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Veröffentlicht am 07.11.2019

Zauberhafte Geschichte über eine kleine, mutige Hummel

Die kleine Hummel Bommel
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"Die kleine Hummel Bommel" ist ein 2015 erschienenes Kinderbuch aus dem ars-Edition-Verlag. Die Autoren sind Britta Sabbag und Maite Kelly. Für die Illustrationen ist Joëlle Tourlonias verantwortlich. ...

"Die kleine Hummel Bommel" ist ein 2015 erschienenes Kinderbuch aus dem ars-Edition-Verlag. Die Autoren sind Britta Sabbag und Maite Kelly. Für die Illustrationen ist Joëlle Tourlonias verantwortlich. Das gleichnamige Hörbuch erschien im selben Jahr beim Hörverlag. Neben Die kleine Hummel Bommel beinhaltet die CD auch Die kleine Hummel Bommel sucht das Glück.

Bommel wird von den anderen Insektenkindern ausgelacht, weil sie so kleine Flügel hat. Damit könne sie doch niemals fliegen, spotten die Anderen. Die kleine Hummel ist verunsichert und traurig. Sie fragt sich, warum ihre Flügel soviel kleiner sind, als die ihrer Freunde. Auf der Suche nach Antworten erkennt sie, dass es zum Fliegen nur etwas Mut braucht.

Britta Sabbag, die Autorin des Buches, ist die Sprecherin der Vertonung und leiht zudem Bommel ihre Stimme. Maity Kelly synchronisiert alle anderen Insekten. Die Stimmen der Beiden erwecken die Figuren zum Leben und die individuellen Charakterzüge dieser werden deutlich. So gelingt es Kindern auf leichte Art und Weise, der Geschichte zu folgen und die Figuren voneinander zu unterscheiden. In der Geschichte werden viele wertvolle Attribute wie Freundschaft, Selbstbewusstsein und Toleranz thematisiert. Gerade im Kindesalter sind das elementare Bausteine für die Persönlichkeitsentwicklung.

Die kleine Hummel verkörpert ein zurückhaltendes und warmherziges Wesen, welches mit großer Traurigkeit auf die Verspottung seiner Mitwelt reagiert und sich dadurch erst recht klein fühlt. Gerade Kinder sind leicht zu verunsichern und brauchen viel Zuspruch und Wärme, um Zutrauen in ihre eigenen Stärken zu entwickeln. Die bezaubernde Geschichte der kleinen Hummel Bommel, tut genau das. Sie zeigt uns, dass wir uns nicht verstecken müssen, dass wir etwas Besonderes sind und das jeder seine ganz individuellen Fähigkeiten besitzt. Um diese zu entfalten, bedarf es nur ein wenig Mut.

Die liebenswerten Figuren, die wunderschönen Songs von Maite Kelly und die wichtigen Aussagen des Hörbuchs machen es zu einem ganz besonderen Erlebnis für Kinder und Erwachsene. Inhaltlich regt die Geschichte zum Nachdenken an und gibt einem gleichzeitig das Gefühl, wertvoll zu sein. Die zauberhaften Illustrationen, die sich auch im Booklet wiederfinden, dürfen nicht unerwähnt bleiben. Tourlonias hat einen sehr eigenen und unverwechselbaren Stil, die Figuren zu zeichnen und untermalt damit das gelungene Kinderbuch-Konzept einer herzerwärmenden Geschichte (mit großer Aussage), berührender Musik und liebevoll gestalteter Bilder.

Veröffentlicht am 07.11.2019

Beklemmende Familiengeschichte

Summer
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"Summer" ist ein Familienthriller von Monica Sabolo, welcher 2018 im Insel-Verlag (Suhrkamp) erschienen ist. Die Geschichte spielt in den Achtzigerjahren am Genfersee in der Schweiz. Beim Picknick mit ...

"Summer" ist ein Familienthriller von Monica Sabolo, welcher 2018 im Insel-Verlag (Suhrkamp) erschienen ist. Die Geschichte spielt in den Achtzigerjahren am Genfersee in der Schweiz. Beim Picknick mit ihrem Bruder und ihren Freunden verschwindet die neunzehnjährige Summer spurlos.

Benjamin liebt seine große Schwester Summer abgöttisch und sieht in ihr das vielversprechende Leben, welches er sich wünscht. Nachdem Summer verschwindet, bricht für Benjamin eine Welt zusammen. Er hat große Probleme das Geschehene zu begreifen. Während er schüchtern und zurückhaltend ist, war Summer immer offen, direkt und lebenslustig. Irgendwann gelingt es ihm, so lässt der Kontext vermuten, ins Leben zu finden. Nach vierundzwanzig Jahren aber muss sich Benjamin das erste Mal wirklich dem großen Verlust und der quälenden Ungewissheit stellen.

Das Buch hat mich ganz unverhofft erreicht. Darüber bin ich sehr froh, denn der Roman hat mich wirklich berührt. Sabolo bedient sich einer bildhaften Sprache und tiefenpsychologischer Elemente. Melancholisch und still, schwermütig und traurig – die Atmosphäre löst Unbehagen aus, aber berührt auch sehr. Der Titel des Buches in Kombination mit dem Covermotiv impliziert laue Sommerabende und warme Nächte am Strand. Der Leser wird diesbezüglich eines Besseren belehrt. Summer, eine junge, lebenslustige Frau, die vollkommen lautlos von der Bildfläche verschwindet.

Die perfekte Familie, das sind die Wassners nach außen hin. Dieses Bild vermitteln sie auf eindrucksvolle Art und Weise. Nach dem Verschwinden der Tochter und Schwester aber, beginnt die Fassade mehr und mehr zu bröckeln und der trügende Schein schwindet. Unter der Oberfläche macht sich Resignation breit. Benjamin leidet fast still unter dem spurlosen Verschwinden seiner Schwester, während seine Eltern irgendwann zu akzeptieren scheinen, was geschah.

Viele Jahre später wird Benjamin bewusst, dass das Verschwinden seiner Schwester Summer noch immer Fragen aufwirft, denen er sich stellen muss. Von einem Tag auf den anderen kann er sein Büro nicht mehr betreten. Er zieht sich mehr und mehr aus der Gegenwart zurück und lässt die Vergangenheit zu. An diesen Stellen werden dem Leser tiefe Einblicke gewährt. Sabolo gelingt es, die Balance zwischen Sinnestaumel und Grausamkeit zu halten. Ihre Figuren bleiben die gesamte Handlung hinweg distanziert und dennoch geht einem die Geschichte unter die Haut. Die düstere, tragische Grundstimmung ist das Beeindruckendste an Summer.

Der Autorin ist es gelungen, einen spannenden Thriller zu erschaffen, dessen Tragödie sich lange unter der Oberfläche abspielt.

Veröffentlicht am 07.11.2019

Amüsant und solide

Cheers
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"Cheers – Feiern mit der Business Class" ist ein Kolumnen-Sammelband vom Schweizer Autoren Martin Suter. Das Buch wurde im November 2016 im Diogenes-Verlag veröffentlicht. Inhaltlich geht es um das Leben ...

"Cheers – Feiern mit der Business Class" ist ein Kolumnen-Sammelband vom Schweizer Autoren Martin Suter. Das Buch wurde im November 2016 im Diogenes-Verlag veröffentlicht. Inhaltlich geht es um das Leben eines modernen Geschäftsmannes, verpackt in 66 satirische Texte.

Firmenfeiern, Sektempfänge, Einladungen beim Chef und Affären im Büro. Kurz gesagt: der ganz normale Wahnsinn in der Geschäftsbranche. Die Geschichten können bis auf wenige Ausnahmen unabhängig voneinander gelesen werden. Thematisch geht es durchweg um das Leben in der Business Class. Viel Klatsch und Tratsch im Büro, häufige Geschäftsreisen und jede Menge Champagner bilden den Rahmen dieser amüsanten Lektüre von Martin Suter.

Überstunden sind in dieser Branche ebenso selbstverständlich wie Trinkfestigkeit und menschliche Distanz. Zumindest muss man dies glauben, wenn man Cheers – Feiern mit der Business Class gelesen hat. Und obwohl das Buch der Satire zugeordnet werden kann, so steckt doch viel Wahrheit in den häufig überspitzt dargestellten Geschichten. Die richtige Balance zwischen Menschlichkeit und Geschäftsdenken ist für die Protagonisten des Buches oft ein schmaler Grat. Und auch im realen Leben ist das im Geschäftsleben eine Herausforderung.

Die sich im Band befindlichen Kolumnen sind größtenteils schon in den Anfängen der 1990er Jahre erschienen. Die Weltwoche in Zürich und der Weltwoche-ABC-Verlag haben die Geschichten seinerzeit veröffentlicht. Weitere Texte hat der Diogenes-Verlag in seinen Business-Class-Bänden publiziert. Mir gefiel, dass die Kolumnen nahezu alle gleich lang sind. Selten umfasst eine Geschichte mehr als zwei Seiten, sodass es sich besonders unterwegs lohnt, das Buch zu lesen. Trotz der Kürze der einzelnen Erzählungen, gelingt es Suter doch, seinen Charakteren ausreichend Eigenschaften zukommen zu lassen, die ihnen Persönlichkeit verleihen, auch wenn die Geschichten selbst oberflächlich bleiben.

Schwierigkeiten hatte ich des Öfteren mit den Nachnamen der handelnden Personen. Das lag hauptsächlich daran, dass sie sich häufig ähnelten und ich deshalb durcheinander kam. Der bissige, raue Ton gefällt mir sehr gut und harmoniert mit den Handlungen. Das Beschriebene bedient sich bekannten Klischées und macht das Lesen sicherlich auch deshalb so amüsant. Nichts desto Trotz regen auch diese witzig anmutenden Erzählungen zum Nachdenken an und hinterlassen einen faden Beigeschmack, denn die Entmenschlichung in diesem Bereich ist keine Phrase.

Mich haben die Geschichten gut unterhalten und oft zum Schmunzeln gebracht. Spannung kann man in diesen Kolumnen weniger erwarten, mit Witz und Spott wird jedoch nicht gegeizt.

Veröffentlicht am 07.11.2019

Tagebücher einer Ehe

Der Schlüssel
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Junichiro Tanizakis erotischer Tagebuchroman "Der Schlüssel" wurde erstmals 1956 veröffentlicht. Damals entging das Buch nur knapp einem Veröffentlichungsverbot, weil das provokante Werk in Japan auf heftige ...

Junichiro Tanizakis erotischer Tagebuchroman "Der Schlüssel" wurde erstmals 1956 veröffentlicht. Damals entging das Buch nur knapp einem Veröffentlichungsverbot, weil das provokante Werk in Japan auf heftige Gegenwehr stieß. Der Kein&Aber-Verlag hat den erfolgreichen Roman 2016 neu übersetzt. Vordergründig geht es um ein langjähriges japanisches Ehepaar auf der Suche nach der Erfüllung ihrer Obsessionen.

Ein japanisches Ehepaar in den Fünfziger Jahren: Er ist ein in die Jahre gekommener Literaturprofessor, der seine sinkende Potenz beklagt und seine Gattin für sexuell unersättlich hält. Sie ist einige Jahre jünger und möchte laut ihren Tagebuchaufzeichnungen ihrem Mann eine gute Ehefrau sein und ihre Pflichten erfüllen. Beide vertrauen ihre Intimitäten ausschließlich ihrem Tagebuch an.

Die Tagebücher sind es auch, welche den Rahmen der Geschichte bilden. Sowohl Frau als auch Mann nutzen diese, um ihre tiefsten Sehnsüchte niederzuschreiben. Dabei wird schnell klar, dass hinter den Aufzeichnungen wesentlich mehr steckt. Die Tagebücher werden zum manipulativen Instrument beider Eheleute. Beide behaupten von den Niederschriften des Anderes nichts zu wissen. Da dies aber (zumindest nicht in beiden Fällen) der Wahrheit entspricht, scheinen die sexuellen Entblößungen immer provokativer.

1956, dem Jahr der Veröffentlichung des Schlüssels löste dieses hitzige Debatten im Heimatland des Autoren Tanizaki aus. Darin ging es allen voran um den Vorwurf der Pornografie, welcher sich aufgrund der bis dahin bereits bekannten Themen Tanizakis aber auflöste. Der Autor machte bereits in seinen vorangegangen Büchern Sexualität, Unterwerfung und Dominanz zum Mittelpunkt seiner Geschichten, sodass der Roman dem bisherigen Stil Tanizakis nur gerecht wurde.

Aufgrund der frühen Nachkriegszeit war die Veröffentlichung des Romans für viele Japaner ein literarischer Skandal. Junichiro Tanizaki gelingt ein Katz-und-Maus-Spiel der besonderen Art. Immer im Mittelpunkt: die Obsessionen seiner Protagonisten. Verstörend und provozierend beschreibt er das Wechselspiel um sexuelle Macht und umschreibt spannend und literarisch ästhetisch die intimen Gedanken der Eheleute.

Schonungslos, abgründig und böse berichtet Tanizaki von der unbefriedigten Ehe zweier Menschen, die ausschließlich über ihre Tagebücher miteinander kommunizieren und am Ende die fatalen Folgen ihres Handelns zu spüren bekommen. Mich konnte die Story leider zu keiner Zeit packen. Die Idee ist interessant und zum Teil auch gut umgesetzt, im Großen und Ganzen bleibt es für mich aber eine Durchschnittsgeschichte.

Veröffentlicht am 07.11.2019

Schonungslos Geschichte einer Magersucht

Tage ohne Hunger
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"Tage ohne Hunger" ist ein über Magersucht handelnder Roman der französischen Schriftstellerin Delphine de Vigan welcher das erste Mal 2001 – unter ihrem Pseudonym Lou Delvig – erschien. 2018 veröffentlichte ...

"Tage ohne Hunger" ist ein über Magersucht handelnder Roman der französischen Schriftstellerin Delphine de Vigan welcher das erste Mal 2001 – unter ihrem Pseudonym Lou Delvig – erschien. 2018 veröffentlichte der Dumont Verlag den Titel nun auf deutsch. Laure ist neunzehn Jahre alt, als sie sich ins Krankenhaus einweisen lässt um wegen ihrer Magersucht behandelt zu werden. Sie wiegt bei einer Körpergröße von einem Meter fünfundsiebzig nur noch sechsunddreißig Kilogramm.

Laure entscheidet sich, als sie dem Tod näher scheint als dem Leben, in eine Klinik zu gehen. Dort trifft sie auf Gleichgesinnte und wird tagtäglich mit ihrer Krankheit konfrontiert. In der ernährungsmedizinischen Abteilung dreht sich alles immerzu ums Essen. Laure wird über eine Sonde ernährt um zuzunehmen. Die junge Frau versucht ihre Krankheit differenziert zu betrachten, zu ergründen, wie es mit ihr so weit kommen konnte.

Ähnlich wie in Vigans anderen Romanen weist auch Tage ohne Hunger autobiografische Züge auf. Laure hat eine Schwester, Louise. Die Mutter der Beiden ist psychisch krank und wird, als die Schwestern noch klein sind, in eine geschlossene Abteilung eingewiesen. Der Vater ist ein ausgesprochener Choleriker und hat für Laure wenig nette Worte übrig. Er sieht in ihr Unheil bringendes. Das schwierige Verhältnis zu ihren Eltern wird das ganze Buch hinweg immer wieder thematisierst und scheint einer der Gründe für Laures Magersucht zu sein.

Delphine de Vigan berichtet authentisch, klar und schonungslos von der Krankheit ihrer Protagonistin. Ihre detaillierten und treffenden Beschreibungen lassen vermuten, dass sie aus Erfahrung spricht. Als gesunder, als von Magersucht nicht betroffener Mensch, kommt man dieser äußerst nah. Obwohl die Thematik eine sensible, traurige ist, gelingt es de Vigan ihren Leser ans Buch zu fesseln. Man möchte nicht aufhören, man möchte wissen, was mit Laure geschieht. Beachtlich ist zudem, dass sie es schafft, auf weniger als zweihundert Seiten wachzurütteln und auf die Krankheit aufmerksam zu machen.

Laure ist mir durch die Geschichte hinweg sympathisch geblieben. Ich habe bis zum Ende mitgelitten, mitgefühlt, mitgedacht. Tage ohne Hunger hat eine, wie ich finde, angemessene Länge, denn obwohl das Buch großartig geschrieben ist, macht das ausgewählte Thema betroffen. Die Familiengeschichte hat mich am Meisten erschüttert. Die Eltern haben es Laure sehr schwer gemacht, ein selbstbewusster Erwachsener zu werden. Erst als Laure unerträglich kalt wird, sie mehrere Schichten Kleidung tragen muss, um diese Kälte zu ertragen, begreift sie, dass sie Hilfe braucht und spürt ihren Lebenswillen.

Auf kluge, intensive und eindringliche Art und Weise schildert Delphine de Vigan den Leidensweg von Laure und die Entwicklung ihrer Essstörung. Ihr neuer Roman ist sprachlich auf hohem Niveau und fachlich überzeugend.