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Veröffentlicht am 12.12.2023

Gut Ding will Weile haben

Die sieben Monde des Maali Almeida
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Das Leben nach dem Tod ist keine einfache Angelegenheit. Das muss auch Maali Almeida schmerzlich erkennen, nachdem er sich frisch ermordet und ohne jede Erinnerung im Chaos des überlaufenen Vorzimmers ...

Das Leben nach dem Tod ist keine einfache Angelegenheit. Das muss auch Maali Almeida schmerzlich erkennen, nachdem er sich frisch ermordet und ohne jede Erinnerung im Chaos des überlaufenen Vorzimmers zur Nachwelt wiederfindet. Im bürgerkriegsgebeutelten Sri Lanka Anfang der Neunzigerjahre ist Maali nur eine von unzähligen Seelen, die vor die Entscheidung gestellt werden ihr altes Leben loszulassen, oder das Land, das ihnen so viel Unrecht angetan hat, als Geist heimzusuchen. Doch wie kann er diese Entscheidung zu treffen, ohne zu wissen, was er als Maali in dieser Welt zurücklässt? Er muss herausfinden wer ihn ermordet hat und warum, ehe seine Seele sich einem neuen Weg zuwenden kann. Leider hat er sich als schwuler Kriegsfotograf und Spielsüchtiger nur allzu viele Feinde gemacht, die Liste der Verdächtigen ist also lang und ihm bleiben nur sieben Monde Zeit, um die Zwischenwelt hinter sich zu lassen.
Shehan Karunatilaka hat mit seinem Roman „Die sieben Monde des Maali Almeida“ sein erzählerisches Können auf ganz außergewöhnliche Weise in Form gebracht. Zu Anfang war ich etwas unsicher ob mir die Geschichte zusagt, beginnt sie mit einem doch sehr konfusen und überwältigenden ersten Kapitel, aber Seite für Seite hat mich der Autor mit seiner komplexen und schillernden Version einer Nachwelt eingenommen. Auf enorm kreative Weise verknüpft er buddhistische, hinduistische und andere Glaubensvorstellungen mit einer beinahe komischen bürokratischen Struktur die genauso greifbar, wie unbegreiflich wirkt.
Erzählt wird das Ganze in der 2. Person, man kann also sagen Maali erzählt sich selbst seine eigene Geschichte und wir dürfen ihm dabei zuhören. Das ist zuweilen etwas irritierend, aber wenn man sich auf die Erzählperspektive einlassen kann, wird es ganz schnell zu einer besonderen Leseerfahrung.
Der Protagonist beschreibt dabei eine ausgesprochen düstere Welt, die er zurückgelassen hat, in der Leichen in Seen entsorgt werden und Folter zur Tagesordnung gehört, in der es nichts Ungewöhnliches ist, wenn Menschen einfach verschwinden und Korruption den Alltag bestimmt. Dennoch gelingt es Karunatilaka trotz der Schwere der Thematik und den vielen düsteren Szenen die Geschichte mit sardonischem Witz und Sensibilität in eine leichtere Ebene zu heben.
Fairerweise muss man sagen, dass „Die sieben Monde des Maali Almeida“ kein Buch für Zwischendurch ist. Es fordert Zeit, Geduld und ungeteilte Aufmerksamkeit, aber wer Willens ist dran zu bleiben, wird mit einem tollen Ende der Reise belohnt. Für mich gehört das Buch zu den außergewöhnlichsten Romanen, die ich dieses Jahr gelesen habe.

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Veröffentlicht am 29.09.2023

Zeitlos und für jedes Alter

Momo - Das Hörspiel
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Zum Inhalt der Geschichte ist im Grunde nicht viel zu sagen, denn den meisten dürfte die Geschichte des gütigen und mutigen Mädchens Momo bekannt sein, das in einem alten Amphitheater zu Hause ist und ...

Zum Inhalt der Geschichte ist im Grunde nicht viel zu sagen, denn den meisten dürfte die Geschichte des gütigen und mutigen Mädchens Momo bekannt sein, das in einem alten Amphitheater zu Hause ist und es mit den skrupellosen grauen Herren aufnimmt, welche die Menschen ihrer Lebenszeit berauben.
Dank der tollen Arbeit von Silberfisch (Hörbuch Hamburg) und einem großen Aufgebot an wunderbaren Sprechern kann man den zeitlosen Klassiker von Michael Ende nun als mitreißendes und atmosphärisches Hörspiel erleben.
Ich habe Momo bereits als Buch im Regal stehen, aber als ich entdeckt habe, dass es zum Jubiläum ein neues Hörspiel gibt, konnte ich nicht widerstehen. Und was bin ich froh, es gehört zu haben!
Ich bin nicht der allergrößte Hörspiel-Fan, da mir Lesung, Musik und Hintergrundgeräusche oftmals zu durcheinander sind, aber bei diesem Hörspiel hat für mich alles gestimmt. Die Sprecher und Sprecherinnen haben einen wirklich tollen Job gemacht den Figuren Leben einzuhauchen, die eingespielte Musik hat mir sehr gefallen und insgesamt waren die Komponenten in diesem Hörspiel toll ausbalanciert. Ich konnte die Geschichte nochmal ganz neu erleben und war absolut hingerissen.
Für Jung und Alt uneingeschränkt empfehlenswert.

Veröffentlicht am 13.07.2023

Absolutes Jahreshighlight!

Fourth Wing – Flammengeküsst
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Wenn Bücher in den sozialen Medien einen großen Hype erfahren, genieße ich das eigentlich immer mit Vorsicht. Zu oft waren die Hoffnungen groß und die Enttäuschung zum Schluss nur umso größer. Doch Rebecca ...

Wenn Bücher in den sozialen Medien einen großen Hype erfahren, genieße ich das eigentlich immer mit Vorsicht. Zu oft waren die Hoffnungen groß und die Enttäuschung zum Schluss nur umso größer. Doch Rebecca Yarros‘ „Fourth Wing“ hat wirklich jede positive Stimme da draußen mehr als verdient. Es ist temporeich, episch, brutal und gleichzeitig voller Emotionen. Dieses Buch hat Romantasy für mich auf eine ganz neue Stufe gehoben.
Ein ganz bedeutender Teil meiner Begeisterung ist Rebecca Yarros tollem Schreibstil zu verdanken. Man fliegt regelrecht durch die Seiten, er ist voller Spannung und unterschiedlichster Emotionen und die Beschreibungen lassen die Schule und ihre Kadetten, insbesondere aber die Drachen vorm geistigen Auge zum Leben erwachen. Ganz besonders gut gelungen ist ihr auch die Darstellung der Kampfszenen. Sie hat die Bewegungen, die Konflikte und Spannungen einfach unglaublich gut eingefangen.
Die Geschichte steckt außerdem voller vielseitiger und authentischer Charaktere. Besonders Violet, die Protagonistin der Geschichte, war mir auf Anhieb sympathisch. Sie hat mit körperlichen Schwächen zu kämpfen und wirkt, ursprünglich als Schriftgelehrte ausgebildet, nicht gemacht für die knallharte und oft tödliche Ausbildung zur Drachenreiterin. Dennoch ist sie nicht das typische Mauerblümchen, das am Ende alle einfach mal so in die Tasche steckt. Ihr Körper mag geschwächt sein, aber sie hat von Anfang an einen unglaublich starken Charakter, ist clever und nutzt ihre Vorteile. Sie weiß sich zu behaupten, hat Vertrauen in sich und ihre Fähigkeiten und hält trotzdem fest an ihrem empathischen Wesen. Es war sehr fesselnd ihre Reise zu begleiten.
Xaden, als männlicher Counterpart der Geschichte, zeigt sich wesentlich unnahbarer und verschlossener, aber keineswegs weniger interessant. Man ahnt natürlich sofort, dass mehr hinter seiner schattenumwobenen Fassade lauert, doch wirklich sicher ist man sich nie, welche Motive er tatsächlich verfolgt. Die Spannung zwischen ihm und Violet war wirklich slow burn vom Feinsten und gleichzeitig deckten ihre Dialoge allein ein enorm breites Spektrum an Gefühlen ab.
Die vielen Nebencharaktere, die im Verlauf der Handlung mehr an Bedeutung gewinnen, haben das Buch für mich so richtig abgerundet. Unter ihnen mag sich auch das ein oder andere Klischee befinden, aber sie alle sind so authentisch und glaubhaft ausgearbeitet, dass man auf die ein oder andere Weise emotional mit drinhängt.
Die Drachen schließlich, waren ein absolutes Highlight. Ich werde wohl nie darüber hinwegkommen, dass Tairn nur innerhalb dieser Buchdeckel existiert.
Über die Handlung selbst will ich nicht viel verraten. Mir hat gefallen, dass es sofort actionreich losging. Man wird im Grunde ohne Vorwarnung in die Ausbildung hineingeworfen und von da an wird jeder Tag zum Überlebenskampf. Das Worldbuilding hat sich dabei ganz natürlich mitentwickelt. Ich habe es persönlich nicht als störend empfunden, dass die Geschichte sich größtenteils auf das Leben und die Strukturen innerhalb des Basgiath Colleges beschränkt hat. Man erfährt nur allmählich mehr über Politik und Geschichte von Navarre, was ich vollkommend ausreichend fand, um mich zurecht zu finden. Ich nehme an, das wird in den Folgebänden ohnehin eine größere Rolle spielen, sodass noch eine Menge Raum bleibt, um diese Aspekte auszugestalten.
Alles in allem kann ich nur sagen, dass mich „Fourth Wing“ auf eine ganz besondere Weise im Griff hat. Ich kann nicht sagen, wann mich ein Buch das letzte Mal die Nacht hat durchlesen lassen oder wann ich zuletzt so viel über eine Geschichte gegrübelt habe, weil sie mich einfach nicht loslässt. Es ist inzwischen schon ein bisschen her, dass ich das Buch beendet habe und trotzdem erwische ich mich immer wieder dabei, wie meine Gedanken zu der Geschichte abdriften. Fourth Wing hat einen festen Platz unter meinen Jahreshighlights und ich kann es kaum erwarten, bis im November (die deutsche Ausgabe dann im Dezember) mit „Iron Flame“ der zweite Teil erscheint.

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Veröffentlicht am 30.03.2023

Ein raffinierter Roman

Die spürst du nicht
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Was als luxuriöser Familienurlaub geplant war, endet in einer schrecklichen Tragödie. Die Binders und die Strobl-Marineks wollten eigentlich nur die gemeinsame Zeit in der exklusiven toskanischen Villa ...

Was als luxuriöser Familienurlaub geplant war, endet in einer schrecklichen Tragödie. Die Binders und die Strobl-Marineks wollten eigentlich nur die gemeinsame Zeit in der exklusiven toskanischen Villa verbringen und es sich bei Sonne, Prosecco und Antipasti gut gehen lassen. Die kleineren Kinder sind unter sich, die 14 jährige Tochter Sophie-Luise durfte ihre Schulfreundin Aayana, ein Flüchtlingskind aus Somalia, mitnehmen - alles scheint gut an diesem ersten Urlaubstag. Doch schon wenige Stunden nach der Ankunft der Urlaube kommt es zur Katastrophe.
„Die spürst du nicht“, der neue Roman von Daniel Glattauer hat mich ungemein begeistert. Das Hörbuch aus dem Schmiede von Hörbuch Hamburg hat mit knapp 9 Stunden eine gute Länge und sobald ich angefangen habe es zu hören, gab es für mich kein zurück mehr. Tessa Mittelstaedt und Steffen Groth haben hier einen herausragenden Job geleistet. Als hätten sie der Dringlichkeit und dem fesselnden Charakter der Geschichte mit ihren Stimmen nochmal Nachdruck verliehen.
Auch der Inhalt des Romans konnte mich restlos überzeugen. Das war mein erstes Buch des Autors und sehr früh habe ich gemerkt, wie außergewöhnlich seine Art des Erzählens ist. Ich hatte das Gefühl zeitweise einem Theaterstück oder Regieanweisungen zu folgen, so ungefiltert und scharfkantig werden einem die Figuren gleich zu Anfang vorgestellt. Eine wahrlich raffinierte Vorgehensweise, denn obwohl die Figuren bewusst überzeichnet rüberkommen, so hat der Autor damit nicht übertrieben. Stattdessen offenbart sich darin eine feine Ironie, die dem Roman trotz der tragischen Entwicklungen eine humorvolle Note verleiht. Die Charaktere können sich nicht hinter ihrer fadenscheinigen Großzügigkeit oder Menschenfreundlichkeit verstecken, denn als Leser weiß man sofort, wen man da vor sich hat. Ich fand das enorm faszinierend.
Durch die regelmäßigen Wechsel in der Erzählperspektive konnte man völlig ungefiltert in die Gefühls- und Gedankenwelten der Protagonisten abtauchen und erfahren, wie sie individuell durch die Tragödie betroffen sind und wie sie damit umgehen.
Die häufig eingeschobenen Auszüge von Pressemitteilungen und Social-Media Beiträgen sind ein interessanter Kniff des Autors, der über den Horizont der Figuren hinaus auf äußerst unbequeme Weise aufzeigt, wie in den Medien mit Geschichten wie Aamaya’s umgegangen wird.
Glattauer adressiert in diesem Roman die unbequemen Wahrheiten unserer Zeit und regt zum Nachdenken an. „Die Spürst du nicht“ hat definitiv einen Platz unter meinen Jahreshighlights.

Veröffentlicht am 24.03.2023

Tiefgründig, emotional und herausfordernd!

Das Schweigen in mir
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Der Roman taucht auf brillante Weise in die Seele einer jungen, namenlosen Frau ein, die alles verloren hat, zuerst durch den Krieg, der ihre Welt zerstört hat und dann durch die Flucht, nur um festzustellen, ...

Der Roman taucht auf brillante Weise in die Seele einer jungen, namenlosen Frau ein, die alles verloren hat, zuerst durch den Krieg, der ihre Welt zerstört hat und dann durch die Flucht, nur um festzustellen, dass auch in der Freiheit Englands keine Sicherheit auf sie wartet. Alles hat es sie gekostet. Ihre Sicherheit, ihre Erinnerungen, ihre Liebsten, ihre Hoffnungen und schlussendlich auch ihre Stimme. Was bleibt, ist das Schreiben. In der selbstauferlegten Isolation beginnt sie Beiträge für ein Magazin zu schreiben, in denen sie als „die Stimmlose“ über ihre Erfahrungen und Überzeugungen berichtet. Wenn sie nicht schreibt, blickt sie aus dem Fenster, aus ihrer Einsamkeit hinaus in die vielen Leben hinein, die sich im Gebäude gegenüber abspielen. Doch im Laufe der Geschichte muss unsere Erzählerin entscheiden, ob sie der Ohnmacht des Traumas verfällt, oder bereit ist, sich ihre Stimme zurückzuholen.
Der Schreibstil ist unglaublich. Poetisch, intensiv und packend. Das Buch wird aus der Sicht der namenlosen Erzählerin geschrieben und konzentriert sich zu Anfang hauptsächlich auf die Beobachtungen der anderen Gebäudebewohner. Es ist intim, unmittelbar, als würde man Seite an Seite mit ihr in der Stille der Wohnung sitzen und zum Zuschauer all dieser Leben werden. Und während man verfolgt, wie sie allmählich in die Belange der Gemeinde hineingerät, wird die aktuelle Zeitlinie immer wieder durch Rückblenden und verworrene Erinnerungsfetzen aus ihrer Vergangenheit unterbrochen. Man kann nur erahnen, was diese junge, intelligente und wortgewandte Frau durchgemacht haben muss. Die Autorin zieht einen mitten hinein in diesen Strudel aus Angst, Trauma und Perspektivlosigkeit.
„Das Schweigen in mir“ ist so vielschichtig und tiefgründig, emotional und herausfordernd. Es ist ein wunderschöner, einzigartiger und zum Nachdenken anregender Roman, den ich nicht nachdrücklich genug empfehlen kann!

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