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Veröffentlicht am 14.02.2020

Dumplin' ist Therapie für die Seele

DUMPLIN'
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Nachdem ihre Tante Lucy gestorben ist, fühlt sich Will in ihrer Haut gar nicht mehr so wohl. Von heute auf morgen wurde ihr Anker und Fels in der Brandung einfach aus dem Leben gerissen. Zu ihrer Mutter ...

Nachdem ihre Tante Lucy gestorben ist, fühlt sich Will in ihrer Haut gar nicht mehr so wohl. Von heute auf morgen wurde ihr Anker und Fels in der Brandung einfach aus dem Leben gerissen. Zu ihrer Mutter hatte sie nie einen guten Draht und auch mit ihrer besten Freundin Ellen scheint sie nicht mehr über alles reden zu können. Als dann auch noch der unglaublich attraktive Bo Interesse an ihr zeigt, versteht Willowdean die Welt nicht mehr: Was könnte ein sportlicher, gut aussehender Kerl bloß von ihr wollen? Zunehmend vermisst sie ihre Tante Lucy, die ihr stets das Gefühl von Selbstvertrauen und Zugehörigkeit vermittelt hat, doch als Will entdeckt, dass Lucy am Schönheitswettbewerb von Clover City teilnehmen wollte und dann doch einen Rückzieher machte, steht für sie eins fest: Sie möchte teilnehmen. Für Lucy. Für sich. Für alle anderen dicken Mädchen, die immer dachten, dass sie nicht auf eine Bühne gehören und damit absolut falsch lagen.

In ihrer Liebe zu Lucy, in der Freundschaft zu Ellen und in ihrem Weg, sich genauso zu akzeptieren, wie man ist, wird Will von Dolly Parton tatkräftig unterstützt. Nicht persönlich, dafür aber im Geiste. Die Musik und weisen Worte der Country-Sängerin ziehen sich durch das ganze Buch und sind an einigen Stellen laut und deutlich zu hören. Egal ob „Dumb Blonde“ oder „9 to 5“ – wenn Willowdean singt, wippt mein Fuß im Takt zur Musik.

Dumplin‘ ist Therapie für die Seele. Der witzige, lebhafte Schreibstil von Julie Murphy hat mir sofort gefallen und ich konnte mich sehr leicht in die Geschichte einfinden. Ich fand es allerdings schade, dass der Schönheitswettbewerb etwas in den Hintergrund gerückt wurde und Wills Beziehungen zu Bo, Mitch und Ellen im Vordergrund standen. Eigentlich ist ja vor allem der „Miss Teen Blue Bonnet“-Wettbewerb das Aushängeschild der Geschichte und macht Dumplin‘ zu etwas Besonderem. Teilweise hatte ich aber nur das Gefühl, ein normales Jugendbuch mit Herzschmerz und Streitereien zu lesen. In der Netflix-Verfilmung fand ich dies etwas besser umgesetzt. Ansonsten bin ich ein großer Fan von Willowdean, Millie, Ellen und Bo (auch wenn ich mit Letzterem erst warm werden musste). Dumplin‘ ist eine absolute Wohlfühllektüre und ich werde mir den Nachfolge-Band, Puddin‘, wahrscheinlich sehr bald zulegen.

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Veröffentlicht am 07.02.2020

Spannend, düster und völlig unvorhersehbar

Worüber wir schweigen
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Zwölf Jahre lang hatte Nina keinen Kontakt zu ihrer besten Freundin Melanie, zu ihren Eltern und allen anderen aus der Heimat. Völlig überstürzt ist die damals Neunzehnjährige nach Wien gezogen und kam ...

Zwölf Jahre lang hatte Nina keinen Kontakt zu ihrer besten Freundin Melanie, zu ihren Eltern und allen anderen aus der Heimat. Völlig überstürzt ist die damals Neunzehnjährige nach Wien gezogen und kam nie wieder zurück. Doch jetzt ist sie wieder da und will die Wahrheit ans Licht bringen. Gemeinsam mit Melanie und dem Nachbarsjungen Tobi wühlt sie die Vergangenheit wieder auf, muss aber feststellen, dass es nicht immer gut ist, alles zu wissen. Wem kann man trauen? Und wozu ist ein Mensch wirklich in der Lage?

Die Geschichte um Nina und ihre Freunde wird aus unterschiedlichen Perspektiven und Zeiten erzählt. Immer wieder springt die Handlung zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit hin und her und treibt somit die Spannung voran. Durch die Erzählungen in der Vergangenheit sammelt man als Leser wichtige Informationen, mit denen man nach und nach die Wissenslücken aus der Gegenwart schließen kann. Gemeinsam mit Nina begibt man sich in Worüber wir schweigen auf Spurensuche und kann versuchen mitzurätseln, was genau im Jahr 2007 passiert ist.

Der Thriller von Michaela Kastel hat mir unglaublich gut gefallen. Von Anfang an besteht eine gewisse Grundspannung, die sich im Verlauf des Romans immer weiter aufbaut und nicht verloren geht. Obwohl durch die Perspektivwechsel auch unterschiedliche Geschichten erzählt werden, gibt es jedoch keine langweilige oder unnütze Nebenhandlung – alles dient dem Leser als Information und Hinweis für den letztendlichen Supergau. Worüber wir schweigen ist vor allem auf psychischer Ebene sehr düster. Der Thriller zeigt, wie nah Liebe, Freundschaft, Hass und Verachtung beieinander liegen und wie sie Menschen dazu bringen können, das Unvorstellbare zu tun. Wie gebannt klebte ich an den Seiten und musste am Ende erschrocken feststellen, wie weit man in seiner Verzweiflung tatsächlich gehen kann. Wem Der Kinderflüsterer von Alex North gefallen hat, wird Worüber wir schweigen von Michaela Kastel genauso lieben.

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Veröffentlicht am 31.01.2020

Eine zweite Chance im Leben

Tod.Ernst
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Was würdest du tun, wenn dir das Leben eine zweite Chance gibt? Würdest du den Tag noch einmal genauso verbringen oder würdest du etwas ändern? Und wenn du etwas ändern würdest, was genau wäre das? Genau ...

Was würdest du tun, wenn dir das Leben eine zweite Chance gibt? Würdest du den Tag noch einmal genauso verbringen oder würdest du etwas ändern? Und wenn du etwas ändern würdest, was genau wäre das? Genau mit diesen Fragen fühlt sich Alex zu Beginn von Tod.Ernst konfrontiert. Sie steht in einer Leichenhalle und blickt auf ihren eigenen leblosen Körper hinab. Sie hat keine Ahnung, wie sie dorthin gekommen ist oder was dazu geführt haben könnte, dass sie gestorben ist. Dann gesellt sich ein Mann zu Alex und macht ihr ein Angebot: Sie darf den letzten Tag noch einmal durchleben und bekommt somit die Chance, ihren Tod zu umgehen. Doch es gibt einen Haken: Sollte sie es tatsächlich schaffen und am Leben bleiben, dann muss jemand anderes an ihrer Stelle sterben … und sie muss bestimmen wer.

Als Alex am Samstagmorgen – ihrem vermeintlich letzten Tag – aufwacht, kann sie sich an die Begegnung in der Leichenhalle nicht erinnern. Obwohl sie tierische Kopfschmerzen hat und sich nicht gut fühlt, geht sie trotzdem zu ihrer Aushilfsarbeit im Altenheim. Immer wieder hat sie merkwürdige Vorahnungen – beim Radiosprecher weiß sie ganz genau, was er als nächstes sagen wird – und es kommt das Gefühl in Alex auf, dass sie gewisse Dinge nicht zum ersten Mal erlebt. Oder kann sie vielleicht einfach nur die Zukunft vorhersagen? Je weiter der Tag voranschreitet, desto schneller läuft ihre Zeit ab. Schafft es Alex, ihren Tod zu verhindern?

Direkt zu Beginn von Tod.Ernst wird Alex vor eine scheinbar unmögliche Aufgabe gestellt und die Handlung nimmt somit direkt an Fahrt auf. Im weiteren Verlauf sackte die Spannung für mich jedoch teilweise etwas ab, da zu viel Zeit im Altenheim verbracht wird. Da sich Alex an die Begegnung in der Leichenhalle nicht erinnern kann, ist es für sie zunächst ein Tag wie jeder andere und das bedeutet, dass sie im Heim aushilft. Hier hätte man sich von der normalen Routine vielleicht etwas lösen und Alex vor neue Aufgaben stellen können. Auch die Freundschaft zu Tash hat mir gar nicht gefallen. Immer wieder schämt sie sich für Alex‘ Panikattacken und bevorzugt lieber eine „normale“ Freundschaft, weswegen sie sich auch Ersatz holt. Doch Alex scheint so an Natasha zu hängen, dass sie ständig versucht, es ihr recht zu machen, in der Hoffnung, ihre Konkurrentin Val ausschalten zu können.
Abgesehen davon schafft es die Handlung aber zum Ende des Romans den Spannungsbogen wieder hinaufzuklettern. Das direkte Ansprechen des Lesers, welches ich zu Beginn des Buchs gewöhnungsbedürftig fand, ist am Schluss clever gewählt und verleiht der Geschichte einen gewissen Kick. Tod.Ernst endet genauso nervenaufreibend wie es angefangen hat und gibt den Lesern eine Weisheit mit auf den Weg: Genießt das Leben, denn es kann viel zu schnell vorbei sein.

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Veröffentlicht am 28.01.2020

Familiengeschichte mit schwachem Ende

Die Altruisten
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Die Alters sind nicht unbedingt eine Bilderbuch-Familie. Francine und Arthur haben ihre verliebten Jahre längst hinter sich: Er hängt nach der Tragödie in Simbabwe seinem Selbsthass nach und sie versucht ...

Die Alters sind nicht unbedingt eine Bilderbuch-Familie. Francine und Arthur haben ihre verliebten Jahre längst hinter sich: Er hängt nach der Tragödie in Simbabwe seinem Selbsthass nach und sie versucht ihren Ehemann so gut es geht zu ertragen. Um die Kindererziehung kümmert sich Francine. Arthur trägt eigentlich nur seinen Anteil dazu bei, wenn auch etwas für ihn dabei rausspringt. Als seine Frau allerdings überraschend an Brustkrebs stirbt, bleibt er mit seinen Kindern Ethan und Maggie, die mittlerweile erwachsen sind, allein zurück und muss feststellen, dass er sie eigentlich gar nicht kennt.

Um das gemeinsame Familienhaus, welches eigentlich viel zu groß für ihn ist, zu behalten, schmiedet Arthur einen Plan: Er will ein Wochenende mit seinen Kindern verbringen – das aufholen, was er versäumte als sie noch klein waren – er will sie auf seine Seite ziehen und sie dann überreden, das Erbe ihrer Mutter auf ihn zu übertragen. Sollte in einer Familie, die sich liebt und gegenseitig unterstützt nicht schwer sein, doch nachdem Francine gestorben ist, haben Ethan und Maggie den Kontakt zu ihrem Vater abgebrochen. Nur widerwillig kehren sie in ihre Heimatstadt St. Louis zurück, wo das Unheil schon bald seinen Lauf nimmt.

Die Altruisten ist eine Geschichte, die langsam beginnt und in ihrem Verlauf nicht unbedingt viel Fahrt aufnimmt. Obwohl man sehr viele Flashbacks der Familie Alter bekommt und dadurch auch das Gefühl hat, sie wirklich gut kennenzulernen, blieb der große Höhepunkt für mich aus. Das ganze Buch baut auf das Wiedersehen zwischen Arthur und seinen Kindern auf, aber leider endet der Roman genauso wie er angefangen hat – seicht, ohne große Aufregung. Doch auch wenn das große Drama, das man als Leser erwartet, ausbleibt, hat sich Die Altruistendoch sehr schnell lesen lassen. Einen Einblick in das Leben einer komplett fremden Familie zu bekommen war interessant und auch wenn der Titel vielleicht etwas über Arthur, Maggie, Ethan und Francine verraten könnte, so führt er einen doch ein bisschen an der Nase herum – die Alters sind alles andere als altruistisch.

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Veröffentlicht am 12.01.2020

Ein kleines Buch über eine große Frau

Meine kleine Großmutter & Mr. Thursday oder Die Erfindung der Erinnerung
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Linda, eine Übersetzerin aus dem Persischen, hat ihre kleine Großmutter Ida nie wirklich kennengelernt. Zumindest war sie noch zu jung, als dass sie sich heute noch an sie erinnern könnte. Doch aus irgendeinem ...

Linda, eine Übersetzerin aus dem Persischen, hat ihre kleine Großmutter Ida nie wirklich kennengelernt. Zumindest war sie noch zu jung, als dass sie sich heute noch an sie erinnern könnte. Doch aus irgendeinem Grund taucht die kleine alte Frau, die gerade einmal 1,47 Meter misst, immer wieder in ihren Träumen auf und Linda begibt sich kurz darauf auf Spurensuche. Sie findet sich in Lüneburg wieder, einem Ort, wo ihre Großmutter mit ihren Kindern viele Jahre gelebt hatte…

Ida Sklorz, oder auch Tante bzw. Frau Ida genannt, flüchtet zum Ende des zweiten Weltkriegs mit ihren vier Kindern Kaspar, Hannes, Nanne und Karl zu ihren Schwiegereltern nach Lüneburg. Ihr Mann Kurt ist beim Militär und mit seinen Eltern und seiner Schwester kommt Ida nicht gut zurecht. Sie wird weniger wie Familie und viel mehr wie eine Aussätzige behandelt, bekommt von allem nur die Reste und Überbleibsel zugesteckt, was für die kleine Frau und ihre Kinder keinesfalls ausreicht. Immer wieder beschwert sie sich per Brief bei ihrem Mann und fasst dann den Entschluss, sich Arbeit zu suchen, um nicht mehr abhängig von der Schwägerin und den Schwiegereltern zu sein. Zuerst kümmert sie sich um die Wäsche einiger Männer der britischen Besatzung, doch schon nach kurzer Zeit muss sie die Arbeit wieder aufgeben. Sie kämpft sich durch, besorgt sich eine neue Unterkunft und kann schon bald ihren Mann wieder in die Arme schließen. Doch das Glück soll nicht von Dauer sein, denn die Familie wächst, Kurt wird krank und Ida steht schon bald mit fünf Kindern wieder ganz am Anfang. Mit Mr. Thursday kommt allerdings ganz unverhofft die Wende.

Meine kleine Großmutter & Mr. Thursday war eine für mich ungewohnte Lektüre. Obwohl der Roman teilweise auf realen Charakteren beruht, war es doch eine fiktive Geschichte, aber ich hatte zunehmend das Gefühl, eine Biografie in den Händen zu halten. Das Buch war belehrend – ich habe sehr viel über die Nachkriegszeit erfahren können – doch die große Spannung blieb für mich leider aus. Ich fand es schade, erst relativ spät von Mr. Thursday zu erfahren (sein Charakter tritt nach 240 Seiten zum ersten Mal auf) und auch mit ihm im Bild wird die Handlung nur schleppend vorangetrieben. Interessant fand ich wiederum die Einbeziehung des englischen Kinos. Man erfährt von alten Kinofilmen, von Klassikern und großen Hits, die sich in den 1930er und 40er Jahren großer Beliebtheit erfreuten; man bekommt einen genauen Einblick in die Arbeit als Filmvorführer und welche Bedeutung das Kino für die Menschen der Nachkriegszeit hatte. Die Autorin hätte auf einige unnötige Wiederholungen verzichten können und auch Anführungszeichen wären bei der wörtlichen Rede hilfreich gewesen, doch insgesamt hat mir der Roman trotz fehlender Spannung recht gut gefallen. Der Schreibstil war sehr angenehm und das Leben der kleinen Frau Ida interessant genug, dass ich erfahren wollte, wie sie die Steine, die ihr in den Weg gelegt wurden, beseitigen konnte.

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