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Veröffentlicht am 18.02.2022

Kurze Kapitel und tolle Bebilderung

Dachs und Rakete. Ab in die Stadt!
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Herr Dachs und seine Freundin Rakete führten ein idyllisches Leben in einem ruhigen Dachsbau im Grünen. Bis der Maulwurf sie mit seinem Bagger aus dem Schlaf reist. Ein Räumungsbefehl macht die beiden ...

Herr Dachs und seine Freundin Rakete führten ein idyllisches Leben in einem ruhigen Dachsbau im Grünen. Bis der Maulwurf sie mit seinem Bagger aus dem Schlaf reist. Ein Räumungsbefehl macht die beiden Gefährten obdachlos, die sich dazu entschließen, ein neues Heim zu suchen. Als Landflüchtige finden sie schließlich eine Zuflucht in der Stadt - einem trubeligen Ort, der so viel Neues für sie bereithält. Die Freunde werden mit fremdartigen Verhaltensweisen konfrontiert und müssen lernen, dass man in der Stadt Geld benötigt, wenn man Hunger hat und ein Heim sucht.

„Ach du dickes Ei…“ ist Herr Dachs liebster Ausspruch, wenn er überrascht ist. Wenns unbehaglich wird, hat er auch ein Lied auf den Lippen oder erinnert sich gern an die Ratschläge seiner Eltern: „Mach dir nicht so viele Sorgen, was heut nicht klappt, passiert halt morgen.“ Rakete hat eine beruhigende Wirkung auf ihren Freund und unterstreicht mit ihrem liebenswerten Charaktere seine hilfsbereite Tüftlerei. Irgendwie lässt sich doch schließlich immer alles wieder reparieren. Mutig und erfinderisch lassen sie sich nicht unterkriegen und bleiben offen für alles, was auch kommt, und so findet sich immer eine Lösung - die dann meistens sogar richtig nachhaltig und praktisch ist. So verstecken sich schöne Botschaften und Weisheiten in den Bildern und Texten. Besonders herausragend sind die tollen - teilweise seitenfüllenden - Illustrationen von Kai SchSchüttler. In den Bildern tummeln sich viele unterschiedliche Tiere, die mit viel Erheiterung und Vielfalt die Handlung detailreich ergänzen. Natürlich sind die Tiere vermenschlicht, was noch verstärkt wird, als sie vom Dachsbau in die Stadt ziehen, aber das macht es besonders lustig (Dachse haben Schnecken nämlich eigentlich zum Fressen gern).

Fazit: Das neue Zuhause der Freunde bietet reichlich Handlung für eine Fortsetzung. Da die liebenswerten Gefährten und der ironische Wortwitz bei uns gezündet haben, freuen wir uns auf neue Abenteuer von Herr Dachs und Rakete. Wir empfehlen das gemeinsame Vorlesen und Endecken für Kinder ab 8 Jahren.

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Veröffentlicht am 18.02.2022

Umwerfend gut geschrieben

Die gigantischen Dinge des Lebens
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„Noch nie hatte ich jemanden getroffen, der so vergnügt und vollkommen im Reinen war mit dem Nichtvorhandensein des eigenen Talents.“

In dieser schrägen Coming-of-Age Geschichte geht es um das Mobbingopfer ...

„Noch nie hatte ich jemanden getroffen, der so vergnügt und vollkommen im Reinen war mit dem Nichtvorhandensein des eigenen Talents.“

In dieser schrägen Coming-of-Age Geschichte geht es um das Mobbingopfer Wilbur und seine bemerkenswerte innere und äußere Entwicklung. Es ist eine humorvolle Erzählung über das eigene Selbstwertgefühl, große Gefühle und den besonderen Wert von Freundschaft.

Wilbur ist der Star in dieser Geschichte. Allerdings weiß er nichts davon. Er hat keine Ahnung, was er alles zu bieten hat. Als Außenseiter findet er sich nicht besonders toll und zieht sich in seine Welt zurück. Allerdings eine wunderbar bunte Welt, die sich in keine Schublade stecken lässt: da wäre sein 85-jähriger bester Freund, seine homosexuellen Mütter und Freunde und seine Liebe zur Dichtkunst.
Die Kapitel beginnen mit seinen unterhaltsamen Gedichten und der Text ist mit einigen Briefen auch sehr abwechslungsreich gestaltet. Viel Wirbel bringt die Französin Charlie in die Geschichte. Als Leser:in taucht man mit Wilbur in die Sprache der Liebe ein, lernt ganz nebenbei ein paar Worte und etwas über die französische Kultur. Mir hat besonders gefallen, wie der sensible und warmherzige Wilbur voller Situationskomik auf seine Höhen und Tiefen blickt, sich liebevoll um seinen Hund Templeton kümmert und seinem Peiniger in der Schule entgegentritt. Es werden viele relevante Themen angesprochen, ohne das es überfrachtet oder konstruiert wirkt. Man fiebert mit Wilbur mit, und ist dankbar für all diese wunderbaren Menschen in seinem Umfeld. Die preisgekrönte kanadische Autorin Susin Nielsen schreibt einfach umwerfend leichtfüssig und treffend. Sie schafft unvergessliche Charaktere, schreibt über bedrückende Themen und lässt trotzdem Raum für Humor und Leichtigkeit. Man schließt ihre Bücher ins Herz und liest sie auch als Erwachsener gern.

Veröffentlicht am 18.02.2022

Vom zerdenkendem Publikum und der Klimakrise

Die Feuer
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„Wenn Summer im Publikum sitzt, wünscht sie sich oft, sie könnte in die Köpfe der Menschen hineinsehen. Achsen sie auf das Stück, oder sitzen sie einfach nur da und hängen irgendwelchen belanglosen Gedanken ...

„Wenn Summer im Publikum sitzt, wünscht sie sich oft, sie könnte in die Köpfe der Menschen hineinsehen. Achsen sie auf das Stück, oder sitzen sie einfach nur da und hängen irgendwelchen belanglosen Gedanken nach, oder müssen sie dringend aufs Klo und können die Pause kaum erwarten?“

In diesem außergewöhnlichem Roman geht es um drei verschiedene Frauen, die sich eine Theateraufführung ansehen, während in den australischen Bergen ein Buschfeuer wütet. Extreme Hitze, andauernde Dürreperioden und einer Stadt voller Buschfeuerqualm, während das Theater eine unberührte Kulturblase darzustellen scheint. Alle drei Frauen kennen das Stück bereits und sind mit ihren Gedanken ganz woanders.

Die Tragikomödie von Samuel Beckett wurde 1961 uraufgeführt und ist eines seiner mistgespielten Werke. Es zeigt das menschliche Ableben im Zyklus apokalyptischer Szenarien und spiegelt die Paradoxie des Lebens und seiner Protagonisten in ihrer naiven Absurdität wieder. Claire Thomas verstrickt dessen darstellende Kunst gekonnt mit ihren Figuren, bei denen es Erinnerungen, innere Bilder und Kommentare auslöst. Sie verlieren sich immer wieder sinnierend in ihren Gedanken, wodurch für den Leser ein persönliches Bild entsteht.

„Aber vielleicht interpretiere ich zu viel hinein. Vielleicht zerdenke ich das.“

Die Gedanken der Frauen enthalten teilweise skurrile Ideen und übereifrige Problemstellungen: Pornographie im Weltall, umweltfreundliche Ei-Bestattungen, Rassismus, Liebe, Demenz, Angststörung und Weltschmerz. Deutlicher Schwerpunkt liegt auf der Umweltzerstörung und Klimakrise. Hier zeichnet sich eine wichtige Botschaft des Romans ab. Während die Älteste der Frauen selbstkritisch auf ihre persönlichen Dramen blickt und die etwa vierzigjährige Mutter ihre Höhen und Tiefen beleuchtet, scheint die zweiundzwanzigjährige Summer für alle, die Angst wegen der Brände, auf ihren schmalen Schultern geladen zu haben.

„Ich kann unmöglich die Einzige hier drinnen sein, die sich über die Feuer da draußen Gedanken macht.“

Auch die Erzählweise ist interessant: das Bühnenstück läuft chronologisch und die Figuren wechseln sich in ihrer Innenschau jede Szene ab; sowohl der allwissende Erzähler berichtet, als auch die Figuren erzählen aus ihrer eigenen Perspektive.
Was mir auch besonders gefallen hat, war der außergewöhnliche Aufbau des Romans. Die Pause nach dem ersten Akt verhält sich wie ein Bühnenstück in vier Szenen, welches die losen Fäden der Figuren durch unverhoffte Begegnungen miteinander verbindet. Mit diesen Erkenntnis kommt es im zweiten Akt zur finalen Schlussszene, in der jede der Frauen einen Entschluss fast.

Einerseits ist der Roman irgendwie spannend, obwohl kaum etwas passiert, weil man erfahren möchte, worauf die Geschichte abzielt. Es fallen einem viele Dinge auf und es wird ausreichend Gesprächsstoff geboten. Die Idee dahinter fand ich außergewöhnlich; den Interpretationsspielraum geistreich und erfrischend. Andererseits hat mir ein tieferer Bezug zu den Figuren gefehlt. Trotz all der persönlichen Einblicke und schmückendem Beiwerk, stand ich ihnen leidenschaftslos gegenüber.

Fazit: Ein vielversprechender Roman mit gekonnten Überleitungen, einer raffinierten Erzählweise, vielfältigen Ideen und einer Fülle von Themen, dem ein absurdes Bühnenstück als Rahmen dient. Wer diesen Roman liest, benötigt mentale Disziplin, Neugier und eine Schwäche für literarische Kreativität.

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Veröffentlicht am 18.02.2022

Musik ist Magie, Lieder sind Zaubersprüche

Bone Music
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„Wir. Wir sind diejenigen, die die Welt verändern können. Wir, die verdrehte, leidenschaftliche, schwierige, liebende Jugend.“


Ein fünfzehnjähriges Stadtmädchen verbringt, gemeinsam mit ihrer Mutter, ...

„Wir. Wir sind diejenigen, die die Welt verändern können. Wir, die verdrehte, leidenschaftliche, schwierige, liebende Jugend.“


Ein fünfzehnjähriges Stadtmädchen verbringt, gemeinsam mit ihrer Mutter, ein paar Tage, in einer abgelegenen Gegend und wird von einer magischen Melodie verzaubert. Sie stammt von einer Knochenflöte, gespielt von einem Jungen. So beginnt ein mystischer Wandlungsprozess.

Die Hauptfigur Sylvia Carr ist fremden gegenüber schüchtern, aber in ihr schlägt das mutige Rebellionsherz einer Planetenretterin. Ihr Begleiter ist der gleichaltrige Gabriel; er ist leidenschaftlich, klug und empfindsam. Zu Beginn wirkt er seltsam und etwas verrückt, aber er eröffnet ihr neue Blickwinkel und zeigt ihr den Wald und die weite Landschaft. Zwei sympathische Figuren, denen man sich nahe fühlt, obwohl man nur Bruchstücke aus ihrem Leben erfährt.

Mir haben besonders die Beschreibungen der Natur gefallen. Sehr aufmerksam und lebendig geschildert, kann man sich wunderbar darin verlieren. Der Autor David Almond lebt selbst in Northumberland, dem Teil in Nordengland, indem die Geschichte spielt. Ein wunderschönes Fleckchen Erde und ideale Kulisse für den Roman. Es sind vor allem die Momente in der Natur, die den Roman so lesenswert machen, wenn Sylvia durch ihre Musik Magie erzeugt, mit ihren eigenen Händen eine Knochenflöte herstellt oder gemeinsam mit Gabriel philosophische Gespräche und neue Blickwinkel entstehen. Kann Selbstfindung auch bedeuten, die Natur zu erfahren und so herauszufinden, wofür man bestimmt ist?

„Es nutzt ja nichts, wenn wir Natur in die Welt zurückbringen, aber nicht in uns selbst.“

Ein philosophisches Buch über die Gedanken junger Menschen, zum Thema Umweltzerstörung und Klimaschutz, und dem Druck der Gesellschaft, der auf ihnen lastet. Poetisch und bildhaft geschrieben, regt es zum Nachdenken an, macht Hoffnung, und thematisiert u.a. die Verbundenheit mit der Natur, die Kraft der Schöpfung und unsere Wurzeln der Vergangenheit.

„Die Vergangenheit umgibt uns. (…) Sie ist überall. Sie ist tief in uns drin.“

Der Roman greift mit psychischen Erkrankungen, Selbstverletzung und Krieg auch unbequeme Themen auf, die aber nur peripher eine Rolle spielen.


Fazit:

Eine mystische Geschichte, die magische Bilder im Kopf entstehen lässt, gesellschaftlich relevante Fragen stellt, und die man nur schwer einordnen kann. Verträumt und gleichzeitig brutal realistisch. Beim Lesen hätte ich mir das gut als fantasievollen Animationsfilm vorstellen können.

Ein besonderes Buch, das wahrscheinlich entweder begeistert oder gar nicht gefällt. Ich würde es für Ältere (ab 14) empfehlen, die sich für Philosophie, Umweltschutz und fantasievolle Bücher begeistern können.

Veröffentlicht am 18.02.2022

Literarischer Foodporn?

Butter
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In dem Roman „Butter“ geht es um die Journalistin Rika aus Tokio, die Manako Kajii im Gefängnis besucht, um einen Artikel über sie zu schreiben. Manako Kajii steht in Verdacht, ihre zahlreichen Liebhaber ...

In dem Roman „Butter“ geht es um die Journalistin Rika aus Tokio, die Manako Kajii im Gefängnis besucht, um einen Artikel über sie zu schreiben. Manako Kajii steht in Verdacht, ihre zahlreichen Liebhaber nicht nur mit köstlichen Speisen verwöhnt, sondern auch umgebracht zu haben.

„Diese Frau nutzte die Lücke im Herzen ihrer Opfer, die alle ein sehr einsames Leben führten.“

Rika möchte nicht nur dem ungewöhnlichen Fall und seiner Popularität auf den Grund gehen, sondern erhofft sich auch Wandlung für ihr festgefahrenes Leben. Über die Anschuldigungen will Manako Kajii in der Interviews allerdings nicht reden, sondern über ihre Kochkunst. Rika lässt sich darauf ein, obwohl sie sich nicht für Rezepte interessiert. Bei den Treffen im Gefängnis gibt die Inhaftierte den Ton an; sie hasse nichts mehr als Margarine und Diäten, was Rika verunsichert. Butter ist für Manako Kajii der Inbegriff der Köstlichkeit. Für die Recherche kauft sich Rika daraufhin Butter, beginnt für ihre Interviewpartnerin das zu tun, was sie nicht mehr kann, um ihre Beweggründe zu verstehen. Sie isst wie sie, und gerät immer mehr in den manipulativen Strudel der Anziehungskraft von Manako Kajii.

„Es gibt etwas, das jede Frau von Manako Kajii lernen kann. Solange sie sanftmütig ist und gut kochen kann, wird sich jeder in sie verlieben."

Immer wieder eine Rolle spielt die Bilderbuchgeschichte „Der kleine schwarze Sambo“, die 1928 von der schottischen Autorin Helene Bannerman veröffentlicht wurde. In diesem skurrilen Buch geht es um einen indischen Jungen und vier hungrige Tiger, die sich in Butter verwandeln und zu Pfannkuchen verarbeitet werden.

In dem Roman gibt es um den Verfall traditioneller Esskultur, die Leidenschaft für Milchprodukte, Frauenfeindlichkeit, die Verarbeitung von Traumata, Freundschaft und Selbstfindung. Die wichtigste Botschaft lautet jedoch: Frauen sollen sich selbst akzeptieren können, wie sie sind und Wertschätzung dafür erhalten. An Gewicht zuzunehmen, ist in Japan ein Indiz dafür, dass man sich gehen lässt. Auch Rika muss sich einige Bosheiten gefallen lassen, obwohl sie vorher ungesund dünn war und sich mit ihrem neuen Gewicht wohlfühlt.

Bildhaft und einnehmend schreibt die Japanerin Asako Yuzuki über Essen. Vom Einkaufen, über die Zubereitung bis zur Nahrungsaufnahme, ziehen einen ihre Beschreibungen über Geschmack, Konsistenz, Aussehen und Geruch in den Bann. Sie stellt die Sinnesfreunden und den Genuss in den Vordergrund und setzt die Entscheidung, nur zu essen, was einem schmeckt, mit Freiheit und Selbstbewusstsein gleich. Der Drang nach neuen Geschmackserlebnissen steht weit über ausgewogener Ernährung. Kochen ist keine Frage der eigenen Fähigkeiten, sondern der Prioritätssetzung und Sinnhaftigkeit. Auch der Austausch über Rezepte und Geschmackserlebnisse ist für die Autorin ein freudvoller Aspekt der Esskultur.

„Ihre liebevolle Zubereitung und ihr Duft waren wie eine zärtliche Umarmung (…) und die saisonalen Zutaten hatten ihr Kraft für den nächsten Tag gegeben.“

Streckenweise fiel es mir schwer, am Ball zu bleiben. Die Handlung dümpelt dialogreich vor sich hin. Es gibt nur kleine Momente der Spannung, die sich wieder verflüchtigen. Ins Essen fließt die ganze Leidenschaft der Autorin - und hier liegt die Stärke des Romans. Die Einblicke in die japanische Kultur sind bereichernd gewesen und einige Abschnitte waren besonders unterhaltsam. Die Entwicklung von Rika ist bemerkenswert. Sie gewinnt an Selbstbewusstsein und beginnt, ihre Vergangenheit zu verarbeiten. Mir hat auch das Ende gut gefallen, die verhaltenen Beziehungen der Figuren, der kluge Schreibstil und der tiefsinnige Kontext, der das Buch lesenswert macht.

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