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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.01.2020

Frauenfreundschaft

Wer flüstert, der liebt
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Drei Frauen, die alterstechnisch, beruflich und in Punkto Beziehungsstatus an komplett unterschiedlichen Stellen ihres Lebens stehen. Und trotzdem gute Freundinnen werden, die die Sorgen und Ängste der ...

Drei Frauen, die alterstechnisch, beruflich und in Punkto Beziehungsstatus an komplett unterschiedlichen Stellen ihres Lebens stehen. Und trotzdem gute Freundinnen werden, die die Sorgen und Ängste der anderen anhören und sowohl mit Rat als auch manchmal mit Tat zur Seite stehen.

Geschichten um eine solche Frauengruppe erhöhen natürlich die Chance, dass sich die Leserin mit irgendeinem Charakterzug oder Problem identifizieren kann. Doch selbst wenn dem nicht so ist, kann man das Buch einfach nur genießen. Das habe ich zumindest getan.
Ich habe letztes Jahr 2 Bücher der "Happy Inc."-Reihe von Susan Mallery gelesen, und beide nicht so gut gefunden wie dieses hier. Ich denke, weil hier die Frauen absolut im Mittelpunkt stehen und nicht die Anbahnung einer Romanze lang und breit beschrieben wird (genau das war für mich der Schwachpunkt in den "Happy Inc."-Büchern). Und die drei Frauen sind alle gleichberechtigt, sowohl was die Aufmerksamkeit, die die Autorin auf ihre Protagonistinnen legt, angeht als auch wenn es um die Stellung der einzelnen Frauen in der Gruppe geht. Eine jede ist für die andere da. Zudem ist jede nicht nur ein Abziehbild eines gewissen Typs Frau, der schablonenartig eingesetzt wurde, sondern hat eine individuelle Biografie und Vergangenheit.

Ich habe mich in Mischief Bay sehr wohl gefühlt (und war auch ein bisschen neidisch, dass es da im Februar so warm ist - aber auch nur kurz, bis ich daran dachte wie heiß + trocken es dann erst im Sommer ist) und werde die 3 Frauen ganz sicher auch im nächsten Band der Reihe 'besuchen'.

Der deutsche Titel ist allerdings recht eigenwillig und hat nichts mit der Story zu tun.

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Veröffentlicht am 21.01.2020

Unterhaltsame Kurz-Biografien

Trinker, Cowboys, Sonderlinge
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Bei diesen Titel fragt man sich, wieso denn John F. Kennedy in dieser Anthologie voller Kurzbiografien auftaucht. Er sicher kein Cowboy, doch wohl auch kein Trinker. War er ein Sonderling? Nach dem Kapitel ...

Bei diesen Titel fragt man sich, wieso denn John F. Kennedy in dieser Anthologie voller Kurzbiografien auftaucht. Er sicher kein Cowboy, doch wohl auch kein Trinker. War er ein Sonderling? Nach dem Kapitel über ihn glaube ich auch das nicht, allerdings hatte sein Weg ins weiße Haus (der mit viel Geld von seinem Vater 'unterstützt' wurde), seine Zeit dort und auch das Ende etwas Besonderes. Über seine Vorliebe für schöne Frauen, und dass er seiner Jackie wohl nicht ganz treu gewesen ist, weiß man ja auch Bescheid. Wie ausgeprägt seine Libido allerdings war, war mir tatsächlich neu, ebenso wie sein Lebensmotto "A day without getting laid is a day lost".

Jedenfalls portraitiert Roland D. Gerste hier keinerwegs nur reine Sonderlinge, sondern eben Präsidenten die eher in der hinteren Reihe standen aber doch etwas Besonderes hatten oder taten. Oder im Fall von Calvin Coolidge war das Besondere auch mal jegliche Abwesehenheit von Besonderheit. Oder von überhaupt irgendwas. Der auch als "Silent Cal" bezeichnete Präsident war bekannt dafür, dass er sich nirgendwo groß einmischte und die Wirtschaft ihr Ding machen ließ. Schon fast 100 Jahre vor Trump ließ er die Steuern für die Wohlhabenden senken und vertraute auf das "trickle down" Prinzip, mittels dem am Ende ja alle davon profitieren sollen. Also rein theoretisch natürlich.

Überhaupt macht sich Gerste hier über keinen der Präsidenten irgendwie lustig, sondern präsentiert recht unterhaltsam und gebündelt eine Fülle von (Trivia) Facts. Das ist schon sehr interessant, auch wenn man die Namen der meisten Präsidenten hier bald wieder vergessen haben wird. Die großen geschichtsträchtigen Personen wie George Washington, Thomas Jefferson, Abraham Lincoln oder Franklin D. Roosevelt fehlen. Dennoch habe ich diese 12 Kurz-Biografien interessiert gelesen und vor allem ständig nebenbei irgendwelche Details gegoogelt, die hier nur kurz erwähnt werden.

Etwas verwundert es ja schon, dass bei diesem Buchtitel ausgerechnet der amtierende Präsident der USA fehlt. Der Autor begründet es damit, dass Trump ja eh schon täglich in den Medien präsent ist, da braucht er nicht auch noch in dieses Buch. Vielleicht ist es auch für ein Fazit über ihn noch zu früh. Wieso allerdings George W. Bush nicht vorkommt, habe ich ehrlich nicht verstanden. Gerade auf ihn passen doch alle 3 Bezeichnungen im Titel des Buches.

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Veröffentlicht am 14.01.2020

"Für die Ostdeutschen aber war der Mauerfall kein Ende. Er war ein Anfang."

Wie alles anders bleibt
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Leider war hier die Beschreibung zum Buch eher irreführend. Jana Hensel zeichnet hier kein vielfältiges Psychogramm, stattdessen geht sie wiederholt auf das Erstarken von Pegida und Afd im Osten ein. Ein ...

Leider war hier die Beschreibung zum Buch eher irreführend. Jana Hensel zeichnet hier kein vielfältiges Psychogramm, stattdessen geht sie wiederholt auf das Erstarken von Pegida und Afd im Osten ein. Ein wichtiges Thema, und ich finde auch, dass es sinnvoll ist die Ursachen dafür zu ergründen - damit man dann an diesen Ursachen arbeiten kann und im Idealfall den Rechtsruck stoppen und wieder etwas zurück drängen kann. Aber nach dem 3. Artikel dazu fand ich das Thema auch schon etwas ermüdend.

Außerdem sind nur sehr wenige Artikel aktuell, viele sind auch schon bis zu 15 Jahre alt. Denn es handelt sich hier um die Zweitverwertung von Essays, Interviews und Kolumnen, die Jana Hensel im Laufe der Jahre für diverse Printmedien geschrieben hat und halt mit Ostdeutschland zu tun haben.

Die hätte ich sicher gern in der jeweiligen Zeitung gelesen, zum damals auch aktuellen Zeitpunkt. Jetzt so gesammelt im Medium Buch finde ich es eher sub-optimal. Doch einige Dinge habe ich immerhin gelernt. Dass es Wochenkrippen gab, in denen die Kinder von Montag früh bis Samstag Mittag durchgängig waren, war mir tatsächlich neu. Auch dass die Ostdeutschen selbst 30 Jahre nach dem Mauerfall immer noch quasi nicht-existent in Führungspositionen in Politik und Wirtschaft sind war mir so nicht bewusst. Dabei gibt es ja ausreichend Menschen, die ihre Ausbildung unter westlichen Bedingungen absolviert haben, keine ideologischen Altlasten haben oder gar in "der Partei" waren und somit eigentlich genauso gut qualifiziert wären wie Menschen aus den alten Bundesländern. Aber die Top-Positionen traut ihnen dann doch niemand zu, am wenigsten wohl sie selbst. Das ist einem gar nicht so bewusst, ich meine , woher kommt schließlich die Bundeskanzlerin? Hallo? Und der letzte Bundespräsident, Joachim Gauck, ist auch aus der DDR. Aber die beiden sind auch die einzigen Ossis, die oben angekommen sind.

Über Angela Merkel schreibt Jana Hensel überhaupt gern und oft. Das war auch durchaus interessant. Aber wo sind die im Untertitel versprochenen "Geschichten aus Ostdeutschland"? Über die 'ganz normalen Menschen', und wie es ihnen jetzt 2019 so geht, wie für sie "alles anders bleibt". Die Geschichten habe ich sehr vermisst. Aber den Titel habe ich jetzt zumindest verstanden. Denn Hensel erwähnt in einem Essay auch, dass der Transformationsprozess der neuen Bundesländer abgeschlossen ist. Man kann also die Leute dort nicht mehr vertrösten und sagen "nur Geduld, das wird schon noch". Nein, zumindest ihrer Meinung nach (die ich durchaus für nachvollziehbar halte) ist der Osten schon 20 Jahre nach dem Mauerfall dort angekommen wo er jetzt bleiben wird, und noch immer ist alles anders und nichts so wie einst versprochen.

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Veröffentlicht am 10.01.2020

Der Schmerz des Erwachsenwerdens

Sweet Sorrow
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Heiter-melancholisch steht in der Kurzbeschreibung, und genau so würde ich den Roman auch zusammenfassen wollen. Was dem Protagonisten Charlie im Sommer 1997 alles passiert, passt wohl eher in die zweite ...

Heiter-melancholisch steht in der Kurzbeschreibung, und genau so würde ich den Roman auch zusammenfassen wollen. Was dem Protagonisten Charlie im Sommer 1997 alles passiert, passt wohl eher in die zweite Kategorie, aber David Nicholls beschreibt es so amüsant dass ich mehrmals ein Lächeln auf den Lippen hatte beim Lesen.
Die Kurzbeschreibung legt zudem großen Focus auf die Liebesgeschichte, doch ist "Sweet Sorrow" so viel mehr. Es ist eine Coming-of-Age-Story eines 16jährigen, dessen Welt sich im kompletten Umbruch befindet (Familie bankrott, Eltern frisch getrennt, Schule zu Ende, die Kumpel gehen eigene Wege) und der sich nun um seinen depressiven Vater kümmern muss, 12 Stunden die Woche an einer Tankstelle jobt und die vielen Stunden dazwischen irgendwie totschlagen muss. Wie gut, dass er da auf eine Theatergruppe stößt. Bei der er absolut nicht mitmachen will. Shakespeare? So ein Quatsch! Aber dann lässt er sich von der hübschen Fran doch überreden, sich die Sache mal anzuschauen und mitzuproben.

Wie schon gesagt hat, hat mich die Geschichte von Charlies sehr gut unterhalten. Nicht zuletzt auch, weil ich mich selbst an den Sommer 1997 noch sehr gut erinnern kann. Auch ich habe im Juni 97 die Schule beendet und dann lagen 2 lange heiße Monate vor mir. Allerdings waren meine Erlebnisse wohl nicht ganz so aufregend. Wobei - aufregend sind sie bei Charlie auch nicht immer. Und am Anfang hatte ich durchaus zu kämpfen, so richtig in die Story reinzufinden. Denn Charlie bzw. David Nicholls macht immer wieder Abstecher zu anderen Themen und unterbricht die Dynamik der Geschichte. Das war stellenweise etwas langatmig. Ab spätestens der Hälfte aber habe ich das Buch kaum noch weggelegt.
Dass das Stück "Romeo und Julia" und die Proben nicht nur Beiwerk sind, sondern wirklich Bestandteil der Handlung werden, hat mir sehr gut gefallen. Ich konnte die einzelnen Figuren regelrecht vor mir sehen, wie sie ihre jeweiligen Rollen probten und versuchten, das jahrhundertealte Stück zu verstehen. So wurden auch Nebenfiguren, inklusive Charlies Eltern, zu gut herausgearbeiteten Charakteren.

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Veröffentlicht am 08.01.2020

"Lügen zu verbreiten ist einfach, aber die Wahrheit zu sagen ist schwer."

Wir gegen euch
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"Wir gegen euch" ist die Geschichte zweier rivalisierender Kleinstädte, deren Wettstreit durch ihre jeweiligen Eishockeymannschaften ausgetragen wird. Obwohl Backman in fast jedem Kapitel diese Konkurrenz ...

"Wir gegen euch" ist die Geschichte zweier rivalisierender Kleinstädte, deren Wettstreit durch ihre jeweiligen Eishockeymannschaften ausgetragen wird. Obwohl Backman in fast jedem Kapitel diese Konkurrenz der zwei Ortschaften und daraus resultierende Handlungen propagiert und anschaulich darlegt, und man die Spannung und Gewalt förmlich in der Luft spüren kann, so sind doch alle seine Figuren aus Björnstadt. Faszinierend!

Trotz des zentralen Themas der Rivalität ist es für mich vor allem eine Geschichte über Freundschaften. Zerbrechende Freundschaften, neue Freundschaften und Freundschaften, die einiges durchstehen müssen um zu überleben. Es ist aber auch eine Geschichte über Familien, mit denen im Grunde dasselbe passiert wie mit den Freundschaften. Auch sie haben die Wahl zu zerbrechen - oder stärker aus dem Ganzen hervor zu gehen.

Anfangs fühlte ich mich an die Serie "Riverdale" erinnert. Nicht so sehr wegen der eigentlichen Handlung sondern eher allgemein wegen dem Teenagersetting (das in den ersten Kapiteln vorherrschend war) und der Gruppendynamik, die sich entwickelt. Im späteren Verlauf des Buches, und zwar jedes Mal wenn Richard Theo Gegenstand eines Kapitels wurde, musste ich dann unweigerlich an Leland Gaunt aus Stephen Kings "In einer kleinen Stadt" denken. Denn genauso wie der Teufel in Castle Rock versteht sich dieser Kleinstadtpolitiker aus Björnstadt darauf, die Leute zu manipulieren und gegeneinander auszuspielen so dass am Ende er der lachende Dritte ist.

Auch Vergleiche mit einer griechischen Tragödie schossen mir öfter durch den Kopf, vor allem wenn der Erzähler eingreift (was er sehr häufig tut) und die Geschehnisse kommentiert, über Menschen, ihre Gefühle und daraus resultierende Handlungen sinniert. Ganz besonders aber dann, wenn er Unheilvolles ankündigt (was ebenfalls sehr häufig vorkommt). Dadurch hatte ich die ganze Zeit über ein sehr bedrückendes Gefühl beim Lesen, immer in Erwartung von negativen Geschehnissen. Egal wen es treffen würde - ich hatte mit der Zeit alle lieb gewonnen!

Ein Wohlfühlbuch ist "Wir gegen euch" also sicher nicht. Dafür aber wahrscheinlich ein sehr authentisches, denn das Bild, das Frederik Backman hier von der Dynamik innerhalb Björnstadt zeichnet wirkt sehr real. Was es für mich nur umso erschreckender macht. Es ist ein schonungsloser Blick darauf, wie ein einziger Vorfall - der bereits Gegenstand des ersten Bands über Björnstadt war - eine ganze Stadt verändern kann. Und das, obwohl der Täter besagte Stadt bereits im 1. Kapitel bei Nacht und Nebel verlässt und somit ja eigentlich alles wieder zur Normalität zurückkehren könnte. Tut es aber nicht...
Aber es gibt auch mutmachende Momente geprägt von Loyalität und gegenseitiger Unterstützung, die mich sehr berührt haben.

Aufgrund all dieser Attribute, gepaart mit einem ungewöhnlichen aber guten Schreibstil und der Gabe, selbst aus kleinen Nebenfiguren Personen mit Tiefgang zu erschaffen, machen "Wir gegen euch" zu meinem ersten Lesehighlight 2020.

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