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Veröffentlicht am 23.09.2023

Über Suizid, die Spuren der Vergangenheit und Freundschaft

Simone
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Ich hätte nicht erwartet, dass mich Anja Reich mit ihrer ungetrübten Erzählweise und ihren intensiven Recherchen so in den Bann ziehen könnte, zumal ich das traurige Ende schon kannte. Aber das tat es! ...

Ich hätte nicht erwartet, dass mich Anja Reich mit ihrer ungetrübten Erzählweise und ihren intensiven Recherchen so in den Bann ziehen könnte, zumal ich das traurige Ende schon kannte. Aber das tat es! So mitreißend, dass ich das Buch fast in einem Rutsch durchgelesen habe. Anja Reich erzählt von ihrer Freundin Simone, die sich vor siebenundzwanzig Jahren, mit nur siebenundzwanzig, das Leben nahm. Zwei Stunden vorher hat sie mit ihr telefoniert, wollte ihrer Freundin ihre renovierte Wohnung zeigen, doch diese hatte keine Zeit. Die quälende Frage, ob sie es hätte verhindern können und das große Warum, bewegen die Autorin zu einer Suche nach Antworten. Sie interviewt u.a. die Eltern, die Cousine, den Bruder, sichtet Fotos und Dokumente und liest Simones Tagebuch. Dabei geht es zurück bis zu den Anfängen, wie die Großeltern lebten. Dabei zeigt Anja Reich auf, wie sich Sprachlosigkeit durch die Generationen zog. Anja Reich dokumentiert Simones Leben, versucht, ihre Gedanken und Gefühle einzufangen. Keine einfach Aufgabe, denn Simone war offenherzig und zurückhaltend zugleich. Ihre „Sorgen, Ängste und Zweifel behielt sie für sich“ - vertraute sich oft nicht mal ihrem Tagebuch an. Sie wünschte sich Freiheit, war aber eingeengt von den familiären Strukturen. Im Verlauf erfährt man auch etwas darüber, wie Anja Reich selbst aufgewachsen ist. Man erhält Einblicke in die DDR und bekommt eine Vorstellung davon, wie schwer es war, sich nach der Wende zurechtzufinden.

"Simone" ist eine sehr persönliche Erzählung, sehr intensiv und zutiefst bewegend. Selbst nach einigen Tagen hat mich die Geschichte nicht losgelassen.
Es gibt viele Stellen, die nachdenklich machen. Auch, wenn es keine konkrete Antwort gibt, zeichnet sich ein vielfältiges Bild von Simone und ihrem Leben, das zumindest einige Fragen beantworten könnte, und ein bisschen das Gefühl vermittelt, Simone tatsächlich gekannt zu haben. Sehr interessant fand ich die medizinischen und sozialen Forschungsergebnisse zum Suizid. Es ist nach wie vor ein Tabuthema, über das nicht gesprochen wird. Anja Reich schafft mit diesem mutigen Buch einen Tabubruch und setzt ein wichtiges Zeichen.

Veröffentlicht am 23.09.2023

Warmherzige Geschichten mit klugen Worten

Die Butterbrotbriefe
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Die 39-jährige Kati Waldstein durchlebt einen aufreibenden Umbruch in ihrem Leben. Sie schreibt Briefe auf Butterpapier, in denen sie offen und ehrlich ihre Gedanken und Gefühle offenbart, um Kummer und ...

Die 39-jährige Kati Waldstein durchlebt einen aufreibenden Umbruch in ihrem Leben. Sie schreibt Briefe auf Butterpapier, in denen sie offen und ehrlich ihre Gedanken und Gefühle offenbart, um Kummer und Dankbarkeit loszuwerden, bevor sie sich weiter aufstauen. Doch sie schickt diese nicht ab, sondern liest sie dem Empfänger oder der Empfängerin persönlich vor. Als sie ihre ehemaligen Lehrerin einen vorwurfsvollen Brief vorliest, muss sie erfahren, dass alles ganz anders ist, als gedacht. In Wahrheit lag ihr Leben nicht in ihrer Hand. Als sich Kati intensiv mit ihrer Vergangenheit beschäftigt, wird der Wunsch nach Selbstbestimmung und Freiheit immer größer. Nun will sie endlich ihren Traum leben und Abstand gewinnen. Zum Glück hat sie ein stärkendes Umfeld, das ihre „stille Heldin“ feiert und auf dessen Unterstützung sie bauen kann. Ihr Onkel Martin führt ein Arktismuseum und hat immer einen guten Rat. Madame Catherine, die Kati liebt, wie eine Tochter und natürlich Serverin, der schicksalshaft seinen Weg zu ihr fand und Gefühle für sie entwickelt. „Manchmal passieren überraschende Dinge im Leben.“

Ein poetischer Roman über das Schicksal, das Loslassen, die zeitlose Schönheit von Briefen und die Liebe. Wunderbar geschrieben, ist es ein Vergnügen der Handlung zu folgen, die nach und nach Geheimnisse offenbart und nie ihren Reiz verliert, während man die Charaktere lieb gewinnt. Gleichzeit hält "Die Butterbrotbriefe" schöne Ideen bereit, wärmende Worte, Impulse für das eigene Leben und ein großartiges Entwicklungsgeschehen aller Protagonisten. Sehr unterhaltsam und empfehlenswert für alle, die gut geschriebene Bücher mit Herz und Verstand lieben.

Veröffentlicht am 23.09.2023

Sie begleiten dich überallhin

Das Mosaik meines Lebens
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Lisa braucht eine Auszeit und macht Urlaub, wo sie früher schon viel Zeit in ihrer Kindheit verbracht hat. Dort trifft sie die Bäuerin Judith, die sich noch gut an Lisa erinnert, und ihr bereitwillig erklärt, ...

Lisa braucht eine Auszeit und macht Urlaub, wo sie früher schon viel Zeit in ihrer Kindheit verbracht hat. Dort trifft sie die Bäuerin Judith, die sich noch gut an Lisa erinnert, und ihr bereitwillig erklärt, was es mit den zwölf geheimnisvollen Mosaikresten auf sich hat.

Die Darstellung der Figurenentwicklung von Lisa und ihrer persönlichen Einsichten, hat mir richtig gut gefallen. Das ganze Bild war stimmig und authentisch. Lisa ist eine aufopfernde Mutter und Ehefrau, mit der man sich identifizieren kann, selbst wenn man ein anderes Lebensmodell führt. Denn ihre innere Kritikerin, ihre Ängste und Sehnsüchte kennt wahrscheinlich jeder, und die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich auch auf das eigene Leben anwenden. Wer mit Ratgebern allein nicht viel anfangen kann, findet in diesem Ratgeber-Roman fantasievoll präsentierte Anregungen, für die eigene Reflexion und viele wertvolle Aussagen und Botschaften. Durch die Geschichte kann man sich alles gut vorstellen und auch besser merken. Denn Lisa interagiert mit ihren zwölf, lebendig gewordenen, Persönlichkeits-Anteilen und kommt auf diese Weise ins Gespräch mit sich selbst. Nach und nach identifiziert sie die Stimmen und Archetypen, lernt diese besser kennen und macht am Ende eine überraschende Entdeckung. Das fand ich alles gelungen umgesetzt. Auch die Atmosphäre von Griechenland und das Wandeln auf bekannten Kindheitswegen sorgt für ein angenehmes Leseerlebnis. Ingesamt ein empfehlenswerter Roman über Dankbarkeit, Achtsamkeit, Selbstführsorge, Kommunikation in der Liebe, das eigene Lebensglück und die vielen verschwenden Facetten ins uns.

Veröffentlicht am 23.09.2023

Absolut mitreißendes Fantasy-Abenteuer

Schneekinder
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Bereits das tolle Cover erzählt von der eiskalten Kulisse in „Schneekinder“, aber erst beim Lesen spürt man die ganze Intensität dieser mitreißenden Abenteuergeschichte, die einen in eine magische Welt ...

Bereits das tolle Cover erzählt von der eiskalten Kulisse in „Schneekinder“, aber erst beim Lesen spürt man die ganze Intensität dieser mitreißenden Abenteuergeschichte, die einen in eine magische Welt zurückversetzt, in der noch Könige herrschten. Elin und ihr Zwillingsbruder Kjell wohnen in einem Dorf, das wegen der Zwangsverpflichtung zum Krieg, nur noch von Kindern und Alten bewohnt wird. Beide werden getrennt und Elin muss als Anführerin mit einer Gruppe Kindern aus dem Dorf fliehen, als dieses von Steinwesen angegriffen wird.

Obwohl das Szenario der nordisch Unerbittlichkeit, der großen Gefahren und vielen Entbehrung ganz weit von unserer eigenen Realität entfernt ist, geht es doch um allgemeingültig Werte, wie Freundschaft, Mut und Verantwortungsgefühl, mit denen wir uns alle identifizieren können. Das man sich dadurch mit den Charakteren verbunden fühlt, während man voller Spannung, der aufregenden Handlung folgt, machte für mich den Reiz dieser Geschichte aus. Sehr hingerissen war ich dann von der tollen Umsetzung. Andreas Langer hat, durch seinen eingängig ruhigen Schreibstil, das passende Tempo zu den atmosphärischen Bildern geschaffen. Absolut großartig sind die mutigen und authentischen Charaktere, die dieses Buch in ein Highlight verwandeln. Man fiebert sehr mit Elin und Kjell, die für ihr zartes Alter soviel Verantwortung schultern und Stärke beweisen müssen, zudem unter der Trennung ihrer innigen Verbindung leiden. Dabei stellt sie nicht nur ihre unbarmherzige Umwelt vor Herausforderungen, sondern auch das gemeinschaftliche Miteinander im Überlebenskampf. Die Altersempfehlung von 11 Jahren finde ich angemessen. Daher meine wärmste und absolute Empfehlung für Kinder und auch Erwachsene, die fantasievolle Abenteuergeschichten mögen, die ein bisschen an "Der Herr der Ringe" erinnern und das Potenzial zur Verfilmung haben.

Veröffentlicht am 20.09.2023

Unvergessliche Lektüre

Ich, Sperling
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"Ich, Sperling" ist die Geschichte eines Kindes, welches nur Junge genannt wird und unter sklavenhaften Bedingungen aufwächst. Erzählt wird in der Ich-Perspektive von dem alten, zurückblickendem Mann, ...

"Ich, Sperling" ist die Geschichte eines Kindes, welches nur Junge genannt wird und unter sklavenhaften Bedingungen aufwächst. Erzählt wird in der Ich-Perspektive von dem alten, zurückblickendem Mann, der seine Lebensgeschichte niederschreibt. Dementsprechend achtvoll und weise tritt diese Erzählstimme auf. Mir hat gefallen, dass er dabei auch immer wieder seine Leserschaft miteinbezieht und auch seine subjektive Verschleierung der Tatsachen, in Frage stellt. Seinem Weg zu folgen, seiner sich Stück für Stück erweiternden Umwelt, war eine schonungslos ehrliche und bewegende Lesereise, eng verknüpft mit der Kraft von Geschichten, Vertrauen und der kostbaren Freiheit. Mich hat die annehmende Schreibweise sehr beeindruckt, fernab von einem reuehaften Blick zurück, um Mitleid und Antworten hoffend, um all die traumatischen Schicksalsschläge zu verstehen. Und das alles in einer geschichtsträchtigen Atmosphäre und einem liebevoll ausgearbeitet Setting, welches sehr realistisch wirkte. Die ungewöhnlichen Einblicke in das Leben dieses Jungen empfand ich als besonders eindrucksvolle Literatur, die mit ihrer Einzigartigkeit zu überzeugen weiß, obwohl es eine Lektüre voller schwermütiger Themen ist. Absolut empfehlenswert, auch für jene, die sonst keine historischen Romane lesen.