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Veröffentlicht am 15.09.2016

High Fantasy vom Feinsten

Blutrecht
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"Bringst du mich jetzt um? Ich glaubte, ihr Lumpenmäntel würdet so etwas nicht tun, solange es eine andere Möglichkeit gibt", ächzte der Wächter und hielt sich das gebrochene Knie.
"Nein, ich werde dich ...

"Bringst du mich jetzt um? Ich glaubte, ihr Lumpenmäntel würdet so etwas nicht tun, solange es eine andere Möglichkeit gibt", ächzte der Wächter und hielt sich das gebrochene Knie.
"Nein, ich werde dich nicht..."
Eine Rapierspitze bohrte sich in sein rechtes Ohr. Ich riss die Klinge hoch und erkannte erst dann, dass das Mädchen das getan hatte. Sie hatte die nutzlose Pistole weggeworfen, mein zu Boden gefallenes Rapier aufgenommen und es dem Mann in den Kopf gerammt.
Völlig unbewegt zog sie die Klinge wieder heraus, wischte das Blut am Gesicht des Wächters ab und reichte mir das Rapier mit dem Griff zuerst.
"Wir sollten laufen", sagte Aline.
--

INHALT:
Einst wurden sie verehrt und geliebt: Die Greatcoats, die dem Volk im Namen des Königs Gerechtigkeit brachten und die Schwachen beschützten. Aber der König wurde ermordet, und seine Kämpfer haben tatenlos zugesehen - weshalb sie seitdem als Verräter gelten, als Feiglinge, als "Lumpenmäntel". Falcio val Mond jedoch möchte das ändern, will die Greatcoats wieder zu altem Ruhm zurückführen. Seine Mission ist gefährlich und möglicherweise tödlich, aber er weiß, dass er das seinem König und seinen Gefährten schuldig ist...

MEINE MEINUNG:
Sebastien de Castells "Blutrecht" ist High Fantasy vom Feinsten - mit einem männlichen Protagonisten, der aus der Ich-Perspektive und in leicht schnoddriger, aber detailreicher Sprache die blutigen, traurigen, erschreckenden Ereignisse erzählt. Dabei ist der Ton allerdings dennoch leicht, gar immer mal wieder humorvoll, und so wird der Leser so nicht mit der durch die grausamen Begebenheiten oft recht düsteren Grundstimmung erdrückt. Die meiste Zeit spielt der Roman in der Gegenwart der kreierten Welt, zwischenzeitlich wird jedoch auch in die Vergangenheit des Protagonisten geblickt.

Dieser heißt Falcio und ist der Erste Kantor der Greatcoats, derjenige, der zu Zeiten des Königs die Befehle geben durfte. Doch seitdem alles auseinander gebrochen ist, fühlt er sich schuldig und als hätte er bei allem versagt - bei dem König ebenso wie bei einer geliebten Person in der Vergangenheit. Daher ist er umso entschlossener, seine frühere Truppe wieder zu altem Ruhm zu führen. Sein Dickkopf macht ihn sehr sympathisch, und grade seine Fehler und falschen Entscheidungen lassen ihn so menschlich wirken. Und auch die Nebencharaktere können selbst dann überzeugen, wenn sie nicht einmal die Hälfte des Romans vorkommen. Da ist Kest, sein bester Freund und Fechtmeister erster Güte, der jedoch wenig von Gefühlen versteht, oder auch Brasti, ein weiterer Gefährte, der sich locker gibt, aber eine schwelende Wut in sich trägt. Ob es nun alte Bekannte oder neue Freunde und Feinde sind - die Figuren sind derartig gut entwickelt, dass es einem schwer fällt, sich wieder von ihnen zu trennen [und sei es auch nur, weil man sie tot sehen möchte].

Auch das Worldbuilding ist Sebastien de Castell außerordentlich gut gelungen - genau das, was ich von High Fantasy erwarte. Die magischen Aspekte werden hier übrigens äußerst klein gehalten, das Erschaffene ist in seiner Art jedoch so komplex und unterscheidet sich in den Details so fantasievoll von anderem Gelesenen, dass sich Fans des Genres hier sicherlich wohl fühlen werden. Schon nach kurzer Zeit kann man sich aufgrund der bildreichen und authentischen Beschreibungen kaum noch von der Geschichte losreißen. Das bedeutet jedoch auch, dass die grausamen Szenen in Einzelheiten beschrieben werden - die Fechtkämpfe, die Prügeleien und auch die Folterungen. Es ist nicht so blutig, wie man das erwarten könnte, aber manche Szenen erfordern doch durchaus einen gefestigten Magen. Dagegen werden Romantik Suchende hier nicht auf ihre Kosten kommen, denn diese bleibt fast komplett aus, etwas, das sehr erfrischend wirkt.

Faszinierend an dem Roman ist vor allem die Art, wie die vielen Probleme gelöst werden, an die Falcio - zeitweilig auch durch seine eigene Unbedachtheit und Impulsivität, die ihn immer wieder überkommen - gerät. Nicht immer funktioniert alles so, wie er sich das vorstellt, er hat jedoch einige Tricks auf Lager, die nicht nur originell sind, sondern auch immer wieder überraschen; genauso wie sein taktisches Vorgehen, mit dem er auch schwere Gegner besiegen kann. Bis zum Ende bleibt das Ganze so absolut spannend und lässt einen kaum zu Atem kommen, auch wegen der vielen Geheimnisse, von denen nicht viele aufgedeckt werden. Diese Geheimniskrämerei wirkt zwischenzeitlich fast schon übertrieben, sorgt jedoch auch dafür, dass man nach dem Ende schnellstmöglich weiterlesen möchte - und ist daher nur ein kleiner Kritikpunkt.

FAZIT:
Sebastien de Castell hat in "Blutrecht" eine faszinierende Welt geschaffen, die mit den gut ausgearbeiteten Charakteren, der spannenden Geschichte und den vielen Wendungen begeistert. Fans des High Fantasy-Genres sei dieser Roman unbedingt ans Herz gelegt! 5 Punkte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Düstere Geschichte rund um Edgar Allan Poe

Nevermore
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Heiseres Geflüster stieg auf der anderen Seite der Tür hoch. Es hörte sie an wie trockene Blätter, die über einem Feuer knisterten. Zuerst begann es ganz leise. So leise, dass Isobel sich nicht sicher ...

Heiseres Geflüster stieg auf der anderen Seite der Tür hoch. Es hörte sie an wie trockene Blätter, die über einem Feuer knisterten. Zuerst begann es ganz leise. So leise, dass Isobel sich nicht sicher war, was für eine Art Geräusch es war oder ob sie überhaupt etwas gehört hatte. Doch dann wurden die Stimmen deutlicher und zischten durch den Spalt unter der Tür. Irgendetwas lachte. Ein flinker Schatten bewegte sich so rasch und behände wie ein Tier.
Isobel fasste Varen am Arm. "Was ist los?"
Vorsichtig machte er ein paar Schritte nach vorne und stellte sich schützend vor sie. "Sie haben uns gefunden."
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INHALT:
Isobel ist eine beliebte Cheerleaderin mit einem gutaussehenden Freund und einer großen Clique. Als sie bei einem Schulprojekt dem Außenseiter und Goth Varen zugewiesen wird, ist sie danatürlich nicht sonderlich erfreut. Doch wider Erwarten verstehen sich die beiden gut, so gut, dass Isobel beginnt, Gefühle für ihn zu entwickeln. Aber Varen hat ein dunkles Geheimnis voller Abgründe und Dämonen und Isobel wird immer weiter darin verstrickt. Schatten manifestieren sich und sie ist sich nicht mehr sicher, wem sie eigentlich trauen kann. Schließlich ist sie die Einzige, die Varen noch retten kann - aber wie?

MEINE MEINUNG:
Der Einstieg in Kelly Creaghs Fantasyroman "Nevermore", dem ersten Teil einer Trilogie, gestaltet sich relativ typisch für ein solches Buch: Die beliebte, blonde Protagonistin wird einem Außenseiter für ein Projekt zugeteilt und stellt fest, dass dieser viel liebenswerter ist als gedacht. Nach kurzer Zeit allerdings wird schon klar, dass sich das Buch dennoch absolut abhebt - denn hier geht es weitaus düsterer zu als man es möglicherweise gewohnt ist. Auch der Schreibstil ist anders, voller wunderschöner, detailverliebter, aber keineswegs ermüdender, Beschreibungen erschafft die Autorin eine ganz eigene und faszinierende Welt, die völlig in den Bann zieht.

Isobel ist zwar eigentlich die stereotype, gutaussehende und beliebte Hauptperson, ihr Charakter jedoch ist da ganz anders. Von Anfang an ist sie absolut sympathisch, liebenswürdig und mutig. Eingangs sträubt sie sich noch dagegen, dass sie Varen so viel mehr mag als ursprünglich angenommen, dies wird aber nicht zu einem ewigen Monolog ausgebaut. Außerdem ist sie in der Tat clever, wenn sie auch beinahe nie auf das hört, was andere ihr sagen. Varen ist komplett untypisch: Weder der perfekte Sunnyboy, noch auf irgendeine konventionelle Art der Herzallerliebste. Stattdessen trägt er schwarz, hat ein Lippenpiercing und ist schweigsam. Doch trotzdem hat er eine Ausstrahlung und eine Art, die weibliche Leser - mich eingeschlossen - ungewollt zum Quietschen bringt.

Aber auch die Nebencharaktere lassen absolut nicht zu wünschen übrig. Im Laufe der Handlung freundet sich Isobel mit ihrer Spindnachbarin Gwen an, einem freundlichen, hilsbereiten und witzigen Mädchen, das es sich nicht nehmen lässt, sich des Öfteren mal in allerlei Dinge einzumischen. AuchIsobels Exfreund, der zwar rau ist und sich Varen gegenüber unmöglich verhält, überzeugt dadurch, dass trotzdem klar wird, dass er Isobel liebt und all dies nur aus diesem Grund tut. Jede der Figuren wurde mit festen Strichen gezeichnet und besitzt einen entsprechenden Platz im Buch, weshalb keine auch nur ansatzweise überflüssig oder eindimensional wirkt.

Die Geschichte selbst ist so ganz anders als man es von Fantasy-Jugendbüchern gewohnt ist und kann damit von Anfang an in den Bann ziehen. Zwar muss sich Isobel anfangs von ihren Vorurteilen und Freunden, die keine Freunde sind, lösen, doch danach überschlagen sich die Ereignisse. Sie lernt Varen kennen und seine Lebensumstände, erfährt, dass er eine Vorliebe für Poe und dessen Texte hegt sowie daran glaubt, dass ein Poltergeist in dem alten Buchladen haust, den die beiden aufsuchen. Dabei ist die Atmosphäre wunderbar geheimnisvoll, dicht und auch ein wenig gruselig, während immer wieder die Gedichte und Geschichten des alten Schriftstellers sowie sein Leben in die Handlung eingebunden werden. Vorwissen ist hier nicht nötig - es wird alles perfekt erklärt, sodass zu keiner Zeit Fragen aufkommen.

Die Liebesgeschichte entwickelt sich langsam, aber stetig, und die kribbelnden Gefühle von Isobel für Varen reißen den Leser komplett mit. Hier wird es nicht schnulzig oder gar kitschig und auf ein Liebesgeständnis muss lange gewartet werden - doch genau das ist es, was das Ganze so besonders macht. Aber auch die Story schreitet mit steigender Seitenzahl immer weiter voran, wird spannender, atemberaubender und bewegt sich kontinuierlich auf einem hohen Level der Schreibfähigkeit. Geschickt versteht es Kelly Creagh, einige Fragen zu beantworten und wieder neue aufzuwerfen, während sie Poes Welt und die Realität miteinander verbindet. Dies endet in einem überraschenden und schockierenden Ende, das nicht direkt ein Cliffhanger ist, aber den Leser so mitnimmt, dass das Warten auf Band 2 wie eine lange, lange Qual erscheint. Her mit dem im August diesen Jahres erschienenen "Enshadowed", denn ich kann es kaum noch erwarten!

FAZIT:
"Nevermore" hat wunderbare Charaktere, einen tollen Plot und ist wahnsinnig spannend - so spannend, dass ich den ganzen Wälzer an einem Tag gelesen habe. Von diesem wunderbaren Buch ist das Losreißen fast unmöglich! 5 Punkte, meine uneingeschränkte Empfehlung und ganz sicher eines der Highlights dieses Jahres!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Unrühmlicher Abschluss

Der Preis der Ewigkeit
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Meine Mutter zögerte, dann nahm sie mich beim Arm und führte mich zur Tür. "Ich will dich nicht beunruhigen, aber..."
"Aber was?" In mir krampfte sich alles zusammen. War das Schlimmste passiert? Waren ...

Meine Mutter zögerte, dann nahm sie mich beim Arm und führte mich zur Tür. "Ich will dich nicht beunruhigen, aber..."
"Aber was?" In mir krampfte sich alles zusammen. War das Schlimmste passiert? Waren Henry oder Milo tot? "Mom - aber was?"
Ihre Augen flackerten und sie senkte die Lider. "Es ist Kronos", gestand sie heiser. "Er hat uns den Krieg erklärt."
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INHALT:
9 Monate hat Kate in der Gefangenschaft von Kronos, dem gefährlichen Titanen, zugebracht. 9 Monate hat sie die Qualen durch ihre Erzfeindin durchgestanden - und das schwanger von Henry, ihrem Ehemann und dem Gott der Unterwelt. Dieser hat jedoch keine Ahnung, wo sie sich befindet und kann sie daher nicht retten. Der Titan hat derweil mit der Zerstörung der Erde begonnen. Kate sieht bereits das Ende ihres Lebens und das ihres Kindes vor sich - bis Kronos ihr einen Handel vorschlägt: Er verschont sie, ihr Kind und die Menschen, wenn sie sich im anschließt. Dafür müssen jedoch die Götter sterben. Wofür soll sie sich entscheiden? Für die gesamte Welt oder für ihre Familie?

MEINE MEINUNG:
Aimee Carters Trilogie um Kate und ihre Schwierigkeiten in der Welt der Götter findet mit "Der Preis der Ewigkeit" nun ihren Abschluss. Während ich Band 1 anfangs noch gut fand, ließ meine Begeisterung nach, sobald ich mich wenigstens ansatzweise mit der griechischen Mythologie beschäftigte - denn diese wird in den Romanen nur als Rahmen genutzt, der die Geschichte zusammenhält, und um die Fantasy-Aspekte einbauen zu können. Ansonsten haben die Götter äußerst wenig Sinn und Zweck, was üZeit ber die gesamte nicht an Lächerlichkeit verliert, wenn man bedenkt, dass Zeus, Hades etc als Charaktere fungieren und sich doch so gar nicht ihren Rollen entsprechend verhalten.

Kate ist noch immer das naive und dümmliche kleine Mädchen aus den beiden vorherigen Bänden. Immer und immer wieder wird ihr gesagt, sie solle sich heraushalten, solle aufhören mit ihrem Märtyrer-Komplex und sich nicht dauernd in Gefahr begeben - und wie immer tut sie genau das Gegenteil. Sicherlich ist es kein schönes Gefühl, nutzlos zu sein, aber hätte sie nur einmal auf andere gehört, wären viele Probleme gar nicht erst entstanden. Die übrigen Figuren bleiben ansonsten auch hauptsächlich in ihren festen Rollen: Henry als ach so sanfter und fast schon unerträglich liebevoller Beschützer, der sich einmal mehr für Kates Dummheiten opfert; ihr Freund James als Lichtblick und witziger Zeitgefährte; ihre Mutter als diejenige, die sich immer wieder herumschubsen lässt, obwohl sie verdamm-mich-noch-eins Demeter ist! Immerhin werden einige kleinere Geheimnisse um ein paar Figuren gelüftet - und Kronos verhält sich als einziger, gemeinsam mit Calliope so, wie man das von einem Gott - oder Titan - erwarten würde.

Denn genau da liegt das Problem der Bücher: Aimee Carter hat das mit der Mythologie einfach nicht auf die Reihe bekommen. Die Götter sind nicht gierig, auf ihren eigenen Vorteil bedacht und pausenlos lüstern, nein, sie haben menschliche Namen angenommen und entschuldigen sich die ganze Zeit für ihre Missetaten. Ich weiß bis jetzt nicht, wer eigentlich welcher Gott sein sollte, weil dies völlig unersichtlich war, und allgemein wirkt es doch reichlich komisch, wenn all diese herrschaftlichen Wesen um Kate herumscharwenzeln, wenn sie sich in den alten Sagen doch grundsätzlich einfach nahmen, was sie wollten - ob es nun die eigenen Kinder oder Verwandten waren oder nicht. Abgesehen davon begreift Protagonistin Kate selbst auch einfach partout nicht, was Götter ausmacht. Sie bezeichnet viele dieser in wechselnder Reihenfolge als Arschlöcher, giftet Persephone dafür an, während ihrer Gefangenschaft [!] bei Henry Affären gehabt zu haben und ist andauernd beleidigt. Das zerrt auf die Dauer an den Nerven.

Eines jedoch muss man dem Buch zugute halten: Es ist spannend und es ist unterhaltsam. Insbesondere Fans von viel Herzschmerz werden hier wieder auf ihre Kosten kommen, denn wie immer ist es ein einziges Hin und Her zwischen allen Charakteren, die etwas füreinander empfinden. Immerhin trifft die Autorin zum Ende hin eine recht mutige Entscheidung und entschädigt so für einige lächerliche Kompromisse zuvor - über das kitschige Ende kann dies aber nicht hinwegtäuschen. Das Ganze ist die gesamte Zeit über recht pathetisch und manchmal sogar schwülstig, zum Schluss nimmt das aber noch einmal eine Ecke zu - man muss es mögen. ich scheine mich über den Zeitraum des Erscheinens der drei Bücher enorm davon weg bewegt zu haben, sodass es jetzt gar nicht mehr meins ist. Für jeden gelten muss das aber nicht.

FAZIT:
"Der Preis der Ewigkeit" ist der dritte Band der "Goddess"-Reihe von Aimee Carter und kann leider nicht das retten, was die Vorgänger versaut haben. Die griechische Mythologie ist noch immer ein Witz, denn die Götter verhalten sich absolut widersprüchlich. Zudem kommt Hauptfigur Kate mal wieder überhaupt nicht auf den grünen Zweig und versteht die offensichtlichsten Dinge nicht - ein No-Go für mich. Wer die anderen beiden Teile mochte, wird auch hier wahrscheinlich seinen Spaß haben. Ich bin so ganz froh, dass es vorbei ist. 2,5 Punkte, hier abgerundet auf 2.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Rae Carson in Höchstform

Die Feuerkrone
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Licht bricht sich auf einer stählernen Schneide, und ich reiße das Banner gegen das hässliche Glänzen hoch.
Etwas stößt gegen die Seide, gleitet ab, prallt gegen meinen Unterarm. Meine Haut teilt sich, ...

Licht bricht sich auf einer stählernen Schneide, und ich reiße das Banner gegen das hässliche Glänzen hoch.
Etwas stößt gegen die Seide, gleitet ab, prallt gegen meinen Unterarm. Meine Haut teilt sich, Schmerz fährt mir bis hinauf in die Schulter.
Ich lasse das Banner fallen, husche kriechend wie ein Krebs zurück, aber ich stoße gegen einen Sockel. Die Klinge stößt wieder zu.
Ich schreie, als sie von meinem Feuerstein abgleitet und in meinen Bauch fährt, als wäre ich aus Butter.
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INHALT:
Nachdem der Krieg gegen die Inviernos knapp gewonnen wurde, ist die junge Elisa, Trägerin des mächtigen Feuersteins, Königin und muss über ein ganzes Land herrschen. Doch immer wieder kommt es zu Aufständen und Angriffen auf ihr Leben - und es ist klar, dass die Inviernos noch lange nicht aufgegeben haben. Elisa muss sich erneut zum Kampf bereit machen. An ihrer Seite ist dabei immer ihr Leibwächter Hector, für den sie bald mehr als freundschaftliche Gefühle hegt. Doch ihrer beider Leben sind in höchster Gefahr...

MEINE MEINUNG:
"Der Feuerstein" ist der 2. Band der "Girl of Fire and Thorns"-Reihe von Rae Carson und schließt ein paar Monate nach den Geschehnissen des Vorgängers an. Viel davon wird nicht erklärt, weswegen es gut ist, sein Gedächtnis durch Zusammenfassungen noch einmal aufzufrischen - letztendlich ist es aber nicht allzu schlimm, nicht mehr den genauen Inhalt zu kennen, denn spätestens nach 50 Seiten ist man hier trotzdem total gefesselt. Der Schreibstil ist gewohnt eindringlich und schnörkellos schön und durch die Ich-Perspektive und das Präsens hat man das Gefühl, vollkommen dabei zu sein.

Elisa hat sich im letzten Teil langsam, aber stetig von einem wenig selbstbewussten, dicken und schwachen Mädchen in eine starke Heldin gewandelt. Anders, als es zum Ende hin rüber kam ist sie übrigens noch immer nicht perfekt - sie hat zwar Gewicht verloren, ist aber noch lange nicht schlank und schön. Das ermöglicht es einem als Leser sehr gut, sich weiterhin in sie hineinzuversetzen. Außerdem ist ihre Intelligenz ein wunderbarer Gegensatz zu den dümmlichen Protagonisten vieler anderer Jugendromane. Ebenso gefällt auch Hector selbst. Er ist ganz anders als Humberto, und überzeugt durch sein Pflichtbewusstsein, aber auch seinen liebevollen Umgang mit anderen Figuren. Und auch die Nebencharaktere sind erneut grandios gezeichnet, wissen immer wieder zu überraschen und lösen im Leser alle etwas aus - ob es nun Zuneigung ist, Hass, oder etwas dazwischen.

Nachdem Band 1 anfangs einige Zeit brauchte, um richtig loszulegen, dauert es hier nicht lange, bis sich Elisa einmal wieder in großer Gefahr befindet. Und diese kommt von allen Seiten: aus den engsten Kreisen, aus dem Volk und nicht zuletzt auch aus den Reihen der vielen Feinde des Landes. Die Spannung baut kaum jemals ab, und wenn doch, wird sie kurz darauf gleich wieder hoch getrieben. Elisa lernt langsam endlich, mit den Kräften ihres Feuersteins umzugehen, ebenso zeigt sich aber auch ihre Qualitäten als Königin. Man merkt, dass die Autorin sich nicht nur in den phantastischen Gebieten auskennt, sondern auch in denen des höfischen Geplänkels und der Intrigen. Wie im Vorgänger muss man sich aber auch hier im Klaren sein, dass die gesamte Bevölkerung im Buch einen starken Glauben an Gott besitzt und Elisas Kräfte beispielsweise ebenfalls von diesem herrühren - es wird also recht viel gebetet. Ich als Atheistin fand dies zwar zeitweilig befremdlich, aber nie wirklich störend, denn es gehört einfach zur Kultur.

Das High Fantasy-Setting wird in diesem Teil noch weiter ausgebaut, und überzeugt auf ganzer Linie. Zwar ist das Ganze nicht wirklich komplex, fasziniert aber insbesondere während der obligatorischen Reise durch die Details und Ideen. Und auch die Liebesgeschichte wurde wunderschön umgesetzt: Nicht nur entwickeln sich die Gefühle langsam und stetig, auch wirken sie glaubwürdig, da die beiden einander so sehr brauchen. Die Romantik übertritt nie ein gewisses Level, wodurch die Story immer im Vordergrund steht, dennoch kommt es zu einigen sehr niedlichen Momenten. Bis zum Ende bleibt der Roman auch sonst authentisch, fesselnd und originell - und der Schluss lässt dann sowieso keine andere Wahl, als den letzten Band zu lesen und sich bis dahin schon einmal alle möglichen Szenarien im Kopf auszumalen.

FAZIT:
Wo "Der Feuerstein" noch an einigen kleineren Stellen etwas unausgereift wirkte, läuft "Die Feuerkrone" nun zu absoluter Höchstform auf. Der High Fantasy-Roman ist spannend, ideenreich, mitreißend und wunderbar romantisch. Geniale Charaktere führen zu einem Leseerlebnis der besonderen Art. Band 3 ist bereits letztes Jahr im Englischen erschienen - ich hege also die Hoffnung, dass auch dieser schnellstmöglich übersetzt wird. Totale Leseempfehlung und 5 Punkte von mir!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Rätselhaft, anders, oft genial

Am Anfang war das Ende
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Als der Jeep mit quietschenden Reifen anhält und die Staubwolke hinter ihm über die Steppe davonwirbelt, rufe ich dem Ganser zu: "Fang mich auf!" Dann stürze ich mich von der Plattform.
Im selben Augenblick ...

Als der Jeep mit quietschenden Reifen anhält und die Staubwolke hinter ihm über die Steppe davonwirbelt, rufe ich dem Ganser zu: "Fang mich auf!" Dann stürze ich mich von der Plattform.
Im selben Augenblick sehe ich, dass er im Jeep sitzen bleibt. Verflixt, denke ich, ich hab's schon immer zu eilig gehabt. Im letzten Moment breite ich die Arme aus und merke zu meiner großen Erleichterung, dass sie tragen. Ich segle einmal um den Jeep und lande ziemlich elegant auf der Motorhaube.
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INHALT:
Erst herrscht eine unendliche Hitze, die alles verbrennt. Dann geht ein Regen nieder, der einer wahren Sintflut gleicht. Und plötzlich ist nichts mehr, wie es war. Die vier Jugendlichen Dinah, Judit, Gabriel und David werden vom Wasser mitgerissen und treiben lange Zeit auf einem Floß, bis sie schließlich an ein Ufer gelangen. Doch die Welt, die sie vorfinden, gleicht einer Wüste, alles ist zerstört und tot. Und sie haben keine Ahnung, wie sie überleben sollen...

MEINE MEINUNG:
Stefan Castas "Am Anfang war das Ende" ist im Original bereits 2010 erschienen und wirkt von der Beschreibung her wie ein Endzeitroman, in dem das Klima verrückt spielt und die gesamte Erde zerstört. Tatsächlich äußern die Charaktere diese Gedanken auch einmal - aber alles stellt sich als ganz anders heraus als es scheint. Der Schreibstil ist sehr umgangssprachlich und jugendlich gehalten, was insbesondere anfangs eine kleine Herausforderung ist. Je weiter die Geschichte voran schreitet, desto mehr gewöhnt man sich jedoch daran und nimmt ihn zuletzt gar nicht mehr wirklich wahr.

Ich-Erzählerin und damit wohl auch Protagonistin ist Judit. Diese zeichnet sich besonders durch ihre Führungsqualitäten aus - während ihre Freundin Dinah anfangs noch den Ton angibt, als alles normal ist, setzt sich Judit nach dem, wie es scheint, Ende der Welt durch. Ihr gelingt es, schnell Verbindungen sowohl zu Menschen als auch zu Tieren aufzubauen, wodurch sie immer wieder Verbündete findet. David wird anfangs als sehr aufbrausend beschrieben, dieser Wesenszug kommt jedoch danach nur noch selten vor - an dieser Stelle wirkte die Figur etwas unfertig. Gabriel ist die gesamte Zeit über der ruhige und vernünftige und somit etwas wie ein Fels in der Brandung, der die Gruppe auch bei Streit zusammenhält; Dinah hingegen setzt sich immer wieder ab, zieht sich in sich zurück und wird einem nie so recht nah. Alle Charaktere, auch später hinzukommende, sind fast ausnahmslos authentisch gestaltet und handeln überwiegend sehr glaubwürdig.

Zu Beginn des Romans - nach dem Prolog jedenfalls, den ich hier nicht vorweg nehmen möchte - wirkt alles ziemlich genau so, wie man sich das vorgestellt hat: Judit führt den Leser in ihre, zugegeben etwas andere, Welt ein, und zeigt ihm ebenso die momentanen Wetterbedingungen auf. Auch der sintflutartige Regen entspricht noch den Erwartungen. Doch sobald die Jugendlichen stranden und sich nach und nach an Land wagen, um den Ort zu erkunden, wird es seltsam. Sehr seltsam sogar. Ein einsames Landhaus, tote und doch nicht so tote Menschen, Müllberge, Ruinen. Immer wieder hören die vier seltsame Geräusche, machen schreckliche Entdeckungen, finden aber auch Verbündete, etwa in dem Schwein Tüchtig. Spannend ist es auf diese Weise durchgehend, während man sich gleichzeitig fragt, worauf genau der Autor denn nun hinaus will.

Eines muss einem vor dem Lesen klar sein: Der Roman verwirrt. Er wirft viele, viele Fragen auf; Fragen, die wichtig sind, die interessant sind, die zum Nachdenken anregen. Aber nicht auf alles wird eine Antwort gefunden. Bei manchem bleiben nur die Spekulationen. Und selbst die Auflösungen ergeben nicht immer Sinn, dafür sind die Erkenntnisse und Enthüllungen zu abstrakt. Wer aber genau so etwas mag, etwas mit einer so abwegige Denkweise und so genialen Ideen anfangen kann, der ist mit diesem Buch gut beraten. Mir jedenfalls hat es gefallen. Und wenn nun noch Teil 2 der Reihe, der 2012 bereits auf Schwedisch erschienen ist, auch auf Deutsch übersetzt wird, dann finden unruhige Leser vielleicht auch auf die letzten Rätsel Antworten.

FAZIT:
"Am Anfang war das Ende" von Stefan Casta spaltet die Welt der Leser, so viel ist klar. Das gesamte Szenario ist verwirrend und stellenweise konfus, rätselhaft und gruselig. Ebenso aber auch spannend und oftmals schlichtweg genial. Es ist abstrakt und es wird definitiv nicht jedem gefallen. Wer seine Schwierigkeiten mit solchen Konstrukten hat, sollte die Finger davon lassen. Allen anderen empfehle ich einen Blick - der Versuch ist es wert. 4,5 Punkte von mir!