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Veröffentlicht am 15.12.2021

Hamburg 1903

Die Frauen vom Jungfernstieg. Antonias Hoffnung
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Die Firmenpolitik von Oskar Troplowitz hat sich in den letzten Jahren bewährt. Die Firma Beiersdorf liefert ihre Produkte zwischenzeitlich auch außerhalb Deutschlands, gerade mit dem Pflaster „Leukoplast“ ...

Die Firmenpolitik von Oskar Troplowitz hat sich in den letzten Jahren bewährt. Die Firma Beiersdorf liefert ihre Produkte zwischenzeitlich auch außerhalb Deutschlands, gerade mit dem Pflaster „Leukoplast“ hat sich die Firma einen Namen gemacht, aber auch andere Produkte wie Zahn- oder Hautcremes finden reißenden Absatz. Die Firma expandiert, es werden neue Produktionshallen gebaut, was bei den anderen Herrschaften der Hamburger Kaufmannschaft nicht unbedingt mit Wohlwollen betrachtet wird. Nach wie vor gibt es Unternehmer, die Oskar gerne ein paar Steine in den Weg legen. Oskar lässt sich aber weiterhin nicht beirren und kandiert sogar für den Stadtrat.

Während Oskar Stück für Stück seine Firma aufbaut, organisiert seine Frau Gerda immer erfolgreicher Kunstausstellungen in ihrem eigenen Haus und hat damit unter anderem ihrer Freundin Irma zum Durchbruch als Malerin verholfen. Auch Toni hat zwischenzeitlich ihren Platz in der Firma Beiersdorf gefunden; sie ist „Mädchen für alles“ innerhalb der Reklameabteilung, weil Oskar ihre Ideen mag, und sie steht an der Verpackungsmaschine.

Jede der handelnden Personen hat ihr eigenes Päckchen zu tragen, aber mit Freunden an der Seite ist alles sehr viel einfacher.

„Antonias Hoffnung“ ist der 2. Teil der Jungfernstieg-Saga und hier wird, neben dem Wachstum der Firma Beiersdorf und der Geschichte von Oskar und Gerda Troplowitz, das Leben von Toni (Antonia) in den Fokus gerückt.

Antonia und Hermann sind schon lange ein Paar, aber es fehlt noch der Heiratsantrag, der das Glück für Toni perfekt machen würde. Da erkrankt ihre Freundin Gerda schwer und bevor sie stirbt, ringt sie Toni das Versprochen ab, dass diese für ihre kleine Tochter Ellma sorgen wird. Ellmas Vater ist verheiratet und Gerda ist auf seine schönen Versprechungen hereingefallen. Als sie dann schwanger wurde, hat Werner sie sitzen lassen. Ausgerechnet der Werner, der Toni schon mehrfach beim Chef angeschwärzt und ihre Arbeit sabotiert hat. Und, dass Hermann in Sachen Ellma nicht mit Toni am gleichen Strang zieht, macht ihr auch schwer zu schaffen. Toni möchte Ellma nicht aufgeben und schon gar nicht ihr gegebenes Versprechen brechen, Werner möchte seine Tochter nun auf einmal doch bei sich haben und, gemeinsam mit seiner Frau, aufziehen und Hermann entfernt sich immer mehr von Toni. Es entsteht eine Situation, die für alle Beteiligten ziemlich belastend ist.

Die Autorin hat es auch im 2. Teil geschafft, den handelnden Personen genau die Tiefe zu geben, die sie brauchen. Die Protagonisten haben nichts von ihrem Charme verloren, aber auch die Antagonisten sind lebensecht und realistisch gezeichnet. Der Schreibstil ist gleichbleibend angenehm zu lesen.

Für mich persönlich war dieses Hin und Her um Ellma ein Stück weit zu ausschweifend, weswegen ich echt lange gebraucht habe, diesen zweiten Teil der Trilogie zu lesen. Die Geschichte um Irma und ihren französischen „Verehrer“ (man könnte ihn auch als Stalker bezeichnen), hat indes das Gegengewicht geliefert.

Nach wie vor bin ich auch am letzten Teil der Geschichte interessiert, in der es sich dann um Irmgard (Irma) dreht. Ich hoffe, dass die Autorin mich damit wieder vollkommen einfangen kann.

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Veröffentlicht am 22.11.2021

Etwas überzogen und trotzdem spannend

Nichts als Staub
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Im Hamburger Phoenixviertel, welches seit Jahren unter Drogenkriminalität, Bandenkriegen und illegalen Glücksspielen leidet und zudem eine extrem hohe Rate an Alkoholikern aufweist, wird eine Leiche gefunden, ...

Im Hamburger Phoenixviertel, welches seit Jahren unter Drogenkriminalität, Bandenkriegen und illegalen Glücksspielen leidet und zudem eine extrem hohe Rate an Alkoholikern aufweist, wird eine Leiche gefunden, die durch einen Stich ins Herz getötet wurde. Bei dem Toten handelt es sich um Dimitrios Floros, einen Kleinkriminellen, der polizeibekannt war und schon mehrfach im Knast gesessen hat. Die Tatwaffe weist darauf hin, dass es sich hier um das 4. Opfer eines Serienkillers handeln könnte, der mit seinen Bekennerschreiben „Drogen töten!“ auf sich aufmerksam macht.

Alina Grimm, Streifenpolizisten auf dem Hamburger Kiez, und ihr Kollege Bilal Aydin hinterfragen die Tatsache, wieso Dimitrios in Hamburg-Harburg ermordet wurde, wo er seine eignen Geschäfte doch eher in St. Georg abwickelt.

Als sie ihren Kontaktmann treffen möchte, um von ihm Hintergrundinformationen zu bekommen, wird Alina hinterrücks niedergeschlagen und landet im Krankenhaus. Nach 2 Tagen wacht sie aus ihrer Bewusstlosigkeit auf und ist wegen Drogenbesitzes vom Dienst suspendiert. Alina hat keine Ahnung, wer (und warum) ihr diese Drogen untergeschoben haben könnte, es kann jedoch nur eines bedeuten; sie soll ihre Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten stecken.

Doch jetzt beschließt Alina erst recht, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Kann sie den Fall aufklären?

„Nichts als Staub“ ist der erste Fall aus der „Alina Grimm-Reihe“, deren Straftaten und Ermittlungen sich in Hamburg positionieren. Alina ist Streifenpolizistin, ihre eigentliche Berufung sieht sie aber bei der Kriminalpolizei. Wenn ihre persönlichen Umstände andere wären, hätte sie schon lange mit der Ausbildung begonnen Bis ihre große Chance kommt, schiebt sie täglich Streifendienst mit ihrem Kollegen Bilal.
Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus kehrt Alina an den Ort zurück, an dem sie niedergeschlagen wurde und wird dort von Gerwald Arentz angesprochen, einem früheren Freund ihres verstorbenen Vaters. Dieser bietet ihr sowohl finanzielle als auch personelle Unterstützung durch seinen Leibwächter Elias an, damit Alina so schnell als möglich den Täter dingfest machen kann. Alina nimmt das Angebot an.

Gemeinsam mit dem unerschrockenen Elias, der früher als Söldner gearbeitet hat, kommen die Beiden mit ihren Ermittlungen schon recht weit. Aber, um alle Puzzleteile an den richtigen Platz zu bringen, benötigen sie zusätzlich noch die Hilfe von Lennart Dewalt, einem früheren Klassenkameraden von Alina, der in die unterschiedlichsten Verkleidungen schlüpfen kann (und nebenbei per Haftbefehl von der Polizei gesucht wird).

Da es sich um den Auftakt einer Reihe handelt, sind die handelnden Protagonisten noch nicht sehr ausführlich beschrieben. Einerseits bleibt da viel Raum dafür, dass in den Nachfolgebänden immer weitere Informationen einfließen, andererseits führt das dazu, dass die Figuren teilweise noch keine ausreichende Tiefe aufweisen, die den Leser dazu veranlassen, jemanden sympathisch oder unsympathisch zu finden.

Einige der Handlungen sind unrealistisch, andere absolut vorhersehbar, die handelnden Personen sind klischeebehaftet und trotzdem fand ich die Geschichte so spannend, dass ich sie zügig durchgelesen habe.

Für mich handelt es sich jedoch nicht um einen Thriller, ich würde es eher in das Genre Kriminalroman einordnen.

Der Schreibstil des Autors ist – wie ich es schon aus anderen Büchern von ihm kenne – gut zu lesen. Um eine Geschichte rund werden zu lassen, muss ein Autor sich manchmal seiner künstlerischen Freiheit bedienen und hier hat sich Alexander Hartung mehr als einmal daran bedient, was die Story an manchen Stellen hat unglaubwürdig werden lassen – trotzdem hat mich das Buch gut unterhalten.

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Veröffentlicht am 17.10.2021

Hamburg 1925 - 1948

Der Traum von Freiheit
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Mina hat es geschafft. Die Firma Kopmann & Deharde – und hier insbesondere Mina als Frau – hat sich einen festen Platz in der Hamburger Kaufmannschaft erarbeitet. Sie wird endlich an der Börse als Händlerin ...

Mina hat es geschafft. Die Firma Kopmann & Deharde – und hier insbesondere Mina als Frau – hat sich einen festen Platz in der Hamburger Kaufmannschaft erarbeitet. Sie wird endlich an der Börse als Händlerin anerkannt (nicht zuletzt durch ihre Heirat mit Frederik von Lohmeyer) und durch das Abkommen mit ihrem Schwiegervater in Guatemala wird das Kontor mit hervorragenden Kaffeebohnen beliefert. Eigentlich könnte alles so schön sein ….. eigentlich ….

Frederik von Lohmeyer betreibt in Berlin einen florierenden Nachtclub und auch wenn Mina und er nur noch eine Ehe auf dem Papier führen, kann Frederik nicht umhin, Mina von den Gerüchten zu erzählen, die in Berlin die Runde machen; der Name Adolf Hitler (damals Vorsitzender der NSDAP) ist in aller Munde und irgendwie schafft der Mann es, seine antisemitische und rassistische Ideologie des späteren Nationalsozialismus in die Köpfe der Menschen zu pflanzen. Langsam aber stetig beginnt die Hetze gegen jüdische Bürger – und sowohl Edo, Minas heimliche große Liebe, als auch Anton, der Mann ihrer Schwester Agnes, sind jüdischer Abstammung. Noch glaubt niemand daran, dass dieser Adolf Hitler mehr als ein „kleines Licht“ werden wird und auch Mina nimmt die gutgemeinten Ratschläge ihres Ehemannes nicht ernst.

Was dann geschieht, ist Geschichte!

„Der Traum von Freiheit“ ist der 3.und letzte Band der Speicherstadt-Saga. Die Geschichte beginnt im Jahr 1925, also einige Jahre später als der 2. Band endet und umfasst die Jahre 1925 bis 1948.

Nachdem Großmutter Hiltrud gestorben ist, hat Mina ihre Schwester Agnes und ihren Mann Anton eingeladen, zu ihr in die Villa zu ziehen. Edo wohnt noch immer in der kleinen Kutscherwohnung und da Mina offiziell mit Frederik von Lohmeyer verheiratet ist, können sie ihre Liebe noch immer nur hinter verschlossenen Türen leben.

Mina ist zwar, was den Kontor und die kaufmännische Seite betrifft, schon immer sehr fortschrittlich und für eine Frau der damaligen Zeit sehr weit voraus, politisch ist sie jedoch (wie so viele andere Deutsche damals) ziemlich naiv unterwegs. Trotzdem lässt sie sich von ihrem langjährigen Freund Heiko und später auch von Edo in politische Aktionen einspannen, die für alle Beteiligten gefährlich sind und harte Konsequenzen nach sich ziehen würden.

Die Bombardierung Hamburgs macht natürlich auch vor der Villa Kopmann nicht halt und die Bewohner der Villa verbringen viele Stunden im Luftschutzkeller. Seitdem das harte Regiment von Hiltrud Deharde geendet hat, verbindet Mina mit ihren Angestellten ein eher freundschaftliches denn herrschaftliches Verhältnis.

Nicht alle Personen überleben, aber nicht jeder stirbt durch den Krieg.

Der Klappentext suggeriert, man würde sich gleich im Kriegsjahr 1940 befinden, dem ist leider nicht so. Das erste Drittel des Buches hat sich deswegen ein wenig zäh gelesen, da nicht wirklich etwas passiert bis zum Ausbruch des Krieges und durch den großen zeitlichen Umfang von 24 Jahren werden zusätzlich einige Charaktere in die Geschichte integriert, die es mir nicht immer leicht machten, den Überblick zu behalten.

Insgesamt ist dieser 3. Band ein gelungener Abschluss für die Speicherstadt-Saga, für mein Empfinden haben die Charaktere in diesem Teil aber sehr an Wärme und Tiefe verloren. Es hätte auch nicht unbedingt 448 Seiten gebraucht um die Saga zum Abschluss zu bringen, einige Längen hätte man durchaus vermeiden können. Trotzdem hat es mir gefallen, Mina und ihre Lieben ein paar Jahre ihres Lebens zu begleiten.

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Veröffentlicht am 17.10.2021

Sharing Is Caring

Sharing – Willst du wirklich alles teilen?
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Sharing Is Caring

Bettina und Markus Kern sind überzeugt davon, dass es wichtiger denn je ist, die Umwelt und das Klima zu schützen und vorhandene Ressourcen sinnvoll und effektiv zu nutzen. Sie leben ...

Sharing Is Caring

Bettina und Markus Kern sind überzeugt davon, dass es wichtiger denn je ist, die Umwelt und das Klima zu schützen und vorhandene Ressourcen sinnvoll und effektiv zu nutzen. Sie leben nach dem Motto „Sharing Is Caring“ und aus diesem Grund haben sie vor 5 Jahren die Firma „Kern & Kern Carsharing“ eröffnet. Ihr Haupt-Augenmerk liegt auf dem Car-Sharing, sie verfügen aber auch über einige Mietwohnungen.

Als Bettina abends nicht vom Fitness-Center nach Hause kommt, erhält Markus über ihren WhatsApp-Account einen Link, dem er folgen soll. Er landet auf einer Seite im Darknet und sieht seine Frau, nackt und breitbeinig gefesselt, auf einem Stuhl sitzend. Der Entführer setzt ihn telefonisch darüber in Kenntnis, dass über 20.000 online-Kunden (die für die Show natürlich bezahlt haben) gleich sehen werden, wie Bettina „geteilt“ wird. Am nächsten Tag soll Markus seine Frau jedoch wieder zurück bekommen.

Markus bekommt seine Frau zurück – allerdings lebt sie nicht mehr. Und nun beginnt der ganz persönliche Albtraum von Markus Kern, denn am gleichen Tag verschwindet seine 15jährige Tochter Leonie. Auch in ihrem Fall bekommt er vom Entführer einen Link zu einer (kostenpflichtigen) Seite im Darknet, die Leonie-Sharing-Show soll jedoch erst in einigen Stunden beginnen.

Markus hat eine Ahnung, wer sich da an ihm rächen wollen könnte, aber alle Indizien sprechen dafür, dass er selbst seine Frau getötet und seine Tochter entführt hat. Nicht zuletzt deswegen, weil seine Tochter ihn bei der Polizei als Lügner dargestellt hat. Da der Entführer ihm ein Ultimatum gestellt hat und er ein Rätsel lösen muss, um seine Tochter noch vor der offiziellen Sharing-Show im Darknet zu finden, beginnt eine waghalsige Flucht vor der Polizei.

Schafft Markus es, seine Tochter zu retten oder wird auch sie „geteilt“?

„Sharing“ ist das neueste Buch des Thriller-Autors Arno Strobel. Auch dieses Mal greift der Autor – genau wie in „Die App“ oder „Offline„- ein Thema der Zeit auf; Sharing – die Benutzung des gleichen Gegenstandes (Auto/Wohnung/Hund etc.), aus wirtschaftlichen Gründen, durch mehrere Menschen.

Der Schreibstil des Autors ist – wie auch in den anderen Büchern, die ich bisher von ihm gelesen habe – angenehm zu lesen und sehr temporeich. Ich habe das Buch an 2 Tagen gelesen, weil ich wissen wollte, ob der Täter tatsächlich der ist, auf den schon ziemlich weit vorne im Buch hingewiesen wird; wenn ja, was sein Motiv war, wenn nein; wer dann der Täter ist….

Erschreckend finde ich immer wieder, wie schnell man seinen Ruf verlieren kann – vor allen Dingen bei Freunden. Markus steht unter Mordverdacht und ruck zuck wenden sich Menschen von ihm ab, von denen er glaubte, eng mit ihnen befreundet zu sein, oder sie sind sogar Teil seiner Familie. Das ist im echten Leben leider nicht anders als hier in diesem Thriller, der eigentlich der Unterhaltung dient.

In kursiv geschriebenen Kapiteln kann man den Gedanken Leonies folgen, sie erlebt gerade die schrecklichsten Momente ihres Lebens.

Da Arno Strobel den Leser gleich mitten ins Geschehen wirft, konnte ich zu Markus keinerlei Beziehung aufbauen. Ich hätte mir etwas mehr persönlichen Hintergrund gewünscht. Auch der Sharing-Gedanke wird eigentlich nicht weiter ausgeführt, als dass es der Titel des Thrillers ist und Bettinas Peinigung mit mehr als 20.000 Zuschauern im Darknet geteilt wird. Einige Handlungen von Markus sind unrealistisch, einige total vorhersehbar, die Täter-Enthüllung hat mich überrascht, nichts desto trotz hat mich das Buch gut unterhalten.

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Veröffentlicht am 17.10.2021

Familie kann man sich nicht aussuchen …

SCHWEIG!
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23.12., ein Tag vor Heilig Abend.
Obwohl Esther und Sue keinen sehr engen Kontakt haben, möchte Esther ihre „kleine Schwester“ an diesem Tag kurz besuchen um ihr ein Weihnachtsgeschenk zu bringen.

Esther ...

23.12., ein Tag vor Heilig Abend.
Obwohl Esther und Sue keinen sehr engen Kontakt haben, möchte Esther ihre „kleine Schwester“ an diesem Tag kurz besuchen um ihr ein Weihnachtsgeschenk zu bringen.

Esther lebt gemeinsam mit ihrem Mann Martin und ihren Kindern Ella und Jonas in der Stadt. Sue wohnt, nach der Scheidung von ihrem Mann Robert, alleine in einem 10-Zimmer-Haus mitten im Wald und nach dem Desaster vom letzten Weihnachtsfest, möchte Esther sich einfach nur davon überzeugen, dass es ihrer Schwester auch wirklich gut geht. Da sie anderenfalls sicherlich keine ruhige Minute haben würde, nimmt sie – obwohl sie selbst noch jede Menge Vorbereitungen zu erledigen hat – die Fahrt von etwas mehr als 1 Stunde auf sich.

Das Zusammentreffen verläuft gänzlich anders als erwartet und trotzdem ergibt es sich, dass die beiden Schwestern sich für einen kurzen Moment nahe kommen, sich gemeinsam an den Tisch setzen, woraus dann ein Gespräch resultiert, bei dem offen alle Karten auf den Tisch gelegt werden.

Am Ende des Tages ist eine Person tot ……..

„Ich bin kein freier Mensch, ich habe eine Schwester“
(Track 1)


„Schweig!“ ist eine Geschichte, die aus der Sicht von 3 Personen erzählt wird. Da sind zum einen die Schwestern Esther und Sue, die die Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählen, als auch Esthers Ehemann Martin, der seine Sicht der Dinge in der 3. Person erzählt.

Esther glaubt tatsächlich, dass ihre „kleine Schwester“ Sue ohne sie nicht lebensfähig ist. Seit beide ihr eigenes Leben leben und getrennt wohnen, kann Esther nicht mehr auf Sue aufpassen und deswegen – zumindest glaubt das Esther – hat diese ihre Ehe an die Wand gefahren, ihren Job verloren, ist psychisch labil, muss deswegen Tabletten nehmen und wohnt einsam in ihrem Haus im Wald. Esther möchte Sue nicht alleine lassen, sie kann sie aber auch schlecht zu sich nach Hause einladen – man denke nur daran, was letztes Jahr passiert ist, als sie alle zusammen Weihnachten bei Esther verbracht haben.

Was letztes Jahr passiert ist erfährt man aus den Rückblicken der beiden Schwestern, die jede aus ihrer Perspektive erzählen, wie es sich für sie angefühlt hat – das letzte Weihnachtsfest. Ebenso wie einige Geschehnisse aus der Kindheit aufgerollt und zerpflückt werden. Sehr schnell wird klar, dass Esther und Sue eine komplett andere Sicht der Dinge haben. Esther wollte Sue immer nur beschützen, Sue fühlte sich hingegen permanent kontrolliert, manipuliert, bevormundet von einer Schwester, die nur ihre eigene Wahrheit gelten lässt. Es springt einem schon richtiggehend ins Gesicht, dass zwischen den Beiden keine Geschwisterliebe sondern eine hoch toxische Beziehung herrscht. Sue möchte eigentlich nur, dass Esther schnell wieder geht und sie in Ruhe lässt, weswegen sie sehr wortkarg und geradezu unhöflich ist – Esther interpretiert das Verhalten ihrer Schwester als depressiv und glaubt, sie braucht gerade heute besonderen Schutz.

Es handelt sich nur um einen einzigen Tag, genauer, ein paar wenige Stunden, die in diesem (Hör-)Buch beleuchtet werden. Nach kurzer Zeit hat man sich ganz sicher auf die Seite einer der beiden Schwestern geschlagen. Und dann kommt der Punkt, an dem man nicht mehr weiß, ob man sich auf der richtigen Seite befindet, denn nun wendet sich das Blatt…… und wieder wendet es sich, als Martin sich in die Geschichte einklinkt. Auch Martin beleuchtet das letzte Weihnachtsfest, seine Schwägerin, seine Ehe, einfach alles, aus seiner Sicht. Zwischendurch gibt es noch Rückblenden von einem Kind – „Das Mädchen“ genannt – und irgendwann weiß man selbst nicht mehr, wer von den Beteiligten jetzt eigentlich gut“ und wer „böse“ ist.

Ich hoffe, dass mich niemals in meinem Leben jemand „Schnecke“ nennt. Das ist der Spitzname, mit dem Ester ihre Schwester anspricht und auch Esthers Kinder sagen „Tante Schnecke“ zu Sue.

Das Gespräch zwischen den beiden Schwestern ist das, was die Geschichte interessant macht. Auch wenn die gleichen Situationen aus 2 Perspektiven beschrieben werden, ist es krass, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind. Ich habe ganz oft gedacht, dass das Verhalten von Esther mehr als übergriffig ist.

Leider wird die Sache zäh und langatmig als auch Martin beginnt, seine Geschichte zu erzählen. Nun erfährt der Leser/Hörer die gleichen Sachen noch einmal, aus der Sicht von Esthers Ehemann. Das war mir an einigen Stellen zu viel. Durch Martin hat man aber auch noch ein paar Details erfahren, die die Schwestern so nicht zur Sprache gebracht haben.

Der Schluss war anders als erwartet, aber es zeigt sich, dass Esther zu keiner Zeit und egal was passiert, niemals die Kontrolle aus der Hand gibt.

Auch wenn es stellenweise (für mein Empfinden) etwas zu langatmig war, war es doch unterhaltsam. Als Thriller würde ich es jedoch nicht bezeichnen, eher als Familien-Psycho-Drama. Die SprecherInnen Christiane Marx, Ulrike Kapfer und Tim Gössler haben die Geschichte einer hoch-toxischen Beziehung lebendig werden lassen.

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