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Veröffentlicht am 26.09.2020

Klassischer Whodunnit

Mord in Highgate
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Ich habe den ersten Band „Ein perfider Plan“ übersprungen und mich nun gleich hörenderweise an diesen zweiten Band der „Hawthorne ermittelt“-Reihe gemacht: Das hat ganz hervorragend geklappt.
Bei diesem ...

Ich habe den ersten Band „Ein perfider Plan“ übersprungen und mich nun gleich hörenderweise an diesen zweiten Band der „Hawthorne ermittelt“-Reihe gemacht: Das hat ganz hervorragend geklappt.
Bei diesem Buch handelt es sich um einen klassischen Whodunnit-Roman, erzählt vom Autor selbst, der in diesem Fall identisch mit der erzählenden Hauptfigur ist; das ist übrigens ein zwar ulkiger Kniff (grad dann, wenn der Autor andere Figuren sein bisheriges schreiberisches Schaffen loben lässt), der dem Roman auf den ersten Blick einen noch „authentischeren“ Anstrich verleiht und ihn ein wenig wie einen Tatsachenbericht wirken lässt, hätte vermutlich aber auch ebensogut funktioniert, trüge der Ich-Erzähler einen anderen Namen – zumal der ohnehin kaum mal wirklich erwähnt wird, so dass ich mir da bald eine rein fiktive Figur und nicht die Gestalt des echten Autors vorgestellt habe. Dennoch verleiht diese ganz besondere Perspektive auch „Mord in Highgate“ natürlich gleich einen noch etwas einzigartigeren Hauch.

Volker Hanisch als Sprecher des Hörbuchs ist in diesem Fall definitiv auch eine sehr gute Wahl: Er hat einen sehr angenehmen, leicht crispy Klang und diese Stimme passte für mich einfach sehr gut zum Erzähler der Geschichte, der also mit dem Autor übereinstimmt, der dem inzwischen als Privatermittler tätigen, ehemaligem Polizisten Hawthorne als eine Art Assistent zur Seite steht, wobei er für mich mehr wie jemand wirkte, der für ein Schnupperpraktikum bezahlt. Der Fall, mit dem die Beiden konfrontiert werden, wird dabei vergleichsweise nüchtern erzählt; es wird zwar über die wahren Hintergründe des Mordes gerätselt, dabei verliert sich die Handlung aber in keiner Stelle in Spekulationen; als Leser/Zuhörer kann man sich hier ganz fantastisch seine eigenen Gedanken machen. Allgemein merkte man dem „Mord in Hawthorne“ auch sehr an, dass der Autor einen starken Hang in Richtung Sherlock Holmes hat – wäre nicht gleich anfangs zum Beispiel bereits die Rede von einem Taxi gewesen, auf welchem Werbung für eine App angebracht war, hätte sich der Fall so auch leicht Anfang des 20. Jahrhunderts ereignet haben können; für mich wurde da nun schon eine ganz klassische Linie verfolgt, bei der man sich vor Allem darauf konzentrierte, mit den (potentiell) Involvierten Gespräche zu führen und eventuelle Widersprüche in ihren Aussagen aufzudecken. Dabei war der Fall grundsätzlich auch sehr interessant; es hat mich nun zwar nicht vor Spannung zerrissen, aber es war halt einfach ein schöner, simpler Kriminalfall mit interessanten, aber nicht überzogenen Figuren, bei dem man halt hervorragend miträtseln kann.
Die Auflösung ist dabei glaubwürdig und aber auch nichts Neues; da gab es schon deutlich vor Schluss für mich einen Heureka-Moment, in dem ich dachte: „Okay, dieser Figur nehm ich das so nun nicht ab. Ich glaub, tatsächlich ist es [soundso] gewesen.“ Letztlich hat sich [soundso] auch als der wahre Hintergrund erwiesen, so dass es mich schon noch ein wenig sehr amüsiert hat, dass Horowitz selbst Hawthorne gegenüber, der es auch schon durchschaut hatte, doch zunächst weiterhin sehr auf dem Schlauch stand. Für mich wurde das Hörvergnügen beim „Mord in Highgate“ aber auch nicht dadurch geschmälert, dass ich Täter und Motiv dann bereits deutlich erahnt hatte; ich hatte trotzdem Vergnügen, den weiteren „Verhören“ zu lauschen.

Insgesamt war „Mord in Highgate“ da nun ein wenig spektakulärer, aber sehr zum Miträtseln einladender Krimi, den ich vor Allem den Liebhabern der ganz klassischen Whodunnit-Krimis definitiv ans Herz legen kann!

Veröffentlicht am 23.09.2020

Ins kalte Wasser bzw. mitten in eine Reihe hinein geschmissen?!

Geburtstagskind (Ewert Grens ermittelt 1)
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Schwedische Krimis reizen mich seit einigen Jahren ganz besonders, da sie meiner Meinung nach immer eine grundsätzlich düstere und damit bösere Atmosphäre ausstrahlen; den badischen Lokalkrimi könnte ich ...

Schwedische Krimis reizen mich seit einigen Jahren ganz besonders, da sie meiner Meinung nach immer eine grundsätzlich düstere und damit bösere Atmosphäre ausstrahlen; den badischen Lokalkrimi könnte ich mir zum Beispiel eher nicht vor schwedischem Hintergrund vorstellen und in Sachen „Geburtstagskind“ faszinierte mich gleich der beklemmende Anfang, an dem man feststellt, dass das kleine Mädchen, das da fröhlich um ihre Familie tanzt und das schon seit Tagen tut, die einzig lebende Person in dieser Wohnung ist.
Ich war so neugierig darauf zu erfahren, wie es dem Kind, das damals eine neue Identität auferlegt bekommen hat, weiterhin ergangen ist und was der Hintergrund jenen Familienmassakers war – als ich dann mal wieder zu wöchentlichen Infusionen zum Hausarzt musste, habe ich die Gelegenheit genutzt, um mich dort ganz genüsslich auf der Liege hinzufläzen und Woche um Woche im „Geburtstagskind“ weiterzuschmökern. Das Buch war quasi mein Leseleckerli, das ich explizit während jenen Stunden gelesen habe. Aber in Woche 3 ließ meine Begeisterung doch bereits deutlich nach, denn das Mädchen spielte nach dem krassen Anfang zunächst keine Rolle mehr, außer dass man es wegen neuerer, gleichartiger Morde wiederauffinden wollte – noch dazu waren in diesem Zusammenhang wichtige und zudem geheime Unterlagen aus dem Polizeipräsidium Stockholms verschwunden, die zudem die Identität eines V-Manns enthüllten. Jener, namens Piet Hoffmann, spielt neben dem Kommissar Grens in „Geburtstagskind“ fortan die tragendste Rolle: Als Leser erlebt man plötzlich einen erpressten V-Mann, von dem man irgendwie nicht weiß, was man von ihm halten soll; zunächst wirkt er wie ein „simpler“ verdeckter Ermittler, dem es vor Allem darum geht, seine kleine Familie von seiner Arbeit möglichst fernzuhalten, um sie so zu schützen; dann wirkt er wie ein Szenekenner, wie ein Gauner, dem man für seine Mitarbeit als V-Mann Entgegenkommen zugesichert hat und plötzlich wird er ganz freimütig als der Mann bezeichnet, der mal der meistgesuchte Verbrecher Schwedens war. Auch in „Geburtstagskind“ verändert er prompt wieder sein Aussehen und, chirurgisch, sogar seine Stimme und blieb dabei für mich so wenig fassbar, dass ich ganz fasziniert davon bin, dass dieser Kerl sogar sowas wie ein ganz normales Familienleben führen sollte. Aber irgendwie war mir bis zuletzt nicht klar, ist er nun gut, ist er böse, ist er nur in dieser Geschichte nun auf der Seite der Guten, besteht sein Engagement inzwischen grundsätzlich darin, für die Polizei zu infiltrieren, wobei da eigentlich keiner groß weiß, dass er als V-Mann akquiriert worden ist. Es gab ständig irgendwelche Verweise auf die gemeinsame Vergangenheit von Grens und Hoffmann und dank Wikipedia weiß ich, dass es da bereits drei Piet-Hoffmann-Romane gegeben hat, die 2018/2019 allesamt auf Deutsch erschienen sind (Teil 1 ist sogar verfilmt worden; der erste Hoffmann-Roman ist tatsächlich die Basis für „The Informer“), was mir hier während des Lesens unklar war und ich weiß auch immer noch nicht, ob „Geburtstagskind“ nun sowas wie ein vierter Band oder ein Spinoff der Reihe ist. Ich hab „Geburtstagskind“ zwar letztlich verstanden, hatte aber ständig das Gefühl, dass mir irgendwelches Vorwissen fehlte – von daher mag es vielleicht doch empfehlenswert sein, die drei spezifischen Hoffmann-Bücher zuvor gelesen zu haben. (Ich habe mir deren Beschreibungen extra angesehen und „Geburtstagskind“ scheint da definitiv keine Neuauflage eines Titels zu sein.)

Letztlich sind die großen roten Fäden, die sich durch das Buch ziehen, Rache (von der man gar nicht weiß, wer genau sie an wem und warum eigentlich ausübt) sowie internationaler Waffenschmuggel, wobei man auch da nicht weiß, wer da beteiligt ist – und erst recht nicht, wie das alles noch mit der Kleinen vom Romananfang und ihrer toten Familie zusammenhängt. Irgendwie dröselt sich zwar alles auf und man versteht die Zusammenhänge auch, wobei ich das Ende der Geschichte übrigens ähnlich deprimierend wie den Anfang fand, aber ich hatte doch nicht mit diesem korrupten Konglomerat an Verstrickungen innerhalb der europäischen Unterwelt gerechnet. Was wie ein Psychothriller begann, wurde mehr und mehr zu einer Art Politthriller – und mein nachlassendes Interesse ab Woche 3 lag vor Allem daran, dass die Handlung in meinen Augen im dritten Fünftel des Romans zunächst sehr auf der Stelle trat; da schien es irgendwie Drohungen von allen Seiten zu geben ohne dass etwas passierte; die „neuen“ Morde waren eher uninteressant, weil der Bezug zu den Opfern fehlte. Für mich waren das bloß irgendwelche Unterwelttypen, bei denen es mir ehrlich gesagt völlig egal war, wer sie abgemurkst hatte – nach dem letzten Arzttermin habe ich den Roman dann auch erstmal links liegenlassen und war mir nicht sicher, ob ich ihn überhaupt noch weiterlesen wollte. Pluspunkt: Als ich das dann getan habe, war ich doch aber auch sofort wieder voll in der Geschichte drin und zum Ende des dritten Fünftels hin passierte auch wieder was, mehr Personen wurden strangweise in den Fokus gerückt und ohnehin wurde alles wieder zentrierter. Da gewann mich die Story als Leser wieder zurück, aber letztlich kann ich ihr doch nicht so recht verzeihen, dass sie mich zwischendrin derart hat hängenlassen, und auch mit nichts verraten hat, dass es da schon weitere Romane mit Piet Hoffmann gibt. Wer komplexere, internationalere Thriller mag, die in Richtung (politische) Korruption gehen und weithin in der Unterwelt spielen, findet bestimmt Gefallen am „Geburtstagskind“, aber ich würde halt doch dazu raten, zuvor die anderen Hoffmann-Bände zu lesen, um die Dynamik zwischen Hoffmann und Grens besser verstehen zu können.

Veröffentlicht am 19.09.2020

Wundervolle Bestärkung

Liane und das Land der Geschichten
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Dieses „Buch über die Magie des Lesens“ hat eines der zauberhaftesten Cover, die ich je gesehen habe; für mich ist es eines der schönsten Kinderbuchcover überhaupt und ich bin immer noch versucht, die ...

Dieses „Buch über die Magie des Lesens“ hat eines der zauberhaftesten Cover, die ich je gesehen habe; für mich ist es eines der schönsten Kinderbuchcover überhaupt und ich bin immer noch versucht, die Umrisse abzupausen, um das Motiv als Ausmalbild verwenden zu können.

Dabei ist „Liane und das Land der Geschichten“ gar kein Buch, das sich so intensiv mit der Magie des Lesens befasst, wie der Klappentext es suggeriert: Der erwähnte Globus wird in der Geschichte erst recht spät entdeckt, was mich schon ein wenig überraschte – im Allgemeinen erzählt dieser Roman davon, wie die kleine Leseratte Liane, die ihren Namen nicht mag, zumal sie seinetwegen ständig mit Urwaldreferenzen gehänselt wird, zu ganz neuem Selbstvertrauen findet, so dass sie fortan nicht stets versucht, „unter dem Radar“ zu agieren, und letztlich auch ihren Namen (mehr) akzeptiert. Bei der „abenteuerlichen Reise“, die sie erlebt, geht es letztlich vor Allem darum, sich Herausforderungen zu stellen und an sich zu glauben bzw. nicht immer gleich aufzugeben, sondern auch mal nach Alternativen Ausschau zu halten.
Ich habe es hier als sehr positiv empfunden, dass es wirklich darum ging, Liane zu stärken; da geht es hier nicht nur allgemein um die „Macht der Geschichten“, sondern in meinen Augen verfügt auch „Liane und das Land der Geschichten“ selbst da über sehr viel Macht, die dieses Buch lesende Kinder, sofern sie zu Unsicherheiten neigen (vor welchem Hintergrund auch immer), veranlassen kann, besser für sich einzutreten oder sich auch dort ohne Angst zu engagieren, wo sie sich einsetzen möchten. (Liane würde sich in der Geschichte beispielsweise gerne für den Naturschutz engagieren, fürchtet sich aber davor, dass ihr Einsatz denen, die sich ständig über ihren Vornamen lustigmachen, nur weiter in die Hände spielen würde.)
Von daher würde ich diese Lektüre aber auch ganz besonders den Kindern zwischen 8 und 10 empfehlen, die womöglich eine Außenseiterrolle innehaben oder zumindest eben über ein geringeres Selbstbewusstsein verfügen, aber als Erwachsene muss ich sagen, dass ich diesen Roman tatsächlich auch als eine Art Märchen, das in heutiger Zeit spielt, empfunden habe. Meiner Meinung nach könnte dieses Kinderbuch zu einem echten Klassiker heranreifen.

Was ich zuletzt nicht unerwähnt lassen möchte, ist der etwas größere Schriftgrad und Zeilenabstand des Buchs, was es auch für Erstleser sehr viel leichter zu lesen machen sollte.
Insgesamt definitiv ein wunderschönes und empfehlenswertes Buch!


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 18.09.2020

Keine ganze Moral von der Geschicht'

Ein ganz alter Trick
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Pascal, Protagonist dieses Romans, lebt seit zwei Jahren im Internat, seitdem die Mutter einen neuen Partner hat, zu welchem Pascal aber keine besondere Beziehung unterhält, und ständig mit diesem auf ...

Pascal, Protagonist dieses Romans, lebt seit zwei Jahren im Internat, seitdem die Mutter einen neuen Partner hat, zu welchem Pascal aber keine besondere Beziehung unterhält, und ständig mit diesem auf Reisen ist. Pascal, der seinen Stiefvater nur mit männlichen Personalpronomen bezeichnet, lässt unterschwellig dabei durchklingen, dass er eine unbändige Wut verspürt; gegenüber der alten Ingelotte gibt er das auch freimütig zu; und es ist zu vermuten, dass er vor Allem dem Neuen seiner Mutter die Schuld an seiner Situation gibt. Die Sommerferien verbringt Pascal seither auf dem Internatsgelände; irgendwann wird erwähnt, dass er in den (im Vergleich kurzen) Herbstferien zwar zu seiner Mutter fährt, aber besonders erpicht scheint er nicht darauf zu sein. Generell ist Pascal auch kein großer Sympath: Im Allgemeinen gibt er sich eher passiv-aggressiv, im Internat ist er eher sowas wie der Schulclown, der mit seinen Streichen auch mal zu weit geht – weswegen er nun zur Strafe vier Wochen lang einige Stunden täglich in der Seniorenresidenz aushelfen soll. Dabei nimmt ihn Ingelotte, ursprüngliches Opfer seines letzten Streichs, prompt unter ihre Fittiche, wobei auch Ingelotte es eher faustdick hinter den Ohren hat und nun plant, mit Pascals Hilfe einen zurückgelassenen und nicht weiter benannten Schatz aus ihrem früheren Zuhause zu retten.
Das ist einerseits recht unterhaltsam und andererseits ist es schön zu erkennen, wie Pascal in Ingelotte und deren Enkel, der da auch gleich mit von der Partie ist und der zu den wenigen Verwandten Ingelottes zählt, auf die jene Wert legt; denn auch in deren Familie ist nicht alles Gold, was glänzt; nebst Talal, dem Hilfsarbeiter des Heims, der als Flüchtling ins Land gekommen ist, eine Art kleiner Ersatzfamilie findet, die fest zusammenhält. Das zu lesen hat wirklich Spaß gemacht und letztlich war die Geschichte so schnell zu Ende, dass man sich zudem nach dem Ende auch wünschte, man könne künftig noch mehr Erzählungen rund um dieses kleine Team lesen. Meiner Meinung nach schrie „Ein ganz alter Trick“ da definitiv danach, fortgesetzt zu werden.

Aber der Tenor, der hier herrschte, klang nicht immer nach etwas, das man Kindern unbedingt vermitteln wollte (Achtung, es folgen ein paar erklärende Spoiler): Pascals Streiche haben letztlich wenig Konsequenzen bzw. daraus, dass er Ingelottes Rollator im See versenkt hat, ergibt sich für ihn letztlich mehr Abenteuerlust und Spaß als dass er jemals eine Bestrafung erleiden oder zumindest wirklich Reue zeigen würde. Auch vor den Aufgaben, mit denen man ihn im Altenheim betraut hat, drückt er sich zumeist sehr geschickt; als er einen Zaun streichen soll, manipuliert er letztlich einen Senior und eine Seniorin, dass letztlich diese Beiden den Zaun streichen – und sich später noch bei ihm bedanken, weil sie darüber hinaus daraufhin zart miteinander angebändelt haben. Es ist zwar schön, dass er den beiden Alten da eine von diesen wohl gern erledigte Beschäftigung gegeben hat, aber dass er die Beiden nichtmals weiter während des Streichens unterstützt (wobei ja eigentlich sie ihm geholfen hätten), sondern sich abgesetzt hat, war dann doch etwas arg dreist.
Später ist Talal zunächst entsetzt, als man ihn um Mithilfe bei der „Schatzbergung“ (auf gut Deutsch: einen geplanten Einbruch in Ingelottes ehemaliges Zuhause) bittet, weil ihn nur schon das Wissen darum in die Bredouille bringen könnte, was eine potentielle Abschiebung angeht – er entscheidet sich dann zwar selbst, den Anderen doch zu helfen, aber ich war überrascht, dass da echt keiner sagte: „Nee, Talal, für dich steht hier echt zu viel auf dem Spiel. Halt dich hierbei lieber fern von uns.“

Grundsätzlich bietet „Ein ganz alter Trick“ also schon noch Diskussionsstoff an. Positiv aufgefallen ist mir übrigens, dass Ingelottes altes Zuhause nun von einem schwulen Pärchen bewohnt wird, ohne dass darum in der Geschichte noch ein großes Trara gemacht wird. Wenn man dazu nimmt, dass Pascal einen Stiefvater hat, mit dem er nicht klarkommt, und in Ingelottes Familie auch nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen herrscht, plus Talals Herkunft, ist schnell ersichtlich, dass „Ein ganz alter Trick“ eine alltägliche Personenkombi darstellt und sich nicht auf das altgewohnte „Vater, Mutter, zwei Kinder und alle sind glücklich“-Familienbild beschränkt. Das fand ich echt gut und wie gesagt, die Geschichte ruft in meinen Augen sehr nach einem nächsten Band (auch wenn sie in Sachen Schatzsuche durchaus abgeschlossen ist); ich würde mir für einen eventuellen Nachfolgeband aber definitiv etwas mehr Lerneffekt herbeiwünschen.


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]

Veröffentlicht am 12.09.2020

Beeindruckend bedrückend

Kalmann
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Kalmann, Ich-Erzähler dieses Romans und laut eigener Aussage gemäß anderer Aussagen auf dem geistigen Niveau eines Erstklässlers geblieben, obschon er inzwischen tatsächlich eher Mitte als Anfang 30 ist, ...

Kalmann, Ich-Erzähler dieses Romans und laut eigener Aussage gemäß anderer Aussagen auf dem geistigen Niveau eines Erstklässlers geblieben, obschon er inzwischen tatsächlich eher Mitte als Anfang 30 ist, und im Verlauf des Romans von Kindern des Dorfes als „Downi“ verspottet, während seine definitive geistige Beeinträchtigung aber unklar bleibt, schwankt in seinem Status irgendwo zwischen „Dorftrottel“ und „wunderlicher Eigenbrötler“ – tatsächlich fantasiert er von einem Leben als „ganz normaler“ Erwachsener, er weiß, wie (das) Leben im Durchschnitt funktioniert, und ist zuweilen sehr verblüfft, dass es bei ihm irgendwie doch nicht so funktioniert, und das, obschon er doch jetzt bereits „alt“ ist bzw. so alt, dass selbst wenige Jahre jüngere, ehemalige MitschülerInnen inzwischen längst Nachwuchs im schulfähigen Alter haben, während er noch nie Sex gehabt hat. Er ist mitunter sehr schrullig, und auch bockig – oftmals erinnerte er mich an ein Kind in einer Trotzphase, nur dass Kalmann mir weitaus anstrengender erschien, wenn es eben auch das Kindliche war, das ihn als erzählende Hauptfigur letztlich sehr sympathisch machte, wobei er definitiv ein Protagonist ist, mit dem man sich erst anfreunden muss.

Mittig in der Erzählung hatte ich einen kurzen Durchhänger, da ich das Gefühl hatte, dass die Geschichte auf der Stelle trat, wobei sich hierin für mich auch die karge Ödnis der abgelegenen Szenerie widerspiegelte. Nachdem dieser eben kleine Durchhänger überwunden war, kam dafür mehr und mehr in mir ein Verdacht bezüglich der echten Umstände von Róberts Verschwinden auf, wobei dieser Verdacht am Schluss zum Teil bestätigt wurde, zum Teil aber doch verblüffend anders war, wobei mich insbesondere Letzteres sehr positiv überraschte, da es die vermeintliche, zumindest für mich, Vorhersehbarkeit eben völlig zunichtemachte.

Insgesamt hat mir „Kalmann“ sehr gut gefallen; ich bin froh, ihn während einiger bereits etwas herbstlich anmutenderer Spätsommertage gelesen zu haben: Für die große Hitzewelle wäre er mir vermutlich ein zu karger Begleiter gewesen und für eisige Wintertage würde mir die eher einsame (obschon Kalmann in seiner Sonderlichkeit auffallend gut im Dorf eingebunden ist) Stimmung im Buch wohl zu deprimierend gewesen sein. von daher kam diese Lektüre nun grad zum rechten Zeitpunkt für mich und „Kalmann“ zählt da definitiv zu meinen bisherigen Leselieblingen 2020.


[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]