er hat was er sich wünscht, lehnt er sich zurück und stellt alle weiteren Anstrengungen in dieser Sache ein. Mit Noah bekommt Mael das Kind, das er haben möchte. Leider vergisst er bei dieser Sache, dass seine Frau ebenso ein Kind haben möchte – aber sicherlich nicht das einer anderen Frau, sondern ihr eigenes, gemeinsam mit ihrem Ehemann. In seiner Freude Vater geworden zu sein, behandelt er seine Frau manchmal ziemlich rücksichtslos und ich würde ihm gerne ab und zu den Kopf in die richtige Richtung rücken. Sylvia verzeiht ihrem Mann vieles, schluckt ihren Kummer oft auch einfach runter. Vielleicht ist es das, was ihre Liebe ausmacht, ich weiß es nicht. Bei mir würde die ein oder andere Situation einen handfesten Disput auslösen. Als Gärtner ist Mael nach wie vor ein Ass, er lebt für die Kamelien-Zucht.

Noah ist für mich die leidtragende Person in dieser Geschichte. Statt Pariser Luxuswohnung wird er auf eine Insel in der Bretagne verpflanzt und bekommt mal eben einen neuen Vater vorgesetzt. Mit 7 versteht man zwar viele Dinge schon ganz gut, aber dass sein bisheriger Vater nun auf einmal nicht mehr sein Vater sein soll, das löst bei Noah die ein oder andere Kurzschluss-Reaktion aus. Gott sei Dank hat er einen Schutzengel – und das ist ganz sicher nicht seine Mutter.

Zu Chloe, Noahs Mutter, möchte ich gar nicht viel schreiben. Sie ist unsympathisch und handelt vollkommen opportunistisch. Es drängt sich mir als Leserin gleich der Gedanke auf, dass mehr hinter ihrem Handeln steckt als nur die Tatsache, dass sie Mael darüber in Kenntnis setzen möchte, einen Sohn zu haben. Sie ist es auch, die die Kamelien-Insel ernsthaft in Gefahr bringt.

Zum Schluss des Buches begegnet man dann auch einem alten Bekannten wieder – Sir James Ashton-Davonport. Was er wieder aushecken mag um die Insel doch noch in seinen Besitz zu bringen …. das verrate ich nicht.

Neben den Hauptakteuren werden auch alle anderen Darsteller von der Autorin wieder liebevoll in Szene gesetzt. Der Leser trifft sowohl auf bekannte Personen aus Teil 1 sowie auf neue Charaktere, die in der einen oder anderen Art und Weise für den Fortgang der Geschichte wichtig sind.

Die Schreibweise von Tabea Bach ist angenehm und durch die nebenbei einfließenden Schilderungen von typisch bretonischen Gebräuchen oder Spezialitäten, verleiht sie der Geschichte ihre Authentizität.

Im Frühjahr 2019 (29.03.2019) erscheint der 3. und letzte Teil der Trilogie unter dem Namen „Heimkehr auf die Kamelien-Insel“, worauf ich mich schon sehr freue.

Veröffentlicht am 09.10.2018

Du wolltest es doch ...

Du wolltest es doch
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Ehrlich gesagt, weiß ich gerade nicht, wie ich dieses Buch rezensieren soll. Vorweg – ich habe bei 86 % des Buches aufgehört zu lesen und das auch schon vor gut 3 Wochen. Bis heute habe ich mir jeden Tag ...

Ehrlich gesagt, weiß ich gerade nicht, wie ich dieses Buch rezensieren soll. Vorweg – ich habe bei 86 % des Buches aufgehört zu lesen und das auch schon vor gut 3 Wochen. Bis heute habe ich mir jeden Tag vorgenommen, den Rest des Buches auch noch zu lesen; leider juckt es mich so gar nicht in den Fingern, das tatsächlich auch zu tun. Also habe ich beschlossen, dass ich es bei 86 % belasse.

Auf „Du wolltest es doch“ bin ich im August durch eine Rezension auf Facebook aufmerksam geworden. Diese Rezensentin brannte förmlich für dieses Buch bzw. das darin verarbeitete Thema. Ihre Rezension war wirklich sehr mitreißend und deswegen wollte ich dieses Buch lesen. Kurze Zeit später begegneten mir Rezensionen und Besprechungen dazu fast täglich auf meiner Facebook-Timeline und es stellte sich wieder einmal heraus, dass ich bei Büchern, die so extrem beworben/gehyped werden, zuerst einmal abwarten sollte, bevor ich danach greife. Ich weiß nicht, warum das so ist – aber die Erfahrung zeigt es.

Worum geht es?

Es geht um Emma. Emma ist 18 Jahre alt. Sie sieht gut aus und jeder möchte mit ihr befreundet sein. Emma genießt es, sie kostet es regelrecht aus, dass sie permanent im Mittelpunkt steht und um diesen Status zu halten, ist ihr jedes Mittel recht. Sie macht Witze auf Kosten anderer und ihre Gefolgschaft findet das toll, sie zieht sich aufreizend an, um auch wirklich von jedem gesehen zu werden, sie hat immer einen coolen Spruch auf den Lippen und sie macht auch nicht davor Halt, den Freund ihrer besten Freundin anzugraben. Ihr Leben ändert sich jedoch schlagartig, als ihre Eltern sie nach einer Party morgens bewusstlos vor ihrer Haustüre finden.

Was war passiert?

Emma war mit ihren Freundinnen auf einer Party und hat reichlich Alkohol intus. Ich weiß nicht, ob ihr der Alkohol tatsächlich nicht gereicht hat oder ob sie vor Paul O‘Brien angeben wollte, auf jeden Fall wirft sie noch eine Pille ein (die sie von Paul O‘Brien bekommen hat). Anschließend verschwindet sie mit ebenjenem Paul im Schlafzimmer und von da an hat sie einen Filmriss.

Am nächsten Tag finden ihre Eltern sie in erbärmlichem Zustand vor der Türe und abgesehen von ihrer partiellen Amnesie hat sie auch noch einen extremen Sonnenbrand, so dass sie ein paar Tage zu Hause bleibt und sich auskuriert. Als sie wieder zur Schule geht wird sie von allen gemieden, auch von ihrer besten Freundin. Leider kann Emma sich nicht erklären, warum das so ist. Sie weiß noch nicht, dass außer ihr alle die Bilder dieser Nacht auf Facebook gesehen haben.

Wurde Emma das Opfer einer Vergewaltigung oder ist sie tatsächlich einfach nur eine Schlampe?

Mit diesem Buch hat die Autorin Louise O‘Neill ein brandaktuelles Thema aufgegriffen. Missbrauch, egal ob physisch oder psychisch, ist etwas, was das Opfer für den Rest seines Lebens begleitet. Es ist wichtig und richtig, dass auch in Büchern solche Themen aufgegriffen werden. Missbrauch ist leider noch immer ein großes Tabu-Thema.

Es geht um die Frage ob Emma an dem was ihr passiert ist selbst schuld ist – weil sie freiwillig mit Paul ins Schlafzimmer gegangen ist – oder ob an ihr strafbare Handlungen vorgenommen wurden. Fakt ist: Emma erinnert sich an nichts.

Das ist einer der Kritikpunkte, die ich habe: Emma erinnert sich an nichts und der Leser weiß von daher überhaupt nicht, was wirklich passiert ist. Das Einzige, was man als Leser von dieser Nacht erfährt ist die Beschreibung der Fotos, die Emma bei Facebook findet.

„Auf dem nächsten Foto stecken seine Finger im Körper des Mädchens (in mir, mir, oh Gott, mir wird schlecht) aber sie rührt sich nicht. Sie liegt immer noch genauso reglos da wie vorher. Ihr Kopf und ihre Schultern hängen über die Bettkante. Dylan drückt ihre Beine auseinander und winkt die Kamera näher, die nächsten Fotos zeigen rosig entblößtes Fleisch ….“

Schon im Klappentext steht „Nein, richtig sympathisch ist Emma nicht“ und sie ist es tatsächlich nicht. Die Autorin hat hier eine Hauptprotagonistin angelegt, die einem vom 1. Satz an dermaßen unsympathisch ist, dass ich gar nicht weiß, wie ich mich mit ihr identifizieren soll, damit ich das, was ihr passiert, als schrecklich erachten kann. Ich kann es leider nicht. Emma ist schrecklich …..

Der Schreibstil der Autorin ist in meinen Augen leider nicht viel besser. Gedanken von Emma werden manchmal in Klammern und als Kursivschrift eingefügt, manchmal aber eben auch nicht und ich fand es sehr verwirrend.

Auch ist nicht immer klar erkennbar, welche/r der ProtagonistInnen gerade erzählt und ob es sich um Gegenwart oder Vergangenheit handelt. Manchmal fehlt da einfach ein Übergang.

Das Buch ist in 2 Teile aufgegliedert.

Im 1. Teil lernen wir Emma und ihre Freundinnen kennen und erfahren etwas darüber, wie Emma generell tickt incl. dem Partyabend, von dem die wichtigsten Informationen für den Leser jedoch im Verborgenen bleiben.

Der 2. Teil handelt ca. 1 Jahr nach dieser verheerenden Partynacht und der Leser erfährt, wie es Emma zwischenzeitlich geht. Ihr Fall soll nun endlich vor Gericht gebracht werden und nach 1 Jahr wird noch immer in Presse und TV von „Dem Mädchen aus Ballinatoom“ berichtet. Außerhalb der häuslichen 4 Wände gleicht alles einem Spießrutenlauf, weswegen Emma sich überwiegend zu Hause aufhält und da die meiste Zeit alleine in ihrem Zimmer.

Ihre Eltern machen mich rasend und ich bin sicher, dass die ganze Geschichte anders verlaufen wäre, hätten ihre Eltern auch nur für 5 Cent Arsch in der Hose. Der einzige Mensch, der meiner Meinung nach klar im Kopf ist, ist ihr Bruder Bryan. Leider steht er alleine auf verlorenem Posten.

Da ich das Buch nicht beendet habe, weiß ich natürlich auch nicht, wie die Geschichte für Emma ausgegangen ist.

Hätte die Autorin eine sympathische Protagonistin geschaffen, mit der ich hätte mitleiden können, hätte ich das Buch sicher nicht vor dem Ende aus der Hand gelegt. So muss ich – leider – sagen, dass es mich nicht im geringsten interessiert, wie die Geschichte endet.

Das Thema Vergewaltigung und wie damit in der Gesellschaft umgegangen wird, ist sicherlich ein wichtiges Thema über das geredet und geschrieben werden sollte – aber doch bitte nicht so!

Veröffentlicht am 27.08.2018

Integration ist keine Einbahnstraße

Eingedeutscht
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Die beiden Syrer Abdul Abbasi und Allaa Faham kamen 2015 – unabhängig voneinander – als Flüchtlinge nach Deutschland.

Die wohl größte Hürde die sie überwinden mussten, war das Erlernen der deutschen Sprache. ...

Die beiden Syrer Abdul Abbasi und Allaa Faham kamen 2015 – unabhängig voneinander – als Flüchtlinge nach Deutschland.

Die wohl größte Hürde die sie überwinden mussten, war das Erlernen der deutschen Sprache. Aber abgesehen von den Sprachschwierigkeiten klafft zwischen der arabischen und der deutschen Kultur eine riesengroße Lücke, die es zu überwinden galt. Der Papierkrieg in den deutschen Behörden, die Deutschen und ihre Liebe zum Haustier, Gastfreundschaft, was wir essen und trinken und wie unterschiedlich unsere Auffassung von Zeit ist; der Weg zur Integration ist steinig und schwer.

Per Zufall lernten sich Abdul und Allaa im Juni/Juli 2016 via Facebook kennen und sehr schnell stellten sie fest, dass sie die gleiche Art von Humor teilen. Warum also nicht gemeinsam ein Projekt starten? Unter dem Namen „German LifeStyle GLS“ wollten sie anfangs via Facebook und YouTube schlicht und einfach ihren syrischen Landsleuten Hilfestellung zur Integration in Deutschland geben, ihnen die Besonderheiten unseres Alltags näherbringen. Es kristallisiert sich heraus, dass Integration keine Einbahnstraße ist und man beide Seiten in den Prozess einbinden muss – am besten funktioniert das, indem man gemeinsam über etwas lacht.

Als wir, Abdul und Allaa, nach Deutschland kamen, waren wir voller Ängste. Angst vor den Menschen, vor Tieren, dem Wetter, vor neuen Situationen und vor Speisen, die wir nicht kannten. Wir hatten Angst vor allem, was uns fremd war. Und fremd war uns: alles. [….] Wir lernten, dass Fremdes nur so lange Angst macht, solange es im Dunkeln bleibt und wir nur Schemen wahrnehmen. Wir haben dieses Buch geschrieben, damit ihr Deutschen uns Syrer besser kennenlernt und wir Syrer euch Deutsche. [.…] Egal was unser Hintergrund ist: Uns verbindet mehr, als wir denken. Lasst uns alle das Licht anknipsen und genauer hinschauen.

Genau das tun Abdul und Allaa sowohl auf ihrem Facebook- oder YouTube-Profil als auch in ihrem Buch „Eingedeutscht“, das am 19.03.2018 im Goldmann Verlag erschienen ist. Sie knipsen das Licht an und schauen genauer hin – mit viel Humor erzählen sie die Geschichte ihrer Integration und auf welche Hindernisse sie dabei gestoßen sind bzw. welche Missverständnisse teilweise aus den verschiedenen Situationen entstanden sind.

So ist es in Syrien (oder in arabischen Ländern allgemein) üblich, dass man angebotenes Essen zuerst einmal freundlich aber bestimmt ablehnt. Der Gastgeber wird jedoch nicht müde, sein Essen trotzdem an den Mann (oder die Frau) bringen zu wollen. Dieser Verhaltenskodex wird den Syrern quasi in die Wiege gelegt.

Nein sagen, auch wenn wir Ja meinen – das ist höflich. Und gerade wenn wir Jajaja meinen (so wie Allaa, wenn es Schokolade gibt), müssen wir unser Nein besonders oft und vehement wiederholen. Das signalisiert unserem Gegenüber unmissverständlich den Grad der Gier beziehungsweise der Verzweiflung.

Während man in Syrien mitunter eine halbe Stunde darüber palavert bis jemand das angebotene Essen dann doch endlich nimmt, spielt sich in Deutschland in Minutenschnelle folgende Szene ab:

-Ich sah, wie ein Mitarbeiter des Migrationszentrums seinen Servierwagen am Tisch einer mir bisher unbekannten syrischen Flüchtlingsfamilie parkte: „Möchten Sie etwas Suppe? Oder ein Brot?“ Der Vater winkte sofort ab: „Oh, nein danke, wir haben gar keinen Hunger, aber das ist nett von Ihnen“. Seine Frau und die Kinder nickten. Der Mitarbeiter fuhr mit dem Servierwagen und dem Essen weg.

Ich konnte beim Lesen die Enttäuschung dieser Familie spüren, wussten sie doch nicht, was sie falsch gemacht haben. In Deutschland ist ein „Nein“ ein „Nein“, basta – und die Familie musste hungern.

Witzig fand ich die Gegenüberstellung der deutschen und syrischen Liebesschwüre. „Ich möchte auf Deinen Wimpern laufen“ … „Deine Schönheit hat meine Seele getötet“…. ich lache jetzt noch. Dem gegenüber steht unser deutsches „Du bist die Frau meiner Träume“ doch ziemlich langweilig da, oder?

Nachdenklich gemacht hat mich der Abschnitt über die Deutschen und ihre Liebe zum Tier.

„Obwohl so viele Tiere ausgesetzt werden, sieht man in Deutschland keinen einzigen Straßenhund. In Syrien gab es vor dem Krieg viele Straßenhunde, aber keine Menschen, die auf der Straße lebten. Es war neu für uns Syrer, hier in Deutschland Obdachlose zu sehen, aber keinen einzigen herren- und wohnungslosen Hund. Kein Wunder, wenn pro Jahr rund 300.000 Deutsche einen neuen Hund aufnehmen! Und wusstet ihr, dass es im Jahr 2016 etwa 335.000 Obdachlose gab? Die Liebe der Deutschen zum Tier ist aus vielen Perspektiven eine besondere. Wie wäre es also, wenn die Hundeliebhaber einen Obdachlosen aufnehmen würden? Sie könnten ihn aus dem Urlaub anrufen, ihm etwas zu Weihnachten schenken und Postkarten schreiben. Und der Ex-Obdachlose könnte solange auf das Haustier aufpassen.“

Vorausgegangen ist diesem Abschnitt eine Aufzählung, dass 64 % der Deutschen ihrem Haustier etwas zu Weihnachten schenken, 14 % telefonieren aus dem Urlaub mit ihrem Hund, 6 % schicken ihm eine Postkarte.

Wenn man sich das Kapitel über „Zeit, Zahlen, Perfektion und Bürokratie“ durchliest, in welchem es um die Organisation einer Veranstaltung geht, dann stellt man mit Erschrecken fest, dass wir Deutschen doch ab und an mal (ich bitte um Entschuldigung für die nachfolgende Formulierung) den Stock aus dem Arsch nehmen sollten. Wogegen es bei uns wiederum in der Regel ziemlich locker zugeht, wenn man den Eltern der Freundin vorgestellt werden soll. Dazu muss man in Deutschland nicht gleich Heiratsabsichten haben.

So stellen sie auf 224 Seiten unsere deutsche der arabischen Kultur gegenüber – mal witzig und auch mal nachdenklich – und sie verfügen über die seltene Gabe, über sich selbst lachen zu können.

Ich bin schon lange Fan der GLS-Facebook-Seite und des YouTube-Kanals und ich werde es sicher noch lange bleiben. ِAktuell, Stand 27.04.2018, haben die Beiden auf ihrer Facebook-Seite 115.180 Follower und ihr Youtube-Kanal wird von 42.307 Leuten abonniert.

Abdul und Allaa, die zwischenzeitlich beide an einer deutschen Universität studieren, wünsche ich für ihre Zukunft alles Gute!

Auch in meinem Leben gibt es Syrer, die 2015 als Flüchtlinge in unser Land kamen. Wer sich integrieren möchte, der braucht auch jemanden, der ihn integriert bzw. ihm dabei hilft, sich zu integrieren.

In diesem Sinne

مع السلامة
maʿa as-salāma