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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.06.2021

Spannender und stimmungsvoller Band 4 mit bedeutsamen Umbrüchen im Leben der Hauptfiguren

Morgan's Hall
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Band 4 der Familiensaga umfasst einige Wochen im Winter 1962/63. Ein bisschen schade finde ich, dass das Buch in einem Mikrokosmos spielt, der sich völlig auf die Beziehungen gut situierter Hauptfiguren ...

Band 4 der Familiensaga umfasst einige Wochen im Winter 1962/63. Ein bisschen schade finde ich, dass das Buch in einem Mikrokosmos spielt, der sich völlig auf die Beziehungen gut situierter Hauptfiguren konzentriert, dass historische Bezüge und Diversität fehlen, sich kein Kenntniszuwachs generieren lässt.
Dafür gelingt es der Autorin Emilia Flynn, die Beziehungen und persönlichen Schicksale, die zuletzt oft stagnierten, bedeutsam voranzutreiben. Den besonderen Fokus auf James‘ Vorgehen bezüglich Olivia und Liz sowie die zum Spekulieren anregenden Rätsel mag ich. Auch Olivias Perspektive finde ich klasse. Die Schwarz-Weiß-Zeichnung ist mir zu stark. Phil und Liz als ewige Gutmenschen, demgegenüber die immer gleichen Charaktere, denen Boshaftigkeit aus jeder Pore zu triefen scheint. Frischen Wind durch neue, schwer einzuschätzende Figuren würde ich begrüßen. Einige Entwicklungen sind vorhersehbar oder das Verhalten unlogisch, es gibt aber auch stimmige Wendungen und Überraschungen. Der Spannungslevel kann sich sehen lassen.
Ich war über die gesamte Länge emotional dabei.
Herausstellungsmerkmale bilden weiterhin die eingewobene Mystik, die atmosphärischen Wahrnehmungen zur naturbelassenen Umgebung und tiefsinnige, bedeutungsvolle Sätze. Zum Träumen schön und ein wunderbarer Gegenpol zu all den Intrigen, Dramen und krimineller Energie in der übrigen Handlung.
Es wäre möglich, mit der Saga aufzuhören, weil vieles aufgeklärt wird und sich für offene Fragen ein eigener Abschluss ersinnen lässt. Band 5 „Schicksalsland“ ist angekündigt für Mai 2022.

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Veröffentlicht am 19.05.2021

Atmosphärisches Gesamtkunstwerk mit Tragik, Frohsinn, Sinn und Sinnlichkeit - Highlight

Das unsichtbare Leben der Addie LaRue
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Der Belletristik-Roman um Freiheit, ewige Jugend, soziale Bindungen und den Sinn des Lebens hat neben fantastischen auch historische Züge, weil man die nicht alternde 23-jährige Hauptfigur Addie beispielsweise ...

Der Belletristik-Roman um Freiheit, ewige Jugend, soziale Bindungen und den Sinn des Lebens hat neben fantastischen auch historische Züge, weil man die nicht alternde 23-jährige Hauptfigur Addie beispielsweise bei der französischen Revolution und in Kriegsjahren begleitet und historische Persönlichkeiten trifft. Das Buch bildet eine Hommage an Kunst, Kultur und Inspiration. Ohne aufdringlich zu sein, macht es richtig Lust darauf, sich mit Bildern, Skulpturen, Musik, Theater, Büchern und kreativen Ensembles auseinanderzusetzen, auch wenn man wie ich in Teilbereichen eher ein „Kulturmuffel“ ist.

Die Leseabschnitte sind kurz. Es wird zwischen der Gegenwart (einige Monate 2014 im Leben von Addie und Henry in New York) und der über 300 Jahre umfassenden Vergangenheit von Addie hin- und hergesprungen. Das sorgt für Abwechslung, Spannung und gut platzierte Kenntnisgewinne.
Der Erzählstil wirkt poetisch, einfühlsam und unaufgeregt. Es gibt wenig Action, dennoch zog mich die Geschichte über die gesamte Länge in ihren Bann. Ich habe die individuell gezeichneten Figuren als authentisch wahrgenommen und liebgewonnen, erlebte intensive Gedanken und Gefühle mit Höhen und Tiefen mit und wähnte mich „dabei“. Themen wie Minderwertigkeitsgefühle, Selbstfindungskrisen und Suizid werden mit dem nötigen Ernst und Empathie aufbereitet. Das hat mich sehr angerührt.
Vom Umfeld gewann ich lebhafte Eindrücke. Erwähnenswert ist die moderne Prägung: Klischees werden durchbrochen, mehrere liebenswerte Charaktere sind queer. Ein weiteres Herausstellungsmerkmal stellt die düstere Anziehungskraft zwischen Addie und Luc dar – ein Katz- und Mausspiel mit faszinierender Chemie. Ich hatte ein bisschen Lucifer aus der gleichnamigen Serie vor Augen. Erotik ohne explizite Szenen ist enthalten. Stilvoll und effektvoller umgesetzt als in vielen Liebes- und Erotikromanen.
Toll eingebettet sind allgemeingültige Lehren und bedeutungsvolle lange und kurze Sätze. Ich habe reichlich im eBook markiert. Viele Denkanstöße werden geboten.
Die Übersetzerin Petra Huber hat es geschafft, den Zauber zu bewahren. Das zeitlos elegante Cover ist großartig.
Das Buch bietet ein abgeschlossenes, stimmiges und gut abgerundetes Ende mit überraschender Wendung.
Dieses Werk gehört zu den besten, die ich je gelesen habe. Die Autorin V. E. Schwab verfolge ich weiter.

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Veröffentlicht am 12.05.2021

Ein unterhaltsames Mutmachbuch für die ganze Gesellschaft

Was, wenn wir einfach die Welt retten?
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Dies ist ein leicht lesbares Sachbuch, das Service bietet und Mut machen soll. Ein Appell an das richtige Maß und eine Würdigung kleiner Schritte anstatt Verbote. Erkennbar hat hier ein Laie bekannte Informationen ...

Dies ist ein leicht lesbares Sachbuch, das Service bietet und Mut machen soll. Ein Appell an das richtige Maß und eine Würdigung kleiner Schritte anstatt Verbote. Erkennbar hat hier ein Laie bekannte Informationen (oft ohne Quellenangabe) zusammengetragen und kurzweilig aufbereitet. Kurze Leseabschnitte mit gelegentlichen guten Witzen animieren dazu, oft noch ein bisschen weiterzulesen. Ursachen für die Klimakrise werden vergegenwärtigt und mögliche Lösungen (sowohl global als auch bezogen auf den Alltag der Leserschaft) angerissen. Frank Schätzing zeigt zudem in aller Kürze ein fiktives Worst-Case-Szenario und eine fiktive Utopie auf. Meinerseits hätte er gern das „Du“ verwenden dürfen, was weniger sperrig und distanziert gewesen wäre als das ständige Siezen.

Hinweise und Verlinkungen z. B. zu ökologischer Mode, Digitalisierung und nachhaltigen Geldanlagen nehme ich für meinen Alltag gerne mit.
Wer sich mit so mancher Materie tiefergehend auseinandersetzt, merkt die dahinterstehende Naivität. Viele Forderungen werden längst umgesetzt, benötigen aber Zeit, Geld und qualifiziertes Personal, müssen zudem im Spannungsfeld vielfältiger Interessen bestehen. Eine eigene Innenstadtwohnung mit kurzen Wegen oder ein Niedrigenergiehaus mit Elektroauto können sich Normalverdiener nicht leisten. Effizienzregeln stoßen in der Wissenschaft an Grenzen. Deutschland ist kein Silicon Valley und verliert als Vorreiter an Boden. Viele Unternehmen, die sich z. B. mit Photovoltaik auseinandergesetzt haben, sind längst von der Landkarte verschwunden. Konkurrenzfähigkeit von Wasserstofftransportmitteln steht in den Sternen. Atommüll zu produzieren, der ewig sicher gelagert werden muss, ist nicht der Hit. Bei wachsendem Strombedarf wäre es fatal, wenn polnische Kohlekraftwerke aushelfen müssten.
Deutschland hat das Problem, dass Forschende zu wenig gesellschaftlich gewürdigt und finanziert werden. Und dass zu viel gemeckert wird anstatt selbst anzupacken (Ehrenamt, Gründergeist, ...), in die Politik (Kommunalpolitik) und/oder in den öffentlichen Dienst zu gehen und von innen heraus zu verändern. Wahrscheinlich leistet das Buch tatsächlich Denkanstöße für weitere Schritte in die richtige Richtung. Nicht unbedingt für die typischen Leugner, aber für alle, die sich offen zeigen.
Meine Hoffnung, im Nachwort so etwas zu finden wie „xy Cent vom Buchpreis/Gewinn kommen ökologischen Projekten zugute“, blieb leider unerfüllt.
Im Ergebnis gebe ich eine Leseempfehlung für dieses Sachbuch, das ein gutes Gefühl hinterlässt, kurzweilig und zeitgemäß ist, ein breites Publikum sensibilisiert und aufbauend wirkt.

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Veröffentlicht am 12.05.2021

Emotionsgeladener, dramatischer und informativer historischer Roman

Das letzte grüne Tal
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Nach „Unter blutrotem Himmel“ gelingt es Mark Sullivan erneut, basierend auf wahren Begebenheiten eine abgeschlossene Familien-, Reise- und Liebesgeschichte um den Zweiten Weltkrieg und seine Nachwirkungen ...

Nach „Unter blutrotem Himmel“ gelingt es Mark Sullivan erneut, basierend auf wahren Begebenheiten eine abgeschlossene Familien-, Reise- und Liebesgeschichte um den Zweiten Weltkrieg und seine Nachwirkungen mit emotionaler Wucht zu erzählen.
Empfehlenswert u. a. für Fans von „Libellenjahre“ von Izabelle Jardin und „Tage des Sturms“ von Ella Zeiss.

Der allwissende Erzähler taucht vor allem in die Gedanken und Gefühlswelt der Eheleute Adeline und Emil ein, die sich mit ihren Söhnen (4 und 6) und Verwandten unter Anleitung der Nazis im Jahr 1944 durch Osteuropa gen Westen aufmachen und eine Odyssee durchmachen. Rückblicke zu prägenden Schicksalsschlägen sind passend integriert. Das sorgt für Abwechslung, klärt offene Fragen und geht intensiv zu Herzen. Auch die Nebenfiguren Resi und Marie und ein gewisser „Sonderling“ werden zu Sympathieträgern. Die Söhne wirken leider gesichtslos und manchmal zu „frühreif“. Streit in der Familie und verschiedenartige Begegnungen verdeutlichen, dass es nicht nur Schwarz-Weiß-Zeichnung gibt.
Ich empfand die Darstellungen als authentisch und packend. Effektheischerei findet in akzeptablen Maßen statt. Ich habe mitgefiebert und gehofft. Das Buch erschüttert, macht dankbar, wahrt eine Balance aus Ruhe (gedanklicher Tiefgang) und Sturm (Dramatik), ist tragisch, hat dabei so viele Lichtblicke, dass es nicht runterzieht.
Die Beschreibungen zum Umfeld sind gut greifbar.

Neben der Judenverfolgung werden wenig bekannte Geschehnisse rund um das Dritte Reich beleuchtet. Obwohl ich rund um den Zweiten Weltkrieg schon viel gelesen habe, lässt sich noch etwas dazulernen und - dank der Einbettung in eine spannende Geschichte - in Erinnerung behalten.
„Unter blutrotem Himmel“ (verortet etwa zeitgleich in Italien) hat mich gleichermaßen gebildet und etwas mehr angerührt. Wahrscheinlich weil „Das letzte grüne Tal“ vorhersehbarer gestrickt ist und das Gutmenschentum bei den Protagonisten gefühlt etwas zu stark unterstrichen wird.

Das Ende ist ausführlich und rundet gelungen ab. Es ist mit einem großartigen Nachwort versehen, welches Fiktion und Fakten offenlegt. Dankenswerterweise erfährt man viel zur Entstehung des Romans sowie zu fast allen Figuren wie es ihnen in der Realität ergangen ist. Dafür vergebe ich insgesamt knappe 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 24.04.2021

Psychologische Studien in berührendem Rahmen, einfühlsam und mit Nachhalleffekt

Blumen für Algernon
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In tagebuchähnlichem Stil geschrieben im Jahr 1966 ist das Buch deklariert als häufig gelesener Science-Fiction-Klassiker. Es fühlt sich an wie eine psychologische Fallstudie in unterhaltsamem, nahbarem ...

In tagebuchähnlichem Stil geschrieben im Jahr 1966 ist das Buch deklariert als häufig gelesener Science-Fiction-Klassiker. Es fühlt sich an wie eine psychologische Fallstudie in unterhaltsamem, nahbarem Format.

Fiktiver Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist ein neuartiger medizinisch-technischer Eingriff an einem naiven, offenen, gutherzigen 32-Jährigen mit einem IQ von 68, der daraufhin innerhalb einiger Wochen zum Genie avanciert. Es geht um Lernfortschritte, die unter psychologischer Aufsicht sich verändernde Wahrnehmung insbesondere das soziale Umfeld betreffend, die Aufarbeitung seiner Vergangenheit und eine beängstigende Zukunft.

Der Protagonist Charlie ist ein Sympathieträger. Seine Nöte, Überforderung, Zerrissenheit und Engagement geraten authentisch. Das Buch hat mich emotional erreicht. Ärger, Freude und Traurigkeit entfacht. Auch das Ende hat mich sehr berührt. Das Werk wird mir wohl ewig im Gedächtnis bleiben. Die intelligenzmäßige und charakterliche Wandlung und die Reaktionen des Umfeldes mit einhergehenden emotionalen Problemen (freundlich wahrgenommener Mikrokosmos vs. Welt mit allen Facetten) geben zu denken. Ich fühlte mich zum Beispiel animiert, über die Frage nachzudenken, was Zufriedenheit ausmacht.

Das Buch wirkt nicht veraltet. Es vermittelt zeitlos wertvolle Botschaften: Der Wert eines Menschen bemisst sich nicht am Intelligenzquotienten. Bildung und Wissen sind kein Garant für Glück. Mit unterschiedlichen Startbedingungen und Schicksalen möchten wir unterstützt und als wertvoll wahrgenommen werden und Zuneigung spüren. - Auf unaufdringliche Weise fördert das sehr menschliche Buch damit Empathie, insbesondere (aber nicht nur) im Umgang mit aus dem normalen Rahmen fallenden Menschen. Es tut einen guten Dienst rund um zeitgemäße Themen wie Inklusion, individuelle Förderung und einfache Sprache.
Bestimmt eine gute Lektüre auch für Jugendliche und für die Schule (vorausgesetzt Ernsthaftigkeit, Wille und Zeit zur Aufarbeitung der Eindrücke sind vorhanden).

Kleine Nachteile: Etwas langatmig im Mittelteil, actionarm, teils vorhersehbar. Trotzdem 5 Sterne.

Danke an den Verlag Klett-Cotta für die Neuauflage. Ich hätte ansonsten nichts davon gehört. Das Buch bietet das Potenzial, das Miteinander in unserer Gesellschaft aufzuwerten. Jeder sollte es gelesen haben.

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