Klappentext:
„Im Sommer 2018 kommt der Vater von Andreas Schäfer zu Besuch nach Berlin. Kurz zuvor hat er erfahren, dass ein vor langer Zeit überwundener Krebs zurückgekehrt ist, doch Beschwerden hat er keine. Er geht in die Oper, unternimmt einen Ausflug ans Meer, sitzt auf dem Sofa des Sohnes und sagt verwundert: »Dass da was ist!« Aber was? Was ist da im Kopf des Vaters? Er fährt nach Frankfurt zurück, wo er seit der Trennung von der griechischen Mutter vor Jahrzehnten allein lebt. Auch zur Biopsie geht er allein, als wollte er sein Einzelkämpferleben erst im letztmöglichen Moment aufgeben. Am Tag der Untersuchung meldet sich der Oberarzt der Neurochirurgie und teilt dem Sohn mit, dass der Vater eine Hirnblutung erlitten habe: »Ihr Vater wird sterben«, sagt er. »Er liegt im künstlichen Koma. Sie müssen entscheiden, wann wir die Maschinen abstellen.« Wie damit umgehen, wenn einem das Leben des eigenen Vaters in die Hände gelegt wird? Wie sich verabschieden, wenn man den Zeitpunkt selbst bestimmen soll?“
Autor Andreas Schäfer hat hiermit ein wahrlich heftiges und sehr emotionales Werk verfasst. Beim lesen kommt und geht der bekannte Kloß im Hals und man kommt hier und da auch um manche Träne nicht herum aber eines ist hier ganz klar hervorzuheben: der kitschfreie und unheimliche klare Schreibstil. Schäfer erzählt seine ganz persönliche Geschichte und diese ist in meinen Augen schwer zu bewerten bzw. es steht uns Lesern auch eigentlich gar nicht zu. Er erzählt seine ganz persönliche Geschichte und wie er damit umgegangen ist - jeder von uns würde es anders machen und hätte ihm vielleicht Tipps und Ratschläge gegeben. Die sind alle schön und gut aber schlussendlich muss jeder allein so eine Situation bewältigen. Jeder findet irgendwie seinen Weg der Trauer. Für mich persönlich war es sehr schwer dieses Buch zu lesen da ich selbst lange mit zwei Hirnblutungen und so einiges mehr zu kämpfen hatte und die Ärzte in fast allen Bereichen versagt haben - aber ich lebe. Es ändert sich viel nach so einer Situation egal ob für einen selbst oder seine Mitmenschen. Schäfer hat einen feinen und unheimlich unnahbaren Ton (besser ging es nicht!) hier gewählt um seine Geschichte und die seines Vaters zu erzählen. Sicherlich sind viele, ganz viele Dinge nie zwischen den beiden ausgesprochen wurden und da stellt sich die Frage warum also jetzt, wo es eh zu spät ist, darin noch wühlen. Wir können nichts mehr aufholen wenn es vorbei ist, wir können nur darüber nachdenken als Hinterbliebene und uns fragen warum wir so scheu waren überhaupt diese wichtigen Themen nie besprochen zu haben die uns doch so auf der Seele liegen. Ist das Trauerbewältigung? Vielleicht. Ist es diese berühmte Mauer die man um sich herum aufbaut in der die Trauer umzingelt liegt? Vielleicht. Wir erlesen hier so einiges aus dem Leben des Vaters aber weniger über die Beziehung zwischen Vater und Sohn. Schäfer hält in gewisser Weise Rückschau auf seinen Vater. Warum er dies so tut, weiß nur er. Auch die Art und Weise wie sein Vater mit all den Erkrankungen umgegangen ist, ist ein Thema und natürlich wie seine Mutter und er nun mit diesem „am Leben erhalten ist nicht weiter möglich und wann die Maschinen abstellen“-Thema umgehen. Es ist eine Bürde von größtem Ausmaß die Schäfer hier anspricht. Die Thematik mit der Patientenverfügung wird gerne mal etwas abgetan, viele verschließen sich davor aber man muss einfach sich mit dem Thema auseinander setzen. Was soll mit einem geschehen wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt? Diese Wahl liegt bei jedem selbst. Einerseits liegt da ein Mensch ohne Hoffnung auf Leben und auf der anderen Seite steht da ein Mensch der über dieses Leben entscheiden muss - zwei Extreme die alle belasten. Gerade wenn noch so viel Unausgesprochenes in einem schwelt. Als dann dieses abschalten der Maschinen thematisiert wird, wählt Schäfer den kurzen weg und das ist auch verständlich. Wer genau wissen will wie das abläuft, muss sich damit selbst auseinander setzen - völlig zurecht wie ich finde. Dies hier detailliert zu beschreiben wäre einfach nicht angemessen. Wem hier Gefühl in der Geschichte fehlt, der muss sich fragen wie man selbst damit umgehen würde. Jeder drückt Gefühle anders aus und geht mit ihnen anders um. Es wäre hier nicht fair zu sagen, Schäfer hat hier zu wenig Gefühl in die Geschichte gelegt. Genauso auch vermeintliche „Märchen“ des Vaters sind eine Art Erinnerung - egal ob sie real oder eben erfunden waren, es sind die Erinnerungen zwischen Vater und Sohn und diese sollte man wertefrei betrachten. Auch wenn es schwer fällt. Es sind Erinnerung Schäfers und nicht die unseren! Es ist schwierig dieses Buch wertefrei zu betrachten aber gelingt wenn man auf den Tenor achtet den Schäfer hier anbringt: man muss frühzeitig über alles reden was einem auf der Seele liegt und auch über den Tod sollte man sprechen. Ohne diese Offenheit bekommt man dann die Quittung wenn es plötzlich zu spät ist. Der Ärger darüber überwiegt und belastet die Trauer noch mehr. Will man das? Das muss jeder selbst für sich entscheiden.
Fazit: Ein äußerst bewegendes und sehr emotionales Buch mit einer ganz wichtigen Botschaft. Es ist dem Autor sehr hoch anzurechnen das er so offen und ehrlich seine ganz persönliche Geschichte hier erzählt hat. Sie regt unweigerlich zum nachdenken an und hallt extremst nach. 5 Sterne vergebe ich für „Die Schuhe meines Vaters“.