Profilbild von Krimine

Krimine

Lesejury Star
offline

Krimine ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Krimine über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.09.2019

Ein verstörender Kriminalfall

Der Kastanienmann
0

Im Oktober 1989 stolpert ein Polizist über eine Familie, die auf ihrem abgelegenen Bauernhof bestialisch ermordet wurde. Lediglich das 10-jährige Zwillingspaar hat das blutige Massaker überlebt, ist aber ...

Im Oktober 1989 stolpert ein Polizist über eine Familie, die auf ihrem abgelegenen Bauernhof bestialisch ermordet wurde. Lediglich das 10-jährige Zwillingspaar hat das blutige Massaker überlebt, ist aber durch die Ereignisse völlig verstört.
30 Jahre danach erschüttert eine Mordserie die Hauptstadt Dänemarks, deren Umstände merkwürdig sind. Neben seltsam verstümmelten Frauen finden die Ermittler an den Tatorten ein von Hand gefertigtes Kastanienmännchen vor, das den Fingerabdruck eines ermordeten Mädchens enthält. Doch was hat die vor einem Jahr verschwundene Tochter der bekannten Politikerin Rosa Hartung mit den getöteten Frauen zu tun und warum glaubt ihre Mutter, dass sie noch lebt, obwohl der Mörder längst hinter Gittern sitzt?

Der dänische Drehbuchautor Søren Sveistrup, der durch den mehrteiligen TV-Thriller „Kommissarin Lund: Das Verbrechen“ bekannt geworden ist, hat mit „Der Kastanienmann“ ein superspannendes Debüt verfasst, das kaum aus der Hand gelegt werden kann. Mit einem guten Gespür für menschliche Verhaltensweisen baut er eine Atmosphäre auf, die trotz banaler Alltagssituationen besorgniserregend ist. Dabei sind es vor allem sein bildhafter Schreibstil, der den Leser mitten in die wendungsreich erdachte Handlung zieht und der bis zum Schluss undurchsichtige und stellenweise sehr dramatische Verlauf, der niemanden ruhen lässt, bevor der Kriminalfall restlos aufgeklärt werden kann.

Das Ermittlerduo, bestehend aus der eigenwilligen und auf dem Absprung aus der Abteilung befindlichen Naia Thulin und dem in Ungnade gefallenen Europolermittler Mark Hess, bringt neben dem bizarren Fall, weitere Komplikationen in das aufwühlende Geschehen. Durch ihre völlig unterschiedlichen Ambitionen, bei der Ermittlung erfolgreich zu sein, dauert es einfach viel zu lange, bis diese sich zusammenraufen, um dann doch an einem Strang zu ziehen. Aber auch der gewährte Einblick in das Leben der Opfer oder die authentisch geschilderten Nebenfiguren, deren Handlungsweisen bisweilen nur schwer zu verstehenden sind, sorgen dafür, dass der zu klärende Fall vielschichtig und abwechslungsreich in Erscheinung tritt.

Fazit:
Ein interessanter, superspannender und sehr authentischer Thriller, der mit einem zutiefst verstörenden Kriminalfall fesselnde Lesestunden beschert.

Veröffentlicht am 22.09.2019

Ein sehr wendungsreicher und emotional mitreißender Harry-Hole-Krimi

Messer (Ein Harry-Hole-Krimi 12)
0

Der brillante Osloer Kommissar Harry Hole ist nach der Trennung von seiner Ehefrau Rakel und dem Verlust des Dozentenjobs an der Polizeihochschule nur noch ein Schatten seiner selbst. Lediglich einige ...

Der brillante Osloer Kommissar Harry Hole ist nach der Trennung von seiner Ehefrau Rakel und dem Verlust des Dozentenjobs an der Polizeihochschule nur noch ein Schatten seiner selbst. Lediglich einige der früheren Kollegen stehen ihm noch bei, während er viel zu oft in betäubende Alkoholexzesse versinkt. Doch an dem Tag, als er ohne Erinnerungen an die letzte durchzechte Nacht erwacht und das viele Blut an seiner Kleidung nicht erklären kann, wendet sich das Blatt. Denn er erfährt, dass Rakel ermordet worden ist und niemand weiß, von wem.

„Messer“ ist der 12. Fall für Harry Hole, der seinen inneren Dämonen erlegen ist und nur noch an unbedeutenden Fällen arbeiten darf. Eine Maßregelung, die dem genialen Ermittler überhaupt nicht passt. Vor allem, weil der gefährliche Sexualstraftäter und Serienmörder Svein Finne nach 20 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen worden ist und erneut seinen kranken Fantasien ausleben kann. Und plötzlich werden in Oslo Frauen missbraucht und umgebracht und niemand will den Zusammenhang zu dem entlassenen Psychopathen sehen.

Jo Nesbø besticht auch in Harry Holes neuem Fall mit einer gut erdachten Mordgeschichte und einem Ermittler, der einerseits genial und andererseits zum Scheitern verurteilt ist. Denn der von Harry Hole vehement geführte Kampf gegen den Alkohol scheint aussichtslos, weil sein unstetes Wesen und seine Sturheit hinderlich für dauerhafte Erfolge sind. Dafür aber gelingt es ihm, wie keinem anderen Ermittler im Team, die Gedanken von Straftätern zu durchschauen und sie mit seiner verbissenen und unkonventionellen Art zu stellen.

Jede Menge falsche Spuren, viele Verdächtige und immer neue Ermittlungsansätze halten die Spannung hoch und lassen den Leser nur so über die Seiten fliegen. Dabei sind es vor allem abwechslungsreich erdachte Szenen und wirklichkeitsnah beschriebene Figuren, die ihn tief in das dramatische Geschehen ziehen, während der flüssige und bildgewaltige Schreibstil ein mitreißendes und emotional aufwühlendes Leseerlebnis garantiert. Allerdings ist die zwiegespaltene und vom Alkohol gezeichnete Figur des Harry Holes nicht jedermanns Sache, sodass die Meinung zu diesem Roman durch sein grenzwertiges Verhalten schnell ins Gegenteil umschlagen kann.

Fazit:
Ein sehr wendungsreicher und emotional mitreißender Kriminalroman, der auf der ganzen Linie zu überzeugen weiß und ungemein zu fesseln versteht.

Veröffentlicht am 08.09.2019

Ein emotional bewegender und streckenweise sehr düsterer zweiter Teil

Wir gegen euch
0

Es brodelt gewaltig in Björnstadt seid der Eishockeyklub geschlossen wurde und die Einwohner des kleinen Ortes wütend auf Maya und ihren Vater sind. Eine Situation, die immer gefährlicher wird und durch ...

Es brodelt gewaltig in Björnstadt seid der Eishockeyklub geschlossen wurde und die Einwohner des kleinen Ortes wütend auf Maya und ihren Vater sind. Eine Situation, die immer gefährlicher wird und durch falsche Anschuldigungen und hinterhältige Intrigen zu eskalieren droht. Und erst als ein korrupter Politiker seine Chance ergreift und eine neue Trainerin engagiert, wendet sich das Blatt. Ohne es gleich zu merken, schleicht sich in die Köpfe der Menschen Hoffnung ein und während ein neues Eishockeyteam zusammenwächst, kehrt langsam Ruhe in die kleine Gemeinschaft ein.

„Wir gegen euch“ ist nach „Die Stadt“ der großen Träume“ der zweite Teil der Geschichte von Björnstadt. Einem kleinen Ort irgendwo im Nirgendwo, in dem sich alles nur ums Eishockey dreht und um den Wunsch zu siegen. Dabei hätte es fast geklappt, dass ihre Eishockeymannschaft in aller Munde ist, bis ein einziger Zwischenfall ihre Träume zerstört. Seid dem regiert der Hass in der kleinen Stadt, der von Tag zu Tag größer wird und die mit ihm zutage tretende Gewalt, die das Vertrauen in eine glückliche Zukunft schwinden lässt. Eine Entwicklung, die Fredrik Backmann mit vielen beängstigenden Episoden, menschlichen Verfehlungen und wüsten Beschimpfungen beschreibt und den Leser die düstere Stimmung regelrecht spüren lässt.

Der Großteil der Figuren in dem ergreifenden Roman sind aus dem ersten Buch hinlänglich bekannt, erfahren aber durch die prägenden Umstände und die inzwischen vergangene Zeit eine Weiterentwicklung. Wie Benji, der durch einen Vertrauensbruch geoutet wird und nach seinem emotionalen Zusammenbruch einen neuen Platz im Team der Eishockeymannschaft finden muss. Oder Leo, der als kleiner Bruder von Maya plötzlich im Mittelpunkt unschöner Anfeindungen steht und durch seine übersteigerte Gegenwehr, zu einem gewaltverherrlichenden Schläger mutiert. Deshalb wird es in Björnstadt nie mehr so sein, wie es einmal war, und trotzdem gibt es für alle eine neue Chance.

Fazit:
Ein emotional bewegender und streckenweise sehr düsterer Roman, der eine Vielzahl von Einzelschicksalen in den Mittelpunkt der Handlung stellt und durch die Bewältigung enormer Tiefschläge, Mut zu machen versteht.

Veröffentlicht am 31.08.2019

Ein packender Kriminalroman, der ein Stück deutsche Geschichte aufleben lässt

Die im Dunkeln sieht man nicht
0

Im April 1950 kehrt der in Berlin lebende Schriftsteller Karl Wieners in seine Heimatstadt München zurück, um als freier Mitarbeiter in der Redaktion seines Schulfreundes tätig zu sein. Ein erster Auftrag ...

Im April 1950 kehrt der in Berlin lebende Schriftsteller Karl Wieners in seine Heimatstadt München zurück, um als freier Mitarbeiter in der Redaktion seines Schulfreundes tätig zu sein. Ein erster Auftrag ist schnell gefunden und führt den noch unerfahrenen Journalisten in die florierende Schmugglerszene hinein, wo er über den Verbleib der verschwundenen Gemälde aus dem einstigen Führerbunker Nachforschungen anstellen soll. Dabei wird er tatkräftig von seiner Nichte Magda unterstützt, die in ihm mehr, als nur einen liebenswerten Onkel sieht. Und schon bald verfolgen beide eine heiße Spur, die sie zu den gesuchten Bildern führen soll, ohne zu merken, dass sie einer gefährlichen Täuschung aufgesessen sind.

„Die im Dunkeln sieht man nicht“ ist ein spannender und sehr atmosphärischer Krimi, der seine Leser in die bewegende Zeit der deutschen Nachkriegsgeschichte entführt, wo er neben den anrüchigen Praktiken des Kunsthandels, auch einen guten Überblick über die damaligen Probleme einer kriminalpolizeilichen Ermittlung erhält. So taucht er gemeinsam mit dem Journalisten Karl und seiner Nichte Magda tief in die Münchener Schwarzmarktszene ein, in der jede Menge zwielichtige Gestalten und dubiose Zwischenhändler zugange sind, während er gleichzeitig die Bemühungen des Kriminaloberkommissärs Ludwig Gruber verfolgt, der gleich zwei bestialische Morde aufklären muss.

Andreas Götz schreibt nüchtern und faktenorientiert, fügt aber immer wieder bildhafte Beschreibungen von Personen, Orten und Handlungen in das chronologisch aufgebaute Geschehen ein. Schnell entwickelt sich eine spürbare Authentizität, die durch simpel erscheinende Nebensächlichkeiten, wie die Beobachtung von Kümmelblättchenspieler oder die Darstellung getragener Kleidungsstücken wirkungsvoll untermauert wird. Deshalb stört es auch nicht, dass der Roman einige Zeit braucht, um in Fahrt zu kommen. Denn die stimmungsvolle Kulisse und die packend in Szene gesetzten Ereignisse der Münchener Nachkriegszeit fesseln für sich gesehen schon ungemein.

Fazit:
Ein packender Kriminalroman, der ein Stück deutsche Geschichte aufleben lässt und mit einem wunderbar abwechslungsreichen Geschehen und interessant gezeichneten Figuren kurzweilig unterhält.

Veröffentlicht am 29.08.2019

Ein tiefgründiger Roman, der die Probleme einer Gemeinschaft in den Fokus der Handlung stellt

Stadt der großen Träume
0

Abseits im Nirgendwo liegt eine Stadt, die dazu verdammt ist, vergessen zu werden. Nur die Hoffnung, dass eines Tages ein Wunder geschieht, hält sie am Leben. Deshalb kämpfen die Einwohner des kleinen ...

Abseits im Nirgendwo liegt eine Stadt, die dazu verdammt ist, vergessen zu werden. Nur die Hoffnung, dass eines Tages ein Wunder geschieht, hält sie am Leben. Deshalb kämpfen die Einwohner des kleinen Örtchens Björnstadt jeden Tag aufs Neue dafür, dass ihr Traum in Erfüllung geht und ihre Eishockeymannschaft siegt. Doch ausgerechnet in dem Moment, in dem sie ihrem Ziel ganz nahe sind, geschieht etwas, dass die eingeschworene Gemeinschaft zerbrechen lässt und die erhoffte Zukunft zerstört.

„Stadt der großen Träume“ ist ein berührender Roman, der die Probleme einer eingeschworenen Gemeinschaft in den Fokus der Handlung stellt. Beginnend mit den jugendlichen Eishockeyspielern, über deren Freunde und Schulkameraden, bis hin zu den Eltern, Trainern oder der verwitweten Kneipenwirtin wird über jeden der Bewohner ausgiebig erzählt. Und mit der Zeit erfährt der Leser, was jeden Einzelnen bewegt, welche Rolle er in der Familie und der Gemeinschaft spielt und wie sich diese durch eine einzige Nacht, durch ein winziges Bruchstück in der Geschichte von Björnstadt verändern wird.

Fredrik Backman verfügt über einen Schreibstil, der sich angenehm flüssig liest und versteht es, mit viel Feingefühl und einem passenden Humor vor allem den kleinen, Dingen eine Bedeutung zu verleihen, die ihnen ebenbürtig ist. Ohne weitschweifig zu sein oder sich in Beschreibungen zu verlieren, greift er einzelne Szenen aus dem Leben seiner Figuren heraus, dreht und wendet sie und setzt sie zurück an ihren Platz. So erfährt der Leser, was in Björnstadt geschieht und fühlt sich schon bald mitten unter ihnen in ihrer kleinen Eishockeystadt im Nirgendwo. Wo er mit ihnen lieben und kämpfen kann, wo er Träume erlebt und Stellung bezieht und wo er mit erschreckender Deutlichkeit merken muss, dass jede Wahrheit zwei Seiten besitzt.

Fazit:
„Stadt der großen Träume“ ist ein tiefgründiger Roman, der mit einer hohen Realitätsnähe in Erscheinung tritt und nachvollziehbar thematisiert, was mit einer Gemeinschaft geschieht, wenn ihr hart erkämpftes Gleichgewicht ins Wanken gerät.