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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.07.2022

Kaum echte Fakten, dafür viel Geschwafel

Was uns zu Menschen macht
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Laut Inhaltsangabe soll es in diesem Buch darum gehen, was den Menschen vom Tier unterscheidet und wie der Fund des Homo floresiensis, eines Urmenschen, der kaum einen Meter misst, zur Beantwortung dieser ...

Laut Inhaltsangabe soll es in diesem Buch darum gehen, was den Menschen vom Tier unterscheidet und wie der Fund des Homo floresiensis, eines Urmenschen, der kaum einen Meter misst, zur Beantwortung dieser Frage beitragen kann. Dieses Thema wäre zweifellos interessant.
Jedoch: Der weitaus überwiegende Teil des Textes beschreibt die Entstehungsgeschichte dieses Buches.
Was an sich auch nicht uninteressant wäre: Die Vorarbeiten fielen mit einem Lehrauftrag des Autors als Gastschreiber an der Universität Leiden zusammen, wo er seine Studenten gleich mal in die Recherchearbeiten miteinbezogen hat. Auch trifft er sich mit diversen Wissenschaftlern, spürt den Biographien einiger früher Archäologen nach oder unternimmt eine Reise nach Flores. Von all dem Drumherum (beispielsweise, dass Studentin X die Aufgabe Y übernimmt oder wie irgendwelche Möbelstücke aussehen) wird allerdings zu ausführlich berichtet.
Man kann hier zwar immerhin ein paar faszinierende Forscherpersönlichkeiten kennen lernen (zum Beispiel einen Missionar, der auf Flores Fossilien ausgegraben und später eine ehemalige Nonne geheiratet hat).

Über den Homo floresiensis bzw generell die Evolutionsgeschichte des Menschen habe ich aber nicht mehr erfahren, als auch in normalen Medienberichten zu lesen war. Die Überlegungen zu den Besonderheiten des Menschen bieten ebenfalls keine großartigen neuen Einsichten, sondern bestehen in oberflächlichen philosophischen Ergüssen.

Veröffentlicht am 10.07.2022

Ungewissheit in verschiedenen Facetten

Wetter, Viren und Wahrscheinlichkeit
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Seit Jahrtausenden ist die Menschheit mit Ungewissheiten darüber konfrontiert, was die Zukunft wohl bringen wird. Die Methoden um damit umzugehen, haben sich im Laufe der Zeit natürlich stark gewandelt ...

Seit Jahrtausenden ist die Menschheit mit Ungewissheiten darüber konfrontiert, was die Zukunft wohl bringen wird. Die Methoden um damit umzugehen, haben sich im Laufe der Zeit natürlich stark gewandelt – von Wahrsagerei mittels der Eingeweide einer toten Ziege im alten Babylonien hin zu immer wissenschaftlicheren Zugängen. Der Mathematik-Professor Ian Stewart identifiziert hier gar „Sechs Zeitalter der Ungewissheit“, wobei uns in der gegenwärtigen Phase zumindest ein umfangreicher mathematischer Werkzeugkasten zur Verfügung steht, um in einer immer noch schrecklich ungewissen Welt vernünftige Entscheidungen zu treffen.
Er folgt lose dem Verlauf der Geschichte und beschreibt beispielsweise, wie die Wahrscheinlichkeitsrechnung aus der Beschäftigung mit dem Glücksspiel entstanden ist und welche kontraintuitiven Ergebnisse sie in vielen Fällen liefert. Gemeinsam mit ihrer Weiterentwicklung, der Statistik, hat sie vielfältige Einsatzgebiete in Astronomie, Medizin oder Politik. Ihre falsche Anwendung kann jedoch auch zu verheerenden Fehlurteilen führen.
Während die Ungewissheiten in manchen Bereichen eingedämmt wurden, traten sie in anderen nur um so offensichtlicher zutage. So konnte man vor 100 Jahren vielleicht noch darauf hoffen, mit ausreichend genauer Bestimmung der Anfangsbedingungen und entsprechenden Rechenkapazitäten das Wetter auf Monate hinaus vorhersagen zu können. Inzwischen zeigte sich jedoch, dass Wetterberichte bestenfalls für ein paar Tage zuverlässig sind. Was dies mit chaotischen Attraktoren und dem Schmetterlingseffekt zu tun hat und warum ein langfristiger Klimawandel dennoch sehrwohl feststellbar ist, wird hier ebenfalls erklärt.
Mit der Quantenmechanik (zumindest in ihrer Kopenhagener Interpretation) scheint nun der Zufall als ein fundamentales Merkmal der Wirklichkeit etabliert zu sein. Scheint, denn der Autor regt dazu an, diese gängige Auffassung zu hinterfragen und die Möglichkeit verborgener Variablen doch in Erwägung zu ziehen.

Das alles und vieles mehr wird in diesem Buch behandelt. Es kommt dabei mit relativ wenigen Formeln aus. Dennoch werden zahlreiche tiefgründige Konzepte vorgestellt und mittels anschaulicher Beschreibungen und einiger Illustrationen erläutert.
Die Originalausgabe ist leider schon vor der Corona-Pandemie erschienen, weshalb dieser Bereich nur in einem ca 15-seitigen Vorwort behandelt wird. Doch auch dieses bietet einige interessante Einsichten.

Der einzige wirkliche Kritikpunkt betrifft die Bearbeitung durch den Verlag. Manche Sätze wirken holprig übersetzt und es gibt einige Fehler, wenn etwa Quadratzahlen falsch dargestellt werden oder Fußnoten nicht richtig zugeordnet sind.

Insgesamt hat mir dieses Werk aber sehr gut gefallen. Vor allem begeistert mich, wie viel der Autor aus diesem Thema herausholt – weit mehr als nur Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik, an die man zuerst denken würde. Diese Vielfalt an Inhalten macht deutlich, dass die Welt bei weitem nicht so berechenbar ist wie es heutzutage oft scheint, und zeigt, was die Mathematik dennoch zur Zähmung der Ungewissheit beigetragen hat und wo ihre Grenzen liegen.

Veröffentlicht am 10.07.2022

Astrophysik für Einsteiger

Das Universum für Eilige
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Astrophysiker Neil Degrasse Tyson hat sich hier zum Ziel gesetzt, die wichtigsten Entdeckungen und Ideen seines Fachgebiets für Leute zusammenzufassen, die nicht die Zeit haben, sich intensiver mit dem ...

Astrophysiker Neil Degrasse Tyson hat sich hier zum Ziel gesetzt, die wichtigsten Entdeckungen und Ideen seines Fachgebiets für Leute zusammenzufassen, die nicht die Zeit haben, sich intensiver mit dem Thema auseinander zu setzten – und dies ist ihm hervorragend gelungen.
In lockerem Ton und doch fundiert beschreibt er unter anderem, wie das Universum entstanden ist, worum es sich bei dunkler Materie und dunkler Energie handelt, wie sich die Elemente des Periodensystems in das große Bild des Kosmos einfügen oder welche Überraschungen das elektromagnetische Spektrum jenseits des sichtbaren Lichts bereithält. Zusätzlich erklärt er auch, wie diese Erkenntnisse jeweils gewonnen wurden und welche Fragen noch unbeantwortet sind. Zum Abschluss gibt es sogar ein paar philosophische Betrachtungen dazu, warum wir eine kosmische Perspektive auf das Universum und unseren Platz darin einnehmen sollten.

Bei nur 200 Seiten in noch dazu kleinem Format kann natürlich nicht sehr in die Tiefe gegangen werden.
Da ich schon einige Bücher zu diesem Thema gelesen habe, waren mir die meisten, wenngleich bei weitem nicht alle, Inhalte bereits bekannt. Die kurzweilige Wiederholung hat mir dennoch gut gefallen.
Ich kann dieses Büchlein daher sowohl Einsteigern als auch Fortgeschrittenen empfehlen.

Veröffentlicht am 10.07.2022

Langatmige Geschichte mit blassen Protagonisten

Lancelot
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In dieser Neuinterpretation des Sagenkreises rund um König Arthur dreht sich alles um Lancelot, der nach Meinung des Autors sonst in der Literatur meist zu kurz kommt.
Lancelot tritt hier selbst als Ich-Erzähler ...

In dieser Neuinterpretation des Sagenkreises rund um König Arthur dreht sich alles um Lancelot, der nach Meinung des Autors sonst in der Literatur meist zu kurz kommt.
Lancelot tritt hier selbst als Ich-Erzähler auf und berichtet von seinem außergewöhnlichen Leben. Nach dramatischen Ereignissen in seiner Kindheit, deretwegen er seine Heimat an der Nordwestküste des heutigen Frankreich und seine Familie verliert, rettet ihn die geheimnisvolle Nimue. Auf der von ihr beherrschten Insel nahe der Küste Cornwalls erhält er eine militärische Ausbildung und zeigt früh seine besonderen Fähigkeiten, muss sich aber auch mit Rivalen herumschlagen und Liebeskummer ertragen.
Doch es stehen ihm noch größere Abenteuer bevor. Denn es ist vorherbestimmt, dass er eine entscheidende Rolle im Kampf um Britanniens Zukunft einnehmen wird.

Diese Geschichte hat zweifellos interessante Elemente zu bieten, die zwar mehrheitlich altbekannt sind, hier aber doch vielfach auf neue Weise arrangiert wurden.
Dennoch wollte der Funke nicht überspringen.
Dies liegt vor allem daran, dass mir Lancelot als Mensch trotz allem fremd blieb. Obwohl aus seiner Sicht erzählt wird, konnte ich mich nie wirklich in ihn hineinversetzen und mit ihm mitfühlen, weshalb es mir auch öfters schwerfiel, seine Gedanken und Taten nachzuvollziehen. Er bleibt als Figur zu blass, ist zweifellos ein großer Held, hat jedoch keine echte Persönlichkeit. Ähnliches gilt auch für die übrigen Charaktere, die ihren berühmten Namen zum Trotz häufig langweilig wirken.
Außerdem wird die Handlung zu weitschweifig erzählt. So vergehen schon über 400 Seiten, bevor Lancelot überhaupt auf Arthur trifft. Es kommen zu viele Szenen vor, die für den weiteren Verlauf nicht relevant sind. Andererseits werden wirklich spannende Entwicklungen manchmal in nur ein paar Sätzen abgehandelt.
Wie bei diesem Thema zu erwarten, kommen viele Schlachten und sonstige gewaltsame Auseinandersetzungen vor, machen insgesamt wohl den Großteil des Inhalts aus. Der Autor verzichtet dabei aber immerhin auf allzu blutige Beschreibungen.

Fazit: Packende Handlungsstränge oder interessante Charaktere sucht man hier leider vergeblich. Einige der verwendeten Motive hätten sicher Potential und es gibt ein paar originelle Ideen. Insgesamt kann ich dieses Buch aber nicht weiterempfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.07.2022

Bildgewaltige (und etwas spekulative) Reise in die Bronzezeit

Griff nach den Sternen
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Harald Meller und Kai Michel haben sich bereits in einigen Werken der Himmelsscheibe von Nebra gewidmet. Hier geht es nun vor allem darum, wie das Mitteleuropa der Bronzezeit mit anderen (Hoch)kulturen ...

Harald Meller und Kai Michel haben sich bereits in einigen Werken der Himmelsscheibe von Nebra gewidmet. Hier geht es nun vor allem darum, wie das Mitteleuropa der Bronzezeit mit anderen (Hoch)kulturen seiner Zeit vernetzt war.
Den Ausgangspunkt bildet natürlich wieder eine Beschreibung der Himmelsscheibe, von welcher die Autoren annehmen, dass damit – zu verschiedenen Zeitpunkten – sowohl Vorstellungen aus dem babylonischen (Synchronisation von Sonnen- und Mondkalender) als auch aus dem ägyptischen Kulturkreis (Sonnenkult) festgehalten wurden. Daraus ist schnell der Schluss gezogen, es habe einen Kontinente-übergreifenden Ideenaustausch gegeben.
Anschließend werden daher diverse Zivilisationen der Bronzezeit vorgestellt und auf mögliche Verbindungen zum Reich von Nebra untersucht – von Stonehenge über Kreta, Ägypten und die Levante bis nach Mesopotamien. Auch der Art, wie Herrschaft oder Güteraustausch (hier war für die Aufklärung von Nebras Geschichte besonders die Verteilung von Bernstein aufschlussreich) in der Vergangenheit organisiert wurden, wird nachgegangen.

Tatsächlich gibt es eine Fülle an archäologischen Belegen dafür, dass die Bronzezeit weitaus „globalisierter“ war als vielfach angenommen. Gerade der Stellenwert Mitteleuropas wurde lange Zeit unterschätzt.
Dennoch habe ich den Eindruck, dass die Autoren vor lauter Begeisterung etwas zu weit gehen und sämtliche Tatsachen gerade so auslegen, wie sie am besten zu ihrer Überzeugung passen. Wenn beispielsweise der Fund von zwei kleinen Perlen aus baltischem Bernstein in Assur als Beweis dafür herangezogen wird, dass der spätere Herr der Himmelsscheibe persönlich von Nebra ins Herz des Zweistromlandes gelangt sein muss. Sogar den genauen Verlauf dieser Reise versuchen sie zu rekonstruieren.
Nicht nur, dass viele Spekulationen enthalten sind, waren mir viele Aussagen bereits aus anderen Werken zum Thema bekannt.

Dieses Buch besticht jedoch ohnehin vor allem durch seine zahlreichen Bilder, welche es ermöglichen, in vergangene Zeiten einzutauchen und die Faszination, die von Archäologie ausgeht, nachzuempfinden.
Schon deswegen ist es trotz ein paar inhaltlichen Schwächen empfehlenswert.