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Veröffentlicht am 24.10.2018

Charaktere mit Wiedererkennungswert in einer jugendgerechten Handlung

Das Institut der letzten Wünsche
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Auf der Buchrückseite steht ein Zitat von der BILD: »Perfekt für alle Fans von Jojo Moyes!«. Da ich »Ein ganzes halbes Jahr« bereits vor ein paar Jahren gelesen habe und es ganz okay fand (damals habe ...

Auf der Buchrückseite steht ein Zitat von der BILD: »Perfekt für alle Fans von Jojo Moyes!«. Da ich »Ein ganzes halbes Jahr« bereits vor ein paar Jahren gelesen habe und es ganz okay fand (damals habe ich 5 Sterne vergeben, aus meiner heutigen Sicht wären es "nur mehr" 4 Sterne), habe ich mich sehr auf das Buch gefreut und auch gewisse Parallelen erwartet. Eine Parallele gibt es tatsächlich: Frau verliebt sich in Mann, der bald stirbt. Aber das war es dann auch schon an Gemeinsamkeiten, finde ich. Die Handlung und die Protagonisten könnten unterschiedlicher nicht sein. Birger zum Beispiel ist ein SEHR sympathischer Typ, was man von Will aus »Ein ganzes halbes Jahr« wahrscheinlich nicht unbedingt behaupten würde. Birger wirkt total zerstreut, zerzaust und zerknittert. Er sieht immer so aus, als wäre er gerade aus einem Sturm gekommen und das macht ihn in meinen Augen irgendwie total liebenswert. Mathilda, unsere Protagonistin, ist ebenfalls eine liebevolle, sympathisch beschriebene Person. Sie ist eine Figur, die auch ihre Besonderheiten hat, die sich besonders kleidet und ein bisschen so wirkt, als würde sie ihre Kindheit zurückhaben wollen. Beide zusammengenommen würden schon ein herrliches Paar abgeben und während des Lesens habe ich mir das auch die ganze Zeit gewünscht: dass die zwei zueinander finden ...

Mathildas und Ingeborgs (Mathildas Vorgesetzte und gute Freundin) Konzept, sterbenden Menschen ihre letzten Wünsche zu erfüllen, finde ich an und für sich eine schöne Sache. In diesem Buch wird dieser Gedanke aber nicht ausschließlich positiv beleuchtet. Es wird durchaus auch Kritik an der Wunscherfüllerei geübt, vor allem aus Sicht der Mediziner und der Ethik – denn, was vielen Menschen an der Sache negativ aufstößt, ist die Tatsache, dass viele Klienten unmittelbar nach der Erfüllung ihrer letzten Wünsche versterben.

~ »Besser, man geht, solange man den Zeitpunkt selbst bestimmen kann.« ~
(S. 102)

Ich glaube, das Buch ist als Jugendbuch deklariert und das würde ich persönlich auch genau so unterschreiben, denn sowohl die Handlung als auch die Sprache kommt jugendgerecht daher. Was mich an manchen Stellen allerdings gestört hat, war die Vorhersehbarkeit. Okay, manchmal war ich echt hochgespannt von den Geschehnissen und sodann erstaunt über die Entwicklung, aber oft empfand ich die Handlung auch als zu vorhersehbar und zu zufällig. Ein klein wenig Kitsch ist natürlich auch vorhanden, wovon ich ebenfalls nicht so der Fan bin.
Ansonsten gab es allerdings ein paar Momente, die nachdenklich gestimmt haben, da sie philosophisch anregend sind.

~ Leute brauchten Leute, die ihnen zuhörten, vielleicht dringender, als letzte Wünsche erfüllt zu bekommen. ~
(S. 138)

Im Großen und Ganzen war ich jedoch sehr angetan von der Geschichte. Durch die doch sehr heiteren und besonderen Buchfiguren und die schöne Idee der Wunscherfüllung hatte ich meinen Spaß beim Lesen. Außerdem liest sich die Geschichte, trotz manch drückendem Inhalt, so schön flüssig und leicht, was echt erfreulich war. Also gerne eine Empfehlung dafür!

Veröffentlicht am 26.09.2018

Hardins wahre Handlungen und Motive

Before us
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Da ist er nun, der 5. Band über das Chaos-Paar Hardin und Tessa aka Hessa. Hierin geht es nicht bei ihrer gemeinsamen Geschichte weiter, nein, vielmehr wird hier Band 1-4 im Schnelldurchlauf, vor allem ...

Da ist er nun, der 5. Band über das Chaos-Paar Hardin und Tessa aka Hessa. Hierin geht es nicht bei ihrer gemeinsamen Geschichte weiter, nein, vielmehr wird hier Band 1-4 im Schnelldurchlauf, vor allem aus Hardins Blickwinkel, erzählt.
Das Buch ist in drei Teile unterteilt: Im ersten und im dritten Teil finden sich ein paar Kapitel aus der Sicht diverser Nebenfiguren, die aber auch sehr lesenswert sind, um die Geschehnisse und die Personen in ihrer Gesamtheit besser verstehen zu können. Im zweiten, und gleichzeitig längsten, Teil wird nur aus Hardins Sicht berichtet: Ein wenig aus seiner Kindheit, vom ersten Moment des Kennenlernens von Tessa bis hin zu ihrer langjährigen gemeinsamen Zukunft.

~ »Du ... du weckst in mir den Wunsch, ein guter Mensch zu sein, für dich ... für dich will ich mich bessern, Tess«, flüstere ich. ~
(S. 260)

Ich fand den 5. Teil insofern gelungen, weil man darin tatsächlich einen ganz anderen ersten Eindruck von Hardin bekommt, als man ihn vielleicht nach dem Lesen des ersten Bandes hatte. Für mich war Hardin immer, auch schon von Anfang an, der taffe, harte, zornige junge Mann, der seine Gefühle nicht unter Kontrolle hatte. Durch dieses Buch versteht man nun, dass Vieles, was scheinbar Hardins Idee gewesen zu sein scheint, gar nicht immer auf seine Kappe geht, sondern andere Menschen ihre Finger mit im Spiel hatten. Man versteht endlich Hardins wahre Hintergründe für sein oftmals feindseliges Verhalten und seine ungute Art. Dahinter steckt ein Mann, der verletzt wurde, ein Mann der einsam ist und sein Vertrauen zu anderen Menschen gänzlich verloren hat. Ein Mann, der eigentlich nur glücklich sein und geliebt werden will, sein Glück aber häufig zerstört, eben weil er ein geschädigter Mensch ist.
Klingt jetzt fast so, als würde ich Mitleid mit dem Kerl haben ... War während des Lesens auch oft der Fall, muss ich ehrlich gestehen.

~ Sie wird erkennen, wie wenig ein Fehler zählt, verglichen damit, wie sehr ich sie liebe und wer ich für sie werden kann. ~
(S. 300)

Das einzige, was mir hier nicht so gut gefallen hat, und weswegen ich auch "nur" drei Sterne vergeben habe, war dieser Schnelldurchlauf bzw. diese abrupten unangekündigten Zeitsprünge.
Am Anfang des zweiten Teiles war die Erzählung eh noch logisch und verständlich und oftmals wurde ich dabei auch an den ersten Band zurückerinnert. Aber dann plötzlich wurde der Bericht immer allgemeiner/grober und sprang in der Zeit nach vorne, sodass man sich unmittelbar in einer Szene befand, die erst viel später passiert ist. Das ging bis zum Ende des zweiten Teiles so, dann waren wir eigentlich schon viele Jahre in der Zukunft mit den beiden Kindern von Hessa und so weiter. Mir ging das dann alles leider zu flott und zu wenig in die Tiefe.

Gut, »Before us« ist sowieso kein Buch, welches tiefsinnig ist oder eine besondere Bedeutung oder Botschaft übermitteln will. Es soll Spaß machen/einfach für Unterhaltung sorgen – und das schafft es mit Charakteren, bei denen man gar nicht anders kann, als mitzufiebern, allemal.
Band 6 und 7, in denen es dann vor allem um Hardins Stiefbruder Landon und seine Problemchen geht, möchte ich beizeiten auch gerne noch lesen.

Veröffentlicht am 23.09.2018

Schräge Figuren in einer symbolträchtigen Geschichte

Mister Aufziehvogel
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»Mister Aufziehvogel« habe ich mit einer Bloggerkollegin in einer Leserunde gemeinsam gelesen. Für mich war es das erste (und bestimmt nicht das letzte!!) Buch von Haruki Muramaki. Schon während des Lesens ...

»Mister Aufziehvogel« habe ich mit einer Bloggerkollegin in einer Leserunde gemeinsam gelesen. Für mich war es das erste (und bestimmt nicht das letzte!!) Buch von Haruki Muramaki. Schon während des Lesens habe ich mir zwei weitere Bücher des Autors zugelegt.

Ich bin gut im Buch gelandet. Unser Protagonist Toru ist ein Mann, der seinen Job in einer Anwaltskanzlei aufgibt, um einen Neuanfang zu starten und da ich mir persönlich nichts Langweiligeres vorstellen kann, als in einer Anwaltskanzlei zu arbeiten, habe ich mich schnell mit Toru angefreundet. Bei ihm merkt man allerdings schnell, dass er ein relativ passiver Mensch ist, der Vieles einfach hinnimmt, ohne zu hinterfragen. Diese Tatsache hat mich manchmal überrascht und verwirrt. Nichtsdestotrotz ist Toru mir bis zum Ende sympathisch geblieben, vor allem auch, weil er ein sehr gütiger Mensch ist, der die Fähigkeit zu verzeihen besitzt.

Die Handlung ist am Anfang zwar wenig spektakulär, dennoch konnte sie mich fesseln. Schon zu Beginn passieren nämlich richtig schräge Dinge, die mich neugierig auf den weiteren Verlauf gemacht haben. Diese Eigenartigkeiten nehmen aber kein Ende, nein. Ganz im Gegenteil: ein Fragezeichen nach dem anderen tut sich auf. Sogar so viele, dass es mir bis zu einem gewissen Punkt zu viel wurde und ich nur mehr verständnislos vor mich hin gelesen habe. Irgendwann fragt man sich dann auch: Was ist Wirklichkeit? Was ist Fantasie? Sind einige Geschehnisse übersinnlicher Natur oder ist doch alles nur Traum? Wie darf man das Ganze verstehen?

~ Die Mehrzahl der Leute verwirft alles, was die Grenzen des eigenen Fassungsvermögens sprengt, als absurd und des Nachdenkens nicht wert. ~
(S. 267)

Livia (meine Mitleserin) und ich haben gerätselt und spekuliert, aber so recht haben wir die Handlung nicht durchschaut, hatte ich das Gefühl. Erst zum Ende hin überkamen mich einige Aha-Momente, und dann wurde mir auch so einiges klar. Aber ob die Erkenntnisse, die ich in meinen Aha-Momenten hatte, tatsächlich das sind, was Murakami uns zu verstehen geben wollte, dessen bin ich mir aber leider auch nicht ganz sicher. Ich denke jedenfalls, dass ich die Story zum Schluss im Großen und Ganzen verstanden habe. Allerdings kann mir diese Frage wahrscheinlich trotzdem nur der Autor sicher beantworten.

Die Figuren in »Mister Aufziehvogel« sind allesamt mit Ecken und Kanten versehen. So haben wir hier zum Beispiel die Schwestern Malta und Kreta Kano. Die eine hat eine Vorliebe für rote Vinylhüte und versucht anderen Menschen durch ihre hellseherischen Fähigkeiten zu helfen. Die andere ist ihre Assistentin und hat die merkwürdige Angewohnheit unbemerkt aufzutauchen und zu verschwinden, nachdem oder bevor sie aus ihrem mehr als verkorksten Leben berichtet. Dann gibt es da noch Torus Frau Kumiko, die irgendwie bis zum Schluss eine der undurchsichtigsten Charktere bleibt, nicht zuletzt, weil sie sich recht bald schon aus Torus Leben vertschüsst und sehr lange ein großes Geheimnis um ihre wahren Gründe dafür macht. Außerdem spielt auch Kumikos höchst unsympathischer Bruder Noboru Wataya eine tragende Rolle in der Geschichte. Er taucht zwar nicht oft persönlich während der Handlung auf, aber dennoch ist von ihm und seinem abartigen und unerträglichen Wesen häufig die Rede. Und nicht zu vergessen: ein Kater, der verschwindet und mit einem anders geformten Schweif wieder auftaucht.
Ihr merkt, von den Figuren her kommt hier ganz sicher keine Langeweile auf. Diese und einige andere Nebencharaktere bieten auf alle Fälle Unterhaltung der besonderen Art. ;)

~ In wirklich tiefer Finsternis waren die seltsamsten Dinge möglich. ~
(S. 297)

Aufgepeppt wurde das Ganze noch durch Erzählungen aus der Vergangenheit verschiedener Bekanntschaften Torus. Beispielsweise gab es lange Episoden über den Krieg, in denen die eine oder andere blutige und gewaltvolle Szene beschrieben wurde. Oder es wurde die damalige politische Situation erläutert – die ich allerdings wenig spannend fand und bei der ich dabei deswegen nicht so aufmerksam gelesen habe. Toru als guter Zuhörer hat sich das alles natürlich geduldig angehört und darüber nachgedacht. Da doch einige dieser Erzählungen in dem Buch vorgekommen sind, habe ich mich selbstverständlich gefragt, inwiefern diese mit der gegenwärtigen Handlung zu tun haben könnten. Leider hat sich mir bis zuletzt deren Bedeutsamkeit leider nicht (bei allen Rückblicken) erschlossen.

Allgemein betrachtet, hat mir das Buch sehr gut gefallen. Ja, ein paar Fragen blieben zwar offen, aber es gab auch genug, die mir schlussendlich beantwortet wurden und mich das Buch relativ zufrieden haben zuklappen lassen. Mein Freund sagt immer wieder, dass er offene Enden mag, da diese so viel Spielraum für eigene Gedanken lassen. Ich mag das allerdings nicht so gerne, da ich fixe Tatsachen – völlig egal, ob sie nun gut oder schlecht sind – sehr schätze.

Veröffentlicht am 16.08.2018

Fantasievolle Geschichte mit historischen Persönlichkeiten

Die letzte Welt
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Wenn etwas auf dieses Buch zutrifft, dann, dass es auf alle Fälle sehr historisch ist. Nicht nur der Römer Cotta (unser Protagonist), den es tatsächlich gegeben haben soll, auch der römische Dichter Ovid ...

Wenn etwas auf dieses Buch zutrifft, dann, dass es auf alle Fälle sehr historisch ist. Nicht nur der Römer Cotta (unser Protagonist), den es tatsächlich gegeben haben soll, auch der römische Dichter Ovid und Kaiser Augustus wirken in diesem Roman, der sich etwa 8 nach Christus abspielt, mit.

»Die letzte Welt« war eine Leihgabe von meinem Onkel, der sehr begeistert vom Inhalt war. In meinem Kopf hat der Roman ebenfalls beeindruckende Bilder heraufbeschworen, denn der Erzählstil des Autors ist relativ bildmächtig, wenn auch manchmal etwas mühsam, da viele sehr lange, auch verschachtelte, Sätze darin ihren Platz haben. Außerdem wirkt der Schreibstil sehr historisch, wie aus der Zeit gefallen – also der Zeit, in der die Handlung stattfindet, absolut angepasst. Nichtsdestotrotz hat sie auch was ganz eigenes. Möglicherweise ist das der generelle Stil des Autors, das weiß ich aber nicht, da dies mein erstes Buch von Ransmayr war.

Die Handlung an sich hat mir nicht immer gut gefallen. Teilweise ist sie SEHR fantasievoll. Mit der Realität hatte das dann nicht mehr viel zu tun. Außerdem sind die Charaktere in dieser Geschichte alle – ohne Ausnahme! – ziemlich eigenartige, teils unheimliche Gestalten, deren Beweggründe und Verhalten ich selten verstehen oder auch nur nachvollziehen konnte. Meist wurde ich überrascht, wenn dieses oder jenes getan oder gesagt wurde. Die Phrase »Total aus der Zeit gefallen« passt hier wie die Faust aufs Auge.

»Die letzte Welt« ist ein Roman, bei dem ich zwiegespalten bin. Soll ich ihn weiterempfehlen, soll ich es lieber sein lassen?
Ich glaube, dass der Schreibstil des Autors schon mal absolute Geschmackssache ist. Die manchmal doch recht fantasyreiche Handlung ist vielleicht ebenso nicht jedermanns Sache, das muss erwähnt werden. Ansonsten schafft es Ransmayr wunderbar, zumindest bei mir, mit seiner Geschichte herrliche Bilder entstehen zu lassen. Bilder, die man sich vermutlich nicht so häufig vorstellt, da das Setting ein eher seltenes und weniger attraktives ist: Tomi, die eiserne Stadt. Mit den Charakteren bin ich leider nicht ganz warm geworden, mit dem Protagonisten Cotta noch am meisten, aber selbst der blieb mir bis zuletzt eher fern. Drei Sterne für diesen teilweise recht beeindruckenden Roman finde ich an dieser Stelle auf jeden Fall angebracht.

Veröffentlicht am 12.08.2018

Die Ursprünglichkeit der Frau

Die Wolfsfrau
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Eigentlich wollte ich mir für meine Rezension zwischendurch Notizen zu diesem Buch machen, bin aber letztlich gar nicht dazu gekommen, weil mich der Inhalt durchgehend an sich gefesselt hat. Es fiel mir ...

Eigentlich wollte ich mir für meine Rezension zwischendurch Notizen zu diesem Buch machen, bin aber letztlich gar nicht dazu gekommen, weil mich der Inhalt durchgehend an sich gefesselt hat. Es fiel mir sogar schwer, auch mal innezuhalten, um über das Gelesene nachzudenken, da ich wahnsinnig neugierig war, was es als nächstes zu lesen gibt. Aber genau das sollte man laut Autorin unbedingt tun: sich beim Lesen Zeit lassen. Also: nur ein Stück lesen, das Buch liegen lassen, darüber nachdenken und erst dann weiterlesen.

In »Die Wolfsfrau«, von der ich erst gedacht habe, dass es ein Roman ist, tatsächlich aber als ein psychologischer und spiritueller Ratgeber (für Frauen) durchgeht, geht es, erst mal grob gesagt, um die Wildnatur der Frauen, um ihre Urinstinkte und die weibliche Intuition. Wie schon aus der Buchbeschreibung zu entnehmen ist, weist die Autorin in ihrem Werk darauf hin, dass moderne Frauen von heute durch unsere Zivilisation und die Gesellschaft in starre Rollen gedrängt werden, sie also meistens etwas vorgeben zu sein, was sie ursprünglich nicht sind: angepasst, gehorsam, fügsam, untergeordnet und still. Das, was die Frau eigentlich ist, ihre Wildnatur, wird erfolgreich unterdrückt. Damit verdrängt sie allerdings gleichzeitig auch ihre Kreativität, ihr Selbstbewusstsein und ihre sprühende Lebensfreude. - Das ist der Preis, den sie bezahlen muss. Clarissa Pinkola Estés findet, dass es höchste Zeit ist, den Frauen zu sagen und zu zeigen, wie sie zu ihrer instinktiven Natur zurückfinden – zur Wolfsfrau – um der wilden, ungezähmten Urfrau in ihr wieder Raum zu geben.
Ihr seht, »Die Wolfsfrau« ist vorrangig ein Buch für Frauen, nichtsdestotrotz finde ich, dass auch Männer vom Inhalt profitieren können – um das weibliche Geschlecht besser zu verstehen.

~ Eine von ihren Urinstinkten abgeschnittene Frau hungert aus und flüchtet sich dann in ein Suchtverhalten, von dem sie unter Umständen vollkommen beherrscht wird. ~
(S. 266)

Was können nun die typischen Symptome einer Frau sein, die eine gestörte Beziehung zu der Frau hat, die sie im tiefen Inneren eigentlich ist? - Sie fühlt sich ausgelaugt und verletzlich. Ist deprimiert, verwirrt, lustlos, machtlos, ängstlich und verunsichert. Ist unfähig, selbst etwas auf die Beine zu stellen oder sich zu zeigen, wie sie ist. Sie fühlt sich uninspiriert, hässlich, schuldbewusst und steif. Sie hat eine ständige Wut im Bauch. Sie könnte durchdrehen. Ist unkreativ und bedrückt. Sie zweifelt, jammert, zieht nichts durch, überlässt anderen die kreativen Aufgaben, ist defensiv, und kann sich auf keine tieferen Beziehungen einlassen. Sie fühlt sich kraft- oder elanlos, sie ist viel zu lieb und nett. Sie bringt es nicht fertig, etwas Neues zu versuchen oder fürchtet sich davor, etwas allein zu unternehmen/auf Reisen zu gehen. Sie hat Angst davor, die eigenen unvollkommenen Werke vorzuzeigen, bevor sie als Meisterstücke gelten können.

Genau genommen, hat die Autorin noch viele weitere Symptome aufgelistet. Als ich mir das alles so durchgelesen habe, musste ich feststellen, dass ehrlicherweise auch auf mich einige der genannten Symptome zutreffen und dann wusste ich: das ist genau das richtige Buch für mich.

Clarissa Pinkola Estés hat eine starke Affinität, Geschichten zu erzählen und wird deswegen als Cantadora – Märchenerzählerin – bezeichnet. Geschichten als Medizin – das ist es, wovon Estés überzeugt ist. Außerdem ist das Geschichtenerzählen eine der ältesten Traditionen ihrer Familie und aus diesem Grund hat die Autorin in ihrem Buch auch einige Märchen, Geschichten und Mythen eingebaut. Ein paar sind bekannt, so zum Beispiel »Das hässliche Entlein«, »Die roten Schuhe« oder »Blaubart«, andere sind Geschichten, die die Autorin von den verschiedensten Leuten während ihrer Recherchen erzählt bekommen und in diesem Buch wiedergegeben hat. Nun ist Estés ja auch ausgebildete Psychoanalytikerin und hat den Inhalt eines jeden Märchens/einer jeden Geschichte gleich danach genau auseinandergenommen, analysiert und interpretiert. Die Autorin lässt sich dafür viel Zeit, beschreibt ausführlichst die Hintergründe der Handlungen und ihre Bedeutungen für die weibliche Psyche. – Manchmal auch in Form von Traumdeutungen. In vielen Geschichten habe ich mich selbst wiederentdeckt, deshalb konnte ich persönlich einiges daraus mitnehmen.

~ Die Metaphern in dieser Geschichte sind Wegweiser, die verdeutlichen, wie eine Frau zu ihrem innewohnenden Instinktleben zurückfinden kann. ~
(S. 48)

Ich habe das Werk beendet und das erste, was ich gedacht habe, war: Das ist ein Buch, das JEDE Frau gelesen haben sollte, denn durch den Inhalt fühlt man sich in seiner Situation schlicht und einfach verstanden. Außerdem bietet es Frauen, zwar nicht ganz direkt, Anregungen und Lösungsvorschläge, aus der momentanen Lebenslage/dem IST-Zustand auszubrechen oder ihn zu verändern. Warum nicht ganz direkt? - Weil jeder Mensch/jede Frau ein Individuum ist und es keine Globallösung gibt. Aber das sollte klar sein. Mit seiner Intuition, seiner inneren Stimme und der eigenen ursprünglichen Natur kann jede Frau ihren individuellen Weg finden!