Profilbild von Karschtl

Karschtl

Lesejury Star
offline

Karschtl ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Karschtl über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.06.2022

Erwachsen werden unter erschwerten Bedingungen

Die Freundinnen vom Strandbad (Die Müggelsee-Saga 1)
0

Passend zum Titel habe ich das erste Viertel des Buches im Freibad gelesen. Der Beginn versprüht auch richtige Sommer-Vibes, und zu diesem Zeitpunkt - 1956 - ist das Leben der Freundinnen auch noch weitgehend ...

Passend zum Titel habe ich das erste Viertel des Buches im Freibad gelesen. Der Beginn versprüht auch richtige Sommer-Vibes, und zu diesem Zeitpunkt - 1956 - ist das Leben der Freundinnen auch noch weitgehend unbeschwert. Der Krieg rückt langsam in die Ferne, die Menschen haben wieder genug zu essen und die Kinder können in die Schule gehen und von einer glücklichen Zukunft träumen.

Zeitsprung zu 1960: aus den Mädchen sind Teenager geworden, die von Jungs schwärmen oder sich ausmalen, was sie einmal werden wollen. Doch so langsam wird ihr Leben und auch das Buch immer ernster. Die Repressalien, die einige DDR-Bürger schmerzlich zu spüren bekamen, wurden am Beispiel von Clara auf bedrückende Art und Weise geschildert. Ihre Familie will sich nicht gleichschalten lassen, weshalb ihr Vater nicht in der Partei und sie nicht in der Jugendorganisation FDJ ist. Bei jeder Gelegenheit lässt man sie spüren, dass das eine falsche Entscheidung ist. Bei all der Gängelung, die sie dadurch von Schule und Stasi erfährt, ist es ja kein Wunder dass so viele Menschen dieses Land verlassen, dachte ich mir. Man kann doch nicht jemand die komplette Lebensgrundlage wegnehmen, und dann erwarten dass er das einfach so hinnimmt. Zumindest nicht, solange es noch eine Alternative gibt wie vor dem Bau der Berliner Mauer im August 1961.

Ich bin selbst in der DDR aufgewachsen, habe in den 80ern aber gänzlich andere Erfahrungen gemacht als die drei Freundinnen in diesem Buch. Sicherlich weil die Situation lockerer geworden ist (es wurde niemand mehr 'gejagt' weil er West-Fernsehen geschaut hat), andererseits auch weil hier im Buch komplette Extreme dargestellt wurden. Eine Stasi-Familie mit Walter Ulbricht Foto an der Wohnzimmerwand und eine, die sich aus allem staatlichen raushalten will und dafür geächtet wird. Und mittendrin eine Mutter, die sich mittels Alkohol dem Alltag und seinen Sorgen entzieht.
Mir waren keine dieser Lebensstile persönlich bekannt, und ich fände es ein bisschen schade, wenn viele LeserInnen nach dem Buch glauben würden, es hätte ein 'normales' Leben in der DDR gar nicht gegeben sondern nur diese Extreme. Dem war glücklicherweise nicht so, allerdings hätte ich gern meiner Mutter - die ebenfalls in den 50ern und 60ern aufwuchs - das Buch zum Lesen gegeben und sie nach ihren Erfahrungen von damals befragt. Schade, dass das nicht mehr geht.

Mein Fazit: Es ist unbestritten ein spannender Roman, auch wenn man viele Dinge weit im vorhinein erahnen kann (die Geheimnisse, die Martha 'aufdeckt' oder auch Bettys Geheimnis gegen Ende hin). Dennoch will man natürlich wissen, wie sich die Dinge für die drei Mädchen fügen werden, denn ich fand alle drei sympathisch und hatte sie schnell in mein Herz geschlossen. Und der Berliner Dialekt war für mich ein netter Bonus, der lockert selbst in ernsten Situationen einiges auf und ich finde es immer schön, meinen Heimatdialekt zu lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.06.2022

Über eine starke, unabhängige Frau

Die Liebe braucht ein ganzes Dorf
0

Oftmals fangen Frauenromane ja damit an, dass die Protagonistin Enttäuschungen erlebt, entweder im Job oder privat (oder meist sogar beides), und dann irgendwo einen Neustart wagt. Hier war das zur Abwechslung ...

Oftmals fangen Frauenromane ja damit an, dass die Protagonistin Enttäuschungen erlebt, entweder im Job oder privat (oder meist sogar beides), und dann irgendwo einen Neustart wagt. Hier war das zur Abwechslung mal nicht so, Annika hat sich in ihrem Leben gut eingerichtet und wir steigen einfach mit ein zu einem Zeitpunkt, wo mal wieder etwas Bewegung in ihren Alltag kommt. Und zwar in Form von Männern (jaa, Plural!)

Lange Zeit habe ich den Titel des Buches nicht ganz verstanden, aber am Schluss macht er dann plötzlich doch Sinn! Da wird das alles noch eine runde Sache. Und auch der Weg dorthin hat mir gefallen, auch wenn Kerstin Rubel das ein oder andere Klischee mit eingebaut hat (z.B. das kolossale Mißverständnis, das jede/r, wirklich jede/r!, sofort hätte auflösen können - nur Annika nicht; oder auch die große Überraschung am Ende...). Auf der anderen Seite erwähnt die Autorin aber auch wichtige ernste Themen, zB die Abhängigkeit der Frauen von ihren Männern.

Aber keine Sorge, es ist dennoch mehrheitlich ein leichter Frauenroman mit sympathischen Charakteren, einem tollen Hund! und einem idyllisch beschriebenen Setting. Auch die Sprecherin des Hörbuches macht ihre Sache wirklich gut! Und dass es mit Annika eine starke, unabhängige Frau gibt, die ihren Weg geht und sich daran auch nichts ändert wenn plötzlich ein Mann in ihr Leben tritt, hat mir auch sehr gefallen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.05.2022

Steampunk-Krimi

Elisa Hemmiltons Kofferkrimi
0

Ich war mir vor Beginn des Lesens nicht ganz sicher, ob das Wort "Kofferkrimi" zweideutig ist, wie zB "Kofferwort". Aber ich merkte schnell, dass es hier sehr wörtlich zu nehmen ist! Denn gleich zu Beginn ...

Ich war mir vor Beginn des Lesens nicht ganz sicher, ob das Wort "Kofferkrimi" zweideutig ist, wie zB "Kofferwort". Aber ich merkte schnell, dass es hier sehr wörtlich zu nehmen ist! Denn gleich zu Beginn kracht ein Koffer durch die Decke der Londoner Bibliothek.

Was es mit dem dann auf sich hat, beschäftigt fortan die neugierige Eliza und den sehr unfreiwillig in die ganze Sache geratenen Uhrmacher James. Womit sie schnell in die Schusslinie von ein paar Gaunern geraten.

Die ganze Geschichte ist in Form eines Berichts von Eliza verfasst, den sie nach eigenen Angaben nachträglich für die Polizei verfasst hat. Wieso sie in einen solchen Bericht ihre Schwärmereien für einen Mann mit einbaut (und nicht gerade sehr dezent), verstehe ich zwar nicht - aber mir als Leserin hat auch dieser Teil sehr gut gefallen. Allerdings habe ich mich immer gefragt, wie alt denn ihr Angebeteter wohl ist - zu Beginn hatte ich zumindest immer einen älteren Herrn vor Augen.

Das Buch ist ja ein Teil der "Staubchroniken", deren ersten Teil ich nicht gelesen habe. Ist für diesen Band aber auch völlig unerheblich, da die Hauptperson aus Teil 1 hier nur ganz am Rande vorkommt und auch keinerlei Vorwissen auf Band 1 notwendig ist. Ich hoffe allerdings sehr, dass in einem möglichen 3. Teil Eliza wieder auftauchen wird - und es sich nicht wieder um eine völlig neue Person handeln wird - denn die zwei habe ich hier sehr ins Herz geschlossen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.05.2022

Bunt gemischte Familie

Eine gemeinsame Sache
0

4,5 Sterne

"Eine gemeinsame Sache" ist ein typisches Anne-Tyler-Werk. Sie beschreibt den durchschnittlichen Alltag einer durchschnittlichen Familie, und das über einige Jahre und sogar Generation hinweg. ...

4,5 Sterne

"Eine gemeinsame Sache" ist ein typisches Anne-Tyler-Werk. Sie beschreibt den durchschnittlichen Alltag einer durchschnittlichen Familie, und das über einige Jahre und sogar Generation hinweg. Es passiert gar nicht viel, und dennoch hörte ich - nach anfänglichen Startschwierigkeiten - der Sprecherin gebannt zu, wie das alles so weitergeht mit der Familie Garrett.

Meine Startschwierigkeiten rührten daher, dass ich nach der ersten halben Stunde nicht mehr wusste, wie und wo ich in dem Familienkosmos das allererste Pärchen einzuordnen hatte, dem wir in dem Buch begegnen. Denn nach diesem Intro kommt ein großer Zeitsprung in die Vergangenheit. Ab da an verfolgen wir die Geschehnisse aber weitesgehend chronologisch, von den 50ern bis zur Corona-Gegenwart, und ich konnte sowohl den sich verändernden Familienverhältnissen als auch der Storyline an sich besser folgen.

Ein paar aufregende Ereignisse hätten der Geschichte wahrscheinlich nicht geschadet, aber es ist ja gerade die Kunst der Anne Tyler, aus einer (scheinbar) alltäglichen Familiengeschichte eine interessante Story zu machen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.05.2022

Leben in Wien zur Zeit des 1. Weltkriegs

Die Frauen von Schönbrunn (Die Schönbrunn-Saga 1)
0

Mein Interesse für dieses Buch wurde hauptsächlich dadurch geweckt, dass ich den Tiergarten Schönbrunn sehr gut kenne und es spannend fand, mehr darüber zu erfahren.

Nach dem Lesen kann ich sagen: selbst ...

Mein Interesse für dieses Buch wurde hauptsächlich dadurch geweckt, dass ich den Tiergarten Schönbrunn sehr gut kenne und es spannend fand, mehr darüber zu erfahren.

Nach dem Lesen kann ich sagen: selbst wenn dem nicht der Fall ist, bekommt der/die Leser/in hier einen sehr gut geschriebenen Einblick in das Leben der einfachen Menschen zur Zeit des ersten Weltkrieges. Und das war wahrlich kein einfaches Leben, obwohl es Emma mit einer festen Anstellung und einem Dach über dem Kopf noch verhältnismäßig gut getroffen hat. Dennoch reicht das Geld hinten und vorne nicht, und Lebensmittel gibt es sowieso kaum zu kaufen. Wenn ich daran denke, dass diese Generation 20 Jahre später noch einmal solch schwierigen Jahre durchstehen mussten... Zum Glück wussten sie das damals noch nicht!

Ein bisschen schade fand ich es ja, dass die Elefanten nur wirklich kurz drin vorkommen. Dabei hatte ich aufgrund des Covers gedacht, darum geht es hauptsächlich. Doch Emma verbringt stattdessen viel Zeit mit der Orang-Utan-Dame Fanny, und erkennt dass sie ein Lebewesen mit ähnlichen Bedürfnissen wie ein Mensch ist

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere