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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.08.2018

Ein wertvolles Buch

Der Junge auf dem Berg
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„Denkst du nicht manchmal, dass es besser wäre, selbst andere zu quälen, als gequält zu werden? Zumindest könnte einem dann nie jemand weh tun?“, fragt der kleine Pierrot – für mich eines der stärksten ...

„Denkst du nicht manchmal, dass es besser wäre, selbst andere zu quälen, als gequält zu werden? Zumindest könnte einem dann nie jemand weh tun?“, fragt der kleine Pierrot – für mich eines der stärksten Zitate dieses aussagekräftigen Jugendbuches. John Boyne erzählt die Geschichte eines Jungen, Pierrot, dessen deutscher Vater den schrecklichen Erinnerungen des Ersten Weltkrieges nicht mehr zu entfliehen vermag und schließlich umkommt. Bald darauf verliert Pierrot auch seine Mutter, eine Französin. Nun beginnt für das Waisenkind ein neuer Lebensabschnitt, denn seine Tante holt ihn auf den Berghof am Obersalzberg, der sich im Besitz des deutschen Diktators Adolf Hitler befindet. Pierrot erliegt mehr und mehr seiner Faszination für den „Führer“ und gerät in die Fänge des Nationalsozialismus. Bald muss sich Pierrot, der nun Peter heißt, entscheiden: Freundschaft oder Ideologie? Menschlichkeit oder Macht?
Ähnlich wie in „Der Junge im gestreiften Pyjama“, dem Buch das Boyne zum internationalen Durchbruch verhalf, gelingt es dem Autor auch diesmal ein Stück Zeitgeschichte aus der Sichtweise eines Kindes zu erzählen. Der Leser begleitet den kleinen Pierrot durch die Krisen der Zwischenkriegszeit, hinauf auf den Berghof, durchlebt mit ihm seine Identitätskrise und spürt das Gefühl von Anerkennung und Zugehörigkeit, das die Aufmerksamkeit des „Führers“ in ihm weckt. Der Autor vermag es in hervorragender Weise, die Faszination und die Anziehungskraft, die der Nationalsozialismus damals (nicht nur) auf die Jugend ausübte, zu vermitteln. Er zeigt auf, wie diese Ideologie junge Menschen köderte und in der Lage war, sie einer totalen Gehirnwäsche zu unterziehen. In drei Abschnitten habe ich somit die Verwandlung Pierrots, in Peter, einen glühenden jungen Anhänger der Nazis miterlebt. Während des Lesens schwankte ich zwischen Wut, Trauer und Abscheu bei dem Gedanken, wie Pierrot sich verändert hatte, und gleichzeitig konnte ich mich in den Jungen hineinversetzen und so nachvollziehen, was ihn zu dieser charakterlichen Veränderung getrieben hatte.
„Der Junge auf dem Berg“ ist ein Buch, das uns, die wir die Schrecken dieser Zeit nicht miterlebt haben, vermittelt, wie leicht es doch ist, sich in einer Ideologie, wie dieser zu verlieren. Ich denke, es kann dazu beitragen, dem Leser ein besseres Verständnis und Einfühlungsvermögen für diese Zeit zu vermitteln und ihn vor allzu vorschnellen und falschen Urteilen zu bewahren.
Ein wertvolles Buch – einfach lesenswert!

Veröffentlicht am 11.08.2018

Hält nicht, was es verspricht!

Der Sommer ohne Männer
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Mia, eine Lyrikerin, erzählt in diesem Buch über ihre Beziehungsprobleme zu ihrem Mann Boris. Die Beziehungspause, die dieser vorschlägt, entpuppt sich als seine deutlich jüngere französische Arbeitskollegin. ...

Mia, eine Lyrikerin, erzählt in diesem Buch über ihre Beziehungsprobleme zu ihrem Mann Boris. Die Beziehungspause, die dieser vorschlägt, entpuppt sich als seine deutlich jüngere französische Arbeitskollegin. Boris geht eine Beziehung mit ihr ein und Mia kommt damit nicht klar, sie wird depressiv und wird kurzzeitig sogar in eine Klinik eingewiesen. Anschließend kehrt sie in ihr neues Leben – ohne Boris – zurück und muss sich darin erst einmal zurechtfinden. Schreibend und im Kontakt mit anderen Frauen verschiedenster Altersstufen lernt Mia Schritt für Schritt Boris loszulassen, bis dieser wieder von selber auf sie zukommt.
Der Titel „Der Sommer ohne Männer“ hat mich sofort angesprochen. Auch die kurze Inhaltsangabe versprach eine interessante Thematik und meine Erwartung war die Weiterentwicklung der Hauptfigur Mia zu einer eigenständigen Persönlichkeit miterleben zu dürfen. Auch habe ich mir einige tiefgründigere Erkenntnisse aus dem Buch erhofft und es gab durchaus einige vielversprechende Ansätze dazu. Manch ein Leser mag dem Text möglicherweise Aussagekräftiges abgewonnen haben, mir blieb dies allerdings verwehrt. Das Thema der Ich-Suche wird meiner Meinung nach etwas schwach abgearbeitet und der Prozess der Verwandlung Mias in eine starke, unabhängige Persönlichkeit wird darauf beschränkt, dass die Ich-Erzählerin sich von ihrem Ex-Mann umgarnen lässt, um ihrem Ego zu schmeicheln – von Stärke also eigentlich keine Spur.
Einen guten Roman erkenne ich persönlich daran, dass ich es kaum erwarten kann, wieder in die Geschichte einzutauchen, mich in die Charaktere einzufühlen und mich in der Handlung verliere. In diesem Fall habe ich mich leider von Kapitel zu Kapitel gekämpft, stets darauf wartend, doch noch auf eine zentrale Aussage des Buches zu stoßen, die mich begeistert – leider vergeblich.
„Der Sommer ohne Männer“ – ein vielversprechendes Buch, das sein Versprechen aber nicht hält.

Veröffentlicht am 02.08.2018

Ein Buch - (nicht nur) für Frauen!

Harte Jahre - starke Frauen
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Fünf Südtirolerinnen erzählen ihre Lebensgeschichten, von denen jede einzelne mich beeindruckt, zum Nachdenken angeregt und etwas gelehrt hat.
Allen Geschichten gemein sind die Stärke, die Zähigkeit und ...

Fünf Südtirolerinnen erzählen ihre Lebensgeschichten, von denen jede einzelne mich beeindruckt, zum Nachdenken angeregt und etwas gelehrt hat.
Allen Geschichten gemein sind die Stärke, die Zähigkeit und der unerschütterliche Glaube dieser Frauen – an Gott, an ein besseres Leben – und wenn schon nicht für sich, dann zumindest für ihre Kinder. Gleichzeitig spiegeln die Erzählungen Zufriedenheit, Dankbarkeit und Zuversicht wider, die mir die Erzählenden als Leserin mitgeben.
Da ist Josefine, die großherzig gibt, ohne je eine Gegenleistung zu verlangen; Viktoria, die trotz schwieriger Umstände, ihr Leben mit Hansl und den vielen Kindern gelebt und sich bis ins hohe Alter ihre Lebensfreude erhalten hat; Kathi, die sich Zeit ihres Lebens nach Freiheit sehnt, jedoch erst nach dem Tod ihres Ehemannes die Möglichkeit erhält, diese zu leben; Augusta, deren ständige Mühen, Arbeit und Sorge um ihre Familie letztendlich anerkannt werden; Margareth, die von ihrer lieblosen Kindheit und der schrecklichen Ehe mit einem Alkoholiker erzählt – und wie sie sich davon befreite.
Das Buch „Harte Jahre – starke Frauen“ stammt von zwei Autorinnen, Sigrid Mahlknecht Ebner und Katharina Weiss. Die fünf Beiträge stammen je von nur einer der beiden Frauen und weisen daher unterschiedliche Erzählstile auf, was auflockernd wirkt. Die Sprache ist einfach gehalten und somit wirkt die Übertragung des Südtiroler Dialektes in die Hochsprache nicht künstlich. Dialektale Begriffe werden zudem im Glossar erklärt.
Ich würde mir wünschen, dass viele junge Frauen, aber natürlich auch Männer, sich die Zeit nehmen würden, dieses Buch zu lesen. Es zeigt einerseits, wie viel Frauen erreichen können und welch zentrale Rollen sie – oft unbemerkt – in unseren Familien und der Gesellschaft einnehmen. Andererseits können sich viele junge Frauen heutzutage aufgrund der vielen Möglichkeiten und Chancen gar nicht mehr vorstellen, welche Erniedrigungen, Benachteiligungen und schweren Schicksale Frauen früherer Generationen erleben mussten. Dieses Buch könnte das Bewusstsein hierfür wieder schärfen und Mut geben, wenn Situationen aussichtslos erscheinen.

Veröffentlicht am 01.08.2018

Schwacher Titel für ein gutes Buch

Denn bitter ist der Tod
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Elena Weaver, Englischstudentin in Cambridge und Tochter eines geschätzten Universitätsprofessors, wird von der Malerin Sarah Gordon tot aufgefunden. Inspector Lynley und Barbara Havers ermitteln im Mordfall ...

Elena Weaver, Englischstudentin in Cambridge und Tochter eines geschätzten Universitätsprofessors, wird von der Malerin Sarah Gordon tot aufgefunden. Inspector Lynley und Barbara Havers ermitteln im Mordfall um die junge Frau und lernen dabei die unterschiedlichsten Sichtweisen ihres Umfeldes auf das Opfer kennen. Um der Wahrheit über die Umstände ihres Todes näher zu kommen, beleuchten sie ihre Studienleistungen, ihre sozialen Kontakte an der Universität sowie ihre Familiensituation, die nicht unkompliziert ist. Da wäre zum einen Elenas ehrgeiziger Vater Dr. Anthony Weaver, der für einen ehrenwerten wissenschaftlichen Posten nominiert ist; des Weiteren Elenas Mutter Glyn, die von Dr. Weaver verlassen worden ist, sowie ihre Stiefmutter Justine. Auf der Suche nach der Wahrheit decken Lynley und Havers nicht nur ein Geheimnis auf.
Der fünfte Band der Inspector-Lynley Reihe knüpft in Spannung und Lesespaß an seine Vorgänger an. Die Autorin versteht es, mich als Leserin von Kapitel zu Kapitel immer stärker zu fesseln. Jedes Mal, wenn ich das Buch nach einem Kapitel aus der Hand legen wollte, um eine Lesepause einzulegen, konnte ich nicht, da die Ermittler wieder ein spannendes Detail aufdeckten, das den ganzen Mordfall wieder neu und in einem anderen Licht erscheinen ließ.
Gleichzeitig sind die Krimis von Elizabeth George nicht nur von Mord und Spannung geprägt, sondern werden durch die Beziehung zwischen den beiden Hauptermittlern Lynley und Havers aufgelockert. Beide stammen aus völlig unterschiedlichen Schichten und Lebensumständen, sind völlig gegensätzliche Charaktere. Dies führt unweigerlich zu Situationen, die einerseits von einer gewissen Komik geprägt sind und andererseits aber auch zum Nachdenken über diese sog. Klassenunterschiede führen.
Einen Kritikpunkt möchte ich an dieser Stelle loswerden: Dem deutschen Buchtitel „Denn bitter ist der Tod“ fehlt es meiner Meinung nach an Aussagekraft und Bezug zu der Geschichte. Im Englischen heißt das Buch „For the sake of Elena“. Auf mich wirkt der deutsche Titel so, als wäre er ein allgemein gehaltener, Spannung verheißender Krimititel, der diesem Buch übergestülpt wurde, jedoch leider nichts über den Inhalt aussagt.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Verbrechen im Eliteinternat

Auf Ehre und Gewissen
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Inspector Lynley und seine Partnerin Barbara Havers ermitteln im Mordfall an Matthew Whatley. Die Leiche des Stipendiaten einer britischen Elite-Schule wird entkleidet auf einem Friedhof gefunden. Doch ...

Inspector Lynley und seine Partnerin Barbara Havers ermitteln im Mordfall an Matthew Whatley. Die Leiche des Stipendiaten einer britischen Elite-Schule wird entkleidet auf einem Friedhof gefunden. Doch wer ist der Mörder und welches Motiv liegt der Tat zugrunde? Auf der Suche nach Aufklärung müssen Lynley und Havers sich mit den verkrusteten Traditionen des Internatslebens auseinandersetzen und die Verstrickungen seiner Insassen in vermeintlich ehrenhafte Gesetzmäßigkeiten aufdecken.
Der gewählte Schauplatz des Verbrechens – ein Eliteinternat – ist geradezu prädestiniert für einen packenden Thriller, der die erstarrten Strukturen der britischen Oberschicht beleuchtet und einen Blick hinter die Kulissen dieser schulischen Einrichtungen gewährt. Der Autorin gelingt es gleich anhand mehrerer Figuren, die Verstrickung in Pflichtgefühl, Ehrenkodex, Sehnsucht nach Anerkennung sowie eigene Wünsche und Bedürfnisse, aufzuzeigen. Aufgrund der verschiedensten Motive, auf die Lynley und Havers stoßen, kann man sich als Leser bis zum Schluss nicht auf einen klaren Tatverdächtigen fixieren, was das Buch für mich ungemein spannend macht.
Das vierte Buch der Inspector-Lynley-Reihe beschäftigt sich, wie jeder der ersten vier Bände, aber nicht nur mit einem spannenden Mordfall und seiner Aufklärung. Auch die persönliche Geschichte der fünf wichtigsten Protagonisten der Buchreihe wird weitererzählt, was den Büchern meines Erachtens eine besondere Note verleiht: Der Leser begleitet Barbara Havers nach Feierabend in ihr tristes Zuhause, wo sie den Alltag mit ihren pflegebedürftigen Eltern kaum aushält. Er fühlt die Ungewissheit Thomas Lynleys: Wird seine langjährige beste Freundin Helen Clyde eine Beziehung mit ihm eingehen? Er geht mit Deborah und Simon St. James durch die erste schwierige Phase ihrer jungen Ehe und ist bereits gespannt, wie sich das Schicksal dieser Protagonisten in den folgenden Bänden entwickeln wird.
Ein Buch, das Spannung bis zur letzten Seite verspricht und durch die Hintergrundgeschichte seiner Figuren zum Weiterlesen anregt.