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Veröffentlicht am 17.04.2017

Gemütlicher Krimi aus Amsterdam

Der Tote im fremden Mantel
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Ich bin Neuling in der erfolgreichen und gelobten Krimireihe um den Hobbydetektiv Pieter Posthumus vom Autorenduo Britta Bolt. Beim Hoffmann und Campe Verlag erschien im März 2017 der dritte Teil "Der ...

Ich bin Neuling in der erfolgreichen und gelobten Krimireihe um den Hobbydetektiv Pieter Posthumus vom Autorenduo Britta Bolt. Beim Hoffmann und Campe Verlag erschien im März 2017 der dritte Teil "Der Tote im fremden Mantel", ein beschaulicher und solider Krimi, den man hervorragend ohne Vorkenntnisse der Vorgängerbände lesen kann.

Was haben ein einsamer toter Junkie in einem teuren Kamelhaarmantel, eine globale Energiekonferenz in Amsterdam und ein ehemaliger Hausbesetzer miteinander zu tun?
Pieter Posthumus arbeitet für die Stadtverwaltung Amsterdam im "Büro der einsamen Toten", wo er sich voller Hingabe um die würdige Bestattung von unbekannten oder in Einsamkeit gestorbenen Menschen kümmert. Ein toter Junkie in einem viel zu teuren Mantel landet bei ihm, und als Pieter in der Innentasche des Mantels die Visitenkarte eines Teilnehmers der Energiekonferenz "Earth 2050" findet, der kurz zuvor überfallen wurde und später ebenfalls stirbt, ist sein Interesse geweckt und er beginnt in Sherlock-Holmes-Manier zu ermitteln.
Er stochert bei seinen Untersuchungen in ideologischen und persönlichen Motiven, kreuzt die eigene Vergangenheit in Form von Hausbesetzerfreunden, die als Demonstranten gegen die Energiekonferenz agieren und nicht ganz unschuldig erscheinen, und gerät in Konflikt mit dem organisierten Verbrechen im Amsterdamer Rotlicht-Milieu.

Die Geschichte entwickelt nur sehr langsam Spannung, viel Raum nehmen die gemütliche Amsterdamer Lebensart, der persönliche Bereich von Pieter und sein Alltag ein. Es ist angenehm und schön, gemeinsam mit ihm in seiner Wohnung an der Kracht zu frühstücken, mit der Fahrrad und Schirm in der Hand auf den Markt zu fahren, seine Freunde abends in der Kneipe "Dolle Hond" kennenzulernen, ohne dass der Text dabei zu beschaulich und langweilig wird.
Man erfährt beim Lesen auch als Serienneuling genug background, um sich ein Bild von den vielen Charakteren und den schönen Nebenschauplätzen machen zu können, ohne überfordert zu sein. Genießerisch berichtet die Geschichte von den vielen gemütlichen Ecken Amsterdams, von der Freundschaft und Verbundenheit in Quartierskneipen und von der Freude, frisch auf dem Markt gekauftes zu kochen und zu genießen. Man wird sehr schnell warm mit den Figuren und dem Umfeld, fühlt sich beim Lesen wohl und integriert.

Die Krimihandlung nimmt viel Raum im Buch ein und entwickelt gegen Ende der Geschichte auch eine Brutalität, die mir allerdings wie ein kleiner störender Gegenstand vorkam. Spannung wird anfangs sehr langsam aufgebaut, es gibt viele Nebenschauplätze und Verwicklungen, denen der Faden folgt. Dadurch verzettelt sich der Krimiteil der Handlung leider etwas zu sehr.
Am Ende hingegen stürmt der Fall mit ziemlich brutalen Details in Hochgeschwindigkeit zur Auflösung. Das passt in meinen Augen nicht sehr gut zum Rest des Buches, in dem Pieter Posthumus viele winkelige und verschlungene Wege geht und nicht geradewegs auf das Ziel losrennt.

Nach den Rezensionen zu den vorangegangenen Bänden hatte ich mir mehr Handlung zu Pieters Arbeit als Organisator von Bestattungen in seinem Amt für Katastrophenschutz und Bestattungen erhofft. Das wird im vorliegenden Band wenig berührt, was ich ein wenig schade finde.
Andererseits ist es für mich jetzt fast Pflicht, die beiden hochgelobten Vorgängerbände der Reihe zu lesen.

Fazit
Das Buch ist eine solide Kriminalgeschichte mit vielen Nebenschauplätzen und Charakteren, die eine angenehm zu lesende Hommage an die Stadt Amsterdam und die holländische Lebensart bietet, ohne hausbacken zu sein. Für Liebhaber von Regionalkrimis ein lesenswertes Buch, für hartgesottene Krimifans dürfte die Handlung allerdings zu wenig Spannung bieten.

Veröffentlicht am 17.04.2017

Spanische Telenovela

Wenn ich jetzt nicht gehe
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Das Buch "Wenn ich jetzt nicht gehe" erzählt die abenteuerliche Geschichte eines armen Spaniers, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit seinen zwei kleinen Kindern nach Mexiko auswandert, dort ...

Das Buch "Wenn ich jetzt nicht gehe" erzählt die abenteuerliche Geschichte eines armen Spaniers, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit seinen zwei kleinen Kindern nach Mexiko auswandert, dort durch Wagemut und Fleiß sein Glück macht, alles verliert und dann verzweifelt versucht, seine Familie und sein Ansehen zu retten. Das Werk der Autorin María Duñas wurde in Spanien beim Erscheinen mit großer Begeisterung aufgenommen. Es hat vieles, was einen guten und wahrhaft mitreißenden Roman ausmacht: eine spannende, tragische Familiengeschichte mit vielen Geheimnissen und Intrigen, eine junge unabhängige Republik, die sich von der Kolonialmacht losgerissen hat und im politischen Umbruch steht, ein wagemutiger Unternehmer und Abenteurer, der nach seinem tiefen Absturz erneut bereit ist, alles auf eine Karte zu setzen. Der Held, Silberminen-Betreiber Mauro Larrea, ist verwegen ohne ruchlos zu erscheinen, stellt den Schutz seiner Kinder vor sein eigenes Wohlergehen und scheut nicht davor zurück, alles hinter sich zu lassen und den Ozean zu überqueren, um seinen Ruf zu wahren und die Geschäfte wieder zum Laufen zu bringen. Schöne Frauen begleiten den Witwer, als er auf Kuba landet und auch später in Spanien stiften sie Verwirrung und stellen seine Bemühungen und sein Leben gehörig auf den Kopf. Ich mag Abenteuerromane sehr gerne, besonders solche, die vor einem gut recherchierten historischen Hintergrund angelegt sind. Doch trotz des großartigen Settings und der Wirrungen, in die Larrea gerät, hat der Roman in meinen Augen das Flair einer Telenovela, die zudem ständig wiederholt, zusammenfasst und hinterfragt, was passierte. Dadurch leidet die Spannung enorm und die wirklich hervorragende Idee der Geschichte gerät nach einem guten ersten Teil, der in Mexiko und auf Kuba handelt, zum seichten Abklatsch einer Vorabendserie. Irgendwann verdreht man beim Lesen die Augen, wenn Larrea nach vielen Rückschlägen endlich sein Ziel vor Augen hat - gutgekleidet übrigens, auch das ist wesentlich für den Roman - und die nächste Schwierigkeit völlig unerwartet auftaucht. Leider wird das von der Autorin sehr genüsslich ausgereizt, und die Geschichte mit den überbordenden schicksalshaften Wendungen wirkt dann nur noch unglaubwürdig. Die handelnden Charaktere wirken im zweiten Teil hölzern, es interessiert mich nach der x-ten Beschreibung wirklich nicht mehr, wie lang die Arme der Angebeteten sind oder welches wundervolle Kleid sie trägt, während sie um die nächste Ecke zum nächsten Schicksalsschlag schreitet. Die Geheimnisse, die die Figuren mit sich herumtragen, bleiben leider auch vor dem Leser zu lange geheim und man wird nicht warm mit ihnen. Innere Nabelschau betreibt der Held Larrea, der im ersten Teil ganz dicht und glaubhaft beim Leser agiert, im zweiten Romanteil durch fiktive Gespräche mit seinem Freund in Mexiko, ein durchaus interessantes Stilmittel, wenn es nicht überreizt wird. Ich denke, dass es begeisterte Leser(innen) gibt, die Geschichten über aufopferungsvolles männliches Handeln für leidenschaftliche und geheimnisvolle Frauen lieben, aber ich gehöre nicht dazu, weshalb mich der Roman leider nicht erreicht hat. Deshalb gibt es von mir 3 Sterne.

Veröffentlicht am 17.04.2017

Fast ein Kunstkrimi

Das letzte Bild der Sara de Vos
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Schicht für Schicht, wie bei einem Gemälde, baut der Autor des Buches "Das letzte Bild der Sara de Vos" seine Geschichte auf. Oft hat man das angenehme Gefühl, dass jedes Wort sitzt, wie die perfekten ...

Schicht für Schicht, wie bei einem Gemälde, baut der Autor des Buches "Das letzte Bild der Sara de Vos" seine Geschichte auf. Oft hat man das angenehme Gefühl, dass jedes Wort sitzt, wie die perfekten Pinselstriche bei einem Meisterwerk.
Man merkt nichts davon, dass es sich um das erste Buch von Dominic Smith handelt, so sprachlich ausgefeilt wie er schreibt und so leicht, wie er dem Leser die ungewöhnlichen Verwicklungen ohne Hast nahebringt.

Die Romanfigur, die Malerin des Goldenen Zeitalters der Niederlande Sara de Vos hat reale Vorbilder, denen das Buch huldigt. Zwei Frauen (Sara an Baalbergen und Judith Leyster), die als Malerinnen versuchten, in der von Männern beherrschten Kunstszene des 17. Jahrhunderts Fuß zu fassen, sind die Künstlerinnen, auf deren Leben es im Buch Hinweise durch die fiktive Sara gibt.
Sara de Vos muss sich nach dem frühen Pesttod ihrer Tochter allein durchs Leben kämpfen und schafft dies trotz vieler Widrigkeiten durch ihre Malerei.

Allerdings spielt das Buch nicht ausschließlich in der Vergangenheit. In der Gegenwart begegnet man der Kunstprofessorin Ellie, sie ist Spezialistin für das Goldene Zeitalter und in den 1950er Jahren in New York und im Jahr 2000 in Sydney eng mit dem Gemälde "Am Saum eines Waldes" von Sara de Vos verbunden.
In New York wurde das jahrhundertelang in Familienbesitz der Familie de Groot befindliche Meisterwerk gestohlen und durch eine Fälschung ersetzt, in Sydney soll es mit Ellie als Kuratorin ausgestellt werden, wobei plötzlich zwei Gemälde auftauchen.
Anders als erwartet und sehr passend findet die Geschichte sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart zu einem schlüssigen Ende.

Es ist ein sprachlich ausgefeiltes, ruhig erzähltes Buch, das durch die Geschichte selbst viel Spannung erzeugt und das ich in sehr kurzer Zeit gelesen habe.
Die Figuren der Malerin Sara im Goldenen Zeitalter und der Kunstkennerin Ellie in der Gegenwart sind mir beim Lesen sehr nahe und greifbar gewesen. Beide verbindet der Kampf, sich in der Kunstszene behaupten zu müssen, und das tun sie beide mit großer Bewusstheit über ihr Können, was letztlich mehr oder weniger erfolgreich ist. Das vermag der Autor beim Lesen zu vermitteln, ohne feministisch-kämpferisch den Zeigefinger zu erheben.

In jedem Zeitabschnitt, den der Roman streift, wird man als Leser an Nebenschauplätze entführt, die alles sehr rund machen.
Im 17.Jahrhundert ist dies zum Beispiel ein Gefühl für die Lebensart in Amsterdam und auf den Landsitzen, die alles beherrschenden Gilden und ihre Macht.
In den 50er Jahren in New York treibt man sich zusammen mit Ellie unter anderem in kleinen Jazzclubs herum.
Nebenbei erfährt man von der Pingeligkeit der Arbeit eines Kunstfälschers und von den modernen Methoden zur Aufdeckung von Fälschungen, alles sehr passend mit der Geschichte verwoben.

Fazit
Der Roman hat für mich alles, was ein wirklich gutes Buch braucht und erzählt noch dazu eine sehr ungewöhnliche Geschichte auf ruhige, unvorhersehbare Art. Unbedingt lesen, es lohnt sich wirklich.

Das Buch wurde übrigens preisgekrönt als "Fiction Indie Book of the Year" 2017 in Australien.

Veröffentlicht am 17.04.2017

Weise, berührend und bedrückend

Das Leben wartet nicht
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Unaufgeregt erzählt der preisgekrönte Roman "Das Leben wartet nicht" von Marco Balzano von der Flucht des Kindes Ninetto aus dem bitterarmen italienischen Süden nach Mailand in den 1950er Jahren und schlägt ...

Unaufgeregt erzählt der preisgekrönte Roman "Das Leben wartet nicht" von Marco Balzano von der Flucht des Kindes Ninetto aus dem bitterarmen italienischen Süden nach Mailand in den 1950er Jahren und schlägt damit einen überaus aktuellen Bogen zur heutigen Flüchtlingssituation.
Die Geschichte selbst könnte eine moderne Oliver-Twist-Variation sein, die sprachlich unglaublich nah am Geschehen geschrieben ist und den Leser dabei fast einbezieht.

Ninetto ist neun, als er sich nur in Begleitung eines Familienfreundes aus dem sizilianischen Dorf San Cono in das Dickicht der norditalienischen Stadt Mailand aufmacht, um für seinen Lebensunterhalt sorgen zu können.
Die Bilder der Armut seiner lieblosen Kindheit in Sizilien, das Leben in engen Wohnblocks bei seiner Ankunft in Mailand, die ihn an einen Bienenstock erinnern, seine große Liebe zu dem Mädchen Maddalena aus der Backfabrik, die er mit nur 15 Jahren heiratet und die immer die Liebe seines Lebens ist, erzählt Ninè rückblickend.

"Das wahre Leben war für mich meine armselige Kindheit, die Emigration nach Mailand und das Überleben in diesen schwierigen Jahren. Mit dem Eintritt in die Fabrik hatte ich zwar ein geregeltes Einkommen, aber ich bin in einen dunklen Tunnel geraten."
(Seite 217)

Ninè, der in jungen Jahren dem Glück und dem Leben nachjagte, hat das Leben im Prinzip verpasst. Nach seiner Ankunft in Mailand aus der sizilianischen Armut, beschimpft als Hungerleider oder "Napulì" findet er tatsächlich Arbeit, kann dem Bienenstock entkommen und lernt seine Liebste kennen. Doch dann zerrinnt ihm das Glück wieder zwischen den Fingern bei trister Fabrikarbeit bei Alfa Romeo und er landet wegen eines schlimmen Fehlers letztlich für 10 Jahre im Gefängnis.
Fünfzig Jahre später blickt er zurück und nach vorn, sieht, dass sich für sein Glück nichts verändert hat und das Leben ohne ihn weiterging und weitergeht. Er lebt immer noch in einer Mietskaserne in Mailand, allerdings inzwischen umgeben von anderen Gesichtern der Flucht. Nur durch seine kleine Enkelin Lisa könnte er etwas Glück finden, doch der Weg für ihn dorthin ist weit und steinig.

"...die Nähe zwischen uns war verloren, und das Leben drängte sie weiter."
(Seite 243)

Völlig unverblümt führt Ninetto als Ich-Erzähler durch die verschiedenen Zeitebenen der Geschichte, die mit seiner Entlassung aus dem Gefängnis beginnt. Er lässt seine Gedanken laufen, wodurch viele Brüche und Sprünge entstehen, die seine Erzählung sehr lebendig und authentisch wirken lassen. Er bezieht den Leser dadurch ein und man fühlt sich von ihm mitgenommen.

"Man kann nicht auf jeden Zug aufspringen, einige muss man verpassen, andere fahren lassen und sich damit abfinden."
(Seite 142)

Auf der Jagd nach dem Leben und auf der Flucht vor der Melancholie und Depression blitzt viel Witz durch die einzelnen Passagen, der nie in Zynismus mündet. Ninè kommt mit den neuen Anforderungen den Lebens nach seinem Gefängnisaufenthalt nicht gut zurecht, er ist ein Aussortierter, der auf der Suche nach Arbeit bereits am Ausfüllen von Computerformularen für den Euro-CV scheitert.
Gemeinsam mit ihm lächelt man mit einer Träne im Auge beim Lesen über die Absonderlichkeiten, die die moderne Welt hervorbringt.

"Sich zu erinnern ist schöner als zu leben, denke ich..."
(Seite 143)

Schlimm, dass er sich im Gefängnis geborgener und beschützter fühlte als draußen in der Welt der Suche und des Hastens. Eigentlich hätte Ninetto mit seinem forschen und anpackenden Wesen das Leben bei den Hörnern packen und viel erreichen können, doch die Tristheit der Fabrikarbeit, seine Schwermut und sein Bruch mit der Familie durch seine Eifersucht bremsen ihn und lassen ihn schließlich hinter dem Leben und dem Glück zurück. Er passt nicht mehr ins Schema, hat das Leben satt.
Erst als er es schafft, zu vertrauen und um Verzeihung zu bitten statt heimlich zu beobachten und sich zurückzuziehen ergibt sich für ihn ein Glücksmoment, der am Ende des Buches Hoffnung gibt.

"Es trennt uns, wenn Dinge passieren, die größer sind als wir, so ist das nun mal."
(Seite 257)

Marco Balzano ist ein Autor der leisen Töne. Diese über mehrere Generationen erzählte Familiengeschichte berührt, macht traurig und hat gleichzeitig viel Witz und Weisheit in sich.
Die Lebensgeschichte von Ninetto ist zugleich ein Teil der Geschichte Italiens des 20. Jahrhunderts mit der in den 1960er Jahren dort üblichen Kinderflucht.
Und man stellt sich am Ende die Frage, inwieweit man gegenüber den Lebensumständen machtlos ist oder ob man das Glück des Lebens selbst in die Hand nehmen kann.
Völlig zu recht würde der Roman ausgezeichnet mit dem regionalen Literaturpreis "Premio Campiello".

Veröffentlicht am 17.04.2017

Dritter Fall für Cormoran Strike

Die Ernte des Bösen
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J.K. Rowling hat mit dem Krimi "Die Ernte des Bösen" den dritten Band um ihren Privatdetektiv Cormoran Strike und seine Assistentin Robin Ellacot unter dem Pseudonym Robert Galbraith veröffentlicht. Nach ...

J.K. Rowling hat mit dem Krimi "Die Ernte des Bösen" den dritten Band um ihren Privatdetektiv Cormoran Strike und seine Assistentin Robin Ellacot unter dem Pseudonym Robert Galbraith veröffentlicht. Nach den ersten beiden Bänden wird der Ton und die Gangart härter gegenüber den satirischen Blicken auf die Modeszene in "Ruf des Kuckucks" und auf den Literaturbetrieb in "Der Seidenspinner", die allerdings auch schon nicht für zarte Seelen geschrieben waren.

Fasziniert von menschlichen Abgründen böser Seelen rollt die Autorin die Geschichte um einen monströsen Killer und Serienmörder auf, er mit seinen Taten diesmal direkt auf den ehemaligen Militärpolizisten und Privatermittler Cormoran Strike abzielt.
Robin Ellacot bekommt ein Paket mit einem abgetrennten Frauenbein geschickt, amputiert an genau der Stelle, an der Cormoran in Afghanistan sein verwundetes Bein amputiert wurde. Mögliche Verdächtige gibt es genügend, sein Stiefvater- ein ehemaliger Rockstar, den Cormoran für den Mörder seiner Mutter hält, und zwei wegen Gewalttaten unehrenhaft aus der Armee entlassene Soldaten, Männer mit psychopathischen Zügen. Sie alle hassen Strike und haben auch allen Grund dazu, was beim Aufrollen der Vergangenheit des Privatdetektivs klar wird.

Das sympathische Duo Strike und Ellacot ermittelt traditionell durch Befragungen und Recherchen, bei denen man sehr gut miträtseln kann. Diese Passagen lesen sich gut, aber dennoch vermisse ich hier ein klein wenig den angestaubten Charme, den die ersten beiden Bände transportierten.
Zwischendurch gibt es Blicke durch die Augen des Killers, die grausam und verabscheuungswürdig sind. Natürlich herrscht hier weit mehr Spannung als bei althergebrachter Detektivarbeit, aber auf ein paar Details hätte ich sehr gut verzichten können.

Einen großen Teil des Romanes nehmen private Angelegenheiten von Cormoran und Robin ein, da letztere sich verheiraten möchte und ihre manchmal vor erotischer Spannung knisternde Beziehung zu ihrem massigen und kettenrauchenden Chef überdenkt. Die Autorin bedient hier leider wenig subtil das Klischee, dass Robins zukünftiger Ehemann Matthew nicht der ideale Partner für sie zu sein scheint, und auch Cormoran stolpert gedanklich häufig über den Neubeginn einer Beziehung und über seine Gefühle gegenüber seiner Sekretärin Robin.
Dadurch rückt der eigentliche Fall etwas in den Hintergrund, erst im letzten Drittel drängt die Autorin mit voller Kraft und Spannung in Richtung Aufklärung des geheimnisvollen Ansatzes ihres Krimis.

Der Privatdetektiv Cormoran Strike mit seiner Vergangenheit und den vielen Ecken und Kanten ist eine interessante und streitbare Figur, die den Roman beherrscht und schlauer als die polizeilichen Ermittler handelt. Die übrigen Charaktere könnten für meinen Geschmack lebendiger sein und weniger klischeehaft agieren. So sind Polizisten prinzipiell feindselig gegenüber privaten Ermittlern eingestellt und arbeiten gegen Strike, Studenten sind zu blind, um als Zeugen zu taugen oder überhaupt etwas bemerkt zu haben. Der Serienkiller ist ein abgründig böser und völlig asozialer Psychopath, der an einer für mich nicht nachvollziehbaren psychischen Störung der Sehnsucht nach Amputation leidet.

Die Autorin lässt, wie gewohnt, bis zum Ende alles offen, wer tatsächlich der Täter ist und verblüfft mit ihrer Lösung. Der Roman hat mich insgesamt gut unterhalten, auch wenn ich mir mehr vom gut konstruierten Fall und weniger von der Beziehung der beiden Protagonisten gewünscht hätte. Wer vor wirklich grausamen Killern nicht zurückschreckt, dem sei dieses Buch mit 3,5 Sternen empfohlen.