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Veröffentlicht am 25.09.2022

Schwer auszuhalten

Die Mauersegler
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Toni ist Philosophielehrer, geschieden, und hat einen Sohn. Er mag das Leben nicht, deshalb will er sich in genau einem Jahr töten. Bis dahin schreibt er an jedem Tag Erlebtes, Erinnerungen, Eindrücke ...

Toni ist Philosophielehrer, geschieden, und hat einen Sohn. Er mag das Leben nicht, deshalb will er sich in genau einem Jahr töten. Bis dahin schreibt er an jedem Tag Erlebtes, Erinnerungen, Eindrücke und Gedanken auf.
Sonst passiert kaum etwas auf diesen mehr als achthundert Seiten. Wir erfahren alles über Tonis Kindheit, seine gescheiterte Ehe, seinen unbefriedigenden Beruf. Es ist ein ganz normales Leben, ohne Ambitionen und ohne ungewöhnlich schlimme Erfahrungen. In jeder Zeile sind Tonis Überdruss und sein Widerwillen spürbar, die er teilweise auch philosophisch begründet.
Das ist schwer zu ertragen. Toni ist ein unsympathischer, frauenfeindlicher Protagonist, der von sich selbst sagt, er sei ein Denker, der nur die Gedanken anderer nachdenkt. Überrascht stellt man fest, dass er durchaus Schönes wahrnehmen kann: den Flug und die regelmäßige Wiederkehr der Mauersegler, ebenso wie das ein oder andere Gedicht. Es fällt auf, dass Tonis großer Widerwille gegen das Leben im Laufe der viel zu vielen Buchseiten abnimmt. Etwas Positives tritt nicht an seine Stelle.
Das Schönste an diesem Buch ist das Cover: Hauswände in warmen Farben, die Silhouette eines Mannes mit Hund, und in einer großen Pfütze ein Spiegelbild des blauen Himmels. Mit Mauerseglern.

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Veröffentlicht am 21.09.2022

Nach der Katastrophe. Sehr fesselnd.

Shadow Land
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Ein Virus verwandelt Menschen in blutrünstige Bestien und die Welt in einen gefährlichen, fremdartigen Dschungel. Nur eine Stadt hält noch stand. Hier gibt es noch Strom und fließendes Wasser, Nahrungsmittel, ...

Ein Virus verwandelt Menschen in blutrünstige Bestien und die Welt in einen gefährlichen, fremdartigen Dschungel. Nur eine Stadt hält noch stand. Hier gibt es noch Strom und fließendes Wasser, Nahrungsmittel, Medikamente und eine gewisse Sozialstruktur. Kaia wurde als Kind vor den Bestien gerettet, als sie mit anderen Flüchtlingen versuchte, die rettende Stadt zu erreichen. Dabei verlor sie ihre Eltern. Heute ist sie Soldatin. Zwei Einsätze führen sie nun wieder mitten in den Dschungel. Was sie dort sieht und erlebt, ist anders als alles, was man ihr von dieser Welt gesagt hat.

Dieses Jugendbuch ist fesselnder als viele Bücher für Erwachsene. Die Geschichte erinnert an andere Apokalypsen, in denen letztlich einzelne Menschen die Verursacher sind. Doch hier geht es nicht um Schuld, sondern um etwas wirklich Neues. Die Heldin ist klug, mutig, und sie tut, was sie für richtig hält. Dies alles in einer harten Welt, die ihr schon übel mitgespielt hat. Die Sprache ist angenehm und leicht zu lesen, das ganze Buch lässt sich im Nu verschlingen. Was als Dystopie beginnt, wird zu einer Einsicht: Wir sind Teil der Natur. In Zeiten von Klimawandel und Naturkatastrophen ist das ein interessanter Gedanke, der hier sehr anschaulich entwickelt wird. Auch das Cover ist auffallend schön.

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Veröffentlicht am 02.09.2022

Wahrheit-en

Fake – Wer soll dir jetzt noch glauben?
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Patrick Dostert hat einen guten Job, eine liebevolle Ehefrau und einen Tag Urlaub. Da klingelt die Polizei an seiner Tür und beschuldigt ihn, eine Frau entführt und misshandelt zu haben. Die Namen, die ...

Patrick Dostert hat einen guten Job, eine liebevolle Ehefrau und einen Tag Urlaub. Da klingelt die Polizei an seiner Tür und beschuldigt ihn, eine Frau entführt und misshandelt zu haben. Die Namen, die man ihm nennt, kennt er nicht. Und das ist erst der Anfang. Beweise tauchen auf. Leichen werden gefunden. Belastende Videos erscheinen im Internet, auf denen Patrick genau zu erkennen ist. Schließlich sitzt er im Gefängnis und kann nur noch auf seinen Anwalt hoffen.

Das ist so wahnsinnig spannend und lebensnah beschrieben, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Die Hauptperson Patrick ist sympathisch und ein bisschen naiv. Bei allen anderen Personen kommen Zweifel auf, ob sie sind was sie zu sein vorgeben.
Blutrünstig ist dieser Thriller nicht, und es kommt auch nur wenig Brutalität vor. Das Schlimme ist, dass Patrick passiert, was jedem von uns zustoßen könnte. Denn moderne Technologie macht Fälschungen von Bildern und Videos möglich, die kaum als solche zu erkennen sind. Doch zum Schluss ist dies auch nur die halbe Wahrheit.

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Veröffentlicht am 28.08.2022

Dating-Spiele

Der schönste Zufall meines Lebens
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Penny führt in London ein kleines Cafe. Sie lernt Francesco kennen, der sie mit Brot beliefert. Es entsteht eine Liebesbeziehung. Dann reist Penny nach Derbyshire, um den Pub ihres Onkels zu übernehmen, ...

Penny führt in London ein kleines Cafe. Sie lernt Francesco kennen, der sie mit Brot beliefert. Es entsteht eine Liebesbeziehung. Dann reist Penny nach Derbyshire, um den Pub ihres Onkels zu übernehmen, der einen Herzinfarkt hatte. Hier lernt sie zwei andere Männer kennen, mit denen sie ebenfalls engere Beziehungen eingeht. Welcher soll es sein?
Pennys Gefühle stehen im Mittelpunkt dieser Geschichte. Sie bespricht sie ausführlichst mit Schwester, Freundin, Verwandten, Mitarbeitern und Kollegen. Wir erleben Penny als irrational und selbstsüchtig. Gründe für dieses Verhalten werden angedeutet, aber nicht weiter gezeigt.
Leider ist das weder unterhaltsam noch witzig. Der Stil ist locker, teilweise unangenehm schlampig. Die Story ist so oberflächlich wie die Charaktere. (Mit-)Gefühl kommt beim Lesen nicht auf. Schade um die Zeit.

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Veröffentlicht am 24.08.2022

Einen Teppich knüpfen

Fischers Frau
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Fischerteppiche wurden zu Beginn des vorigen Jahrhunderts an der Ostsee von Hand geknüpft. Es gibt typische Muster und Farben, die die Echtheit bezeugen. Ein solcher Fischerteppich landet auf dem Tisch ...

Fischerteppiche wurden zu Beginn des vorigen Jahrhunderts an der Ostsee von Hand geknüpft. Es gibt typische Muster und Farben, die die Echtheit bezeugen. Ein solcher Fischerteppich landet auf dem Tisch von Mia Sund.
Mia ist Museumskuratorin und Faserarchäologin. Sie hat sich nach schwierigen Erfahrungen in einer gewissen Sicherheit eingerichtet. Dennoch regt sie dieser grüne Knüpfteppich und die Art, wie er sie erreicht, zu einer Suche an, die sie durch halb Europa führt. Sie ertappt sich dabei, dass die Geschichte des Teppichs neu erfindet - orientiert an den Fakten, die ihr vorliegen..

Das Buch ist nicht leicht zu lesen. Man erwartet doch ein logisches Vorgehen, wenn jemand nach alten Tatsachen recherchiert. Doch dies ist kein Krimi. Es ist eine Reise der Hauptperson zu sich selbst. Erst wenn man sich auf das Bild des Teppichs einlässt, wird die Geschichte rund. Alles ist miteinander verbunden. Die Geschichte der weit gereisten Knüpferin, die in Schweden ein neues Zuhause findet und dort den Ostseeteppich knüpft – grün wie die Wälder und mit Moriven des Meeres. Und die Geschichte Mias, die forscht und sucht und dabei schließlich Fehlendes erfindet.
Was ist echt und was gefälscht? Was ist ausgedacht, was wahr? Während des Knüpfens werden Geschichten erzählt, wie in tausendundeiner Nacht. Und es kommt nicht darauf an, ob sie wirklich passiert sind, sondern darauf, dass sie fesseln und unterhalten. Und dass sie vielleicht im Leben weiterhelfen.

Das ist wunderschön erzählt. Die Sprache ist so poetisch, dass man immer wieder besonders gelungene Sätze anstreichen möchte. Ein ruhiges, ein langsames Buch.

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