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Veröffentlicht am 17.10.2017

Luisa und die blaue Stunde

Luisa und die Stunde der Kraniche
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Der Antrag ihres langjährigen Freundes Richard löst bei Luisa Zweifel aus. Eigentlich spricht alles dafür, ja zu sagen, denn auf den ersten Blick wirkt die Beziehung perfekt. Richard trägt sie auf Händen, ...

Der Antrag ihres langjährigen Freundes Richard löst bei Luisa Zweifel aus. Eigentlich spricht alles dafür, ja zu sagen, denn auf den ersten Blick wirkt die Beziehung perfekt. Richard trägt sie auf Händen, aber je länger sie darüber nachdenkt, umso stärker machen sich Zweifel breit. Luisa beschließt, sich eine Auszeit zu nehmen und im Ferienhaus ihrer Familie an der Ostsee über ihre Zukunft nachzudenken.
Während ihres Aufenthalts im Haus Zugvogel gehen ihr so einige Sachen durch den Kopf. Sie erinnert sich an frühere Begebenheiten und daran, was ihr einmal wichtig war. Durch Richard hatte sie sich von der eigenen Familie immer weiter entfremdet und kaum noch Kontakt zu ihrer Schwester und ihren Nichten. Bei ihren Spaziergängen auf Zingst begegnet ihr häufig eine alte Dame, die ihr merkwürdig bekannt vorkommt und die so manche Lebensweisheit mit ihr teilt,die sie nicht so einfach wieder vergessen kann. Auch lernt Luisa hier den Kranichforscher Jan kennen und fühlt nach und nach eine innige Freundschaft zu dem Mann, der ihr auf den ersten Blick eigentlich völlig unsympathisch war. Er ist so ganz anders und passt nicht in Luisas Welt, wie sie bisher war. Aber auch sie beginnt, zu zweifeln, ob sie mit Richard ihr wahres Glück finden kann.

Mir war beim Lesen schnell klar, dass die Beziehung zwischen Richard und Luisa nicht so innig ist, wie es scheint. Nach und nach kamen immer wieder Bemerkungen, die diesen Eindruck erhärteten. Auf seine Art meint es Richard sicher ernst, und auf seine Art liebt er Luisa wohl auch, aber auf eine sehr eigennützige Weise. Luisa selbst hat es mir nicht leicht gemacht, sie zu mögen. Sie ist ein sehr widersprüchlicher Charakter, mit dem ich von Anfang an meine liebe Mühe hatte. Aber selbst wenn man sich mit Protagonisten nicht wirklich anfreunden kann, so ist dies doch oft unabhängig davon, ob einem der Roman gefällt. Ich hätte der jungen Frau gerne mal den Kopf gewaschen, denn ihre wankelmütige Art hat mich zum Teil tierisch genervt, und doch hat mir die Geschichte insgesamt ausgesprochen gut gefallen. Hier geht es sehr viel um die Natur und um das Phänomen der Kranichflüge an der Ostsee. Gerade durch den Kranichexperten Jan erfährt man viel Faszinierendes über diese Vögel. Selbst Luisa, die anfangs kaum Interesse an der Natur hatte, lässt sich nach und nach darauf ein und findet Gefallen daran, die Kraniche zu beobachten.
Ich habe vor längerer Zeit einen Roman der Autorin gelesen, in dem es um Wölfe ging, und auch damals war ich absolut fasziniert von dem immensen Wissen, das Tania Krätschmar in ihren Romanen verarbeitet und so anschaulich und fesselnd 'rüberbringt, dass man sich dem nicht entziehen kann, so auch diesmal mit den Kranichen. Für mich ist dies ein richtiger Fernweh-Roman, denn ich habe Sehnsucht nach der Ostsee bekommen. Neben dem Beziehungsproblem zwischen Luisa und Richard und den phänomenalen Naturbeschreibungen bietet der Roman aber auch noch weitere interessante Aspekte. Da ist einmal Luisas Familie, die man näher kennen lernt, und auch hier, im Umgang mit ihrer Schwester und ihren beiden Nichten, macht Luisa entscheidende Fehler. Die Spannungen und Probleme innerhalb der Familie sind ein großes Thema des Romans. Daneben spielt auch ein gewisser Romatik-Faktor eine Rolle, immer dann, wenn Jan in der Geschichte auftaucht.
Dann sind da auch noch die rätselhaften Begegnungen mit der alten Mary, und es geht um einen außergewöhnlichen, sehr seltenen Vogel. Hier kommen zum Teil magische Elemente ins Spiel, die dem Roman einen zusätzlichen Reiz verleihen. Auch um das Thema „Zeit“ geht es hier in ganz besonderer Weise. Sehr gut hat mir dazu die Geschichte über Luisas Großvater und seine Standuhren und ihre Erinnerungen an die gemeinsam erlebte „blaue Stunde“ gefallen.
Insgesamt betrachtet hat mich der Roman fasziniert und gefesselt und ausgesprochen gut unterhalten. Er hatte alles, was ich mir von einem guten Buch wünsche. Auch mit Luisa habe ich viel Geduld aufgebracht und war lange nachsichtig mit ihr, auch wenn sie es am Ende dann doch etwas übertrieben hat mit ihrer Wankelmütigkeit.

Veröffentlicht am 12.10.2017

Eine unglaublich packende Geschichte, die das Leben selbst schrieb

Der Muslim und die Jüdin
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Was Ronen Steinke in diesem Buch beschreibt, hat sich wirklich ereignet. Während überall in Deutschland Massendeportationen der Juden stattfanden, hat der muslimische Arzt eine junge Frau vor den Augen ...

Was Ronen Steinke in diesem Buch beschreibt, hat sich wirklich ereignet. Während überall in Deutschland Massendeportationen der Juden stattfanden, hat der muslimische Arzt eine junge Frau vor den Augen der Gestapo versteckt. Wie er das zustande gebracht hat, ist geradezu unglaublich. Es war ein gewagtes Unterfangen, bei dem sich Mohammed Helmy selbst immer wieder in Gefahr brachte.
Der Autor schildert das ganze so authentisch, so nah, als wäre er selbst dabei gewesen. Ein Blick in die Anmerkungen am Ende des Buches, die 31 Seiten umfassen, zeigt, wie ungeheuer riesig der Rechercheaufwand für diese Geschichte sicher war. Neben dem Schicksal der jungen Jüdin Anna, die unter Helmys Schutz die Zeit des zweiten Weltkriegs überlebte, beschreibt der Autor auch sehr detailliert die allgemeine Situation der Muslime zur damaligen Zeit in Deutschland. Es geht im weiteren Sinn auch um das Verhältnis der Nazis zur muslimischen Bevölkerung Berlins und auch die Beweggründe dafür. Gerade bedingt durch die erstaunlich positive Einstellung der Nazis zu den arabischen Ländern, die nicht von ungefähr kam, sondern von einer gewissen Erwartungshaltung her rührte, gelang Helmy dieses Husarenstück. Ein weiterer Aspekt, der hier zur Sprache kommt und die Realität ganz ungeschönt zeigt, ist die Tatsache, dass sich selbst jüdische Familienmitglieder oft gegenseitig in Gefahr brachten, wohl selten bewusst, sondern meist unabsichtlich. Es war eine schlimme Zeit, aber das, was Ronen Steinke hier erzählt, macht offensichtlich, was wahre Nächstenliebe ist und dass Zivilcourage manchmal auch kleine Wunder vollbringen kann.
Dieses Buch über die Jüdin Anna Boros und den Arzt Mohammed Helmy hat mich sehr berührt und nachdenklich gemacht, und es zeigt, dass die unglaublichsten Geschichten das Leben selbst schreibt.

Veröffentlicht am 08.10.2017

Ein kluger, erbaulicher Roman über die elementaren Dinge des Lebens

Acht Berge
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Dieses Buch hat mich in mehrerlei Hinsicht förmlich angezogen. Da ist zum einen das wunderschöne Cover mit einer fast magischen Ausstrahlung. Es zeigt das Aquarell einer wilden Berglandschaft, gekrönt ...

Dieses Buch hat mich in mehrerlei Hinsicht förmlich angezogen. Da ist zum einen das wunderschöne Cover mit einer fast magischen Ausstrahlung. Es zeigt das Aquarell einer wilden Berglandschaft, gekrönt von einem Meer glitzernder Sterne. Auf einem Hügel unterhalb der verschneiten Berggipfel liegt eine einsame Hütte neben einer großen Lärche. Schon in diesem Bild kann man regelrecht versinken.
Die vielen begeisterten Stimmen und der Hinweis, dieses Buch könnte für die Leser von Robert Seethalers Romanen interessant sein, haben mich letztendlich dazu bewogen, es lesen zu wollen.
Es beginnt mit Kindheitserinnerungen des Ich-Erzählers. Er lebte mit seinen Eltern in Mailand, aber sein Vater, ein Einzelgänger und Eigenbrötler, fühlte sich nie wohl in der Stadt. In seiner Freizeit erobert er die Bergwelt,und von seinem Sohn fordert er Leistungen, die dieser nicht erfüllen kann. Während eines Aufenthalts in dem kleinen Bergdorf Grana lernt der damals ca. zehnjährige Pietro den fast gleichaltrigen Bruno kennen, und die beiden Jungen freunden sich an. Aus dieser Kameradschaft entsteht eine Freundschaft fürs Leben.
Es ist eine eher ruhige, erdende Geschichte, die nicht von großer Spannung getragen wird, sondern von ihrer schönen, bildhaften Sprache lebt, welche klar ist wie ein stiller Bergsee.
Hier geht es um die elementaren Dinge des Lebens, um die Schönheit der Natur, um Freundschaft, Liebe und die Facetten einer nicht einfachen Eltern-Kind-Beziehung. Bruno und Pietro führen Gespräche, die pragmatisch und philosophisch zugleich sind.
Es ist ein Entwicklungsroman und zugleich die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft, die ein Leben lang anhält.
Paolo Cognettis Roman hat autobiographische Züge, obwohl vieles in seinem Leben völlig anders ist als bei seinem Protagonisten. Eingebracht hat er jedoch auf jeden Fall seine Liebe zu den Bergen und seine Achtung vor der Natur und ihrer Gewalten.
Dass ich keine vollen fünf Sterne vergebe, liegt daran, dass ich weder Pietro noch Bruno und auch den anderen Charakteren im Lauf der Geschichte nicht wirklich nahe gekommen bin. Es blieb immer eine gewisse Fremdheit und Distanz.

Veröffentlicht am 06.10.2017

Ich vermisse Mabel und Victor

Auf Eis gelegt
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Die Cornwall-Krimis um die sympathische Heldin Mabel Clarence und den etwas kauzigen Tierarzt Victor habe ich sehr genossen und bis auf die beiden zuletzt erschienenen gelesen. Diese werden aber auf jeden ...

Die Cornwall-Krimis um die sympathische Heldin Mabel Clarence und den etwas kauzigen Tierarzt Victor habe ich sehr genossen und bis auf die beiden zuletzt erschienenen gelesen. Diese werden aber auf jeden Fall auch noch folgen, denn ich möchte wissen, wie es zur heutigen Situation auf Higher Barton kam. Das Anwesen wurde inzwischen verkauft, und Mabel tritt nur noch am Rand, bei einem Telefonat, in Erscheinung. Sie weilt, zusammen mit Victor, im Ausland.
Aber zurück zu Higher Barton. Das Haus befindet sich in der Endphase der Renovierung, und in Kürze soll es als Romantik-Hotel wieder eröffnen. Als Harris Garvey, der neue Geschäftsführer des Hotels, spurlos verschwindet und mit ihm 10.000 Pfund, gehen zuerst alle davon aus, dass der Mann mit dem Geld getürmt ist. Aber dann wird Garvey in der Gefriertruhe des Kühlhauses gefunden. Wer hat ihn ermordet und dort verstaut? Der erste Verdacht fällt auf seine Assistentin Sandra Flemming, denn sie wird von ihrer Firma als Garveys Nachfolgerin benannt und hätte somit das größte Interesse, ihn aus dem Weg zu haben. Auch gab es in der Vergangenheit so einige Differenzen zwischen ihr und dem nun toten Geschäftsführer, der sich nach und nach als gewaltiger Unsympath entpuppt.
Der Schreibstil ist, wie immer bei Rebecca Michéle, sehr schön und kurzweilig. Auch dieser neue Krimi hat wieder einiges an Lokalcolorit zu bieten, und man begegnet „alten Bekannten“ aus den früheren Bänden mit Mabel als Protagonistin. Sandra, die neue Hauptfigur, findet schnell Freunde und Verbündete in dem kleinen beschaulichen Ort in Cornwall. Sie ist ein völlig anderer Typ, so dass sich mit ihr auch die Atmosphäre der Higher-Barton-Krimis verändert. Der Kriminalfall entwickelt sich mit einigen Überraschungen, aber irgendwie hat mir etwas gefehlt. Higher Barton ohne Mabel und Victor, das war für mich sehr gewöhnungsbedürftig. Ich werde die Reihe zwar weiterhin verfolgen, aber an das „Dreamteam“ Mabel und Victor kommen die neuen Protagonisten leider (bisher) nicht heran.

Veröffentlicht am 30.09.2017

Der unsichtbare Feind

Christine Bernard. Der unsichtbare Feind
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Nachdem ich vor etwas mehr als einem Jahr mit „Eisrosenkind“ den ersten Krimi von Michael E. Vieten gelesen habe und das Buch mein Monatsfavorit im Juni 2016 war, habe ich mich nun aktuell in den Folgeband ...

Nachdem ich vor etwas mehr als einem Jahr mit „Eisrosenkind“ den ersten Krimi von Michael E. Vieten gelesen habe und das Buch mein Monatsfavorit im Juni 2016 war, habe ich mich nun aktuell in den Folgeband „Der unsichtbare Feind“ vertieft. Es ist schon der dritte Fall für die sympathische Kommissarin Christine Bernard, die ich bereits bei „Eisrosenkind“ ins Herz geschlossen habe, weil sie eine so natürliche und liebenswürdige Art hat. Diesmal hat sie es mit Gefahren zu tun, die nicht wirklich greifbar sind, da sie aus der virtuellen Welt kommen. Entsprechend schwierig kann sich Christine auch dagegen schützen. Sie muss mehrmals um ihr Leben bangen, und es passieren in ihrem Umfeld die ungeheuerlichsten Dinge. Da sie den Feind nicht kennt und nicht weiß, wer ihr nach dem Leben trachtet, erhält sie Personenschutz und ist auf die Hilfe von Spezialisten angewiesen, die sich als wahre Computernerds herausstellen.
Die Story ist sehr spannend und faszinierend. Ich habe gestaunt, was alles machbar ist und habe beim Lesen ständig darauf gewartet, was Christine als nächstes widerfährt. Aber sie ist eine totale Kämpfernatur. Auch als das Landeskriminalamt die Ermittlungen aufnimmt und Christines Abteilung von dem Fall abzieht, gibt die junge Kommissarin nicht auf, denn sie weiß nicht, was sie getan hat, um diese brutale Zerstörungswut auf sich zu ziehen, und sie will ihrem Feind ins Gesicht sehen.
Mein „Problem“ mit derartigen Krimis ist, dass ich mich völlig in der Handlung festbeiße und erst wieder loslassen kann, wenn ich das Ende erfahren habe. So war es auch hier, und „Der unsichtbare Feind“ ist auf jeden Fall ein würdiger Nachfolger zum „Eisrosenkind“. Mit einer gut ausgewogenen Mischung zwischen kleinen, liebenswerten Episoden aus Christines eher beschaulichem Privatleben und Einblicken in ihren gefährlichen Beruf, diesmal auch ein wenig in einen anderen Fachbereich, mit dem eingängigen und kurzweiligen Schreibstil und nicht zuletzt mit glaubwürdigen Charakteren konnte mich der Autor auch diesmal wieder begeistern. Ich hoffe, dass noch mehr „Christine-Bernard-Krimis“ folgen, denn ich mag die Protatonistin, ihr Umfeld und bin fasziniert von der spannungsgeladenen Atmosphäre dieses Romans.