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Veröffentlicht am 07.06.2017

Ausflug zu den eigenen Wurzeln

Wieso Heimat, ich wohne zur Miete
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Krishna Mustafa wurde von seiner Freundin verlassen, weil er sich angeblich weigert, seine Wurzeln zu suchen und so seine Identität zu finden. Also macht er sich für 6 Monate auf den Weg nach Istanbul, ...

Krishna Mustafa wurde von seiner Freundin verlassen, weil er sich angeblich weigert, seine Wurzeln zu suchen und so seine Identität zu finden. Also macht er sich für 6 Monate auf den Weg nach Istanbul, um dort seinen Vater zu treffen und eben auch seine Wurzeln zu suchen - weil er sich davon verspricht, dass seine Freundin einen neuen Versuch wagt, dann, wenn er seine Identität endlich gefunden hat.
Ähnlich naiv wie dieser Gedanke sind die meisten Gedankenspiele Krishnas aufgebaut. Das ist für mich ein deutlicher Minuspunkt dieses Buches, das an sich wirklich gut geschrieben ist. Alleine die Hauptperson ist so erschreckend schlicht und naiv, dass sie einfach total unglaubwürdig wird.
Er besucht z. B. eine Veranstaltung von Erdogan und wird erst durch einen anderen Besucher aufgeklärt, dass es eben nicht DER Erdogan ist, sondern offenbar ein Kabarettist (ja - sowas soll es da auch geben). Er lädt sich eine Gebets-App aufs Smartphone, damit er auch ja regelmäßig und pünktlich ans Gebet denkt - was ihm bisher überhaupt nicht wichtig war und er auch nicht regelmäßig tat. Zu allem Überfluss gibt er noch ein Online-Interview und erzeugt durch seine Art der Antworten den Eindruck, er wäre zum Islamisten mutiert und ließe sich nun in einem Ausbildungscamp schulen. Alle Bekannten in Deutschland stehen die Haare zu Berge und der Verfassungsschutz kommt in Bewegung. Er jedoch geht nicht gegen die Verbreitung im net vor, weil er sich selbst cool findet, weil er als Rapper bezeichnet wird. Seine Gedankengänge sind schon tlw. extrem kindlich - was natürlich auch eine gewisse Komik mit sich bringt.
Insgesamt wird dennoch in dem Buch auch viel an Information geboten. Über die Kultur des Landes, die Demonstrationen im Gezi-Park, die Unterschiede zwischen Deutschen und Türken, und, und, und. Diese Infos werden ausgesprochen launisch rüber gebracht und sehr humorvoll. Teilweise aber auch mit dem entsprechenden Ernst.
Am besten gefielen mir die Szenen, in denen Krishna mit seinem Cousin Emre via Skype telefoniert, der in diesen 6 Monaten ein Semester Auslandsstudium in der BRD eingeschoben hat und Krishnas Wohnung nutzt und umgekehrt. Dabei wird sehr deutlich, wie verrückt auch unser Verhalten auf viele "Ausländer" wirken muss. Krishna zeigt eher deutsche Verhaltensweisen, weshalb er sich eigentlich als Deutscher mit türkischer Tarnkappe in Istanbul aufhalten kann.
Insgesamt versucht das Buch einen Spagat zwischen Comedy und ernsthaftem Inhalt. Ein wenig übertrieben hat es der Autor m. M. nach mit der Comedy. Der ernsthafte Inhalt hingegen ist hervorragend angekommen, weil er leicht und kurzweilig geschrieben ist. So gut wie nichts konnte ich allerdings mit dem Chor der Einäugigen anfangen. War er bei seinem ersten Erscheinen noch halbwegs witzig und sogar nachvollziehbar, so führte sein späteres Auftreten nur zu Fragezeichen bei mir. Ich konnte weder einen Zusammenhang mit der Handlung noch irgendeinen Sinn darin sehen. Das führte zum 2. Sternabzug.
Fazit:
Schade, dass der Autor unter seinen Möglichkeiten geblieben ist. Er hätte deutlich mehr aus der Geschichte machen können. Trotzdem vor allem für jüngere Leute vll. ein Weg, an dieses Thema heran zu gehen.

Veröffentlicht am 07.06.2017

Albertos verlorener Geburtstag

Albertos verlorener Geburtstag
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Alberto ist zur Zeit des Bürgerkrieges in einem Waisenhaus in Spanien aufgewachsen. Inzwischen ist er Großvater und muss sich einige Zeit um seinen 7jährigen Enkel Tino kümmern, dessen Vater nach einem ...

Alberto ist zur Zeit des Bürgerkrieges in einem Waisenhaus in Spanien aufgewachsen. Inzwischen ist er Großvater und muss sich einige Zeit um seinen 7jährigen Enkel Tino kümmern, dessen Vater nach einem schweren Unfall ins Krankenhaus musste, wo Tinos Mutter natürlich bei ihm bleiben möchte.
Währenddessen erfährt Tino, dass sein Opa weder seine Eltern kennt noch sein Geburtsdatum oder -jahr. Tino überredet seinen Großvater, sich gemeinsam mit ihm auf den Weg in das Waisenhaus machen, um Licht in das Dunkel seines Vergessens zu bringen.
Alberto hat nämlich nicht nur diese wichtigen Daten vergessen, sondern sein gesamtes Leben ehe er ins Waisenhaus kam. Dabei war er gut 6 Jahre alt, als er dort aufgenommen wurde. Mit jeder Station, die die beiden Suchenden erreichen, tauchen in Albertos Gedächtnis Erinnerungsfetzen auf.

Die Handlung spielt in mehreren Zeit-Ebenen: Die aktuelle Zeit, die von einem Erzähler in der Dritten Person geschildert wird, und die jeweiligen Rückblicke, die immer abwechselnd mit den aktuellen Kapiteln zu lesen sind. Diese Rückblicke werden immer in der 1. Person geschrieben, jedesmal aus Sicht eines anderen Beteiligten und auch in immer unterschiedlichen Zeiten, die dankenswerter Weise als Kapitelüberschriften angegeben werden. Allein diese Idee finde ich sehr ungewöhnlich und auch höchst interessant!
So baut sich das Bild von Albertos Geschichte meist vor dem Auge des Lesers auf, ehe er es selbst entdeckt. Einen sehr wichtigen Baustein, der sich erst gegen Ende des Buches aufklärt, habe ich bereits sehr früh geahnt, was ich jedoch nicht als nachteilig empfinde.
Dieses Buch rührte mich schon nach den ersten Sätzen auf merkwürdige Weise an. Selbst Nebensächlichkeiten werden so beschrieben, dass sofort Bilder vor meinem geistigen Auge auftauchen. Mir gefällt der Schreibstil sehr gut, weil er mich wirklich mitgenommen hat auf diese seltsame Reise von Großvater und Enkel. Je länger die Beiden unterwegs sind, desto fester wird die Bindung der Beiden. Obwohl das Buch trauriger endet als erwartet, war es doch ein großes Vergnügen, es zu lesen.
Letztlich ist es ein Buch, das viele Themen berührt: der Krieg und seine Grausamkeiten, Familie und Liebe, Glaube und Kirche sowie Tradition. Dies alles wird mehr geschildert denn erklärt oder gar gewertet. Es wird vollkommen dem Leser überlassen, was er vor allem nach den Rückblicken für Wertungen vornimmt. Da diese alle aus der Sicht des jeweiligen Akteurs geschildert sind bekommt man einen ganz anderen Blick auf die entsprechende Situation, als wenn sie von einem Dritten erzählt würde. Eine ausgesprochen spannende Erfahrung für mich!
Fazit: Ein ganz besonderes Buch für Liebhaber versteckter Schätze. Ich bin froh, dass ich es lesen durfte!

Veröffentlicht am 07.06.2017

Das Rätsel der Hölzer

Die Birken wissen's noch
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Das Buch handelt Mitte der 90er Jahre. Edvard lebt mit seinem Großvater auf einem entlegenen Bauernhof im norwegischen Gudbrandsdalen. Edvards Eltern verstarben, als er 3 Jahre alt war bei einer Reise ...

Das Buch handelt Mitte der 90er Jahre. Edvard lebt mit seinem Großvater auf einem entlegenen Bauernhof im norwegischen Gudbrandsdalen. Edvards Eltern verstarben, als er 3 Jahre alt war bei einer Reise in Frankreich, wobei ihm nie sehr viel mehr als diese Information von seinem Großvater gegeben wurde.
Als dieser verstirbt, geht es daran die Hinterlassenschaften zu sichten. Dabei tauchen einige Ungereimtheiten auf wie ein teurer Anzug, den er nie an seinem Großvater sah und Konzertkarten aus Deutschland sowie zahlreiche Fotos, die er all die Jahre vor ihm verborgen gehalten hatte. Als dann bei den Vorbereitungen zur Beisetzung noch ein Sarg auftaucht, wie ihn noch niemand je sah in dieser Gegend, wird der Wunsch in Edvard geweckt, Licht ins Dunkel seiner Abstammung zu bringen. Der Sarg wurde von seinem Onkel hergestellt, und zwar zu Beginn der 80er Jahre. Allerdings sollte jener Onkel Einar zu diesem Zeitpunkt schon lange tot sein - jedenfalls wurde ihm dies stets von seinem Großvater erzählt. Einar war Schreiner und hatte hinter dem Hof einen kleinen Birkenwald angelegt, in dem er Flammbirken ziehen wollte. Edvard versucht herauszufinden, was aus Einar Hirifjell geworden ist und ob er vielleicht sogar noch lebt...

Mehr möchte ich vom Inhalt ungern verraten, denn es nimmt einem sonst das Vergnügen, gemeinsam mit Edvard seine Vergangenheit ans Licht zu bringen. Eigentlich war das Buch vom Thema her nicht so wahnsinnig interessant für mich, aber ich bin ein Fan skandinavischer Literatur, weil sie mir oft mehr bietet als der Klappentext zu versprechen scheint. Und ich wurde nicht enttäuscht! Aber sowas von nicht!!!

Selten hat mich ein Buch so in seinen Bann gezogen. Ich habe gleich am ersten Abend über 200 Seiten genossen (verschlungen wäre der falsche Begriff bei diesem Buch) und nur wegen unerfreulich nötiger längerer Pausen letztlich doch so lange darüber gelesen. Insgesamt vielleicht an 5 Abenden, aber dann auch richtig. Vielleicht, weil ich es gar nicht erst zur Hand nahm, wenn ich nur kurze Zeit hätte lesen können. Ich wollte auf jeden Fall wenn, dann auch richtig weiterlesen.
Mytting hat eine für mich wunderbare Art zu schreiben. Sofort war ich davon eingenommen und konnte mich seinem Rhythmus hingeben. Geradezu meisterlich beschreibt er die atemberaubend eintönige Landschaft der Shetland-Inseln mit ihren Wetterkapriolen. Die Art wie er Holz beschreibt, ist jedoch wahrlich ein Meisterwerk. Man meint, es wirklich in der Hand zu haben und zu fühlen. Ich bin tatsächlich ins net gegangen, nur um mir anzuschauen, wie Flammbirkenholz wohl aussieht - und ich kann seine Begeisterung darüber verstehen.

Obwohl das Buch über 500 Seiten hat, waren es locker 200 zu wenig für mich. Immer wieder tauchen winzige Einzelheiten auf, die die Spurensuche weiterbringen. Manche davon überraschend, einige hingegen ahnte ich bereits weit im Voraus, was jedoch kein bisschen Spannung nahm, denn es kam hier auf die Suche an. Denn letztlich war Edvard nicht nur auf der Suche nach der Vergangenheit, sondern eigentlich auf der Suche nach sich selbst. Er war sich nicht sicher, ob er wirklich sein Leben lang auf diesem entlegenen Hof verbringen wollte und Kartoffeln ernten. Er wusste - wie so mancher in einem Alter von Anfang 20, nicht, wie sein Leben sich entwickeln soll. Er macht einige Wandlungen und Entwicklungen im Verlaufe des Buches durch und am Ende weiß er auch, was er will. Es macht wahnsinnig viel Spaß, ihn dabei zu begleiten.
Von mir bekommt dieses Buch 6 Sterne - einen müsst ihr euch dazu denken

Veröffentlicht am 07.06.2017

Eine schöne Indien-Reise

Der Fünfzigjährige, der den Hintern nicht hochbekam, bis ihm ein Tiger auf die Sprünge half
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Das Buch ist der 2. Teil einer Trilogie von Mikael Bergstrand um den Schweden Göran Borg, der im ersten Band offenbar seine Liebe zu Indien entdeckte und dort einen sehr guten Freund fand: Yogi - wie er ...

Das Buch ist der 2. Teil einer Trilogie von Mikael Bergstrand um den Schweden Göran Borg, der im ersten Band offenbar seine Liebe zu Indien entdeckte und dort einen sehr guten Freund fand: Yogi - wie er er von seinen Freunden genannt wird.
Mit Göran einen Draht zu bekommen, fiel mir nicht leicht. Er ist ein echter Langeweiler und bemitleidet sich mehr selbst als jeder andere Protagonist, über den ich bisher gelesen habe. Er dümpelt also in Schweden so vor sich hin - geschieden und 2facher Vater, wobei er seinen Sohn so gut wie nie sieht. Seine Tochter hingegen pflegt regelmäßigen Kontakt mit ihm und sagt ihm auch deutlich genug, was sie von ihm hält.
Er besucht außerdem eine Therapeutin, die sich bestmöglich bemüht, ihn auf die Füße zu stellen. Da er immerhin in der Lage ist, sich selbst einigermaßen von außen zu betrachten und seine Probleme zu erkennen, bemüht er sich zumindest halbwegs, ihre therapeutischen Ratschläge umzusetzen. Also sucht er wieder etwas Kontakt zu Freunden, die er lange vernachlässigt hat und trifft dabei auf einen Unbekannten, der ihm innig vertraut vorkommt. Er verbringt einen guten Teil seiner Freizeit mit ihm, bis ihm ein erschreckender Verdacht kommt.
Statt das Gespräch zu suchen, tut er das, was er offenbar am besten kann: Er ergreift die Flucht! Und zwar natürlich wieder nach Indien, wo sein Freund Yogi in einigen Wochen heiraten möchte, auch wenn die Hochzeit bereits verschoben wurde. So erreicht er auf Seite 81 dann Indien und der eigentliche Handlungsstrang beginnt. Zur Handlung möchte ich gar nicht mehr erzählen, denn alles würde nur als Spoiler dienen und die Spannung nehmen. Denn Überraschungen gibt es wirklich genügend im Verlauf des Buches.
Vielleicht noch etwas zu den anderen Personen: Yogi ist ein (für mich) nerviger Schwadlappen, der keinen kurzen Satz formulieren kann, sondern alles möglichst blumig und umständlich ausdrücken muss. Da diese Satzgebilde jedoch auch höchst amüsant sind, machte es mir überhaupt nichts aus. Nur im richtigen Leben würde mich so jemand komplett abschrecken. Seine geliebte Amma (Mutter) hingegen ist ein rechter Hausdrache und eine Helikopter-Mutter erster Güte. Sie leitet und lenkt die Geschicke des Hauses, das außer Yogi und Amma noch einige Dienstboten umfasst. Dann ist da noch Lakshmi, die Verlobte von Yogi. Sie ist in etwa eine jüngere Ausgabe von Amma, mit dem Unterschied, dass sie doch weniger herrisch vorgeht und daher auch für andere Beteiligte deutlich erträglicher ist.

Bergstrand hat einen ausgesprochen erfrischenden, modernen Schreibstil und mir ist keine Sekunde langweilig bei der Lektüre gewesen, die mir vom Inhalt her eigentlich überhaupt nicht interessant erschien. Es war mehr ein Verzweiflungsbuch, da es die einzige passable Möglichkeit für mich als VdM war. Mein Instinkt, ein Buch eines Skandinaviers zu wählen, erwies sich wieder einmal als richtig.
Das Buch ist in weiten Teilen durchaus turbulent durch seine teils abenteuerlichen Wendungen und Geschehnisse. Dabei immer amüsant und manches Mal musste ich doch kichern oder grinsen bei den Schilderungen. Meines Erachtens bietet sich die Geschichte absolut als Filmstoff für eine Komödie an!
Man merkt dem Autor seine Liebe zu Indien an. Seine Landschaftsschilderungen und vor allem die Beschreibung der Mentalität sind ihm hervorragend gelungen! Den ersten Band kenne ich leider nicht, aber ich werde den dritten Band sicher irgendwann lesen.
Manchmal haben mich jedoch etwas die verklärten Blicke in Richtung Yogi gestört. Da das Buch aus Sicht von Göran geschrieben ist, kann man an seinen Gedanken durchweg teilhaben und da dachte ich oft, dass so doch niemand denkt - außer von dem Partner in den man gerade verliebt ist oder vielleicht von eigenen Kindern (bei denen ja oft die rosa Brille vor der Wahrheit schützt). Da mir solch ein Verhalten total fremd ist, hatte ich damit oft Schwierigkeiten und das Buch wurde an diesen Stellen für mich total unglaubwürdig.
Dennoch kann ich es nur weiterempfehlen! Es ist sicher keine große Literatur, aber eine, die durchweg Spaß macht und leicht zu lesen ist. Ein ideales Buch für die Urlaubsreise - nicht nur nach Indien

Veröffentlicht am 07.06.2017

Mehr erwartet

Und damit fing es an
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Gustav Perle wächst in der Nachkriegszeit in Matzlingen in der Schweiz auf. Sein Vater ist gestorben, als er noch ein Säugling war und seine Mutter bringt sie mehr schlecht als recht durch. Sie wohnen ...

Gustav Perle wächst in der Nachkriegszeit in Matzlingen in der Schweiz auf. Sein Vater ist gestorben, als er noch ein Säugling war und seine Mutter bringt sie mehr schlecht als recht durch. Sie wohnen in einer winzigen Wohnung und Gustavs einziges Spielzeug ist eine bemalte Blecheisenbahn.
Während er die Vorschule besucht, zieht die Familie Zwiebel aus Bern in den kleinen Ort und der unglückliche Sohn Anton wird von Gustav behütet und umsorgt. Die beiden freunden sich an, was Gustavs Mutter gar nicht gerne sieht, da die Zwiebels Juden sind und sie diese für den Tod ihres Mannes verantwortlich macht.

Das Buch glieder sich in 3 Teile: Die Kindheit der beiden Buben, Die Jahre während des Krieges, als Gustavs Eltern sich kennenlernten bis zum Tod seines Vaters und im letzten Teil die 90er Jahre, als beide über 50 sind.

Rose Tremain hat eine sehr angenehme Art zu schreiben. Leider trifft sie für meinen Geschmack nicht immer den richtigen Ton, sodass mir die Protagonisten nicht so richtig ans Herz wachsen wollen.
Gustav ist durchaus noch der sympathischste von allen - abgesehen von Antons Vater, der jedoch nur am Rande mitwirken darf. Anton finde ich sehr schnell ausgesprochen egozentrisch und auch egoistisch. Er hat keinerlei Probleme damit, Gustav, der ihn wirklich aus tiefstem Herzen verehrt, auszunutzen. Antons Eltern hingegen mögen den kleinen Jungen recht bald sehr gerne und sie beziehen ihn gerne in ihre Familie ein.

Gustavs Mutter ist eine echte Belastung für den kleinen Knirps. Sie gibt sich rechte Mühe, kann jedoch keine rechte Wärme weitergeben. Das ist durchaus z. T. verständlich, wie sich im 2. Kapitel herausstellt, jedoch macht es das für ein Kind nicht einfacher.

Mit leisen Tönen wird einem nun die Lebensgeschichte Gustavs näher gebracht, jedoch so distanziert, dass mir keine rechte Berührung gelingen will. Alles klingt für mich nebulös, schwammig und irgendwie emotionslos, sodass bei mir keine echte Empathie aufkommen konnte. Sogar nicht einmal Empörung darüber, was Gustav alles mit sich machen lässt.

Sehr interessant fand ich die Ausflüge in die Geschichte der Schweiz, die während der Judenverfolgung eine durchaus umstrittene Rolle spielte. Wobei m. E. gezielt Parallelen zur heutigen Flüchtlingsproblematik hergestellt wurden, was mir etwas zu viel war. Nicht, weil es nicht stimmen würde - ich sehe das ganz genau so - sondern weil es mir zu auffällig war. Begriffe wie Überjudung der Gesellschaft waren mir viel zu plakativ und offensichtlich. Man hätte das subtiler angehen können.

Aufgrund der enormen Begeisterung, die die bisherigen Werke Tremains ausgelöst haben in zahlreichen Rezensionen, wollte ich dieses Buch unbedingt lesen. Leider wurde ich enttäuscht und ich denke, ich verzichte auf weitere Versuche.
Fazit: Kein schlechtes Buch für angenehme Unterhaltung, aber man sollte sich nicht zu viel davon versprechen.