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Veröffentlicht am 17.03.2022

berührend und aktuell

Die Kinder sind Könige
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Rezension zu „Die Kinder sind Könige“ von Delphine de Vigan
Delphine de Vigan hat es wieder geschafft. Sie beeindruckt mit klarer, einfacher Sprache, die so viel sagt.
Es geht um das Leben von Kindern ...

Rezension zu „Die Kinder sind Könige“ von Delphine de Vigan
Delphine de Vigan hat es wieder geschafft. Sie beeindruckt mit klarer, einfacher Sprache, die so viel sagt.
Es geht um das Leben von Kindern in und mit Social Media. Es geht um Eltern, die das Beste für ihre Kinder wollen, aber das vermeintlich Beste für sich selber tun.
Mélanie ist seit ihrer Jugend fasziniert von Reality-TV Formaten. Sie möchte genauso bekannt sein, wie ihre „Helden“. Im Berühmtsein findet sie, so denkt sie, die Anerkennung und Liebe, die ihr bisher fehlen.
Es ist nun aber allgemein bekannt, dass die Zuneigung der Familie nur schwer zu ersetzen ist, so auch hier. Mélanie kämpft sich durchs Leben, langweilt sich mit ihren Kindern zu Hause. Durch Zufall entdeckt sie Social Media für sich und macht ein Geschäft daraus. Die Familie wird reich, Mélanie ist glücklich, ihre Kinder sind die Könige – von außen betrachtet. Bis Kimmy, die Tochter, verschwindet.
Die Figuren sind dabei lebensnah. Die Familie, die Kommissarin, die Nachbarn – alle sind menschlich und zeigen Verhaltensweisen, die wir von uns oder unserem Umfeld kennen. Das schafft Nähe zum Leser.
De Vigan zeichnet geschickt ein Bild der Familie und berichtet im Wechsel aus der Perspektive der ermittelnden Kommissarin und Mélanie. Dabei beginnt sie bei der Vergangenheit Mélanies, wodurch ihr Handeln in der Gegenwart verständlicher wird. Berichtet die Kommissarin, beginnen die Kapitel stets mit einem Akteneintrag zu den Ermittlungen. Das schafft eine gute Verbindung zwischen Fall und Familie und zeigt die Tragik des Ganzen.
Schnell wird das Ausmaß der Social Media mit all den Folgen für Kinder und Gesellschaft deutlich.
Ein Roman der berührt. Man kommt nicht umhin das eigene Verhalten zu reflektieren. Der Roman ist spannend, aktuell und brisant. Eine ganz große Empfehlung also!

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Veröffentlicht am 17.03.2022

mal anstrengend, mal mitreißend: außergewöhnliche Geschichte

Unser wirkliches Leben
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Rezension zu „Unser wirkliches Leben“ von Imogen Crimp
Imogen Crimp erzählt in ihrem Roman „Unser wirkliches Leben“ die Geschichte der jungen Opernstudentin Anna. Dabei fällt zunächst die Schreibweise ...

Rezension zu „Unser wirkliches Leben“ von Imogen Crimp
Imogen Crimp erzählt in ihrem Roman „Unser wirkliches Leben“ die Geschichte der jungen Opernstudentin Anna. Dabei fällt zunächst die Schreibweise auf. Dialoge werden nicht mit Anführungszeichen gekennzeichnet. Nach kurzer Eingewöhnung stört dies den Lesefluss aber nicht. Die Autorin erzählt die Geschichte um Anna schnörkellos.
Interessant wird das Buch vor allem durch die Figuren. Die Protagonistin Anna ist ehrgeizig und arbeitet zielstrebig auf ihr Ziel, eine bekannte Opernsängerin zu werden hin. Sie ist freundlich, bodenständig und kämpft ich durchs Leben. Ihre Kommilitonen scheinen alle aus besseren Elternhäusern zu kommen, doch davon lässt sie sich nicht aufhalten. Dann trifft sie Max und ihr Leben verändert sich. Max ist ein reicher Geschäftsmann und einige Jahre älter als sie. Die Beziehung ist so konstruiert, dass man als Leser zu Beginn nicht weiß, was man davon halten soll. Ohne es zu merken wird man immer weiter in die Geschichte gezogen, die man so schlecht einschätzen kann. Genau das macht aber hier den Reiz aus. Nach und nach bekommt Max und die Beziehung zwischen ihm und Anna eine Kontur. Man hofft mit Anna bei Castings und sorgt sich um sie. Obwohl sich die Beziehung von Anna und Max beim Lesen komisch anfühlt, kann man nicht aufhören zu lesen, denn die Geschichte wirkt wie aus dem Leben gegriffen. Wie viele Menschen merken, dass sie nicht glücklich sind, aber schaffen es nicht, eine Änderung herbeizuführen? Wie viele befinden sich in Abhängigkeiten und können sich nicht daraus lösen? Zu viele. Anna ist viele dieser Menschen. Wie es ihr damit ergeht, muss schon jeder herausfinden. Das Ende hat mich zumindest überrascht, obwohl es so gut zum Roman passt.
Insgesamt ist der Roman also lesenswert, auch wenn man immer wieder mit dem Kopf schütteln muss und Anna hier und da gerne anschreien würde. Die Geschichte ist nicht überragend, aber die Figuren lassen einen auch nicht los. Wer gerne einen Roman lesen möchte, der keine klassische Liebesgeschichte beinhaltet, der sollte mal reinlesen.

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Veröffentlicht am 28.01.2022

authetische Einsichten

Der Erinnerungsfälscher
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Rezension zu „Der Erinnerungsfälscher“ von Abbas Khider
Abbas Khider hat mit „Der Erinnerungsfälscher“ einen eindringlichen, kurzweiligen Roman geschrieben.
Der Autor erzählt aus dem Leben Said Al-Wahids, ...

Rezension zu „Der Erinnerungsfälscher“ von Abbas Khider
Abbas Khider hat mit „Der Erinnerungsfälscher“ einen eindringlichen, kurzweiligen Roman geschrieben.
Der Autor erzählt aus dem Leben Said Al-Wahids, der aus Bagdad nach Deutschland geflohen ist. Eindrücklich beschreibt der Autor die Zerrissenheit, die Said erfahren muss. Immer wieder stößt er trotz deutschem Pass auf Widerstände, die ihm das Leben erschweren. Dann muss er auch noch nach Bagdad zu seiner im Sterben liegenden Mutter. Auf dem Weg dorthin erzählt er immer wieder vom Verlassen dieser Stadt in früheren Jahren und teilt seine Gedanken zu seinem Heimatland. Mit jeder Erzählung wird das Bild vollständiger. Immer deutlicher wird sichtbar, wie unsicher und fern Bagdad ist, aber auch wie schwer es ist, in Deutschland als Deutscher wahrgenommen zu werden, der er nach seiner Einbürgerung ist.
„Der Erinnerungsfälscher“ ist eine gute Empfehlung für alle, die sich für den östlichen/arabischen Raum interessieren und die gerne authentisch über Heimat, Flucht und Schicksale in diesem Zusammenhang lesen.

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Veröffentlicht am 29.10.2021

humorvoll und klug

Auf Basidis Dach
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Rezension zu „Auf Basidis Dach“
Mona Ameziane ist eigentlich bekannt als Radiosprecherin, Moderatorin für ihren Buch-Podcast „Storys“. Auf Instagram gibt sie gerne Buchtipps und hat eine sympathische Wirkung. ...

Rezension zu „Auf Basidis Dach“
Mona Ameziane ist eigentlich bekannt als Radiosprecherin, Moderatorin für ihren Buch-Podcast „Storys“. Auf Instagram gibt sie gerne Buchtipps und hat eine sympathische Wirkung. Diese Sympathie und ihr Humos fallen auch in ihrem ersten Buch „Auf Basidis Dach“ auf. Sie schreibt darin locker und fröhlich (und damit zügig und flüssig lesbar) über ihre Herkunft. „Auf Basidis Dach“ ist keine Romanerzählung, sondern eher ein Sachbuch, aber auch das irgendwie nicht so richtig, zumindest nicht im klassischen Sinn. Das Buch ist sehr unterhaltsam. Natürlich gibt es viele Sachinformationen zu Marokko, dem Heimatland des Vaters und auch zu Mona Ameziane selbst. Ihre Erzählweise erweckt aber den Eindruck, als würde sie mit ihren Lesern quatschen und in einer gemütlichen Runde aus ihrem Leben erzählen. Dabei erfährt man nicht nur einiges über ihre Herkunft und ihre Familie, sondern auch ganz allgemein darüber, wie es für sie war und ist, mit zwei Kulturen aufzuwachsen und zu leben. Gibt es einen Plural von „Heimat“? Ist sie „genug“ marrokanisch? Wie sehr prägt uns der Ort, in dem wir aufwachsen? All diese Aspekte beschäftigen Mona Ameziane und am Ende erhält man ihre Version Marokkos und viele tolle Denkanstöße Rund um den Begriff „Heimat“.
Sie erzählt so humorvoll, dass die Seiten nur so fliegen. Immer wieder reflektiert sie dabei auch ihre eigene Haltung gegenüber kultureller Unterschiede und Traditionen.
Insgesamt ist „Auf Basidis Dach“ mehr als nur gelungen. Jeder der Mona Ameziane kennt, aber auch jeder, der sich für Kulturen, kulturelle Unterschiede und „Heimat“ als Begriff interessiert und gerne Lebensgeschichten anderer Menschen liest, sollte zu diesem Buch greifen!

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Veröffentlicht am 15.10.2021

aktuell und eindringlich

Wenn ich wiederkomme
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Rezension zu „Wenn ich wiederkomme“ von Marco Balzano
Marco Balzano kann erzählen. Sein Schreibstil liest sich flüssig und zügig, seine Geschichten erzählt er leise und eindringlich. Daniela, Mutter zweier ...

Rezension zu „Wenn ich wiederkomme“ von Marco Balzano
Marco Balzano kann erzählen. Sein Schreibstil liest sich flüssig und zügig, seine Geschichten erzählt er leise und eindringlich. Daniela, Mutter zweier Kinder, lebt jahrelang in Rumänien von einem mageren Arbeitslosengeld. Ihr Mann ist ein „Nichtsnutz“ mit großen Plänen aber wenig Durchhaltevermögen. Um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen, geht sie nach Italien, um dort private Pflegekraft zu arbeiten.
Der Roman ist aufgeteilt in drei Teile. Im ersten Teil erzählt der Sohn. Er beschreibt seine Kindheit, das plötzliche Verschwinden der Mutter nach Italien und damit das langsame auseinanderfallen der Familie. Er schildert Träume und Enttäuschungen und man spürt schnell, wie weitreichend die Folgen seiner Lebenssituation für ihn sind.
Im zweiten Teil erzähl Daniela. Als Leser kann man nachvollziehen, warum sie nach Italien ging und es wird schnell deutlich, wie sehr die Situation alle Familienmitglieder belastet.
Im letzten Teil kommt die Tochter zu Wort und vollendet so das Familienbild.
Schön ist, dass die Geschichte weitergeht und nichts doppelt erzählt wird. Gut zur Geschichte passt auch, dass der Vater nicht zu Wort kommt, da er meistens mit Herumsitzen oder Abwesenheit glänzt.
Insgesamt sind die Figuren toll gezeichnet. Sie sind authentisch dargestellt und mitten aus dem Leben gegriffen. Das Thema, die Migration von Osteuropäern nach Italien (oder eben auch Deutschland) ist erschreckend aktuell und realistisch dargestellt. Ich habe schon häufiger über die Ausbeutung dieser Menschen nachgedacht und dieser Roman sorgt dafür, dass es mir wieder sehr präsent im Kopf ist.
Mit „Wenn ich wiederkomme“ ist Marco Balzano wieder ein toller Roman gelungen, der noch lange nachhallt.

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