Ein bewegender, stark geschriebener Antikriegsroman, der für mich das Zeug zum Jahreshighlight hat.
Die Liebe in diesen ZeitenLiest man den Titel und den Klappentext, entsteht meiner Meinung nach ein völlig falscher Eindruck, denn so mancher wird dahinter eine Liebesgeschichte mit einer Dreiecksbeziehung vermuten, was jedoch ...
Liest man den Titel und den Klappentext, entsteht meiner Meinung nach ein völlig falscher Eindruck, denn so mancher wird dahinter eine Liebesgeschichte mit einer Dreiecksbeziehung vermuten, was jedoch nicht zutrifft.
Mary North, eine lebenslustige junge Frau aus gutem Hause, möchte etwas anderes tun als im Ritz Cocktails zu trinken oder Teegesellschaften zu besuchen. Als der Krieg ausbricht, meldet sie sich freiwillig und wird als Lehrerin eingeteilt. Die meisten Kinder sind aufs Land evakuiert, und so bleiben nur ein paar Außenseiter, die Mary unterrichten kann. Unter ihnen ist der farbige Zachary. Das Schicksal des Jungen berührt sie, und zwischen Lehrerin und Schüler entsteht eine Art Kameradschaft. Für ihre Toleranz, Minderheiten gegenüber muss Mary häufig büßen, denn so schrecklich die Ereignisse des Kriegs auch sind, so tief verwurzelt und stark sind die Vorurteile der Menschen, und für die Londoner kommt es fast einem Kriegsverbrechen gleich, farbige Kinder zu unterrichten und sich gar mit ihnen auf der Straße blicken zu lassen.
Mary ist mir sehr sympathisch. Obwohl sie es "nicht nötig hätte", zu arbeiten, möchte sie etwas tun, um ihr Land im Krieg zu unterstützen. Ihre offene, tolerante Art, ihr Gerechtigkeitssinn und wie sie mit ihren Schülern umgeht, gefällt mir sehr. Tom, den Mann an ihrer Seite, hat sie bei ihren Bemühungen um die Stelle als Lehrerin kennengelernt. Bei dieser Verbindung ist der Begriff „Gegensätze ziehen sich an“ sehr passend, denn Tom ist ruhig, in sich gekehrt und besonnen, wo Mary impulsiv und leidenschaftlich reagiert.
Alistair ist Toms bester Freund. Als er auf Heimaturlaub nach London kommt, unternehmen sie einiges zu viert, zusammen mit Marys Freundin Hilda, von Mary und Tom mit dem Hintergedanken, aus ihren besten Freunden könnte vielleicht auch ein Paar werden. Aber bald schon muss Alistair wieder zurück nach Malta, zu seinem Stützpunkt. Starke, aber widersprüchliche Gefühle hat er mit im Gepäck, denn einerseits findet er Hilda durchaus sympathisch, aber Mary geht ihm nicht aus dem Kopf.
Der Roman ist abwechselnd aus Marys Sicht und aus Alistairs Blickwinkel geschildert. Sie sind die Protagonisten der Geschichte. Im Verlauf der Kriegsjahre erleben sie so viel Schreckliches, dass sie emotional und körperlich hart an ihre Grenzen kommen.
Chris Cleave hat einen sehr besonderen Schreibstil, der in der Übersetzung von Susanne Goga-Klinkenberg hervorragend bewahrt wurde. Sprachgewaltig und bildhaft, mit starken Metaphern und jeder Menge Sarkasmus, bringt der Autor die Schrecken und die Folgen des Krieges zum Ausdruck, so dass man sich dem dramatischen Szenario nicht entziehen kann.
Der britische Humor, der häufig mitschwingt und nur allzu oft in Galgenhumor mündet, kann nicht über den Wahnsinn hinwegtäuschen, der sich während der Kriegsjahre abgespielt hat.
Die Beschreibungen der zerstörten Orte und gebrochenen Seelen sind von einer traurigen Poesie.
Ja, es ist auch eine sehr berührende Liebesgeschichte, aber wer Romantik sucht, wird sie hier ganz sicher nicht finden. Der Wahnsinn des Kriegs und was er mit und aus den Menschen macht, steht hier im Vordergrund. Dies zu verdeutlichen, ist vermutlich auch das Hauptanliegen des Autors und der Beweggrund, diesen Roman zu schreiben. Starke Charaktere, als reale Vorbilder für die Protagonisten hat er dabei in seiner eigenen Familie, bei seinen Großeltern, gefunden.