Leider enttäuschender Reihenauftakt
Book of NightWerbung I Rezensionsexemplar
Ich musste das Buch erstmal einen Tag in mir wirken lassen, bis ich diese Zeilen schreiben konnte. Meine Leseerfahrung war... komplett das Gegenteil von dem, was ich erwartet ...
Werbung I Rezensionsexemplar
Ich musste das Buch erstmal einen Tag in mir wirken lassen, bis ich diese Zeilen schreiben konnte. Meine Leseerfahrung war... komplett das Gegenteil von dem, was ich erwartet habe.
Geprägt bin ich in meiner Vorstellung von Holly Blacks Büchern natürlich von der fantastischen "Elfenkrone"-Trilogie, die sich vor allem durch eine starke, komplexe, dynamische Protagonistin auszeichnet, durch magisches Worldbuilding und eine unvergleichbare enemies-to-lovers-Dynamik zwischen der weiblichen Protagonistin und dem männlichen love interest.
"Book of Night" spricht eine ältere Zielgruppe an und spielt in der heutigen USA, weswegen man die Bücher natürlich nicht 1 zu 1 vergleichen kann oder sollte. Während des Lesens habe ich mich jedoch immer wieder dabei ertappt, das Buch umzudrehen und zu schauen, ob es wirklich von der Holly Black geschrieben ist. "Book of Night" fühlt sich an wie aus der Feder einer anderen Person geschrieben und verkörpert leider keines der Dinge, die ich an "Elfenkrone" so liebe.
Trotz dessen möchte ich mit den Aspekten beginnen, die mir gut gefallen haben. Ich liebe das Cover von "Book of Night" und finde es toll, dass es direkt von der amerikanischen Ausgabe für den deutschen Markt übernommen wurde.
Was mir außerdem gefallen hat, ist das das Buch im Urban Fantasy Genre angesiedelt ist. Es spielt also in der modernen Welt, hat in diese Welt aber Fantasy-Elemente eingebaut, was in "Book of Night" der Schattenwelt und dem Schatten-Magiesystem entspricht.
Die Charaktere konnten mich leider allesamt nicht von sich überzeugen. Während ich Jude aus "Elfenkrone" bewundere, ist Charlie Hall keine einprägsame Protagonistin. Sie ist zweidimensional, und es scheint, als würde die Autorin den Leitsatz "show don´t tell" komplett vergessen haben. Dem Leser wird ständig gesagt, dass sie eine gefährliche, begabte Diebin magischer Dinge ist, aber in ihrem Charakter ist dies nicht wirklich widergespiegelt, sondern lediglich in ihren unüberlegten, impulsiven Handlungsschüben. Ihr einziger Charakterzug ist es, absichtlich schlechte Entscheidungen zu treffen. Ihre Motivationen, Ziele, Träume und Leidenschaften werden nicht weiter ausgearbeitet, was sie als Protagonistin meiner Ansicht nach schwach macht.
Das führt dazu, dass Charlie soziale Beziehungen, wie etwa zu Vince, ihrem Freund, oder Posey, ihrer Schwester, flach wirken und umauthentisch und mich leider nicht mitreißen konnten.
Auch sämtliche Nebencharaktere sind "einfach nur so dabei", erwecken beim Lesen keine Emotionen oder den Wunsch, mehr über sie zu erfahren.
Für mich wirkt es so, als hätten die Charaktere in "Book of Night" keine eigenen Persönlichkeiten. Es ist ein bisschen wie in Märchen. Jede handelnde Person hat eine offensichtliche Eigenschaft, die ihren gesamten Charakter ausmacht und ansonsten keine weiteren Komplexität oder Wesenszüge.
Dadurch, dass ich mich mit den Charakteren weder identifizieren noch mitfühlen konnte, habe ich das Buch nur schleppend lesen können. Grade am Anfang war es schwer, den Einstieg in die Welt und das Magiesystem zu finden. Etwa im ersten Drittel hatte ich das Gefühl, endlich ein bisschen verstanden zu haben, was ein Hierophant, Gloamisten, die Kabale und ein Blight sind. Dennoch werden die gelieferten Hintergründe über die Magie, also woher sie kommt, wie sie auf die Bevölkerung wirkt und wo ihre Grenzen sind, nicht klar erläutert. Es wird darauf gezielt, das die Lesenden die Magie auf Anhieb verstehen und annehmen. Erschwert wurde dieser Aspekt dadurch, dass Charlie als Protagonistin selber das Magiesystem und die Schattenwelt nicht vollständig zu verstehen scheint, was den Leser zusätzlich bei vielen ihrer Aktionen im Dunkeln tappen lässt.
Dem Schreibstil stehe ich in diesem Buch neutral gegenüber. Er war nicht so individuell wie es beispielsweise Stephanie Garbers ist, hat den Lesefluss dennoch nicht stocken lassen und hat mich angenehm durch diese verwirrende, komplizierte Geschichte geleitet. Ich hätte mir jedoch mehr Erläuterungen gewünscht an manchen Stellen, mehr spritzige Dialoge, die in "Book of Night" viel zu kurz kamen (obwohl Black mit Jude und Cardan in "Elfenkrone" mehr als einmal bewiesen hat, dass sie Spannung sensationell erschaffen kann), mehr Spannung und -so seltsam es klingt- keine fade-to-black intimen Szenen.
Daraus leitet sich ein weiterer Kritikpunkt ab. "Book of Night" wird als Black Erwachsenendebüt bezeichnet, aber bis auf eine ein bisschen explizitere Beschreibung einer Leiche kann ich nicht erkennen, was dieses Buch erwachsener und düsterer wirken lassen sollte. Jegliche Sexszenen werden angedeutet und niemals ausgeschrieben, es gibt auch keine schweren Gewaltszenen oder -bis auf die eine Leichenbeschreibung- keine wirklichen ekelerregenden Szenen. Natürlich sind schwerere Themen verarbeitet, jedoch haben diese mich beim Lesen nicht wirklich emotional greifen können, weil in der Handlung sofort weitergesprungen wurde.
Außerdem ist Charlie von Beginn an in einer Beziehung mit Vince, was an sich interessant und ein einen Kontrast zu vielen anderen Fantasybüchern darstellt (da sie sich nicht erst auf "Partnersuche" begibt). Allerdings ist auch diese Beziehung nicht emotional oder dynamisch ausgearbeitet, weshalb es sich eher als uninteressant herausstellt, da die Beziehung sich nicht weiter entwickelt oder Charlie in diese Beziehung hereinwächst. Auch hat zwischen Charlie und Vince romantische und sexuelle Spannung geehrt, es wirkte eher, als seien sie enge Freunde oder Komplizen.
Zusammenfassend lassen sich meine Gefühle als enttäuscht beschreiben. "Book of Night" hat eine tolle Grundidee und eine interessante Prämisse, leider wird diese nicht genutzt sondern viel zu kompliziert, umemotional und zweidimensional dargelegt. Weder die Charaktere, noch die Handlung konnten mich überzeugen.
Ich werde den zweiten Teil der Reihe, der mit dem Ende von "Book of Night" angeteasert wird, nicht lesen. Jedoch freue ich mich auf das Spin-Off zur "Elfenkrone"-Reihe, was im Frühjahr auf Englisch erscheint. ich bin mir sicher, dass Black sich für "Book of Night" die richtige Idee gegriffen hat, diese jedoch nicht im Rahmen ihres Talents umsetzen konnte.