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Veröffentlicht am 13.05.2017

Ein ruhiger und tiefgründiger Roman

Der Himmel über Appleton House
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Für mich sind die Empfindungen eines Kindes, welches seine Eltern verloren hat, etwas Unvorstellbares. Plötzlich werden die zarten Wurzeln, die ihm bisher den nötigen Halt gaben, ausgerissen. Unvorstellbar ...

Für mich sind die Empfindungen eines Kindes, welches seine Eltern verloren hat, etwas Unvorstellbares. Plötzlich werden die zarten Wurzeln, die ihm bisher den nötigen Halt gaben, ausgerissen. Unvorstellbar ist es auch, dass ein Kind nach dieser traumatischen Erfahrung wieder einen Ort und eine Familie finden kann, bei denen es sich geborgen fühlt. Das Gefühl von sicherem Halt und Geborgenheit hat Ira, die literarische Hauptfigur aus „Der Himmel über Appleton House“, nie kennenlernen dürfen. Nachdem sie und ihr kleiner Bruder Zac von ihren Eltern zur Adoption freigegeben wurden, führten beide ein sehr rastloses Leben. Sie wurden von einer Pflegefamilie in die nächste gegeben. Immer, wenn sie sich an ihre neuen Pflegeeltern gewöhnt hatten, mussten sie erneut umziehen. Seit ihrem letzten Umzug prasseln viele neue und ungewohnte Dinge auf sie ein. In "Skilly House" werden beide Geschwister mit einem für sie neuen Leben konfrontiert, denn dieses Waisenhaus beherbergt nicht nur zahlreiche Kinder, sondern auch viele Erwachsene, die ihnen viel Herzlichkeit und eine Beständigkeit entgegenbringen. Trotz der Liebe und des Halts, den Ira und Zac dort erfahren, wächst tief in ihnen die Sehnsucht nach einem richtigen Zuhause.

Als ich in der Programmvorschau des Königskinder Verlags den Klappentext zu „Der Himmel über Appleton House“ von S. E. Durrant las, wusste ich, dass ich dieses Buch lesen muss, weil ich sehr gerne tiefgründige Geschichten über bewegende Schicksale lese. Besonders, wenn sie aus der Perspektive eines Kindes erzählt werden.
Obwohl die Beschreibung des Inhalts für meinen Geschmack etwas zu viel von der Handlung verrät, konnte ich die Geschichte ganz unbefangen lesen, weil genügend Zeit vergangen war und ich mich nicht mehr an alle Details erinnern konnte.

Nach einer kurzen Einführung in ihr bisheriges Leben entführt Ira uns nach "Skilly House". Hier werden wir Leser mit dem Alltag in einem Waisenhaus vertraut gemacht, erfahren aber auch viel von den äußeren Umständen Großbritanniens Anfang der 1990`er Jahre.
Obgleich Ira uns durch die Handlung führt, lernen wir Leser - dank ihrer vortrefflichen Beobachtungsgabe und ihrer Ausdruckskraft - sehr viel über die Menschen, die sie umgeben. Vordergründig wird jedoch die Beziehung der Geschwister Ira und Zac abgehandelt. Beide sind wie Feuer und Wasser und ihre Blickwinkel auf die Geschehnisse absolut konträr. Jeder bewältigt sein Schicksal auf eigene Weise und doch ergänzen sie sich perfekt. Durch Ira und Zac erfährt man wie eine erschütternde Erfahrung ein Kind verstören und ihm fast alle Hoffnungen auf ein Wunder nehmen kann. Umso schöner war es für mich, dass ich miterleben durfte, wie ein wunderbares Ereignis die Hoffnungen der Geschwister erblühen ließ.


"Der Himmel über Appleton House" von S. E. Durrant, Jugendbuch, Kinderbuch
Faszinierend war für mich die literarische Hauptfigur Ira, die trotz ihrer kindlichen Sprache auf so reife und ausdrucksvolle Weise über ihr Leben berichtet. Ira ist die "Große", die Verantwortung für ihren kleineren Bruder übernimmt - immer darauf bedacht, dass Zac nie von anderen missverstanden wird. Leider bleibt bei den vielen Sorgen um Zac eine auf der Strecke: die um sich selbst. Ira wirkt anfangs so abgeklärt und desillusioniert. Und doch schwingt zwischen den Zeilen eine tiefe Sehnsucht nach einer richtigen Familie mit. Mit jedem gelesenen Kapitel erlaubt Ira sich, ein bisschen mehr zu träumen und zu hoffen.

In einer Rezension über dieses Buch las ich, dass die Verfasserin die Geschichte mit dem Wort still beschrieben hat. Dem muss ich deutlich widersprechen, denn obgleich sich die Handlung zeitweise in einem gemächlichen Tempo durch diese Geschichte zieht ist das, was die Ich-Erzählerin Ira zum Ausdruck bringt, alles andere als still. Ihre Träume, Hoffnungen und ihre mannigfaltigen Emotionen haben mich als Leserin buchstäblich angebrüllt. Und da gab es noch etwas Verblüffendes: Noch nie hatte ich einen Roman gelesen, dessen Handlung so ruhig verlief und mir trotz dieser Beschaulichkeit eine tiefe Ruhelosigkeit vermittelte, die sich auch auf mich übertragen hat.

„Der Himmel über Appleton House“ von S. E. Durrant ist trotz des sehr emotionalen Themas ein sehr ruhiger und tiefgründiger Roman, der nicht nur durch seine ausdrucksstarke Erzählerin begeistert.

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Veröffentlicht am 04.05.2017

Einfach großartig!

Ein Glück für immer
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Beim Lesen einer Geschichte macht man sich meist keine großen Gedanken darüber, wie viel Arbeit damit verbunden ist eine interessante Handlung zusammenzustellen. Man möchte einfach gut und nachvollziehbar ...

Beim Lesen einer Geschichte macht man sich meist keine großen Gedanken darüber, wie viel Arbeit damit verbunden ist eine interessante Handlung zusammenzustellen. Man möchte einfach gut und nachvollziehbar unterhalten werden. Wenn ein Autor jedoch das Flair einer bestimmten Epoche oder Zeit heraufbeschwören möchte, muss er dafür einiges an Recherchearbeit leisten, um die Leser mit dem Geschriebenen buchstäblich in diese Zeit zu versetzen.
Auch ich habe mir meist keine Gedanken über die Recherche gemacht, bis vor einigen Tagen als ich „Ein Glück für immer“ von Ruta Sepetys gelesen habe. Denn diese außergewöhnliche Handlung nimmt den Leser mit auf eine Reise in das verruchte New Orleans der Fünfzigerjahre. Eine Zeit, die von Prostitution, Korruption und mafiösen Strukturen geprägt wurde.

In „Ein Glück für immer“ lernen wir nicht nur die Gepflogenheiten der Fünfzigerjahre in New Orleans, sondern auch die literarische Hauptfigur Josie Moraine kennen, die uns gleich mit ihrem ersten Satz verdeutlicht, dass sie kein Mädchen ist, das auf der Sonnenseite des Lebens steht: „Meine Mutter ist eine Prostituierte.“ Seite 7
Aber nicht nur mit diesem Satz und der Tatsache, dass sie mit 7 Jahren perfekte Martinis für ihre Mutter mixen konnte, verblüffte Josie mich. Auch ihre beeindruckenden und erschütternden Erfahrungen aus einem rastlosen Leben, mit einer selbstsüchtigen Begleiterin, die sich prostituiert, ihre Mitmenschen beraubt - und die Bezeichnung Mutter wahrlich nicht verdient. Josie erzählt, dass es von Vorteil ist, sich in diesen Lebensumständen schnell zu entwickeln und sich mit ihnen zu arrangieren, um selbstständig zu werden und sich nicht auf andere zu verlassen.

In den ersten Passagen beschreibt Ruta Sepetys, wie das Leben ihrer 7-jährigen literarischen Hauptfigur in New Orleans ausgesehen hat, und macht dann einen kleinen Zeitsprung. Danach berichtet die 17-jährige Josie von ihren großen Träumen ein College zu besuchen und fort zu gehen. Sie schmiedet Pläne, um ihre Ziele zu erreichen. Diese – so scheint es – liegen in unerreichbarer Ferne, denn der Lebensweg ihrer Mutter wirft immer wieder große Schatten über ihr Vorhaben New Orleans für immer zu verlassen, um ein ganz neues Leben zu beginnen und nicht mehr die Tochter der Prostituierten zu sein.

Mit einem bestechend starken und manchmal poetischen Stil hat Ruta Sepetys sehr ausgefallene Protagonisten erschaffen, die alle eine eigene und besondere Geschichte erzählen und alles andere als „normal“ sind – im Sinne von eintönig und ohne Ecken und Kanten -, und den Leser komplett für sich einnehmen, um ihn in eine längst vergangene und pulsierende Zeit entführen.

„Wir arbeiteten alle Hand in Hand – eine Bordellbetreiberin, eine Englisch-Professorin, eine stumme Köchin, ein Mulatte und ich, ein Mädchen mit einem Eimer voller Lügen, die sie verstreut wie Konfetti“ Seite 266


Die Autorin hat sich für ihre außergewöhnliche Handlung eine aufregende Kulisse erschaffen und ihre Geschichte mit einem kaltblütigen Mord gespickt, der für weitere Spannung sorgt.
Ruta Sepetys hat viele interessante Themen mit Josies Geschichte verwoben und eine perfekte Mischung geschaffen, die mich bestens unterhalten hat. Die vordergründige Handlung von Josies Träumen, von Freundschaft und ihren Hoffnungen, spielt sich vor dem inneren Auge der Leser, in einem Gangsterfilm ähnlichen Setting der Fünfziger Jahre ab.

Welche Recherche für diese imposante Geschichte von Nöten war, kann ich mir nicht im Entferntesten vorstellen. Es ist schon eine Kunst für sich, das Flair einer längst vergangenen Zeit heraufzubeschwören und zwischen den Zeilen mitklingen zu lassen. Aber seine Charaktere nach menschlichen Vorbildern zu formen setzt dem Ganzen die Krone auf.

Apropos Krone. Dass die Mitarbeiter vom Königskinderverlag ein Händchen für außergewöhnliche Geschichten und ein besonderes Augenmerk auf die Gesamtgestaltung eines Buches haben, ist nichts Neues. Aber bei der Gestaltung von „Ein Glück für immer“ haben sie sich noch einmal übertroffen. Diese Schönheit wird mein Regal nie wieder verlassen.

Kurzum: Wer nach einem besonderen Jugendbuch sucht, sollte sich unbedingt „Ein Glück für immer“ ansehen. Oder nein! Sofort kaufen und lesen!

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Veröffentlicht am 22.04.2017

Ein wahrer Schatz

Ein Jahr im Wald
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Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, macht mich eine Sache sehr traurig: Ich hatte als Kind eigentlich keine Bücher - weder Bilderbücher noch Kinderbücher. Das lag vor allem daran, dass meine Eltern ...

Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, macht mich eine Sache sehr traurig: Ich hatte als Kind eigentlich keine Bücher - weder Bilderbücher noch Kinderbücher. Das lag vor allem daran, dass meine Eltern keinen Sinn für schöne Bücher hatten und selbst nicht gerne lasen. Erst als ich in die Schule kam und mehr oder weniger dazu gezwungen wurde bestimmte Bücher zu lesen, bekam ich Zugang zu einer fantastischen Welt, in der alles möglich war. Dank meines Sohnes kann ich jetzt einiges nachholen, was ich damals verpasst habe und es ist so schön, dass wir zusammen die Bücherwelt entdecken können. Dabei ist es sehr interessant zu beobachten, wie sich der Buchgeschmack meines Sohnes entwickelt. Vor ungefähr einem Jahr war es noch möglich, ihm einfach ein Buch vor die Nase zu halten, das er sich dann einfach angesehen hat – meist ohne eine Reaktion hervorzurufen. Heute bemerkt man sofort, ob es ihn interessiert, oder eben nicht.

Als mir vor einigen Tagen „Ein Jahr im Wald“ von Emilia Dziubak aus meinem Postkasten entgegenfiel, wusste ich sofort, was zu tun ist: Ich musste das Stündchen Ruhe (Mittagsschlaf meines Sohnes) nutzen, um mir dieses Exemplar etwas genauer anzusehen – wohl wissend, dass mein Sohn es nach seinem Schläfchen sofort an sich reißen würde. Schließlich ist es ein Wimmelbuch und beschäftigt sich mit einem seiner Lieblingsthemen: Tiere im Wald.

Ein erster Blick auf das Cover von „Ein Jahr im Wald“ verrät, dass es sich bei diesem Exemplar nicht um ein gewöhnliches Wimmelbuch handelt. Denn hier ist ein und derselbe Schauplatz in den vier verschiedenen Jahreszeiten abgebildet. Nur die Geschehnisse in den abgebildeten Illustrationen verändern sich.
Schlägt man das Buch auf, kann man zunächst alle Akteure aus dem Buch entdecken, die sich auf witzige und informative Weise dem Leser vorstellen. So wird man bestens auf die nachfolgenden Ereignisse vorbereitet und kann bei aufkommenden Fragen noch einmal zurückblättern.
Blättert man weiter, erblickt man die ersten Szenen auf einer Doppelseite, in einem viel bewohnten Stück Wald, das obwohl es verschneit ist, alles andere als ruhig wirkt. Hier tummeln sich zahlreiche Waldbewohner und der Leser wird bildlich eingeladen, die vielen mitunter sehr humorvollen Ereignisse zu erkunden.
Auf den Folgeseiten wird dieser Schauplatz nicht verlassen, sondern jeweils in einem anderen Monat gezeigt. Und so erlebt man mit jeder neuen Seite den Lauf des Lebens im Wald und beobachtet, wie sich einige Tiere während der zwölf Monate - die mit verschiedenen Tageszeiten und Wetterphänomenen einhergehen - verändern, sich weiterentwickeln und sich vermehren. Und wie sie miteinander spielen, wie sie jagen oder gar gejagt werden. Jedes Wesen erzählt seine ganz eigene Geschichte.

Obwohl dieses Wimmelbuch gut ohne Text auskommt, sind die seltenen Gedankenblasen, mit denen uns einige Waldtiere mitteilen was sie gerade beschäftigt, eine gelungene Ergänzung.

Ist der Leser auf der letzten Doppelseite angekommen, gibt es zusätzlich ein gigantisches Labyrinth zu entdecken. Hier gilt es, bestimmte Tiere zu ihrem Essen oder zu ihren Partnern zu geleiten. Aber Vorsicht: In dem Labyrinth lauern viele Gefahren!

„Ein Jahr im Wald“ von Emilia Dzuibak ist ein wahrer Schatz und ein Wimmelbuch, mit dem Kinder jedes Alters stundenlang ihren Spaß haben können. Die insgesamt sechzehn Doppelseiten sind mit wunderschönen und fantasievollen Illustrationen in sehr warmen Tönen und lebensnahen und urkomischen Szenen versehen. Auf spielerische Weise verbessern Kinder die eigene Wahrnehmung und lernen viele Tiere und deren Gewohnheiten und den Lauf des Lebens kennen.
Mir hat dieses Bilderbuch verdeutlicht, wie viel Spaß man auch als Erwachsene mit Kinderbüchern haben kann. Vor allem, wenn man es zusammen mit seinem Kind erleben darf.

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Veröffentlicht am 20.04.2017

Eine harte Geduldsprobe

Das Licht und die Geräusche
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Kann eine Geschichte gut geschrieben und dennoch so schlecht erzählt sein, dass man als Leser überhaupt keinen Zugang zur Handlung und deren literarischen Figuren bekommt? Absolut! Mein letzter literarischer ...

Kann eine Geschichte gut geschrieben und dennoch so schlecht erzählt sein, dass man als Leser überhaupt keinen Zugang zur Handlung und deren literarischen Figuren bekommt? Absolut! Mein letzter literarischer Ausflug hat es bewiesen. „Das Licht und die Geräusche“ von Jan Schomburg ist ein Buch, das ich nur schwer mit Worten beschreiben kann. Nicht etwa, weil es so bedeutsam und großartig ist, sondern weil es mich wahrhaftig zur Verzweiflung gebracht hat. Denn einerseits ist der Schreibstil Schomburgs wirklich außergewöhnlich, aber die Schilderungen von den Ereignissen und den literarischen Figuren sind alles andere als gelungen. Was anfangs so vielversprechend klang, entpuppte sich rasch als trivial und als eine reine Zeitverschwendung.

Dass Freundschaften zwischen Frauen und Männern etwas schwierig sind, ist allseits bekannt. Das betrifft auch die Freundschaft von Johanna und Boris, denn auch hier sind eher leidenschaftliche Gefühle im Spiel. Sehr zum Unmut von Johanna ist Boris jedoch in Ana-Clara verliebt. Bis vor Kurzem stellten Johannas heimliche Gefühle für Boris kein Problem dar. Aber als Ana-Clara dann aus ihrer Heimat Portugal anreist, wird es für Johanna sehr schwer ihre Emotionen zu verbergen und die Freundin ihres besten Freundes zu tolerieren. Eines Tages verschwindet Boris und beide Rivalinnen müssen sich auf die Suche nach ihm begeben und sich irgendwie miteinander arrangieren.

Die Handlung nur kurz zu umreißen fällt mir sehr schwer, weil der Autor so viele Schauplätze und Brennpunkte für seine Geschichte gewählt hat. Im Grunde genommen geht es um drei Menschen, die sich auf dem Weg zum Erwachsenwerden begegnen und zu einer Schicksalsgemeinschaft heranwachsen. Schomburgs Debüt ist ein Coming-of-Age-Roman, der sich mit vielen gewichtigen Themen beschäftigt: die Schwierigkeiten, die das Erwachsenwerden mit sich bringen, Sexualität, Homosexualität, Suizid und die Suche nach einem Platz in der Gesellschaft oder gar im Leben. Eine äußerst brisante Mischung, an die man als Autor mit viel Feingefühl herangehen muss, weil man sich auch leicht übernehmen kann. Statt der angebrachten Sensibilität bedient sich Schomburg eher dem Vorschlaghammer und handelt sie reizlos und oberflächlich in einem sehr ungehobelten und sprunghaften Stil ab.

Als ich die wenigen Kapitel von „Das Licht und die Geräusche“ las, gruselte es mich vor der Darstellung der drei jungen Menschen, die die Säulen dieser Geschichte sind. Sie wurden so leichtfertig gezeichnet und ihre wankelmütigen Taten glichen eher den gängigen Klischees über Jugendliche. Ihre Beziehungen zueinander wirkten so bedeutungs- und lieblos. So als wären sie aus einer Laune heraus entstanden.
Alle Charaktere machten es mir sehr schwer, sie wirklich zu erfassen, weil sie für meinen Geschmack völlig übertrieben und manchmal etwas pathologisch beschrieben wurden.
Die Ich-Erzählerin Johanna zum Bespiel glich in ihrer Denkweise und in ihren Handlungen eher einem männlichen Charakter und ihre teilweise wirren Gedankengänge verliehen der Geschichte etwas extrem Unruhiges.

„Das Licht und die Geräusche“ von Jan Schomburg war für mich eine harte Geduldsprobe, die ich nur bestanden habe, weil der Autor sich kurzgefasst und einen sehr flüssigen Schreibstil hat.

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Veröffentlicht am 19.04.2017

Ich hatte ein wenig mehr erwartet

All die verborgenen Dinge
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3,5 Sterne

Manche Orte auf dieser Welt scheinen eine besondere Anziehungskraft für uns Menschen zu haben. Und wahrscheinlich kann sich jeder noch an genau die Orte aus seiner Kindheit oder Jugend erinnern, ...

3,5 Sterne

Manche Orte auf dieser Welt scheinen eine besondere Anziehungskraft für uns Menschen zu haben. Und wahrscheinlich kann sich jeder noch an genau die Orte aus seiner Kindheit oder Jugend erinnern, die man trotz eines elterlichen Verbotes immer gerne besucht hat. Womöglich hat dieses Verbot das Fleckchen Erde für seine Besucher noch viel reizvoller gemacht.
Für Minty, der literarischen Hauptfigur aus „All die verborgenen Dinge“, gibt es auch so einen verlockenden Ort: Nettlebog, ein Stück Land mit einem tosenden Fluss. Das Verlockende an Nettlebog ist aber nicht nur, dass es scheinbar der einzige Platz auf der Welt ist, an dem sich Minty nicht verstellen muss und sagen kann, was sie denkt. Sondern auch Ned - der undurchschaubare Neue aus ihrer Klasse, den alle Mitschüler seltsam finden, weil ihm scheinbar alles egal ist - , der in einem Wohnwagen direkt am Flussufer lebt, ist ein weiterer Grund.

„Er ging mir ständig durch den Kopf. Der Junge, der im Wohnwagen lebte. Der Junge, der um Mitternacht ein großes Feuer machte und auf einem Autoreifen über den Fluss schwang, vor und zurück, und dabei laute, unverständliche Schreie ausstieß. Dieser Junge, von dem alle sagten, er tauge nichts.“ Seite 32


Für Minty ist Neds natürliche Wildheit sehr beeindruckend und die zwischen ihnen zart aufkeimende Freundschaft, lässt Minty die Welt mit anderen Augen sehen und sie erkennt, was anderen verborgen bleibt.

Sarah Moore Fitzgerald, die Autorin von „All die verborgenen Dinge“, ist für mich keine Unbekannte, denn vor über einem Jahr kredenzte mir diese Autorin mit „Das Apfelkuchenwunder oder Die Logik des Verschwindens“ einen literarischen Leckerbissen, der mich tief berührt hat. Dem entsprechend waren meine Erwartungen etwas höher, als bei anderen Büchern. Gespannt folgte ich Mintys Einführung in die Geschichte, ohne zu wissen, wer mir diese Geschichte erzählt. Ohne sich vorzustellen plaudert eine unbekannte Erzählerstimme - erst ertwas später erfährt der Leser, um wen es sich dabei handelt -, munter drauf los und berichtet von einem aufregenden Schultag, der zusammen mit einem neuen Schüler dafür verantwortlich ist, dass sich Mintys Leben für immer verändern wird. Jedoch gibt es für diese gravierende Veränderung auch noch andere familiäre Ursachen, über die uns Minty im Laufe der Geschichte berichtet. Wir Leser haben Teil an Mintys Schicksal und erleben, wie sie sich entwickelt und über sich hinauswächst.

Den ausdrucksstarken und bildhaften Schreibstil von Sarah Moore Fitzgerald erkennt man mit der ersten gelesenen Zeile und hätte ich mir jedes schöne und manchmal sehr poetische Zitat farblich im Buch gekennzeichnet, wäre mein Exemplar jetzt kunterbunt.

„Gerüchte sind nur Wörter. Sie schweben durch die Luft, von einer Stimme zu anderen, und sie sind unsichtbar. Komisch, wenn man sich überlegt, wie viel Macht sie trotzdem haben können. Manche schneiden wie spitze Messer, andere sind eiskalte Hämmer – sie können so viel Schaden anrichten, als wären sie reale Gegenstände, die herumfliegen und dich ins Gesicht treffen, wenn du es am allerwenigsten erwartest.“ Seite 67


Die vielen kurzgehaltenen Kapitel und die sehr flüssige Schreibweise machen es dem Leser sehr leicht durch die Zeilen zu fliegen. Und doch konnte mich die Autorin nicht komplett mit ihrer Geschichte überzeugen. Das lag vor allem an der sprunghaften Erzählweise. Sarah Moore Fitzgerald beschäftigt sich in ihrem neuen Buch mit vielen gewichtigen Themen, wie dem Erwachsenwerden, der Freundschaft, Vorurteilen, die Liebe zu Pferden und damit, wie Eheprobleme die Kindheit belasten können. Es gelingt ihr jedoch nicht, all diese an sich wunderbaren Elemente miteinander verschmelzen zu lassen. Es wirkt manchmal wie ein Puzzle, dessen Teile nicht zusammenpassen.
Durch die kurze und sprunghafte Abhandlung der vielen Themen fehlt es der Geschichte an Tiefe.
Auch die literarischen Figuren sind leider nicht so bestechend und einige hätte die Autorin auch gut einsparen können, weil sie für die Geschichte unwichtig und noch dazu sehr blass wirkten.

Schon sehr lange fieberte ich dem Erscheinen von „All die verborgenen Dinge“ von Sarah Moore Fitzgerald entgegen und konnte es kaum erwarten, einen neuen literarischen Leckerbissen zu genießen. Jedoch wollte der Funke der Begeisterung dieses Mal nicht auf mich überspringen.

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