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Veröffentlicht am 02.04.2018

Unaufgeregter Kleinstadtroman

Lied der Weite
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Seine sechs Romane hat der amerikanische Autor Kent Haruf in einer fiktiven Kleinstadt Holt im US-Bundesstaat Colorado spielen lassen.
Wenn man sich die Bilder des Journalisten Max Liu anschaut, die er ...

Seine sechs Romane hat der amerikanische Autor Kent Haruf in einer fiktiven Kleinstadt Holt im US-Bundesstaat Colorado spielen lassen.
Wenn man sich die Bilder des Journalisten Max Liu anschaut, die er 2014 bei einem Interview mit dem amerikanischer Autor aufnahm und die die Gegend von Colorado zeigen, in der Holt angesiedelt sein könnte, erblickt man karges, braunes, trockenes, baumloses und flaches langweiliges Land mit ein paar spärlichen Farmerhäusern und schnurgeraden Wegen und Straßen. Kein Ort, an den ich auch nur einen Gedanken verschwenden würde, geschweige denn mich wohlfühlen könnte.
Dennoch wuchs mir der Ort Holt und die darin lebenden Personen beim Lesen des preisgekrönten Romans „Lied der Weite“ so sehr ans Herz, dass ich traurig war zu gehen und sehnsüchtig auf weitere Veröffentlichungen von Kent Haruf in deutscher Übersetzung hoffe.

Die 17jährige Victoria wird von ihrer Mutter hinausgeworfen nachdem sie schwanger von ihrer Sommerliebe Dwayne geworden war. Sie möchte das Kind austragen, auch wenn sie keine Ahnung hat, wo der Vater des Kindes lebt, den sie eigentlich kaum kennt. Ihre Lehrerin Maggie schickt sie zu den Brüdern McPheron, zwei alten Viehzüchtern, die seit Jahrzehnten allein auf ihrer abgelegenen Farm leben. Nachdem die beiden anfangs etwas widerwillig Victoria bei sich aufnehmen, entwickelt sich bei Raymond und Harold etwas schwerfällig und sehr unbeholfen eine tiefe Zuneigung zu dem schüchternen und stillen jungen Mädchen. Sie haben keinerlei Erfahrung mit jungen Frauen, sind aber auf absolut rührende und beim Lesen oft witzige Weise bemüht, alles richtig zu machen, um das Mädchen nicht zu verschrecken und zu vertreiben und ihr ein Heim zu bieten.
Tom Guthrie, ebenfalls Lehrer an der Highschool von Holt, kämpft nach einer zerbrochenen Ehe gemeinsam mit seinen beiden Söhnen Ike und Bobby gegen die Einsamkeit. Die beiden Jungen haben einen einfachen und festen Tagesrhythmus mit Zeitung Austragen, Schule und Arbeit am Nachmittag, der vom Auszug der Mutter durcheinander gebracht wird. Kindlich und eng aneinander gebunden finden sich die Jungen in ihr Schicksal, versuchen Auswege aus der Langeweile während der Ferien zu finden und bemühen sich bei Besuchen um ihre depressive Mutter. Tom Guthrie sucht und findet neue Liebe auf die typisch kleinstädtische Art unter Beobachtung aller Augen.

Es ist kein schönes oder angenehmes Leben in der langweiligen Prärie von Colorado, das der Roman beschreibt, sondern das harte Erarbeiten von Lebensmut in karger und abweisender Umgebung. Im Gegensatz dazu beschreibt Kent Haruf seine Figuren voller warmer Melancholie und Aufrichtigkeit, lässt sie ohne große Abschweifungen ihren Alltagsgeschäften nachgehen. Man spürt jedoch in jedem Satz, wie sehr die Menschen aufeinander aufpassen und füreinander da sind, auch wenn dies erst auf den zweiten Blick deutlich wird und manch einer einen Schubs aus seiner Einsamkeit und Eingefahrenheit heraus braucht. Es wird im Laufe der Geschichte sehr deutlich, dass nicht nur Blutsverandschaft Familie und Geborgenheit ausmacht, sondern dass sich Zusammengehörigkeit manchmal erst ergeben muss und man sich seine Familie selbst sucht.

Mit großer Selbstverständlichkeit und knapper, fast spröder Sprache wird die Geschichte aufgerollt. Obwohl wenig Spannung in die Geschehnisse gebracht wird nimmt das Buch sehr gefangen und wenn man sich einmal auf die Kleinstadt Holt und die manchmal fast ruppigen Figuren eingelassen hat, lässt es den Leser nicht mehr los.
Mich hat diese Art des Erzählens in all ihrer Gelassenheit und Unaufgeregtheit sehr fasziniert, ich habe beim Lesen die Kraft und den Sog deutlich gespürt, den die Geschichte entwickelt und habe am Ende das Buches sehr ungern zugeklappt.

Für mich ist der preisgekrönte Roman „Lied der Weite“ ein sehr beeindruckendes und nachhaltig wirkendes Stück Literatur eines großen Schriftstellers, den man als Liebhaber tiefgründiger Romane gelesen haben sollte.

Veröffentlicht am 05.03.2018

Spannender Abschluss

Die Geschichte des verlorenen Kindes
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Ich habe die Geschichte um die beiden ungleichen Freundinnen Elena und Lila und um ihr Viertel Rione in Neapel vom ersten bis zum vierten Band genossen. Der Band vier „Die Geschichte des verlorenen Kindes“ ...

Ich habe die Geschichte um die beiden ungleichen Freundinnen Elena und Lila und um ihr Viertel Rione in Neapel vom ersten bis zum vierten Band genossen. Der Band vier „Die Geschichte des verlorenen Kindes“ ist ein wirklich großartiger Abschluss der Saga, die mich Anfang dieses Jahres vom ersten bis zum letzten Band begleitet hat.
Das ist übrigens etwas, das ich nicht uneingeschränkt empfehlen kann - alle vier Bände in einem Rutsch zu lesen, denn dann ist es stellenweise ein bisschen viel Neapolitanische Lebensart gezuckert mit Italienischer Telenovela, weswegen ich mit meiner Rezension dieses Band etwas Zeit verstreichen ließ.

Der letzte Band der Saga spielt wieder großteils in Neapel, im alten Viertel Rione, in das Elena als erfolgreiche Schriftstellerin und Frauenrechtlerin zurückkommt und in dem auch Lila wieder wohnt. Die beiden Freundinnen wohnen direkt übereinander und teilen ihr Leben mit Kindern, sind sich wieder nahe und Elena findet in ihrer Heimatstadt zu sich selbst, findet durch Lila Inspiration und lebt in relativer Ruhe. Bis das verlorene Kind wieder alles verändert für beide Frauen und ihre Familien.

Elena Ferrante nimmt in diesem letzten Band Fäden aus den vorangegangenen Büchern auf, verknüpft sie geschickt. Man erfährt von allen Begleitern aus der Kindheit und Jugend, wie es ihnen im Rione und außerhalb erging, und das mit Spannung erzählt und in gewohnter Manier völlig ohne Zuckerguss. Die Geschichte ist verknüpft mit gesellschaftlich-politisch wichtigen Ereignissen, die Italien in dieser Zeit bewegten. Mafiöse Strukturen, Terrorismus und politische Machtkampf mit unmittelbarer Beteiligung der Figuren spielen ebenso wie das Erdbeben 1980 in der Irpinia eine wichtige Rolle für die Geschichte.
Im Vordergrund steht, wie bereits in allen drei Vorgängerbänden, die Freundschaft der beiden Frauen Elena und Lila, die geprägt ist vom Schwanken zwischen Liebe und Hass, Manipulation und der Hoffnung Elenas nach Ruhe und Frieden. Ohne Erfüllung bleiben oft nach wie vor die Erwartungen auf der Strecke. Nie öffnen sich die beiden Freundinnen bedingungslos, immer schwingt ein Geheimnis in der vermeintlichen Vertrautheit mit und am Ende steht häufig Frustration und Enttäuschung.

Wie schon der erste Band ist auch der Abschluss der Saga eine Hommage an Neapel, besonders an sein altes Viertel mit Blick auf den Vesuv. Das Buch lockt, dorthin zu reisen und sich die Stadt mit eigenen Augen anzusehen, und auch wenn eine neue Stufe der Gewalt und des Verbrechens gegenüber Band eins deutlich zu spüren ist, sprüht Elenas und Lilas Liebe zu ihrer Heimatstadt aus dem Text.

Mir hat dieser letzte Band sehr gut gefallen, und auch wenn ich zugegebenermaßen beim Zuklappen des Buches zunächst froh war, dass mein Lesemarathon des gesamten monumentales Werkes zum Ende gekommen war, ist es mit etwas Abstand betrachtet eine wirklich fesselnde und großartige Geschichte zweier Frauen und ihrer Entwicklung, die im Band vier perfekt zum Abschluss gebracht wird und die insgesamt sehr lesenswert ist.

Veröffentlicht am 02.01.2018

Düster und spannend

Die Eishexe
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Im Buch „Die Eishexe“, dem zehnten Band der Reihe um den Ermittler Patrick Hedström und seine Frau Erica Falck, zieht die schwedische Bestseller-Autorin Camilla Läckberg neue Register.
Sie verknüpft geschickt ...

Im Buch „Die Eishexe“, dem zehnten Band der Reihe um den Ermittler Patrick Hedström und seine Frau Erica Falck, zieht die schwedische Bestseller-Autorin Camilla Läckberg neue Register.
Sie verknüpft geschickt einen aktuellen Fall und dessen Ermittlungen mit einem dreißig Jahre zurückliegendem Mord und mit einer Hexenjagd aus dem 17. Jahrhundert.

Ein kleines Mädchen, die vierjährige Linnea Berg, wird vermisst und kurze Zeit darauf tot aufgefunden. Beängstigende Parallelen zu einem dreißig Jahre zurückliegendem Mordfall tun sich auf, die entweder auf denselben Täter oder eine Nachahmung schließen lassen. Damals war ebenfalls ein kleines Mädchen, die vier Jahre alte Stella, verschwunden und ermordet aufgefunden worden, und es wurde nie zufriedenstellend geklärt, was genau damals vorgefallen war.
Parallel dazu verfolgt man beim Lesen eine alte Geschichte aus dem 17.Jahrhundert, aus der Zeit der Hexenverfolgungen in der Gegend von Fjällbacka, die ihre Spuren bis in die Gegenwart auszustrecken scheint.
Erika Falck, die bekannte Schriftstellerin, arbeitet gerade an einem Buchprojekt, das sich mit dem alten Mordfall an der kleinen Stella Strand auseinandersetzt. In bekannter und sehr lesenswerter Manier unterstützt sie die polizeilichen Ermittler aus Tanum bei ihren Nachforschungen mit kühlem kriminalistisch spitzfindigem und sehr menschlichem Blick.
Ebenso mit von der Partie sind syrische Flüchtlinge, die am Rand von Tanum, ausgegrenzt vom sozialen Leben, eine Unterkunft gefunden haben, die ihnen leider keine Sicherheit bietet. Die Anfeindungen nehmen zu, die Situation eskaliert und die Polizei von Tanum hat mehr als alle Hände voll zu tun.

Lieb gewonnenen Protagonisten aus vorherigen Bänden mit ihren sozialen Verbindungen, ihren Ecken und Kanten, begegnet man auch in diesem Band wieder. Neben den Ermittlern aus Tanum und ihren Familien kommen neue Personen dazu, die mit dem aktuellen Fall und dem alten Kindermord verknüpft sind. Das für mich große Vergnügen beim Lesen besteht eben darin, dass Charaktere nicht nur als gehetzte Polizisten oder klischeehafte Bösewichte auftreten und ihre Rolle spielen, sondern dass es viele Grautöne gibt, dass die Geschichte nicht ausschließlich von Spannung der Krimihandlung sondern auch von den sehr persönlichen Hintergründen zu den Charakteren lebt. Liebevoll und dreidimensional sind die Figuren gezeichnet, lebensecht und glaubhaft. Auch im Scheitern und bei den Tätern findet man glaubhafte und eindringliche Beschreibungen der Personen und ihrer Beweggründe. Genau das ist es, was mir an den Läckberg-Krimis so gut gefällt und was sie zu etwas Besonderem macht.

Ein wirkungsvoll und gut eingearbeiteter Aspekt ist die aktuelle Flüchtlingssituation. Am Ortsrand von Tanum, unverstanden und sozial ausgegrenzt, sind arabische Familien untergebracht, die in die Handlung geschickt integriert werden. Die Autorin betrachtet Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln, so auch aus dem der beiden syrischen Jugendlichen Khalil und Adnan oder dem Familienvater Karim, die auf der Suche nach einer neuen Heimat durch die Geschehnisse stolpern, angefeindet werden, auf Feindschaft und auf Hilfsbereitschaft gleichermaßen stoßen. Es wirkt sehr natürlich und in keiner Weise zu sehr gewollt, wie mit der Thematik im Buch umgegangen wird.

Die Geschichte spielt auf verschiedenen Zeitebenen. Neben dem gegenwärtigen Mord an der kleinen Linnea wird von Ermittlungen von vor 30 Jahren zum Mord an der vierjährigen Stella erzählt. Zusätzlich springt man in die Vergangenheit ins 17. Jahrhundert zur Geschichte über eine Hexenjagd, die mit einem Fluch mit Bezug zur Gegenwart endet.
Die Zeitebenen sind recht gut auseinanderzuhalten, und mit aufmerksamen Lesen kommt man auch mit den viele Charakteren klar. Allerdings wäre ein Personenverzeichnis für Neulinge der Reihe sicher hilfreich.

Was mich an dem Roman gestört hat sind zum einen Wiederholungen, die manchmal sogar im darauffolgenden Satz zum selben Sachverhalt, einfach mit anderen Worten, gemacht wurden. Oder Wiederholungen innerhalb der Geschichte mit Bezug auf vorangegangene Handlungen, so als müsste für den Leser nochmal kurz zusammengefasst werden, was 50 Seiten zuvor passiert war. Dadurch zog sich für mich teilweise dass Geschehen zu sehr , hier hätte dem Buch ein strafferes Lektorat sicher gut getan.
Zum zweiten war ich ein klein wenig enttäuscht vom letzten Teil des Buches. Ein kurzer und richtig böser showdown, eine für mich nicht ganz zufrieden stellende Aufklärung des aktuellen und alten Falles, und ganz zum Schluss zieht schnell wieder eitel Sonnenschein ein, fast als dürfte das friedliche und beschauliche Leben trotz großer Katastrophen keinen wirklichen Kratzer bekommen.

Insgesamt sehe ich das Buch als sehr lesenswerten Roman, dem ein wenig Straffung sicher ganz gut getan hätte, ich vergebe 3 Sterne dafür.

Veröffentlicht am 02.01.2018

Eindringlich und erschutternd

Mudbound – Die Tränen von Mississippi
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Eine Südstaatengeschichte, deren Verfilmung bereits Furore macht und eine hochkarätige Riege von Sprechern - das hat mich sehr neugierig gemacht, und ich wurde nicht enttäuscht von der deutschen Hörbuch-Version ...

Eine Südstaatengeschichte, deren Verfilmung bereits Furore macht und eine hochkarätige Riege von Sprechern - das hat mich sehr neugierig gemacht, und ich wurde nicht enttäuscht von der deutschen Hörbuch-Version von „Mubound. Die Tränen von Mississippi“ der Autorin Hillary Jordan. Es ist eine ergreifende, mitreißende, spannende und interessante Geschichte zweier Familien in den Südstaaten der USA nach dem 2.Weltkrieg, die von sechs Sprechern aus dem jeweiligen Blickwinkel eines der sechs Protagonisten des Romanes eindringlich und absolut passend gelesen wird.

Kurz nach Kriegsende folgt die liberal erzogene Südstaatlerin Laura McAllan ihrem Ehemann Henry auf eine Baumwollplantage in Mississippi, die weit von ihrer gewohnten städtischen Umgebung entfernt ist, und auch noch mit extrem rückständigen Wohnverhältnissen aufwartet. Begleitet von ihren beiden geliebten Töchtern und dem rassistischen, bösartigen Schwiegervater richtet sie sich mehr schlecht als recht ein, wohingegen ihr Mann Henry als Farmer förmlich in seiner Aufgabe aufblüht.
Wie damals in den Südstaaten auf den Baumwollplantagen üblich hat die weiße Farmerfamilie McAllen Pächter, die sie auf den Feldern unterstützen und einen Teil ihres Ertrages an den Eigentümer abtreten müssen. Eine davon ist die schwarze Familie Jackson, die unermüdlich dafür arbeitet und kämpft, sich ein eigenes Stück Land leisten zu können. Dafür arbeitet Hap Jackson gemeinsam mit seinen Kindern auf den Feldern für die McAllens und Florence, seine Frau, unterstützt Laura McAllan im Haushalt. Der Schmutz, der anstrengende und unsichere Alltag des Landlebens, die Engstirnigkeit der Umgebung und ein Unglücksfall schaffen eine angespannte Situation, in die die beiden Kriegsheimkehrer Ronsel Jackson und Jamie McAllen kommen. Alte und neue Wunden brechen auf, und nicht zuletzt wegen der missgünstigen und rassistischen Umgebung eskaliert letztlich alles.

Das Hörbuch bietet einen ungewohnten Blickwinkel, nämlich nicht entweder den der armen schwarzen oder einer armen weißen Familie in den Südstaaten, sondern widmet sich ausdrücklich den Berührungspunkten, an denen beide Familien verknüpft sind. Das ist die willensstarke, stolze und eindrucksvolle schwarze Florence, die als Haushaltshilfe der gütigen Laura McAllan zur Hand geht. Obwohl beide in ihren jeweiligen Rollen gefangen sind, schreiten sie an die Ihnen zugedachten Grenzen und widersetzen sich bis zu einem gewissen Grad den Rassengesetzen, indem sie fast so etwas wie Vertrautheit und Achtsamkeit füreinander empfinden.
Einen Schritt weiter gehen Ronsel Jackson, Florences Sohn und Kriegsheimkehrer, und Lauras Schwager Jamie McAllan, ebenfalls Kriegsheimkehrer, die sich beim Trinken gegen die Dämonen, die sie aus dem Krieg mitbrachten, anfreunden und dabei ziemlich offen gegen die Rassengesetze und den „guten Ton“ im Baumwollpflückerland rebellieren.
Auch dem Leid und der Schuld, die die beiden Familien verbinden, widmet sich die Autorin in ihrem eindrucksvollem Debüt, nämlich als der konservative Süden zuschlägt und Ausgrenzung, Hass und Tod über die Familien bringt.

Neben der eigentlichen Geschichte bietet das Buch Einblick in die verheerenden damaligen Zustände in den Südstaaten der USA. Heute unvorstellbar, damals Alltag, dem keiner ohne Strafe entfliehen konnte, wird von der strikten Trennung Schwarz und Weiß berichtet, die vielerorts im Süden nicht nur gesetzlich verankert war, sondern gesetzeswidrig aber dennoch geduldet durch die fürchterlichen Greueltaten des Klu-Klux-Klan durchgesetzt wurde. Durch die Nähe, die die Autorin zu den Personen schafft, und die auch die Sprecher gekonnt transportieren, bekommt dieser Aspekt des Buches eine besonders abartige und grausame Komponente. Da ist zum Beispiel der schwarze Ronsel Jackson, der für die Weißen im 2. Weltkrieg kämpfte, viele Auszeichnungen gemeinsam mit seiner schwarzen Panzerdivision bekam, aber dennoch nach seiner Heimkehr von weißen Rassisten wie Abschaum behandelt wird und einer hohen gesetzlich begründeten Gefängnisstrafe ins Auge sieht, weil er im Krieg ein weißes deutsches Mädchen liebte.

Es ist erstaunlich, wie es die Autorin schafft, aus einem recht friedlichen Anfang eine Geschichte voller Qualen aufzubauen. Geschickt verknüpft sie die Gegenwart mit ein paar eingestreuten Rückblicken, wechselt die Orte von der Farm in Mississippi in einen Panzer oder ein Flugzeug mitten im Kriegsgebiet Europa und lässt die verschiedenen Protagonisten ihren Blickwinkel der Geschichte erzählen, ohne dabei den Faden zu verlieren.
Es ist großartig, wie dadurch Spannung aufgebaut wird, so dass ich fast erbarmungslos getrieben wurde, weiter zu hören.

Das Hörbuch hat mir ausgezeichnet gefallen, es hat mich gefesselt und erschüttert durch die Geschichte selbst und durch die sehr gekonnte Umsetzung. Ich vergebe begeisterte fünf Sterne.

Veröffentlicht am 30.10.2017

Cleverer Spionagethriller

Der Preis, den man zahlt
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Ein abgebrühter Geheimagent in den Wirren des spanischen Bürgerkrieges 1936, ein Auftrag, hinter dem sich ein unglaubliches politisches Komplott verbirgt und Sucht nach dem Leben und der Liebe sind die ...

Ein abgebrühter Geheimagent in den Wirren des spanischen Bürgerkrieges 1936, ein Auftrag, hinter dem sich ein unglaubliches politisches Komplott verbirgt und Sucht nach dem Leben und der Liebe sind die Zutaten zu diesem Agentenroman, der ein bisschen an Film-noir-Klassiker mit kettenrauchenden melancholischen einsamen Wölfen, schönen Frauen in mehr oder weniger heruntergekommenen Hotelbars und ständig lauernder Gefahr erinnert.

Der Autor Arturo Perez-Reverte bietet in seinem Roman „Der Preis, den man zahlt“ eine äußerst spannende und gekonnte Mischung aus Agententhriller und Historienroman. Er erzählt eine verstrickte und abgründige Geschichte und wird in meinen Augen völlig zu recht als Umberto Eco in Steven-King-Manier gelobt.
Natürlich sollte man bei solch einem Buch keine ganz große Literatur mit tiefschürfenden Einblicken in die Seelen der Charaktere erwarten, und das versucht das Buch auch nicht zu sein. Es ist ein sehr gut geschriebener, fesselnder Spannungsroman vor dem hochinteressantem historischen Hintergrund der Bürgerkrieges in Spanien 1936 zwischen den militärischen Putschisten und Falangisten auf der einen und den Kommunisten und Anarchisten auf der anderen Seite, der mit Blick auf den mit allen Wassern gewaschenen Agent Lorenzo Falcó eine Geschichte von Gewissenlosigkeit, Loyalität und Menschlichkeit am Rande des Abgrundes erzählt, von politischer Leidenschaft und Opferbereitschaft und davon, wie Menschen letztlich nur Figuren auf dem großen Spielbrett beim Kampf um die Macht sind.

Die auf wahren Ereignissen basierende Geschichte begleitet Lorenzo Falcó, den Agenten einer Spezialeinheit des Franco-Geheimdienstes SNIO, während eines Auftrages hinter den feindlichen Linien in der Gegend um Cartagena. Er soll organisieren, den Falangisten-Führer José Antonio Primo de Rivera aus dem Gefängnis in Alcante zu befreien. Falcó scheint genau der Richtige für den Job zu sein, mit allen Wassern gewaschen, ein ehemaliger Waffenhändler, berechnender Frauenheld und zwiespältiger Charakter, der den Kick der Gefahr braucht und sich nahe am Abgrund bewegt.
Doch nichts ist wie es scheint, Falcó gerät zwischen die Fronten und Interessen der Machtrangeleien zwischen der Republik, Franco-Anhängern und Falangisten und damit in sehr große Gefahr. Letztlich muss er erstmals eigene Entscheidungen treffen, um eine Chance auf sein Überleben zu haben in dieser düsteren und hoffnungslosen Welt.

Der Autor Arturo Perez-Reverte schreibt in klarer und sehr gut lesbarer Sprache, schon die Eröffnungssequenz setzt ein hohes Niveau in Anlehnung an das hohe Tempo alter James-Bond Geschichten, das allerdings im weiteren Verlauf nicht ganz gehalten werden kann. Die düsteren und knappen Dialoge unterstreichen die Stimmung sehr gut, vermitteln ein Gefühl für den abgehalfterten Lebensstil und die Abgebrühtheit von Falcó, dem ein bisschen mehr Verwundbarkeit und Melancholie als Charakter sehr gut getan hätte, um in Philip-Marlowe Manier letztlich mit dunklem Blick auf die Scherben der Ereignisse und der Welt zu schauen.

Der Autor Arturo Perez-Reverte (geboren 1951 in Cartagena), Autor des Weltbestsellers „Der Club Dumas“ ist einer der erfolgreichsten Autoren Spaniens. Er arbeitete 21 Jahre als Kriegsreporter, seine Romane sind in viele Sprachen übersetzt.