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Veröffentlicht am 29.05.2023

Universitäre Atmosphäre

Der Dozent und der Tod
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Wien, 1986: Der titelgebende Dozent für Turkologie (dessen Nachname nie genannt und dessen Vorname erst nach der Hälfte beiläufig erwähnt wird) hätte wahrlich besseres zu tun gehabt, als an einer Sitzung ...

Wien, 1986: Der titelgebende Dozent für Turkologie (dessen Nachname nie genannt und dessen Vorname erst nach der Hälfte beiläufig erwähnt wird) hätte wahrlich besseres zu tun gehabt, als an einer Sitzung der Berufungskommission teilzunehmen, welche über die Besetzung einer Professur für Indologie entscheiden soll. Der Probevortrag eines Bewerbers endet dann, noch bevor er richtig begonnen hat, mit dessen Tod. Ein Giftmord, wie sich bald herausstellt. Der Dozent beginnt Nachforschungen anzustellen und kann gleich mehrere Skandale im Umfeld der Universität aufdecken.

Dieser Krimi hat weniger als 200 Seiten und ist in einem eher distanzierten Stil verfasst. Dennoch hatte ich nicht das Gefühl, dass etwas fehlt. Der Dozent wirkt mit seinem Alt-68-Gehabe zwar etwas anstrengend, aber er ist ein interessanter Charakter und es ist spannend, mit ihm gemeinsam die Atmosphäre an einer Universität der 1980er Jahre zu erleben und in ihre Abgründe einzutauchen. Nebenbei drängt sich währenddessen immer wieder die Frage auf, ob es heutzutage an den Universitäten viel anders zugeht ...

  • Einzelne Kategorien
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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.05.2023

Langatmig und teilweise spekulativ

Anfänge
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Der (leider kurz nach Fertigstellung des Buches verstorbene) Anthropologe und „bekennende Anarchist“ David Graeber und der Archäologe und Anthropologe David Wengrow hinterfragen hier gängige Ansichten ...

Der (leider kurz nach Fertigstellung des Buches verstorbene) Anthropologe und „bekennende Anarchist“ David Graeber und der Archäologe und Anthropologe David Wengrow hinterfragen hier gängige Ansichten darüber, wie die Frühgeschichte der Menschheit und die Entstehung von Zivilisationen oder Staaten abgelaufen ist.
Sie wollen zeigen, dass es nicht sinnvoll ist, nach dem Ursprung der Ungleichheit zu suchen und dass es keine Automatismen gibt, wonach das Betreiben von Landwirtschaft zwangsläufig zu verwöhnten Eliten, Klassenunterschieden und Bürokratie führen muss, oder wonach eine Bevölkerung ab einer bestimmten Größe nicht mehr in der Lage ist, ihr Zusammenleben selbst zu organisieren und deshalb eine zentrale Macht benötigt.

Schon im ersten Kapitel offenbart sich jedoch eine gewisse ideologische Voreingenommenheit. Zitat: „Um den gesamten Verlauf der Menschheitsgeschichte darzustellen sind sie [die Ansichten von Rousseau und Hobbes] 1. schlicht und einfach unwahr 2. mit schlimmen politischen Konsequenzen verbunden und 3. dafür verantwortlich, dass die Vergangenheit langweiliger als nötig erscheint.“
Relevant ist nur Punkt 1 (Und wenn sich die Autoren diesbezüglich so sicher wären, hätten sie sich den Rest gespart.) Die beiden anderen Punkte haben nichts mit Wissenschaftlichkeit zu tun. Mir ist jedenfalls kein Naturgesetz bekannt, wonach alles, was im Universum geschieht, spannend sein muss. Und erst recht keines, wonach alles, was geschieht, nur positive Konsequenzen haben darf. (Positiv natürlich aus der Perspektive von zwei englischen Anthropologen).
Auch sonst hatte ich den Eindruck, dass die Fakten meist gerade so ausgewählt und interpretiert werden, dass es zu den Ansichten der Autoren passt.

Dennoch ist der Inhalt an sich nicht uninteressant. Es werden zahlreiche Kulturen rund um den Globus (mit Schwerpunkten im fruchtbaren Halbmond und den beiden Amerikas) vorgestellt und all ihre Besonderheiten, vor allem das Gesellschaftssystem und die Art der „Herrschaft“, betrachtet. Dies illustriert sehr gut, wie vielfältig menschliches Zusammenleben organisiert sein kann und zeigt, dass vereinfachende Annahmen über die menschliche Natur oder den Verlauf der Geschichte häufig falsch sind.

Die Beschreibungen sind jedoch oft sehr langatmig. Tatsächlich bedeutsame Erkenntnisse gehen in ausufernden Schilderungen von nebensächlichen Details unter. Außerdem wirken manche Aussagen spekulativ, werden aus ein paar Überlieferungen oder einer Handvoll archäologischer Funde ganze Gesellschaftssysteme abgeleitet.
Ähnliches gilt auch für die Schlüsse, welche die Autoren aus all dem ziehen. Es sind einige interessante Überlegungen dabei, aber auch viel Geschwafel und Ideologie.

Veröffentlicht am 29.05.2023

Ohne Zahlen, aber auch mit wenig echter Mathematik

Mathe ohne Zahlen
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Dieses Buch beschreibt, womit „richtige“ Mathematik sich befasst, die tatsächlich wenig mit dem zu tun hat, was man in dem entsprechenden Schulfach lernt. Der Autor erklärt, worum es bei Topologie, Analysis ...

Dieses Buch beschreibt, womit „richtige“ Mathematik sich befasst, die tatsächlich wenig mit dem zu tun hat, was man in dem entsprechenden Schulfach lernt. Der Autor erklärt, worum es bei Topologie, Analysis und Algebra geht, beleuchtet die Grundlagen (wie die Frage, was überhaupt ein Beweis ist) und überlegt zuletzt, warum abstrakte mathematische Konzepte sich so gut zur Modellierung der Wirklichkeit eignen.
Dabei wird deutlich, wie vielfältig dieses Fachgebiet ist und wie erstaunlich weit man von ein paar einfachen Überlegungen ausgehend kommen kann. Außerdem sorgen zahlreiche Illustrationen für Anschaulichkeit und zur Auflockerung streut er beispielsweise ein paar Rätsel und Spiele ein.
Großteils werden aber eben tatsächlich nur die Themen vorgestellt und ein paar Begriffe erläutert. Was das Wesen der Mathematik ausmacht, wie sie wirklich funktioniert, wie sozusagen die tägliche Arbeit des Mathematikers aussieht etc, wird nur angedeutet. Zugegeben, ohne Zahlen ist das Alles nicht einfach, und die paar Beweise, die vorkommen, sind ganz gut dargestellt, aber es wäre mehr drinnen gewesen.

Für komplette Neu-Einsteiger in die Materie, vor allem jüngere Leser, und für Personen, welche die Schulmathematik in schlechter Erinnerung haben, kann die Lektüre dennoch lohnend sein. Schon allein deshalb, weil sie wegen des Verzichts auf Zahlen weniger „abschreckend“ wirkt und vielleicht doch Lust auf mehr machen kann.

Veröffentlicht am 29.05.2023

Umfassender Überblick

Macht euch die Erde untertan
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Dieses Buch gibt einen breit angelegten Überblick darüber, wie sich das Verhältnis zwischen Mensch und Natur im Laufe der letzten Jahrtausende gestaltet hat. Der Autor, ein US-amerikanischer Historiker, ...

Dieses Buch gibt einen breit angelegten Überblick darüber, wie sich das Verhältnis zwischen Mensch und Natur im Laufe der letzten Jahrtausende gestaltet hat. Der Autor, ein US-amerikanischer Historiker, betrachtet dieses Thema von beiden Seiten, beschreibt also sowohl die unterschiedlichen Arten, wie Menschen die Natur beeinflussen und zu beherrschen suchen, als auch die Einwirkung der Natur auf Menschen und menschliche Zivilisationen, beispielswiese durch Vulkanausbrüche, Klimaänderungen oder Krankheiten.
Der Bericht beginnt schon in der Steinzeit und folgt dann dem Lauf der Geschichte, beschreibt etwa welche Folgen die Erfindung der Landwirtschaft, die ersten Hochkulturen, der Imperialismus, die industrielle Revolution, die Kriege des 20. Jahrhunderts oder das aufkeimende Umweltbewusstsein für Flora und Fauna hatten. Betrachtet werden dabei Kulturen rund um den Globus, sodass man nicht nur die Großteils allgemein bekannten Entwicklungen in Europa oder Nordamerika, sondern auch jene in Südamerika, China, Arabien etc mitverfolgen kann. (Lediglich in den letzten Kapiteln sind die USA etwas überrepräsentiert.)

Dabei ist es immer wieder interessant, zu beobachten, dass die konkreten Maßnahmen zur Umgestaltung oder Ausbeutung der Natur sich zwar aufgrund unterschiedlicher geographischer Situationen oder politischer und gesellschaftlicher Gegebenheiten von Region zu Region unterschieden, dass sie einander in ihren Grundzügen und Auswirkungen aber meist erstaunlich ähnlich waren. Ebenfalls spannend ist der zeitliche Verlauf. Zwar begannen Phänomene wie die Beeinflussung des Klimas durch menschliche Aktivitäten oder das Menschgemachte Artensterben schon deutlich früher, als gemeinhin angenommen, doch in den letzten Jahrhunderten hat die Sache zunehmend Fahrt ausgenommen.
Abschließend wirft der Autor einen Blick in die Zukunft und betrachtet verschiedene mögliche Szenarien, die alle ihre Schattenseiten haben. Er wirkt dabei aber nicht übertrieben pessimistisch, sondern eben realistisch.
Auch sonst haben mir Tonfall und Art der Darstellung sehr gut gefallen. Die Ausführungen sind inhaltlich fundiert (und mit vielen Quellenangaben belegt) und anschaulich. Obwohl sich permanent zeigt, dass das Zusammentreffen von Mensch und Natur nicht gut ausgeht (oft genug für beide Seiten), verfällt der Autor nicht in die bei derartigen Publikationen häufigen Klagelieder oder Vorwürfe.

Ich kann nur empfehlen, sich nicht von dem unhandlichen Format und der relativ hohen Seitenzahl abschrecken zu lassen. Man erhält hier eine Fülle an Informationen und wird natürlich auch zum Nachdenken angeregt.

Veröffentlicht am 29.05.2023

Interessanter Krimi mit unpassendem Titel

Das Mädchen und der Totengräber (Die Totengräber-Serie 2)
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Im zweiten Teil dieser Krimi-Reihe aus dem Wien der 1890er Jahre muss Inspektor Leopold von Herzfeldt sich gleich mit mehreren mysteriösen Straftaten auseinandersetzen. Im Kunsthistorischen Museum taucht ...

Im zweiten Teil dieser Krimi-Reihe aus dem Wien der 1890er Jahre muss Inspektor Leopold von Herzfeldt sich gleich mit mehreren mysteriösen Straftaten auseinandersetzen. Im Kunsthistorischen Museum taucht ein nach allen Regeln der altägyptischen Kunst mumifizierter Professor auf. Hat hier gar ein Fluch zugeschlagen, dem schon andere Mitglieder einer zwei Jahre zurückliegenden Expedition nach Ägypten zum Opfer gefallen sind? Auch ein möglicher Serientäter, der es auf junge Männer abgesehen hat, und ein Tierpfleger, der von einem Löwen zerfleischt wurde, geben Rätsel auf.

Seinem Titel „Das Mädchen und der Totengräber“ wird dieser Roman nicht gerecht. Der Totengräber hat nur einige wenige Auftritte (wenngleich diese entscheidend zu Lösung der Fälle beitragen), das Mädchen kommt fast gar nicht vor. Was schade ist, handelt es sich doch bei beiden um interessante Charaktere, über die ich gern noch mehr erfahren hätte. Augustin Rothmayer vereint ein kauziges Wesen mit einem umfangreichen Wissen- und Erfahrungsschatz. Diesmal schreibt er gerade ein Buch zum Thema „Totenkulte der Völker“.
Auch Leos Freundin, die Polizei-Fotografin Julia Wolf, ist eine sympathische Persönlichkeit, die sich trotz privater Probleme und drohender beruflicher Konsequenzen nicht davon abhalten lässt, ihre eigenen Nachforschungen anzustellen. Mit Leo konnte ich dagegen wie schon im ersten Band nicht wirklich warm werden. Immerhin macht er eine gewisse persönliche Entwicklung durch und wirkt weniger arrogant. Dafür, dass er sich als Vorkämpfer für moderne Methoden in der Kriminalistik sieht, ist seine Vorgehensweise jedoch eher traditionell und bisweilen nicht durchdacht.

Dennoch sorgt der Krimi für einige Spannung, wozu auch der häufige Wechsel der Erzählperspektive beiträgt. Einen Teil der Auflösung konnte ich zwar schon ziemlich bald erahnen und manches ist nicht wirklich logisch nachvollziehbar. Es gibt aber doch auch einige dramatische Szenen.
Vor allem aber hat mir der Hintergrund gefallen, vor dem die Geschichte angesiedelt ist. Das Leben und Denken zur Jahrhundertwende wird gut portraitiert und es werden interessante Schauplätze besucht.
Aus diesem Grund hat mir der Roman insgesamt doch ganz gut gefallen. Ich würde mich über eine Fortsetzung freuen, bei der dann hoffentlich der Totengräber eine größere Rolle spielt.