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Veröffentlicht am 12.01.2022

Eine alte Dame auf den Spuren der Vergangenheit und der Suche nach ihrem Bruder

Auf den Flügeln der Zeit
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Köln im April 2019: Es ist eine sehr ungewöhnliche Situation, als zwei ältere Damen an Delias Tür klingeln und bitten, einen Blick in ihre Wohnung werfen zu dürfen. Nach anfänglicher Skepsis lässt Delia ...

Köln im April 2019: Es ist eine sehr ungewöhnliche Situation, als zwei ältere Damen an Delias Tür klingeln und bitten, einen Blick in ihre Wohnung werfen zu dürfen. Nach anfänglicher Skepsis lässt Delia sie ein und erfährt, dass es sich um die achtzigjährige Rosmarie handelt, die mit ihrer Tochter nach Deutschland gekommen ist und nach Spuren aus der Vergangenheit sucht. Damals, in Kriegszeiten und kurz danach, lebte Rosmarie mit ihrer Familie genau in dieser Wohnung. Diese erste Begegnung zwischen Delia und Rosmarie ist der Beginn einer ganz besonderen Freundschaft. Delia erfährt, dass Rosmarie kurz nach dem Krieg, zusammen mit ihren Zwillingsbruder Gerd, im Rahmen der Operation Shamrock, nach Irland gebracht wurde, eine Aktion der Nächstenliebe, um notleidenden Kindern im Nachkriegsdeutschland zu helfen. Die Zwillinge wurden getrennt, und Rosmarie verbrachte ihr weiteres Leben auf der grünen Insel, während ihr Bruder nach einigen Jahren wieder nach Deutschland zurückkehrte, dann aber spurlos verschwand.

Delia fliegt zusammen mit Rosmarie nach Irland zurück und setzt alles daran, der alten Dame zu helfen, denn für Rosie ist es ein dringendes Bedürfnis, zu erfahren, was aus ihrem Bruder geworden ist und ob er überhaupt noch lebt.

Die hauptsächliche Erzählung spielt in der Gegenwart, und wir begleiten Rosmarie und Delia bei ihren Nachforschungen. In Hazelbrook House, wo Rosmarie lebt, lernt Delia auch deren Enkel kennen. Mit Deirdre versteht sie sich auf Anhieb, und auch Brendan ist ihr sehr sympathisch. In ihm verbindet sie eine Art Seelenverwandtschaft. Allerdings geschehen dann auch Dinge, die Delia zweifeln lassen, ob es nicht besser wäre, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Erst als Rosmarie sich erinnert, wo sie als Kind Halt und Trost gefunden hat und beschließt, die Suche und ihre Geschichte in Gottes Hand zu legen, gerät alles in die richtige Bahn.

Rückblicke in die Vergangenheit erzählen von Rosmaries Kindheit und davon, wie es ihr allein in der Fremde ergangen ist. Auch die Gründe, wieso sich ihr Bruder nie mehr bei ihr gemeldet hat, werden nach und nach klar. Neben dieser fesselnden und berührenden Familiengeschichte erfährt man viel über die damalige Zeit, kurz nach dem Krieg, als die Menschen in Deutschland froren und Hunger litten. Ich hatte vorher noch nie von der Operation Shamrock gehört, finde es aber toll, was die Menschen in Irland damals für die Kinder getan haben.

Mich hat dieser Roman nachhaltig beeindruckt. Man erfährt von berührenden Schicksalen und erhält eindrucksvolle Schilderungen der irischen Landschaft. Auch eine Romanze findet in diesem schönen Roman Platz, und obwohl sie eher eine untergeordnete Rolle spielt, so rundet sie die Geschichte doch wunderbar ab. Für mich war dieser Roman ein Jahreshighlight 2021.

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Veröffentlicht am 08.01.2022

Ein fabelhaftes Märchen für Erwachsene

Ein Weihnachtsgeschenk für Walter
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Walter ist eine ganz besondere Ratte, nämlich eine Leseratte. Er trägt sehr menschliche Züge, was sein Benehmen, seine Gewohnheiten und Ansichten angeht und wohnt im Haus einer Schriftstellerin, die Kinderbücher ...

Walter ist eine ganz besondere Ratte, nämlich eine Leseratte. Er trägt sehr menschliche Züge, was sein Benehmen, seine Gewohnheiten und Ansichten angeht und wohnt im Haus einer Schriftstellerin, die Kinderbücher schreibt. Miss Pomeroy hat eine wunderschöne alte und umfangreiche Bibliothek, wo Walter sich gerne aufhält und sich so manches Buch „ausleiht“. Als er die Buchreihe entdeckt, die Miss Pomeroy geschrieben hat, ist er enttäuscht, denn die Helden der Geschichten sind allesamt Mäuse. Walter beschließt, an die alte etwas kauzige Dame zu schreiben, und es entspinnt sich eine angeregte Konversation, bei der sich die Schreibenden annähern.
Die Geschichte endet am ersten Weihnachtstag mit einer großartigen Überraschung für den liebenswerten Walter und ist zugleich der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.


Dieses hübsche Büchlein ist bei den Kinderbüchern für das Lesealter 7 bis 9 Jahre gelistet. Ich sehe es jedoch eher als ein fabelhaftes Märchen für Erwachsene. Zwar ist die geradlinige Sprache durchaus für Kinder geeignet, aber andererseits geht es in der Geschichte um reale Werke der englischsprachigen Literatur, von denen die meisten für Kinder eher unbekannt sind. Ich selbst hatte großes Vergnügen beim Lesen dieses schönen Büchleins, das so viele kleine Details, Metaphern und hintergründige Informationen enthält, die man oft gar nicht auf Anhieb erkennt, sondern erst beim erneuten Lesen darauf stößst. Auch die Illustrationen von Donna Diamond sind ganz zauberhaft.
Es ist eine wundervolle Geschichte, die von Toleranz, gegenseitigem Respekt, Rücksichtnahme, von der Liebe zu Büchern und von wahrer Freundschaft erzählt.

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Veröffentlicht am 08.01.2022

Temporeicher historischer Debütroman

Das Mündel des Apothekers
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Der Autor erzählt hier die Geschichte einer starken jungen Frau während der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Katharina wächst in Nördlingen als Mündel des Apothekers Riesinger auf. Schon sehr jung wird ...

Der Autor erzählt hier die Geschichte einer starken jungen Frau während der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Katharina wächst in Nördlingen als Mündel des Apothekers Riesinger auf. Schon sehr jung wird sie in eine arrangierte Ehe mit dem unsympathischen Kaufmannssohn Wilhelm Hofmeister gedrängt. Dabei wollte sie unbedingt Ärztin werden. Der plötzliche gewaltsame Tod ihres Stiefvaters lässt nicht nur diesen Traum zerplatzen, sondern er bringt Katharina in schwere Bedrängnis, denn als Frau kann sie Riesingers Erbe nicht antreten. Ihr ungeliebter Gatte ist im Krieg, und sie hat lediglich zwölf Wochen Zeit, ihn zu finden, sonst fällt das Erbe an die Stadt. Hilfe erhält sie von ihrem Jugendfreund, dem Zimmermann Simon Mühlbichler. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg nach Augsburg, denn dort hofft Katharina, etwas über den Verbleib ihres Gatten zu erfahren. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, und es lauern ungeahnte Gefahren auf dem Weg.

Dieser historische Roman weist zahlreiche kriminalistische Elemente auf und entwickelt sich sehr spannend. Die Charaktere sind farbig und sehr lebendig dargestellt, und Katharina muss immer wieder erfahren, dass vieles nicht so ist wie es anfangs erscheint, und immer wieder wird sie von Menschen in ihrem Umfeld enttäuscht. Wie sie sich beherzt durchs Leben schlägt und nicht unterkriegen lässt, liest sich kurzweilig und fesselnd. Man merkt dem Roman an, dass sich der Autor ausgiebig mit Geschichte befasst hat, auch wenn es für mich ein paar Ungereimtheiten gab. Manchmal empfand ich die Ausdrucksweise der Protagonisten doch als etwas zu modern, auch wenn Katharina eine Frau ist, die sich nicht einschränken lassen möchte und gerne tut was sie für richtig hält. Da wird aber beispielsweise im Lauf der Handlung geschildert, dass die Hebamme einen Bachblütentee zubereitet hat. Hier muss ich leider sagen, dass die Bachblüten erst Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt wurden.

Im Handlungsverlauf gibt es einige Zeitsprünge mit rasanten Übergängen, die mich immer ein wenig aus dem Lesefluss gebracht haben, denn ich war noch von einer Szene gefangen, und im nächsten Moment gab es einen spontanen Zeit- und Ortswechsel. So hatte ich nicht nur einmal das Gefühl, dass mich die Geschichte mit ihrem Tempo überholt. Zwischen manchen Ereignisse scheinen im Roman nur wenige Tage zu liegen, wenn man es sich aber genauer überlegt müssen die Zeitabstände viel größer sein. Das wurde nicht immer klar formuliert. Einige Situationen erscheinen anfangs dubios, aber man erfährt ziemlich am Ende die Auflösung dazu, so dass man den Bogen zielgenau zurück spannen kann. Andere Erklärungen wiederum waren für mich nicht so ganz schlüssig.

Wenn ich es richtig verstanden habe, ist dies der Debütroman des Autors, und er ist, trotz der genannten kleinen Kritikpunkte, gut gelungen und unterhaltsam.

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Veröffentlicht am 08.01.2022

Neuauflage des Romans "Die Gottessucherin"

Die Götter der Dona Gracia
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Erzählt wird die Geschichte der Jüdin Gracia Mendes Nasi, die von 1510 bis 1569 wirklich gelebt hat. Gracia wird als energische Frau beschrieben, die einen steinigen Weg zu gehen hat. Ihr Mann, mit dem ...

Erzählt wird die Geschichte der Jüdin Gracia Mendes Nasi, die von 1510 bis 1569 wirklich gelebt hat. Gracia wird als energische Frau beschrieben, die einen steinigen Weg zu gehen hat. Ihr Mann, mit dem sie gegen ihren Willen verheiratet wird, in dem sie aber später ihre große Liebe findet, stirbt viel zu früh, und Gracia ist auf sich allein gestellt. Ihr Lebensweg und ihre Verdienste um viele Juden, denen sie während der Inquisition zur Flucht verhilft, werden sehr ausführlich und detailreich geschildert. Oft erscheint Gracia als harte Frau, die nicht nur anderen gegenüber, sondern auch zu sich selbst unerbittlich sein kann. Inwieweit das hier gezeichnete Bild der realen Gracia entspricht, kann man nur erahnen, aber ich denke, der Autor hat hier sehr gründlich recherchiert, worauf schon die Detailgenauigkeit des ganzen Romans hinweist. Gracias Handlungen konnte ich nicht immer nachvollziehen, und oft erschien sie mir allzu selbstgerecht, aber sie lebte in einer völlig anderen Welt als wir sie heute kennen, und sie musste sich in vielen Bereichen behaupten, was vermutlich zu einer gewissen Härte in ihrem Wesen führte.

Es ist ein umfangreicher historischer Roman, der ab und zu kleine Längen aufweist, aber insgesamt sehr lesenswert ist.

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Veröffentlicht am 08.01.2022

Reiseführer für Gourmets oder doch ein Krimi?

Blutroter Wein
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Als der Privatdetektiv Tiberio Tanner auf einer gekauften Flasche Wein einen Hinweis entdeckt, er hätte mit dem Erwerb des Weins einen Rebstock gewonnen, macht er sich am nächsten Tag auf, den Gewinn einzulösen. ...

Als der Privatdetektiv Tiberio Tanner auf einer gekauften Flasche Wein einen Hinweis entdeckt, er hätte mit dem Erwerb des Weins einen Rebstock gewonnen, macht er sich am nächsten Tag auf, den Gewinn einzulösen. Direkt bei seinem Rebstock findet er die Leiche eines jungen Mannes. Schon ist Tiberio mitten in den Ermittlungen, und es bleibt nicht bei dieser einen Leiche. Dabei ist Tiberio Tanner eher der gemütliche Typ, der alles ein wenig langsam angehen lässt und lieber die kulinarischen Vorzüge Südtirols genießt. Aber dieser Fall bringt ihn in so manche ungemütliche Situation, die auch schon mal zum Lachen reizt.

Der Kriminalfall entwickelt sich recht verzwickt, und ich muss gestehen, dass ich so manches am Tathergang und an den Gründen dafür nicht immer nachvollziehen konnte, zumindest bei einer der Leichen war dies so. Die Geschichte ist einerseits vielschichtig, aber dann liest sich dieser Krimi wieder wie eine Mischung aus Weinkundebuch und Südtirol-Reiseführer und wird damit dem Ernst der Lage nicht wirklich gerecht, denn eigentlich ist das, was sich da abspielt, sowohl auf der Täter- wie auch auf der Opferseite, ziemlich tragisch. Das Buch hat mir einiges an Kurzweil bereitet, und die Beschreibungen der Landschaft und auch der Weine, die Tanner genießt, sind wirklich verlockend und ausgiebig, aber so ganz glücklich wurde ich nicht damit, weil es in der Geschichte ständig zwischen tragischen Situationen und Genießer-Modus hin und her ging, und das waren mir der Wechselbäder doch ein paar zu viel.

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