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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.11.2019

Band 1 von 2: Spannender Verschwörungs- und Agenten-Thriller

Das Artefakt
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Am ehesten vergleichbar mit „Das Fossil“, aber überwiegend im Mittel- und Nordamerika der Gegenwart verortet (kein SF, aber Mystery-Faktor) und stilistisch einfacher gehalten.
Erzählt wird chronologisch ...

Am ehesten vergleichbar mit „Das Fossil“, aber überwiegend im Mittel- und Nordamerika der Gegenwart verortet (kein SF, aber Mystery-Faktor) und stilistisch einfacher gehalten.
Erzählt wird chronologisch aus zwei Perspektiven: Maschinenbau-Student Marcus und FBI-Agentin Maya.
Marcus wirkt oft dümmlich. Ein Charakter seines Intellekts müsste in Ruhephasen reflektierter planen können, um glaubhaft zu wirken. Dies ist ein hinnehmbarer Umstand, weil durch entstehende Krisen viel Lesevergnügen erzeugt wird. Die Entwicklung seiner Figur möchte ich lobend hervorheben.
Maya nehme ich ihre Ausbildung ab. Ihr fehlt ein bisschen das Individuelle, um sie im Gedächtnis zu behalten. Umso mehr freue ich mich über Interaktionen mit Thor, einem Special Agent im wahrsten Sinne.
Verstecken, Flucht und Schießereien werden detailreich beschrieben. Hier hätte es für meinen persönlichen Geschmack Raum für Kürzungen gegeben. Glücklicherweise wird die Handlung nicht nur von solchen Actionsequenzen getragen, sondern auch durch Analytik und Kombinationsgabe vorangetrieben.
Unterschiedliche Gruppierungen sind involviert und man sammelt stückchenweise Hinweise über deren Hintergründe und Motive. Spannung und Atmosphäre sind reichlich vorhanden. Ich hatte lebhafte Vorstellungen vom Umfeld der Geschehnisse, habe mich hineinfühlen, rätseln und mitfiebern können.
Das Ende ist offen. Auch wenn es nicht mein bevorzugtes Genre ist, das Konstrukt komplexer gestaltet sein könnte und ich eine Verortung außerhalb Amerikas bevorzugen würde (FBI finde ich ziemlich „ausgelutscht“), freue ich mich auf Band 2. Gut möglich, dass die Handlung noch internationaler und ausschweifender wird.
Ergänzt wird der Roman ab 98 % mit einem sympathischen Nachwort sowie hilfreichem Glossar und Personenverzeichnis.

Veröffentlicht am 01.11.2019

Band 1: Aufregend, dystopisch, spannend

The Wall - Ewige Nacht
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„Science Fiction“ steht drauf und lässt sich logisch herleiten. Kapitelweise wechselnd schlüpft man in den Bewusstseinshorizont von drei Figuren im mittleren Alter. Dabei sorgt der indonesische Fischer ...

„Science Fiction“ steht drauf und lässt sich logisch herleiten. Kapitelweise wechselnd schlüpft man in den Bewusstseinshorizont von drei Figuren im mittleren Alter. Dabei sorgt der indonesische Fischer und Familienvater Made für Mystery-Faktor, während sich die Erlebnisse des Physikers Montgomery einerseits wie ein Wissenschafts- und anderseits wie ein Survival-Thriller anfühlen. Die Rolle der CIA-Agentin Rodea geht über einen klassischen Agenten-Thriller hinaus, da sie Gefühle zeigt und sich ihr Job im Zwiespalt mit ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter bewegt.
Die Handlungsstränge haben eine Verbindung, bewegen sich in dystopischem Setting und sind verortet in den Jahren 2035 und 2036.

Die Einblicke in verschiedene Lebenssituationen, Gedanken- und Gefühlswelten habe ich gemocht. Sie sorgen für Abwechslung und Spannung und animieren zum Miträtseln. Der Autor begnügt sich damit, bestimmte Ereignisse auch einfach mal kurz zusammenzufassen, sodass es nah am Menschen und nie langatmig wird.
Für mich bietet die Sichtweise der sowohl verletzlichen als auch taffen Rodea am meisten Identifikationspotenzial. Bei ihr konnte ich besser mitfiebern als beim furchtsamen Made und beim analytisch denkenden Montgomery. Auch dass der 6-jährige Sohn, der Ehemann und die Chefin von Rodea eine Persönlichkeit aufweisen, hat sicherlich dazu beigetragen. Andere Familienmitglieder und sonstige Nebenfiguren bleiben blass.

Autor Joshua Tree erzeugt Atmosphäre. Auswirkungen des im Mittelpunkt stehenden Phänomens auf Flora, Fauna und die menschliche Lebensart werden realistisch erlebbar gemacht und argumentativ unterfüttert. Das i-Tüpfelchen wäre es gewesen, wenn Innovationen der 2020/30er-Jahre bzw. der Verlust dessen noch mehr zum Ausdruck gekommen wären, gerade in Bezug auf junge Menschen, die es gar nicht anders kennen.
Von den wissenschaftlichen und technischen Erklärungen habe ich als Laie zwar nicht alles verstanden, aber doch einen brauchbaren Überblick erhalten und in Summe eine ganze Menge dazugelernt. Sollte ich jemals in eine ähnliche Lage geraten, fühle ich mich nun besser gewappnet.

Hilfreich für das Verständnis (auch für Neulinge in diesem Genre) ist das stilistische Rundherum: Gut durchkorrigiert, angeführt sind Name, Datum und Ort zum Beginn eines jeden Kapitels, es gibt ein Glossar u. a. mit Abkürzungen, ein Personenverzeichnis und ein Nachwort.

Der Roman endet bei 88 %. Der Ausgang hat mich zufriedengestellt. Das Szenario wirkt abgerundet. Eine elementare Frage bleibt offen und macht - wie auch die weitere Entwicklung liebgewonnener Figuren - neugierig auf die Fortsetzung. Ich finde, der Klappentext sollte ankündigen, dass es weitere Teile gibt. Notfalls wäre es möglich, sich eigene Antworten zu ersinnen und die Reihe damit abzuschließen.
Fazit: Ein dystopischer Thriller mit Anspruch, flüssig zu lesen, mit Denkanstößen und hohem Unterhaltungswert.
Autorenkollege Brandon Q. Morris beleuchtet mit „The Wall: Ewiger Tag“ den gleichen Zeitraum außerhalb der Barriere. Ob ich diese optionalen Perspektiven ergänzend lese, habe ich noch nicht entschieden.

Veröffentlicht am 01.11.2019

Nie langweilig, aber auch kein Highlight

Das Artefakt 2
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Band 2 der temporeichen Verschwörungs-/Agenten-Thriller-Dilogie rankt sich um Marcus, Maya, Thor und (als neue Figuren) Bob und Michelle, meistens im Bewusstseinshorizont von Thor, Bob oder Michelle. Zwischengeschaltet ...

Band 2 der temporeichen Verschwörungs-/Agenten-Thriller-Dilogie rankt sich um Marcus, Maya, Thor und (als neue Figuren) Bob und Michelle, meistens im Bewusstseinshorizont von Thor, Bob oder Michelle. Zwischengeschaltet sind dramatische Geschehnisse anderswo auf der Welt, zu denen sich erst nach und nach ein Gesamtbild formt.
Individualist Thor näher kennenzulernen hat mir gefallen, wobei ich gern noch mehr Gedanken und Gefühlsregungen des an Asperger-Symptomen leidenden Charakters wahrgenommen hätte. Ganz toll die bildhafte Besprechung des Thor-Maya-Gespanns in Kapitel 19: „Sie ist irgendwie rastlos und zerstreut, aber süß, und du bist wie ein Roboter mit Sozialprogramm, das irgendwo einen Bug hat, der für seltsame Ausfälle sorgt.“
Super auch US-Präsident Walker. Die Seitenhiebe dürfte wohl jeder verstanden haben.
US-Politiker Bob und Investigativjournalistin Michelle lassen spannenderweise zusätzliche Einblicke auf politische und wirtschaftliche Verstrickungen zu. Ein Manko ist jedoch, dass sie nicht sympathisch sind und mich nicht mitfiebern ließen.
Dass Marcus zur Nebenfigur wird, befürworte ich. Weinerlich und teils mit Brett vor’m Kopf (Auflösung kam mir recht früh in den Sinn), wirkt er jünger und naiver als er ist. Dass er demgegenüber starke Momente hat, ist allzu vorhersehbar.
Zum Vatikan als Handlungsort und Rolle im Gesamtgefüge wurde das Potenzial meines Erachtens nicht ausgeschöpft.
Die Storyline sehe ich zwiespältig. Einerseits ist eine gewisse Plausibilität/Realismusbezug nicht von der Hand zu weisen, andererseits wirken manche Entwicklungen und das Zusammenfallen von Ereignissen ziemlich gewollt. Schade auch, dass einige Figuren nur als Statisten und Alibi herhalten.
Insgesamt flüssig lesbar, in junger Sprache, gut verständlich, unterhaltsam, bei mittlerem Spannungs- und Überraschungslevel, liest sich gut weg, bleibt aber nicht im Gedächtnis. Mein Eindruck ist, dass es dem Gesamtwerk gut täte, wenn sich Joshua Tree mehr Zeit nimmt, an Details zu feilen.
Das Ende ist in Ordnung und liegt im Bereich des Möglichen, ist abgeschlossen, mit Potenzial für eine Fortsetzung, klärt offene Fragen, hätte gern ausführlicher gefasst werden können.
Insgesamt ist dies nicht mein bevorzugtes Genre. Zu viel Kampf, Schießereien, Flucht. Zu wenig Charakterzeichnung, Innovation, Humor. Denkanstöße diesmal nicht subtil verpackt, sondern mit Holzhammermethode verklickert, ist nicht meins. Drei Sterne mit Tendenz zu vier Sternen sollen hier zum Ausdruck bringen, dass ich die anderen Reihen von Joshua Tree mit SF-Einschlag (Fossil, Signal, Wall, Ganymed) literarisch wertvoller und spannender fand und lieber gelesen habe.

Veröffentlicht am 01.11.2019

Unterhaltsame Fortsetzung der Telenovela vor historischer Kulisse

Der zerbrechliche Traum
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Band 4 spielt von November 1894 bis Anfang März 1895 in Hamburg, Wien und (diesmal endlich ausführlich und hautnah dabei) Kamerun. Die Vorgängerbände sollte man in der richtigen Reihenfolge gelesen haben. ...

Band 4 spielt von November 1894 bis Anfang März 1895 in Hamburg, Wien und (diesmal endlich ausführlich und hautnah dabei) Kamerun. Die Vorgängerbände sollte man in der richtigen Reihenfolge gelesen haben. Im Wesentlichen werden Handlungsstränge rund um Liebe, Eifersucht, Streit, Familienbande weitergeführt, ganz am Rande erhält man Einblicke in Ernte, Verkauf und Verwaltung von Kakao.
Meine Hoffnung, Einblicke in die Mittel- und Unterschicht der 1890er zu bekommen und hierüber etwas zu lernen, bleibt aufrechterhalten. Ellin Carsta gewährt kurz Einblick in die Gedanken und Gefühle des Kutschers der Hansen-Familie. In dieser Richtung gern noch mehr in Folgebänden, da ich besorgt bin, dass mich die „Hochwohlgeborenen“-Probleme mit all ihren Dienern und Babysittern auf Dauer ermüden könnten.
Der Erzählstil ist seicht. Gestört hat mich, wie viele Seiten mit Belanglosigkeiten gefüllt werden (z. B. Begrüßung einzelner Anwesender, wer sitzt/steht neben wem, wie werden die Kinder herumgetragen, ausgehbereit gemacht und immerzu liebevoll angesehen). Ein höheres Erzähltempo und größere Zeitspannen würde ich bevorzugen. Nichtsdestotrotz finden in den wenigen umrissenen Monaten so viele Highlights und Aktivitäten statt, dass es nicht langweilig wird. Schön auch, eine Zugfahrt mitzuerleben.
Gefallen hat es mir, wenn die Schwarz-Weiß-Zeichnung der Figuren durchbrochen wird. Besonders Luise ist mir oft zu perfekt. Wenn sie z. B. Eifersucht empfindet, verleiht ihr das Ecken und Kanten. Aus den Geschehnissen rund um Luise am Ende des Bandes hätte man mehr Gefühle generieren können, wenn z. B. Hans‘ Innenansichten aufgetaucht wären. Die männlichen Partner kommen bei Ellin Carsta oft zu kurz. Es ist aber positiv hervorzuheben, dass Ellin Carsta alle ihrer zahlreichen Figuren ins Geschehen einbindet.
Sympathieträger Karl habe ich arg vermisst. Frederike bleibt blass. Florentinus taucht am Rande auf. Es würde mich freuen, wenn dieser Handlungsstrang weiterverfolgt wird. Therese, eine starke Persönlichkeit, Geschäftsfrau und liebevolle Mutter (z. B. im einfühlsamen Umgang mit ihrem trauernden Sohn), die verletzliche Seiten zeigt, damit berührt, vor allem nicht dem Standesdünkel erliegt, mag ich seit jeher. Robert ist deutlich interessanter geworden.
Mein Highlight in diesem Band bildet Kamerun, sowohl Hamzas innere Monologe, die enttäuschte Liebe, die Zerrissenheit zwischen zwei Welten, Klugheit und Tiefgründigkeit erkennen lassen, als auch die actionreichen, miterlebbar gemachten Erlebnisse rund um die Konflikte zwischen weißen Europäern und schwarzen Ureinwohnern. Hieraus ergeben sich Emotionen und ein einprägsamer Lerneffekt. Ein Quellenverzeichnis ermöglicht weitergehende Recherche. Es besteht erfreulicherweise die Aussicht, dass Band 5 noch mehr den Fokus auf Kamerun legen wird.
Der Roman liest sich trotz kleiner Längen schnell und kurzweilig, beinhaltet berührende Szenen, kommt aus meiner Sicht nicht ganz an Band 1 heran, bildet aber gegenüber vorangegangenen Bänden eine Steigerung.

Veröffentlicht am 28.10.2019

Ungekünstelt und erschütternd

Der lange Schatten der Nacht
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Den Erzählteil im Jahr 2001 habe ich überwiegend nicht gemocht. Dieser nimmt viel vorweg, mindert dadurch die Spannung, unterbricht emotionale Szenen, bei denen ich gern länger verweilt hätte, zudem sind ...

Den Erzählteil im Jahr 2001 habe ich überwiegend nicht gemocht. Dieser nimmt viel vorweg, mindert dadurch die Spannung, unterbricht emotionale Szenen, bei denen ich gern länger verweilt hätte, zudem sind mir die auftretenden Figuren unsympathisch.
Die beiden zeitgenössischen Erzählperspektiven der 1923 in der Ukraine geborenen Jungen zeichnen sich nicht durch Heldenmut, sondern durch Bodenständigkeit und Pragmatismus aus, können über weite Strecken durchaus sinnbildlich verstanden werden für die allermeisten Familien, die unpolitisch waren und eigentlich nur ein bescheidenes und friedvolles Leben führen wollten.
Die authentisch und ehrlich anmutenden Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle berühren, ohne Effekthascherei. Die Fokussierung auf Selbsterhaltung erschwert allerdings das Sympathisieren. Nebenfiguren, allen voran Izabella, sind greifbar und interessant. Die Szenen in der Ukraine sowie in Warschau finde ich besonders gut, sie zeigen Kontraste auf, bilden und gehen zu Herzen.
Was dann folgte, war für mich persönlich zu viel, obwohl ich kein Sensibelchen bin und schon viele historische Romane und Filme kennengelernt habe. Den Detailierungsgrad, mit dem in mehreren Kapiteln das V***************r Treblinka dargelegt wird, fand ich verstörend. Schwer zu sagen, welchen Anteil der Umgang der Protagonisten mit diesen Situationen am Gesamteindruck hat. Ob man sich das antut und darauf aufbauend Gewissensfragen (Schuld, Recht und Unrecht, wie würde man selbst handeln, …) stellt, weil es ein Stück Geschichte abbildet, muss jeder für sich selbst entscheiden. Mich beschäftigte es, brachte mich aber auch auf emotionale Distanz. Das letzte Drittel des Buches habe ich nicht mehr mit der vorangegangenen Sorgfalt gelesen. Ich wollte vorrangig wissen, wie es ausgeht und ob ich mit meinen Vermutungen richtig liege. Das Ende konnte mich nicht gänzlich versöhnen oder mit großen Wow-Momenten beschenken, ist aber stimmig, in Ordnung, hinreichend ausführlich und klärt die offenen Fragen.
Obwohl es kein Nachwort gibt, habe ich m. E. gut zwischen Fakten und Fiktion unterscheiden können.
Nach meinem Empfinden ist es ein tieftrauriges, deprimierendes Werk. Meine 3-Sterne-Bewertung soll nicht die Gabe des Autors schmälern, es ist eine sehr subjektive Wahl.
In positiver Weise haben mich folgende Werke rund um den Ersten und Zweiten Weltkrieg angerührt und gebildet: Unter blutrotem Himmel (Sullivan), Sturz der Titanen (Follett), Was wir zu hoffen wagten (Saalfeld), Tage des Sturms (Zeiss).