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Veröffentlicht am 13.02.2019

Hamburg 1912

Die Villa am Elbstrand
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Als Hamburg-Fan hat der Titel des Buches sofort mein Interesse geweckt. 
In "Die Villa am Elbstrand" steht die junge Sophie Brix im Mittelpunkt.
Aus einfachen Verhältnissen stammend verschlägt es sie 1912 ...

Als Hamburg-Fan hat der Titel des Buches sofort mein Interesse geweckt. 
In "Die Villa am Elbstrand" steht die junge Sophie Brix im Mittelpunkt.
Aus einfachen Verhältnissen stammend verschlägt es sie 1912 in die Villa der reichen Reeders-Familie Nieland.
An der Seite ihrer neuen Freundin Anna Nieland erlebt sie Beginn und Verlauf des ersten Weltkrieges.
Nach anfänglicher Begeisterung des Volkes, und der Überzeugung diesen Krieg rasch siegreich zu beenden, wandelt sich die Situation allmählich der harten und ernüchternden Realität.
Aber nicht nur die Sorgen und Nöte rund um die Reederei, die Familie Nieland und die "bessere Gesellschaft" sind hier im Fokus. Auch das "Gesinde" und die Menschen auf den Straßen Hamburgs spüren die Veränderung mehr als deutlich und im Verlauf der Kriegsjahre machen u.a. Hunger und Mangel an fast allem das Leben immer schwerer. Die immer größer werdende Unzufriedenheit mit Kaiser und Politik lässt revolutionäre Bewegungen erstarken.
Dazu wird der brutale Alltag auf den Kriegsschiffen und der nackte Kampf ums Überleben sehr anschaulich beschrieben. Dabei geht es meist um Sophies geliebten Bruder Willy!
Als Sophie, ebenfalls kriegsmüde, nicht weiter tatenlos zusehen will geht sie als Krankenschwester auf ein Lazarettschiff. Sie engagiert sich tatsächlich irgendwann dann auch politisch und wird immer selbstbewusster.

Die Beschreibungen der Protagonisten und der Lebensumstände waren sehr realitätsnah.
Auch persönliche Verluste werden nicht ausgespart.
Die historischen Begebenheiten waren sehr gut recherchiert und sind hier bildhaft dargestellt.
100 Jahre nach Kriegsende eine Lektüre, die in manchen Punkten erschreckend aktuell ist!

Veröffentlicht am 13.02.2019

Erschütternd

Die verlorene Schwester
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Im Jahr 1968 stirbt der geliebte Vater der Schwestern Lena und Marie. Die Mutter versinkt in einer, zu der Zeit nicht erkannten Krankheit - "Schwere Depression". 

Das Jugendamt der Stadt Bern sieht die ...


Im Jahr 1968 stirbt der geliebte Vater der Schwestern Lena und Marie. Die Mutter versinkt in einer, zu der Zeit nicht erkannten Krankheit - "Schwere Depression". 

Das Jugendamt der Stadt Bern sieht die Gefahr einer Verwahrlosung der Kinder und bringt die zwei in ein Kinderheim, später in ein von Nonnen geleitetes Erziehungsheim.


Für die zuerst 13 und 11 Jahre alten Mädchen beginnt ein Martyrium sondergleichen.

Für die Gesellschaft sind sie wertlos, Abschaum, sie werden gehänselt, gedemütigt, geschlagen. Selbst von den Nonnen!

Und zu allem Unglück werden die Schwestern dann ohne Vorwarnung getrennt und als Verdingkinder in verschiedenen schweizer Familien untergebracht.

Zuerst sieht es für Marie noch gut aus, ihre Pflegefamilie ist tief gläubig und behandelt sie gut. Doch nach einer vermeintlichen Verfehlung wandelt sich das Bild und verkehrt sich komplett.

Lena ist in einer Art Vorhölle gelandet. Sie muss auf einem Bauernhof Schwerstarbeit leisten, von ihrer Pflegemutter wird sie regelmäßig brutal verprügelt, von deren Sohn mehrfach vergewaltigt.

Für beide scheint es dann aber nach langer Zeit des Elends ein klein wenig Hoffnung zu geben...


2008 entdeckt die junge Anna, dass sie adoptiert wurde. Anscheinend war ihre Mutter ein ehemaliges Verdingkind!

Mit der Hilfe einer engagierten Journalistin versucht sie ihre Mutter zu finden und erfährt nach und nach Einzelheiten aus einem dunklen Teil schweizer Geschichte!


Die Geschichte von Marie, Lena und Anna wird abwechselnd erzählt und nimmt einen fast sofort komplett gefangen.

Beim lesen über den Alltag der Verdingkinder musste ich mehrfach tief Luft holen. Wie konnte so etwas in Europa, Mitte des 20. Jahrhunderts überhaupt möglich sein?

Ich habe so sehr mit Marie und Lena gelitten, dass ich regelrecht dankbar war wenn ein Abschnitt über Annas Suche nach ihrer Mutter kam, und ich etwas durchatmen konnnte.

Aufgrund des Prologes war klar, Lena und Marie haben sich aus den Augen verloren und über 50 Jahre nicht gesehen. 

Ich war mir jedoch sicher, dieses Buch wird sie am Ende zusammenbringen. Auch wenn die Realität in der Regel wohl eine andere war...

Auch zeichnet sich schnell ab, Anna ist die Tochter einer der Schwestern. Nur von welcher?


Die Erzählweise ist sehr intensiv, die Beschreibungen unglaublich bildhaft und empathisch.

Die ganze Geschichte hat mich tief berührt!

Der Gedanke, dass heute in der Schweiz Tausende Verdingkinder mit einer ähnlichen traumatischen Vergangenheit leben (müssen) macht sprachlos und betroffen!

Ich bin sicher, dieses Buch und die Geschichte der Verdingkinder werden mich nicht so schnell loslassen.

Veröffentlicht am 30.10.2018

Ein Buchladen am Savignyplatz

Die Frauen vom Savignyplatz
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Berlin in den 1920er Jahren: Die Eltern der jungen Vicky haben sich ihren zukünftigen Schwiegersohn schon ausgesucht: Den Tuchfabrikanten Jakob Ebert.
Doch die selbstbewusste Tochter verliebt sich in Willy, ...

Berlin in den 1920er Jahren: Die Eltern der jungen Vicky haben sich ihren zukünftigen Schwiegersohn schon ausgesucht: Den Tuchfabrikanten Jakob Ebert.
Doch die selbstbewusste Tochter verliebt sich in Willy, einen armen Studenten auf Fronturlaub. Sie wird von ihm schwanger und die beiden heiraten.
Die Eltern von Vicky machen dem jungen Paar das Leben schwer, aber die beiden scheinen glücklich zu sein.
Als Vicky jedoch zum 5. Mal schwanger wird, eröffnet Willy ihr, dass er sich scheiden lassen will.
Nun ist der Moment gekommen, sich ihren größten Traum zu erfüllen: Sie möchte ihren eigenen Buchladen!
Hilfe erhält sie dabei aber nicht nur von ihrem zukünftigen Ex-Mann, dem sie freundschaftlich verbunden bleibt. Auch der von den Eltern wieder ins Gespräch gebrachte Jakob Ebert scheint noch immer interessiert und ist für Vicky da.
Zusammen mit ihrer Jugendfreundin Lisbeth eröffnet sie dann auch tatsächlich einen Buchladen nur für Frauen!
Aber in der Gesellschaft, das von den immer mehr erstarkenden Nationalsozialisten geprägt wird, ist das Frauenbild ein anderes.
"Kinder, Küche, Kirche" will Vicky aber nicht für sich! Und trotz Gegenwind versucht sie ihre Pläne zu realisieren.

Hier steht tatsächlich keine Liebesgeschichte im Vordergrund, sondern der Alltag einer Frau in der damaligen Zeit.
Die Hintergründe zur Handlung sind extrem gut recherchiert und man kann sich jederzeit perfekt in die Situation hineinversetzen.
Das bezieht sich sowohl auf den ganz normalen Berliner Alltag, als auch auf die historischen Belange und die gesellschaftspolitischen Gepflogenheiten.
Der Schreibstil ist flüssig und man kann sich gut in die unterschiedlichen Personen hineinfühlen.
Die Protagonisten sind realistisch und gut beschrieben. Auch die "Nebenfiguren" sind wichtiger Teil der Handlung.
Ich mochte Vickys junge Vermieterin Mitzi mit ihr frechen Art sehr gern und ihren Bruder Bambi habe ich sofort ins Herz geschlossen!

"Die Frauen am Savignyplatz" ist nicht so, wie ich es aufgrund des Klappentextes erwartet hatte.
Nicht die Emanzipierung einer (einzelnen) geschiedenen Frau stand im Fokus, sondern eher der Kampf um Selbstbestimmung gegen gängige Konventionen im allgemeinen.
Aber das hat mein Lesevergnügen nicht geschmälert. 

Veröffentlicht am 28.06.2018

Lavendelträume

Lavendelträume
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Nach dem Tod von Mutter Barbara entdeckt Julia ein geheimes Schließfach. Darin befindet sich Barbaras Lieblingsparfum und eine Karte mit einer zauberhaften Liebeserklärung auf französisch.
Sie beschließt ...

Nach dem Tod von Mutter Barbara entdeckt Julia ein geheimes Schließfach. Darin befindet sich Barbaras Lieblingsparfum und eine Karte mit einer zauberhaften Liebeserklärung auf französisch.
Sie beschließt nach Südfrankreich zu fahren, den Parfumeur Antoine Lefort zu suchen - und herauszufinden, was diesen mit ihrer Mutter verbindet.
Auch braucht sie etwas Abstand zu ihrem Verlobten Frank. Denn Julia fühlt sich mitschuldig am Unfall der Mutter und Frank sagt ihr für ihr Gefühl zu häufig, sie solle endlich "abschließen".
In dem kleinen Ort Roquefort-les-Pins in der Nähe von Grasse trifft sie aber nur noch Nicolas Lefort, den Sohn von Antoine. Er ist ein bekannter Maler, hat aber lange Zeit ebenfalls als Parfumeur gearbeitet.
Mit Nicolas lernt Julia die Welt der Düfte kennen und lernt dabei viel über die Entwicklung und den spannenden Herstellungsprozess der Parfums.
Und in der traumhaften Landschaft der Provence, und unter den sympathischen Menschen dort, fühlt Julia sich endlich wieder etwas freier und auch verstanden. Denn schließlich hat auch Nicolas gerade einen geliebten Menschen verloren.
Und gemeinsam entdecken die beiden die Verbindung von Barbara und Antoine, die weit in die Vergangenheit zurück reicht und ihrer beider Leben grundlegend verändert!

In "Lavendelträume" schreibt die Autorin so bildhaft, dass man beim lesen schon fast meint den Lavendel zu riechen, den Wind und die Sonne auf der Haut zu spüren, so sehr fühlte ich mich in die berühmte Parfumstadt Grasse "entführt".
Mit hat es auch sehr gefallen (quasi nebenbei und unaufdringlich) sehr viel über Parfum zu erfahren und ich werde jetzt sicher mein eigenes Parfum anders wahrnehmen und außerdem zukünftig mit neuen Gedanken eine Parfümerie betreten.
Die Protagonisten waren durchweg unglaublich sympathisch. Ich habe mich mit Julia sofort identifizieren können und in Nicolas habe ich mich mehr oder weniger schockverliebt.
Aber auch Julias Freundin Maren war einfach süß. Ihre Art macht sie zu einer perfekten Freundin für alle Lebenslagen
Natürlich kommt es zu dem erwarteten Happy-End. Der Weg dahin ist geheimnisvoll, emotional, romantisch und am Ende sogar spannend.
Die Geschichte ist einfach schön, liest sich mit einem Lächeln - und weckt Urlaubgsgefühle!

Veröffentlicht am 30.04.2018

Eine literarische Reise nach Turin

Die Fäden des Glücks
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Carlotta ist die älteste von drei Töchtern der alleinerziehenden Mimi, Gewandmeisterin an der Oper in Turin.

Umgeben von schönen Stoffen aller Art ist es geradezu selbstverständlich für sie Schneiderin ...

Carlotta ist die älteste von drei Töchtern der alleinerziehenden Mimi, Gewandmeisterin an der Oper in Turin.

Umgeben von schönen Stoffen aller Art ist es geradezu selbstverständlich für sie Schneiderin zu werden. 

Carlotta ist etwas molliger als es das vermeintliche Schönheitsideal des 21. Jahrhunderts verlangt. Aber das ist ihr egal. Sie steht selbstbewusst zu ihren Rundungen.

In ihrem Laden Cenerentola (Aschenputtel), den sie mit ihren Schwestern gemeinsam betreibt, schneidert sie Kleider, die ihren Trägerinnen einen ganz besonderen Zauber verleihen.

Vielleicht weil sie kleine individuelle Botschaften, versteckt unter dem Futter, in ihre Werke einstickt....?


Mit 18 erbt Carlotta die Weberei ihres bis dahin unbekannten Vaters und trifft fast zur gleichen Zeit ihren Freund Daniele aus Kindertagen wieder. Fast vergessene Gefühle werden wach...

Danieles Vater Vincenzo möchte Carlotta die Weberei abkaufen und ein Museum daraus machen. Er plant dazu außerdem noch, das Familiengeschäft an Daniele zu übergeben, der die Zentrale nach Mailand verlegen wird.

Ist Daniele der richtige Mann für Carlotta? Will sie ihre Heimatstadt Turin wirklich verlassen und mit ihm nach Mailand gehen?

Was wird aus ihren Träumen die Welt zu bereisen?


Der Roman besticht durch seinen gefühlvollen, fast schon poetischen Schreibstil und die bildhaften und farbenprächtigen Beschreibungen der Stadt Turin. 

Man möchte durch die Strassen und Parks der Stadt streifen, in die Oper gehen, oder in einem der zahlreichen Cafés einen Bicerin trinken - die traditionelle Kaffeespezialität Turins.

Hervorzuheben ist unbedingt eine bemerkenswert detaillierte Recherche in der Welt der Stoffe und der Welt der Oper! Die Schilderungen waren faszinierend!

Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, was den Erzählfluss noch lebendiger macht und einem gleichzeitig die Protagonisten noch näher bringt. 

Die selbstbewusste, liebenswerte Carlotta muss man sofort ins Herz schließen!

Angetan haben es mir aber auch Mimi, ihre eher unkonventionelle Mutter, und ihr langjähriger Verehrer Gino. Und natürlich Pasquale, der Butler des reichen Vincenzo Giordano.

In Vincenzo selber habe ich mich sogar (fast) sofort verliebt!


Gefallen hat mir auch der Epilog, beantwortet er noch offene Fragen (z.B.: "Was wird aus Pasquale" und "Wer ist die Dame im maigrünen Kleid"?)


Ich habe mich beim lesen nach Turin geträumt, denn die Autorin erzeugt mit ihren Worten eine zauberhafte, warmherzige Geschichte, die einen umhüllt wie ein zart gewebter Plaid.