Verschleppt in eine fremde Welt, gefangen und gefoltert, entdeckt die junge Sina Kräfte in sich, die nicht nur ihr eigenes Leben verändern sollen. Doch die Tyrannin Zayda, deren dunkle Magie ganze Kulturen in den Abgrund stürzte, macht erbarmungslos Jagd auf sie…
Der Klappentext ist schonmal sehr interessant und auch das Cover macht neugierig. Ich war wirklich gespannt auf das Buch.
Da es der erste Teil einer Reihe ist, habe ich auch nicht erwartet direkt alle Geheimnisse erklärt oder einen großen Endkampf präsentiert zu bekommen. Die Charaktere werden vorgestellt, die Welt aufgebaut, es entwickeln sich erste Beziehungen und kleinere Hürden werden von der Protagonistin überwunden. Soweit so gut.
Die Story beginnt auch recht spannend. Man wird im Prolog direkt in der Geschehen geworfen. Doch leider wird das hohe Tempo nicht gehalten und auch die Logik lässt teilweise zu wünschen übrig.
(Achtung Spoiler möglich)
Die Story erfährt schon im ersten Drittel mehrere Twists, was dazu führt, dass die Protagonistin nachdem sie gefangen und gefoltert wurde, ohne Gedächtnis in einem abgelegenen Dorf strandet. Praktischerweise in der Obhut eines alten Magiers und seines waffenerprobten Enkels. Und ab dann bewegt sich die Geschichte nur noch wenig.
Die meiste Zeit beobachtet man, wie Sina ihre magischen Kräfte entdeckt und trainiert oder sich in verschiedenen Kampfkünsten übt. Das dies mit häufigen Wiederholungen einher geht muss nicht extra gesagt werden (so knapp sich das hier anhört, es nimmt eine gewaltige Anzahl an Seiten ein).
Da sie natürlich die Auserwählte ist, die die Tyrannin besiegen wird, ist sie natürlich sowohl in Magie als auch im Umgang mit Waffen unheimlich talentiert.
Und Tarek (der Enkel) und seine Freunde (alle zwischen 15 und 19 Jahre, die sich alles selbst beigebracht haben) können ihr jeder eine andere Art des Kampfes beibringen. Praktisch.
Sina selbst ist ein eher widersprüchlicher Charakter.
Ihre Freunde sehen sie als ein herzensgutes Mädchen, ein bisschen unsicher und schüchtern, aber liebenswert, hilfsbereit, aufopfernd, wissbegierig, lernfähig. Manchmal tollpatschig und ein wenig überemotional.
Dem Leser erscheint Sina aber auch egoistisch (sie hilft jemandem, damit die Leute besser von ihr denken)und irgendwie selbstzerstörerisch. Sie empfindet keinen Stolz auf ihre Fähigkeiten, putzt sich selbst ständig runter und hält sich nicht nur für unwürdig, sie will ihre Aufgabe als Auserwählte scheinbar auch garnicht wahrnehmen. Sie akzeptiert kein Lob, tendiert dann aber wiederum zur Angeberei. Sie ist kindisch und nicht kritikfähig, neigt zu Gefühlsausbrüchen und ignoriert Ratschläge und Anweisungen.
Die mächtige Tyrannin und fähige Strategin, Zayda, ist ähnlich enttäuschend. Sie stellt sich als jähzornig, nicht sonderlich weitsichtig, paranoid, unvorsichtig und impulsiv heraus. Trotz einer scheinbar unerschöpflichen Flut an Untergebenen und Helfern schaffst die es auf 800 Seiten nicht Sina wieder einzufangen, geschweige denn zu finden.
Und warum ist sie eigentlich zur bösen Herrscherin geworden?
Tja, einfach weil sie magisch begabt war und scheinbar nichts besseres zu tun hatte als alle Völker zu unterwerfen.
Bei den "Bösen" fällt insgesamt auf, dass sie eher stereotyp sind. Es wird immer wieder explizit betont wie grausam und brutal die Ratken doch sind, wie schrecklich ihre Herrscherin ist und wie wenig ihnen das Leben anderer wert ist. Der einzige Grund für ihr Verhalten ist aber anscheinend die Machtgier ihrer Herrscherin und eine naturgegeben Grausamkeit des gesamten Volkes.
Für die wenigen Abweichler dieses Volkes gibt es dagegen bisher keine Erklärung. Wie kommt jemand der im herrschenden Volk einer Diktatur/Tyrannai aufwächst auf die Idee, sich auf die Seite der Unterdrückten zu schlagen und für sie sogar in den Tod zu gehen?
Das wäre wirklich interessant gewesen.
Die anderen Charaktere sind mir weniger aufgestoßen. Zwar wurden Vorgeschichten und Motivationen nur spärlich preisgegeben, trotzdem hat die Autorin eine interessante Vielfalt unterschiedlicher Charaktere erschaffen.
Einige Nebenfiguren tauchen immer mal in kurzen Abschnitten auf, ihre weitere Rolle ist aber noch unklar. Die Einschübe, in denen sie erwähnt werden sind schonmal etwas verwirrend und bringen den Leser aus dem Fluss. Aber sie geben der Geschichte weitere Möglichkeiten für den zweiten Teil.
Andere Handlungsstränge und Charaktere werden dagegen nach ihrer ersten Erwähnung völlig ignoriert. Zum Beispiel die Widerstandsbewegung gegen die Tyrannin. Warum suchen sie nicht auch nach der entflohenen Sina?
Der nächste große Handlungsschritt wird mittels Cliffhanger am Ende des Buches in Band 2 bugsiert. Schade.
Somit blieb ich am Ende mit dem Gefühl zurück, dass eine gute Story unter einer Protagonistin, die ihre Aufgabe einfach nicht will, einer unfähigen und platten Tyrannin und einer Autorin, die zu gerne alles im Detail beschreibt, dabei aber Logik und Tiefe aus den Augen verliert, zu leiden hatte.
Mir gefallen die verschiedenen Völker mit tierischen Eigenschaften und Kulturen. Das Konzept von Magie ist anschaulich beschrieben und hat einige nette Details. Und auch die Handlungsorte sind sehr gut beschrieben und schaffen ein lebendiges Bild. Leider kann man das von den Figuren und der Handlung nicht behaupten.
Ich musste das Buch nach der Hälfte für einige Zeit weglegen. Die Eintönigkeit und Gleichförmigkeit war einfach zu viel.
Für junge Leser mit entsprechender Motivation ist das Buch wohl trotz der Länge interessant. Für mich hätten es auch weniger Seiten getan, denn so viel Handlung war nicht wirklich enthalten.