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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.07.2024

Geht unter die Haut

Kleine Monster
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Der Klappentext hat mich ganz schön in die Irre geführt. Hatte ich doch die Auseinandersetzung einer Mutter mit ihrem Sohn erwartet. Jessica Lund geht jedoch viel weiter. Es geht um die Auseinandersetzung ...

Der Klappentext hat mich ganz schön in die Irre geführt. Hatte ich doch die Auseinandersetzung einer Mutter mit ihrem Sohn erwartet. Jessica Lund geht jedoch viel weiter. Es geht um die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Es geht darum, wie man eigene – nicht verarbeitete – Erlebnisse ins hier und jetzt transferiert. Wie sich der Blick verschiebt, wenn man traumatisiert ist und gar nicht mehr ans Harmlose, Gute denken kann.
Pia wuchs mit zwei Schwestern auf, eine davon adoptiert. Und genau dieses Mädchen war dabei, als die andere Schwester verunglückt. Schicht für Schicht wird abgetragen, was im Vorfeld und im Nachgang zu diesem Ereignis geschah. Innerhalb der Familie, mit den Eltern, unter den verbliebenen Geschwistern. Pia lernt sehr schmerzhaft „Vielleicht ist nicht alles schwarz oder weiß. Es ist Zeit, in den Schattierungen zu leben“.

Mich hat dieses Buch zutiefst berührt. Die kurzen Kapitel – mal als Rückblende, mal in der Gegenwart – sind sprachlich sehr klar und lassen mich den Schmerz und die Verzweiflung von Pia spüren. Aber nicht nur ihre Perspektive ist großartig beschrieben, auch Mann und Sohn werden lebendig und haben Tiefe.

Eine absolutes Lesehighlight.

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Veröffentlicht am 30.06.2024

Absloutes Highlight der Krimireihe

Totholz
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Wie in jeder Krimireihe gibt es auch bei den Fällen rund um Kreuthner und Wallner von Andreas Föhr mal absolut gelungene, mal etwas weniger begeisternde Bücher. Der 11. Fall „Totholz“ ist jedenfalls ein ...

Wie in jeder Krimireihe gibt es auch bei den Fällen rund um Kreuthner und Wallner von Andreas Föhr mal absolut gelungene, mal etwas weniger begeisternde Bücher. Der 11. Fall „Totholz“ ist jedenfalls ein absolutes Lesehighlight.

Kreuthner laviert sich mit seiner Spürnase und seinem speziellen Sinn für Gerechtigkeit (wie kann es jemand wagen, seiner Schwarzbrennerei Konkurrenz zu machen?) wieder in aussichtslose Situationen. Abwechselnd unterstützt und hängen gelassen von seinen Spezln aus der Mangfallmühle stellt er sich Entführern, Drogenhändlern und anderen kriminellen Gestalten. Es geht ihm bisweilen arg an den Kragen. Gut, dass er sich auf Opa Manfred verlassen kann, der ihm in einer Mischung aus Überschätzung und Bauernschläue immer wieder weiterhilft.

Und so gibt es immer wieder Szenen, die einen beim Lesen laut auflachen oder fein schmunzeln lassen.

Ein großartiger Schreibstil, ein unterhaltsamer Fall und liebenswert-skurille Charaktere ermöglichen großes Lesevergnügen.

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Veröffentlicht am 30.05.2024

Feine Beobachtungen des Lebens

Im wechselnden Licht der Jahre
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Alex wird 60 und das macht ihm unglaublich Angst. Dabei läuft es für ihn hervorragend: perfekte Frau, wohlgeratene Kinder, ein Haus im Speckgürtel Berlins, er lernt sein Musikeridol kennen…
In vielen kleinen, ...

Alex wird 60 und das macht ihm unglaublich Angst. Dabei läuft es für ihn hervorragend: perfekte Frau, wohlgeratene Kinder, ein Haus im Speckgürtel Berlins, er lernt sein Musikeridol kennen…
In vielen kleinen, unabhängigen Geschichten lernen wir Alex kennen. Großartig erzählt ist die Jugend von Alex, als er als schüchterner Junge plötzlich das begehrenswerteste Mädchen der ganzen Schule zur Freundin hat. Da werden Erinnerungen an die eigene Jugend wach! Tom Liehr wählt wunderbare Vergleiche, um die Gefühlswelt des Jungen zu beschreiben und ist äußerst detailgetreu in den 70er Jahren unterwegs. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen lese ich diese Abschnitte.
Der erwachsene Alex hat nicht so ganz meine Sympathien. Er philosophiert leicht abgehoben über die Nachbarn und das Leben. Und dann bricht seine schöne Welt über ihm zusammen. Auch hier findet Tom Liehr Worte, die mich mitfühlen und tief in Alex‘ Gefühlswelt eintauchen lassen – einfach großartig.
Toll, wie ich mich beim Lesen an Alex reiben kann, ich stehe fast im Zwiegespräch mit ihm. Großartig!

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Veröffentlicht am 01.05.2024

Feinfühliger Blick in komplexe Familienstrukturen

Treibgut
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Adrienne Brodeur erzählt über die Familie Gardener, in der nach außen hin alles perfekt ist: der Vater ein anerkannter Meeresbiologe, der Sohn ein erfolgreicher Geschäftsmann mit hohen politischen Ambitionen ...

Adrienne Brodeur erzählt über die Familie Gardener, in der nach außen hin alles perfekt ist: der Vater ein anerkannter Meeresbiologe, der Sohn ein erfolgreicher Geschäftsmann mit hohen politischen Ambitionen und die Tochter eine direkt vor dem Durchbruch stehende Künstlerin.
Doch nach und nach blicken wir – jeweils aus der Perspektive eines Einzelnen – hinter diese perfekte Welt. Nach dem frühen Tod der Mutter sind bei den inzwischen erwachsenen Kindern tiefe Wunden entstanden, die bis heute nicht verheilt sind. Und so werden Erinnerungen mit den Themen im hier und jetzt verwoben. Adrienne Brodeur beobachtet dabei ebenso feinfühlig wie genau. Jede Figur hat ihre eigene Sprache und ist sehr facettenreich ausgearbeitet. So erleben wir zum Beispiel die Qualen, die eine bipolare Störung beim Vater auslöst, hautnah mit. Das ist verstörend und faszinierend zugleich.
Fast nebenbei tauchen wir ein in das US-amerikanische Leben im Jahr 2016. So wird nicht nur der Wahlkampf zwischen Trump und Clinton thematisiert, sondern es kommt auch immer wieder zu Wertediskussionen zwischen den Generationen. Für mich trifft das Buch die Stimmung in den USA ziemlich perfekt.
Mich haben die Figuren sehr berührt. Denn es wird deutlich, wie schwer es ist, sich von Kindheitstraumata zu lösen und einen eigenen erwachsenen Weg zu finden. Im Grunde würde ich zu gern wissen, wie es für die Gardeners weiter geht.

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Veröffentlicht am 24.02.2024

Herausfordernde, erschöpfende Lektüre

Ein falsches Wort
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Vigdis Hjorth schafft es, mit intensiven Worten und Wiederholungen das manchmal schwer auszuhaltende Bild einer dysfunktionalen Familie zu zeichnen.
Die Ich Erzählerin Bergljot - inzwischen längst erwachsen ...

Vigdis Hjorth schafft es, mit intensiven Worten und Wiederholungen das manchmal schwer auszuhaltende Bild einer dysfunktionalen Familie zu zeichnen.
Die Ich Erzählerin Bergljot - inzwischen längst erwachsen und Mutter dreier Kinder – wächst mit drei Geschwistern auf. Doch sie und ein Bruder gehören irgendwie nicht richtig zur Familie. Man ahnt früh, dass in der Kindheit etwas sehr Verstörendes vorgefallen ist. Bergljot hat keinen Kontakt mehr zu den Eltern. Und doch gibt es über Erbschaftsangelegenheiten immer wieder Berührungspunkte. Als der Vater stirbt, eskaliert das Ganze.
Wie bei einer Zwiebel enthäutet die Autorin nach und nach das Geschehen und lässt Bergljot dabei immer wieder durch die Hölle gehen. Es geht um Schuld und um Anerkennung des Geschehens. Therapie, Alkohol, immer dieselben Gespräche, immer derselbe Wunsch, immer dieselbe Enttäuschung. Dieses zermürbende Gefühl wird auf mich als Leserin direkt übertragen. Endlose Wiederholungen. Starke, kurze Sätze, die auf den Punkt genau sitzen („Vater war stolz auf sein hübsches Eigentum, Mutter strahlte vor Angst“). Und als Wiederholung der Wiederholung: Theaterstücke, Gedichte, Randgeschichten, die die Verzweiflung (auch der Leserin) steigern.
Diese Buch zeigt eindrucksvoll, wie Kindheitstraumata (nach)wirken, wie viel es braucht, um diese verarbeiten zu können.
Ein extra Stern geht an die Übersetzerin Gabriele Haefs. Ich stelle es mir unglaublich schwierig vor, den Rhythmus des Buchs und die Worte so punktgenau zu treffen.

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