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Veröffentlicht am 12.01.2019

Luja sog i!

Das Ludwig Thoma Komplott
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Das ist bereits Hauptkommissar Tom Perlingers zweiter Fall. Das erste Buch „Die Montez-Juwelen“ habe ich zwar schon in meinem Regal, aber noch nicht gelesen. Als ich mit dem „Ludwig Thoma Komplott“ angefangen ...

Das ist bereits Hauptkommissar Tom Perlingers zweiter Fall. Das erste Buch „Die Montez-Juwelen“ habe ich zwar schon in meinem Regal, aber noch nicht gelesen. Als ich mit dem „Ludwig Thoma Komplott“ angefangen habe, war es für mich quasi ein erstes Kennenlernen, nicht nur der neuen Charaktere, sondern auch der Personen, die wohl schon im ersten Band dabei waren. Sehr schnell war ich jedoch in der Handlung gefangen, denn es geht von Anfang an gleich heftig zur Sache. Dazwischen hatte ich die Gelegenheit, auch Tom Perlingers persönliches Umfeld zu erkunden und mich mit seiner Familie und seinen Freunden vertraut zu machen. Die vielen Schauplätze, die ich gut kenne und schon persönlich besucht habe, machten es mir leicht, mir alles bildlich vorzustellen. Sabine Vöhringer führt die Leser in ihrem Krimi an bekannte, idyllische Münchner Plätze, in deren Umfeld jedoch gerade ein brutaler Mord geschehen ist. Die Kombination aus faszinierender, mitreißender Krimihandlung und viel Lokalkolorit ist der Autorin hervorragend gelungen. Das Außergewöhnliche an dieser Geschichte ist, dass das Mordopfer eine alte Schulfreundin von Tom Perlinger war, und im Lauf der Recherchen stellt der Hauptkommissar fest, dass seine ganze Clique aus der Schulzeit in irgend einer Form in den Fall verstrickt zu sein scheint. Für Tom ist dies eine besondere Herausforderung, denn er weiß nicht mehr, wem seiner Freunde er eigentlich noch vertrauen kann, und er gerät dabei in einen gewaltigen Gewissenskonflikt. Privatleben und Beruf mischen sich auf sehr unschöne Weise, was für ihn sicher nicht leicht ist, denn er muss seine eigenen Freunde verhören. Nicht nur er wird immer wieder auf eine falsche Spur gelockt, sondern der Leser gleich mit.
Ich liebe München, und an der Art, wie sie die Orte und die Atmosphäre beschreibt, merkt man, dass es der Autorin ebenso geht. Ich mag es sehr gerne, wenn ich in einem Roman über Orte lese, an denen ich bereits war. Darum habe ich beispielsweise die Szenen im Hackerhaus sehr genossen, denn dort bin ich in der Vergangenheit auch schon eingekehrt.
Gekonnt verwebt Sabine Vöhringer die Handlungsfäden der aktuellen Ereignisse mit einer Mordserie in der Vergangenheit, und nicht zuletzt spielt natürlich auch Ludwig Thoma mit seinem „Münchner im Himmel“ eine gravierende Rolle, denn im Krimi geht es um einen unveröffentlichten Nachfolger dieser humorvollen, satirischen Geschichte, und Tom muss die anfangs rätselhaften, verworrenen Zusammenhänge lösen. Das Ergebnis dieses Kriminalfalls bringt Tom in einen gewaltigen Gewissenskonflikt.
Der durchweg spannende und gut geschriebene Krimi hat ein rundes Ende, lässt aber doch einige offene Fäden zurück, so dass ich sehr auf eine Fortsetzung hoffe.

Veröffentlicht am 28.12.2018

Düster, tragisch, geheimnisvoll - einfach faszinierend!

Der Spielmann (Faustus-Serie 1)
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Johann Georg Faust hat es wirklich gegeben. Der vermutlich in Knittlingen geborene Mann war ein wandernder Wunderheiler, Alchimist, Magier und Astrologe. Seine Biografie nahm Johann Wolfgang von Goethe ...

Johann Georg Faust hat es wirklich gegeben. Der vermutlich in Knittlingen geborene Mann war ein wandernder Wunderheiler, Alchimist, Magier und Astrologe. Seine Biografie nahm Johann Wolfgang von Goethe als Grundlage für seine Tragödie „Faust“.
Oliver Pötzsch hat Fakten gesammelt und neu aufbereitet. In einer sehr gelungenen Melange aus historisch bekannten Tatsachen, Goethes Zitaten und eigener Fiktion hat er einen großartigen, außergewöhnlichen Roman geschaffen.
Alles beginnt in Knittlingen, wo Johann Georg als junger Mann lebt. Er ist hin und her gerissen zwischen Pflichtgefühl und seinem Wissensdurst. Einerseits sollte er auf dem väterlichen Hof mitarbeiten, auf seinen kleinen, geistig zurückgebliebenen Bruder achten und seine kranke Mutter pflegen, aber es drängt ihn, seine Zeit lieber in der Bibliothek des Klosters Maulbronn zu verbringen. Außerdem ist er verliebt in Margarethe, die Tochter des Knittlinger Pflegverwalters.
Als der Magier Tonio del Moravia in Johanns Leben tritt, ist dem Jungen nicht bewusst, worauf er sich einlässt. Vieles ändert sich plötzlich, und es treten einige unvorhergesehene, unheimliche Ereignisse ein. Zu diesem Zeitpunkt ist Johann gar nicht recht bewusst, dass er es hier mit einer bösen Macht zu tun hat. Johanns Entwicklung, seine Erlebnisse und Begegnungen werden in diesem Buch auf eine sehr mitreißende Art geschildert. Die Charaktere sind ausgefeilt und toll beschrieben, und die vielschichtige Handlung lässt einen kaum zu Atem kommen. Es ist ein Roman mit großen Emotionen, mit Höhen und Tiefen. Hier geht es um Zusammenhalt, Freundschaft und Liebe aber auch um Hass, Machtgier und Verrat und nicht zuletzt um die Wirkung dunkler Mächte.
Johanns Kontakt mit dem Bösen, das immer wieder seinen Weg kreuzt und ihn verfolgt, lässt so manchen Blick in die Abgründe der menschlichen Seele zu.
Daneben gewährt der historische Roman gute Einsichten in den damaligen Alltag der einfachen Menschen, vor allem der Spielleute. Und immer ist da auch etwas Unfassbares, Unheimliches, das die ganze Geschichte begleitet.
Ich habe den Roman zum Teil gelesen, bin dazwischen aber auch zum Hörbuch gewechselt und habe diese Entscheidung nicht bereut.
Das ungekürzte Hörbuch wird von Tobias Kluckert unfassbar gut gesprochen! Mit seiner markanten Stimme verleiht er der Handlung Tiefe und Gefühl, und es gelingt ihm ganz hervorragend, das Düstere, Mystische der Geschichte perfekt in Szene zu setzen.
Mich haben beide Ausführungen fasziniert und begeistert. Im Herbst 2019 wird es einen Fortsetzungsband geben, denn der erste Band hat zwar ein stimmiges Ende, aber es gibt doch auch noch viel Ungeklärtes, Unausgesprochenes. Ich kann es kaum erwarten, zu erfahren, wie es mit Dr. Faust und seinen Begleitern weitergeht.

Veröffentlicht am 20.12.2018

Grundsätzlich gute Ideen, aber insgesamt zu "abgehoben"

Magic Cleaning
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Es gibt wohl kaum jemanden, der noch nichts von der Konmari-Methode gehört hat. Das Konzept von Marie Kondo ist in aller Munde. In den Medien findet man reichlich Anschauungsmaterial zu ihrer „Magie des ...

Es gibt wohl kaum jemanden, der noch nichts von der Konmari-Methode gehört hat. Das Konzept von Marie Kondo ist in aller Munde. In den Medien findet man reichlich Anschauungsmaterial zu ihrer „Magie des Aufräumens“. Videos und Bildbeschreibungen, wie man seine Wäsche nach Konmari faltet und ordnet, sind allgegenwärtig. Was ich in den diversen Videos gesehen habe, hat mich neugierig gemacht, und so habe ich mir kürzlich das Buch „Magic Cleaning“ besorgt, in der Hoffnung, hier noch mehr Tipps zu finden und das Konzept noch besser zu verstehen.
Nachdem ich nun die 223 Seiten starke Abhandlung fertig gelesen habe, bin ich etwas zwiegespalten, was ich davon halten soll. Ehrlich gesagt hat mir das Buch nicht wirklich neue Erkenntnisse beschert. Einiges wusste ich ja bereits über die Konmari-Methode und setze es auch gerne ein. Wenn es darum geht, Ordnung in die heimischen Schränke zu bringen, sind viele Ideen der professionellen Aufräum- und Ordnungsberaterin durchaus sinnvoll und gut.
In diesem Buch erzählt sie aus der Praxis, was sie in verschiedenen Haushalten bei ihren Kunden erlebt hat und auch, wie sie überhaupt zu diesem außergewöhnlichen Beruf kam. Vieles im Buch wiederholt sich bei Marie Kondos Ausführungen. Man könnte eigentlich die Quintessenz auf einem Viertel der Buchseiten unterbringen, ohne etwas wirklich Wichtiges wegzulassen. Über manches musste ich schmunzeln, denn bei der Autorin scheint der Wahn, ständig aufräumen zu müssen, etwas Zwanghaftes zu haben. Vieles, was sie schreibt, finde ich schlichtweg übertrieben, beispielsweise wenn sie ihre Leser auffordert, sich abends bei der Kleidung zu bedanken, die man tagsüber getragen hat oder wenn sie schreibt, man solle sein Haus begrüßen, wenn man heim kommt. Mit meiner Aloe Vera oder mit meinen Orchideen zu sprechen, kann ich noch nachvollziehen, denn dabei handelt es sich um etwas Lebendiges. Aber Zwiesprache mit meinen Schuhen oder mit dem Staubsauger zu führen, das geht eindeutig zu weit! Auch ihre Ansicht, man solle die Umverpackung gekaufter Sachen und die darauf abgedruckten Werbesprüche entfernen, damit Weichspüler, Duftkerze & Co. zu wahren Familienmitglieder werden können, finde ich einfach nur krass. Für mich ist das regelmäßige Aufräumen und Ausmisten eine Tätigkeit, die gemacht werden muss, damit man sich langfristig in seinem Haushalt wohlfühlen kann. Allerdings kann ich mich nicht wirklich über diese Tätigkeit identifizieren. Ich sehe das Aufräumen und Ordnunghalten nicht als Selbstverwirklichung, denn dafür gibt es wahrhaft sinnvollere Beschäftigungen.
Wie gesagt, ich bin durchaus der Meinung, dass Marie Kondo wertvolle Tipps parat hat, die für jeden hilfreich sein können, aber bleiben wir doch mal auf dem Teppich, vieles was sie hier im Buch schreibt, finde ich sehr „abgehoben“. Was mich jedoch am allermeisten stört, ist ihre Aufforderung, die Dinge, die man nicht mehr braucht, wegzuwerfen. Ökologisch ist anders! Klar, Minimalismus ist der neue Trend, und er hat sehr viel Gutes, aber ich persönlich kann keine Befriedigung daraus ziehen, alles wegzuwerfen, was mich nicht gerade glücklich macht. Das sehe ich schlichtweg als Verschwendung an, und letztendlich ist dieses Verhalten auch nicht besser als das, was wir ständig an der heutigen „Wegwerfgesellschaft“ kritisieren. Die Müllberge wachsen ohnehin ins Unermessliche, auch ohne derartige„Mithilfe“.
Ordnung halten und klare Linien schaffen ist gut, aber nicht dadurch, unzählige gefüllte Müllsäcke beim nächsten Schrottplatz oder auf der Abfalldeponie abzuladen. Marie Kondos Ansicht, man bringe den Dingen, die man nicht mehr braucht, mehr Wertschätzung entgegen, wenn man sie wegwirft, statt sie im hintersten Winkel eines Schrankes aufzuheben, empfinde ich als zweifelhaft.
Trotz meiner vielen Vorbehalte bereue ich nicht, das Buch gelesen zu haben, denn wie bereits erwähnt, hat die Autorin durchaus viele brauchbare Tipps und Ratschläge parat. Nur sollte man nicht einfach das Konzept dieses Buches komplett und kritiklos übernehmen. Sich mit der Thematik kritisch zu befassen und individuelle Ideen mit der Konmari-Methode zu ergänzen, ist sinnvoller, denn sind wir doch mal ehrlich, ich kann es mir nicht leisten, derart das Geld (in Form von „Müll“) aus dem Fenster zu werfen.

Veröffentlicht am 14.12.2018

Kurzes Gastspiel

Ein ferner Duft wie von Zitronen
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Dieses kleine Büchlein ist in der Fischer Taschenbibliothek erschienen. Ich liebe und sammle die kleinen Bände, denn sie sind immer besonders schön ausgestattet, da macht auch dieser hier keine Ausnahme. ...

Dieses kleine Büchlein ist in der Fischer Taschenbibliothek erschienen. Ich liebe und sammle die kleinen Bände, denn sie sind immer besonders schön ausgestattet, da macht auch dieser hier keine Ausnahme. Der grüne Einband in Leinenstruktur, die gelbe Schrift des Titels und der schwarz-weiße Weihnachtsbaum sind alle wie von einem zarten Goldhauch bestäubt. Dass die Autorin „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ geschrieben hat, war dann für mich ausschlaggebend, dieses Büchlein haben und lesen zu wollen.
Die ganze Geschichte ist auf 55 kleinen Seiten untergebracht, was bei normaler Größe vermutlich ungefähr die Hälfte an Seiten ergeben würde, also wirklich eine Kurzgeschichte.

Binny hat Kummer, denn gerade erst ist ihre Ehe und damit gefühlt ihr ganzes Leben zu Bruch gegangen. Sie ist antriebslos und überfordert, denn Weihnachten steht vor der Tür. Je mehr ich über sie und ihren Mann Oliver jedoch erfahre, umso mehr merke ich, mit beiden nicht warm werden zu können. Sie sind mir fremd geblieben, und ich konnte mich so gar nicht in sie hinein versetzen. Binny ist nicht erst durch das kürzlich Erlebte so aus der Bahn geworfen, sondern sie scheint ihr ganzes Leben schon länger nicht im Griff zu haben. Ihr inneres Durcheinander überträgt sich auf ihr Umfeld, denn anscheinend herrscht nicht nur in ihrem Kopf und im Herzen, sondern auch in ihrem Haus das blanke Chaos. Oliver kommt bei mir gar nicht gut weg, denn er wirkt in der Erzählung auf mich wie ein verwöhntes kleines Kind. Die einzige Person, der ich Sympathie entgegen bringen kann, ist die junge Frau in dem Laden, den Binny zufällig betritt. Sie versucht, trotz einer sehr schlimmen Erfahrung in der Vergangenheit, Normalität in ihr Leben zu bringen. Die Mittel, zu denen sie greift, sind außergewöhnlich, aber tröstlich und anscheinend heilsam. Auch auf Binny überträgt sich die Ausstrahlung und Ruhe dieser jungen Verkäuferin.
Zwar spielt die Geschichte an Heiligabend, aber weihnachtlich empfand ich sie eigentlich gar nicht. Sie hätte zu jeder anderen Zeit auch spielen können. Sie ist schön und schnell zu lesen und wirkt hauptsächlich durch ihre Symbolik, wobei sie auf mich keinen wirklichen Eindruck hinterlassen konnte. Ich muss gestehen, dass ich Binny und Oliver, eigentlich die ganze kurze Handlung, sehr schnell wieder vergaß, nachdem ich das Büchlein zugeklappt hatte. Es handelte sich für mich also nur um ein sehr kurzes Gastspiel. Um diese Rezension zu schreiben, musste ich das kleine Buch erneut lesen. Ehrlich gesagt hatte ich mir beim Namen „Rachel Joyce“ mehr erwartet.

Veröffentlicht am 12.12.2018

Das Haus der Seidenblüten

Das Haus der Seidenblüten
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Die Autorin stammt aus einer Seidenweberfamilie, deren Tradition in Sachen Seide dreihundert Jahre zurück reicht. Darum drehen sich ihre Romane alle in irgend einer Form um diesen kostbaren Stoff und seine ...

Die Autorin stammt aus einer Seidenweberfamilie, deren Tradition in Sachen Seide dreihundert Jahre zurück reicht. Darum drehen sich ihre Romane alle in irgend einer Form um diesen kostbaren Stoff und seine Herstellung. Schon ihr Debütroman „Das Kastanienhaus“ hat mich fasziniert, denn auch da spielte die Seide eine wichtige Rolle, wenn auch in ganz anderem Rahmen, denn dieser Roman spielt im Zweiten Weltkrieg.
Für „Das Haus der Seidenblüten“ ist Liz Trenow viel weiter zurück gegangen, denn die Handlung spielt in den Jahren 1760/1761. Als die Pfarrerstochter Anna Butterfield aus dem beschaulichen Suffolk nach London kommt, erlebt sie dort eine ganz andere Welt. Im Haus ihrer Tante hat sie kaum Freiheiten, so darf sie beispielsweise das Haus nicht ohne Begleitung verlassen. Sie leidet sehr unter den Beschränkungen, denen sie hier unterworfen ist. Ihre Tante ist bestrebt, sie so schnell wie möglich zu verheiraten, selbstverständlich an einen Mann aus ihren Kreisen. Der Standesdünkel ist enorm, so dass kaum ein Gespräch mit jemandem möglich ist, der einer anderen Gesellschaftsklasse angehört. Als Anna dem sympathischen Henri begegnet und sich in den jungen Mann verliebt, ist beiden bewusst, dass diese Liebe nicht sein kann, denn Henri ist ein französischer Einwanderer, wenn auch ein fleißiger und begabter Seidenweber, aber weit unter dem Stand ihrer Familie, zumindest wenn man ihre Tante fragt.
Durch Zufall begegnen sie sich jedoch öfter und erkennen, dass sie in gewisser Weise ein gemeinsames Interesse haben. Anna ist künstlerisch begabt und malt am liebsten Naturmotive, und Henri ist fasziniert von den Mustern, die sie zeichnet. Zu gerne würde er die zarten Blütenranken für sein Meisterstück in Seide weben.
Für ihre Protagonistin hat die Autorin ein historisches Vorbild gewählt, nämlich eine der ersten englischen Textildesignerinnen, Anna Maria Garthwaite. Dass sie das Leben dieser Künstlerin aus dem 18. Jahrhundert fasziniert, ist nur allzu verständlich, und wenn man im Internet einmal nach ihren Mustern sucht, findet man eine Fülle an Designs, die so bezaubernd sind, dass man Liz Trenows Faszination noch besser nachempfinden kann. Beim Betrachten der Muster wird einem erst deutlich, wovon die Autorin in ihrem Roman erzählt. Auch die praktische Umsetzung der Muster auf das Seidengewebe ist sehr detailliert erklärt, und diese Ausführungen fand ich auch recht spannend. Es ist eine bewegte Zeit, in der sich die Handlung abspielt. Die genaue Zeitabfolge der Weber-Aufstände und der sonstigen historischen Ereignisse ist im Anhang wiedergegeben und eine interessante Ergänzung zur fiktiven Geschichte. Der Handlungsstrang um Henri und sein Umfeld ist auch sehr fesselnd dargestellt. Aber dazwischen erlebt man Anna im Haus ihrer Tante, und ihr Aufenthalt in London gestaltet sich eher öde. Sie wird zu Empfängen geschleppt, und ein junger Anwalt macht ihr den Hof. Dass Anna auch Persönlichkeiten wie den Maler Thomas Gainsborough oder den Botaniker Georg Ehret kennenlernt, ist nur ein schwacher Trost, denn das alles zieht sich doch ziemlich in die Länge. In den Kapiteln, die sich um Anna und ihre Erlebnisse in London drehen, ging es mir wie der Protagonistin selbst, ich habe mich gelangweilt. Das Ende ist einerseits schön, aber auch wieder zu phantastisch, und so ganz konnte ich es nicht nachvollziehen, denn nach der Vorgeschichte läuft hier alles viel zu glatt. Das war für mich dann doch ein Wermutstropfen in einem eigentlich sehr schönen Roman.