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Veröffentlicht am 12.02.2024

Sehr berührend!

Meine Schwester
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MEINE SCHWESTER
Bettina Flitner

TW: Depression, Suizid

„Wir waren zu zweit durch diese Wüste gegangen, meine Schwester und ich. Zu zweit gewandert durch diese erschöpfende Weite. Zu Beginn war der Winkel ...

MEINE SCHWESTER
Bettina Flitner

TW: Depression, Suizid

„Wir waren zu zweit durch diese Wüste gegangen, meine Schwester und ich. Zu zweit gewandert durch diese erschöpfende Weite. Zu Beginn war der Winkel zwischen unseren Wegen kaum sichtbar, kaum messbar gewesen. Aber er wurde doch größer mit jedem Schritt. Mit jedem Schritt entfernten wir uns mehr voneinander. Meine Schwester wählte die Liebe, ich die Achtung“. (S. 176/177)

Abends um 20 Uhr kam der Anruf: Susanne, ihre große Schwester ist tot, sie hat sich im Badezimmer erhängt.
Wie kann das sein? Sie hatten sich doch damals, nach dem Freitod der Mutter geschworen, dem anderen Bescheid zu geben, sollte sich irgendwann auch mal einer von ihnen umbringen wollen.
Vielleicht hatte Susanne auch Bescheid gegeben? Tinas Telefon hatte ja zuvor geklingelt und sie hatte auch den Namen ihrer Schwester auf dem Display gesehen - nur angenommen hatte sie den Anruf nicht. Sie hatte keine Zeit für ihre Schwester - für ein Gespräch das wieder mindestens eine Stunde über ihre Ängste und Depressionen dauern würde.
Und jetzt war es zu spät.

In Rückblicken erfahren wir die Familiengeschichte der Autorin.
Lernen ihre Eltern kennen, die es mit der Aufsichtspflicht nicht immer so ganz genau nehmen und deren Affären wichtiger sind, als den Mädchen ein Abendessen zu kochen.
Treffen die Großeltern, die aus ihren zugewiesenen Rollen der 70er-Jahre nicht ausbrechen können und bei denen man sich entscheiden muss, ob man Liebe oder Achtung bekommen möchte. Doch die Mädchen halten zusammen und sind ein Team, bis sich irgendwas ändert.

Die autobiografische Geschichte von Bettina Flitner hat mich sehr berührt. Ich habe das Buch in 1½ Tagen gelesen und konnte es kaum zur Seite legen.
Wunderschöne Sätze haben mich durch diese traurige Geschichte getragen, den Vergleich mit den Raben während der Depressionsschübe der Mutter fand ich wunderschön.
Diverse Male hatte ich Flashbacks - zu schön sind diese kleinen Beschreibungen von Süßigkeiten, Zeitschriften und den typischen Lebenssituationen in den 70er-Jahren.

Fazit:
Ein faszinierendes Buch, das man gelesen haben muss. Traurig und wunderschön.
5/ 5

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Veröffentlicht am 07.02.2024

Einfach toll!

So weit der Fluss uns trägt
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SO WEIT DER FLUSS UNS TRÄGT
Shelly Read

1940:
Die 17-jährige „Torie“ Victoria Nash lebt mit ihrem Vater, Bruder Seth und ihrem Onkel auf einer Pfirsichfarm in Iola, Colorado am Ufer des Gunnison Rivers. ...

SO WEIT DER FLUSS UNS TRÄGT
Shelly Read

1940:
Die 17-jährige „Torie“ Victoria Nash lebt mit ihrem Vater, Bruder Seth und ihrem Onkel auf einer Pfirsichfarm in Iola, Colorado am Ufer des Gunnison Rivers. Dort wachsen die bekannten und begehrten „Nash-Pfirsiche".
Nachdem ihre Mutter, Tante und Cousin bei einem Autounfall verunglückten, hat sie die Aufgaben ihrer Mutter übernommen: Wie selbstverständlich kümmert sie sich um den Haushalt und die Wäsche. Nebenbei versorgt sie das Vieh und hilft bei der Pfirsichernte.
Doch harmonisch ist es nicht auf der Farm: Seth bringt sich immer öfter in ernste Schwierigkeiten, ihr Onkel, der seit dem Vietnamkrieg im Rollstuhl sitzt, verpestet die Luft mit seinem Gezeter und dem Vater scheinen die Worte seit dem Tod der Ehefrau ausgegangen zu sein - mit anderen Worten: Tories Mutter und ihr weiblicher Einfluss fehlt einfach überall.

Als sie eines Abends ihren betrunkenen, mal wieder zu Streit aufgelegten Bruder von einer Pokerrunde abholen will, begegnet ihr Wilson Moon. Sie verliebt sich sofort in den gut aussehenden jungen Mann mit indigener Herkunft.
Doch die Männer ihrer Farm sind alles andere als begeistert, dass Torie sich mit „einem wie diesen“ abgibt. Torie ignoriert den Willen ihres Vaters, sich nicht mit Wilson zu treffen und schlüpft nachts heimlich aus dem Haus.
Nach kurzer Zeit will nicht nur ihre Familie "diesen Abschaum“ loswerden, sondern ganz Iola scheint sich einig zu sein: "Diese Rothaut" muss weg! Gerüchte und Verleumdungen werden in die Welt gesetzt und machen die Runde in Iola. Nach kurzer Zeit wird Wilson Moon von dem Sheriff gesucht.
Der gewalttätige Seth kann die Belohnung, die auf Wilson ausgesetzt ist, gut gebrauchen und macht sich auf die Suche nach ihm - und er weiß, dass er nur der Spur seiner Schwester folgen muss, um ihn zu finden …

Wow, was für ein facettenreiches Debüt von Shelly Read. Ich habe mit Torie gelitten, gebangt und geweint.
Es geht um Rassismus, Verlust und Einsamkeit.

Ein berührendes Buch, das man einfach so zur Hand nimmt und nicht mehr weglegen kann, bevor man es beendet hat.
Die wunderschönen Naturbeschreibungen und die herausgearbeiteten Charaktere werden mir noch lange in Erinnerung bleiben.
Ein echtes Highlight für mich.
5+/ 5

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Veröffentlicht am 05.02.2024

Tiefgründige Geschichten!

Nachbarn
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NACHBARN
Diane Oliver

Nachbarn ist ein Buch, bestehend aus vierzehn Kurzgeschichten, die einen eindringlichen Einblick in das Leben mehrerer schwarzer Menschen in den Südstaaten zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung ...

NACHBARN
Diane Oliver

Nachbarn ist ein Buch, bestehend aus vierzehn Kurzgeschichten, die einen eindringlichen Einblick in das Leben mehrerer schwarzer Menschen in den Südstaaten zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung in den 60er-Jahren bietet.

Wir erfahren von dem kleinen Thommy, dem empfohlen wurde, wegen seiner Begabung auf die Schule für Weiße zu gehen. Doch die Gewaltbereitschaft der weißen Menschen der Stadt, die dies verhindern wollen, ist so groß, dass die Familie den zunehmenden Druck kaum aushält und am Ende keinen Mut aufbringt, ihren Sohn in deren Schule zu schicken.
In einer anderen Geschichte ist eine Frau im Mittelpunkt, die als Dienstmädchen bei einer weißen Frau arbeitet. Ihre Kinder muss sie am Tage unbeaufsichtigt und ohne Essen alleine zu Hause lassen. Um die Kinder sattzubekommen, bestiehlt sie ihre „Herrin“, aber ihr Ehemann hat nichts besseres zu tun, als sich ein Auto zu kaufen.

Das Buch handelt von Ausgrenzung, Demütigung und Rassentrennung, aber auch von der Unzuverlässigkeit des schwarzen Ehemanns.

Einige Geschichten konnten mich sehr berühren, andere Geschichten und deren Personen hätte ich gerne noch länger begleitet, nicht alle Geschichten gefielen mir.

Leider sind die Themen dieses Kurzgeschichtenbandes noch immer hochaktuell, und das, obwohl dieses Buch bereits in den 60er-Jahren von der jungen Diane Oliver (1943-1966) geschrieben wurde. Oliver starb im Alter von nur 22 Jahren bei einem Verkehrsunfall.
So eindrückliche und differenzierte Charakterbeschreibungen in einem jungen Alter zu Papier zu bringen, haben mich sehr beeindruckt. Die Autorin hat es perfekt verstanden, die Stimmung in Amerika während der Bürgerrechtsbewegung einzufangen.

Ich habe nicht nur das Buch gelesen, sondern auch das Hörbuch gehört, dabei durfte ich der wunderbaren und klaren Stimme von Maya Albarn-Zapata lauschen.
Gerne empfehle ich dieses Buch/Hörbuch weiter.
4/5

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Veröffentlicht am 31.01.2024

Großartige Erzählkunst!

Mohawk
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MOHAWK
Richard Russo

Gleich im ersten Kapitel tauchen wir ein, in das kleine Städtchen Mohawk, Upstate New York, das seinen Aufstieg damals durch die Lederindustrie erfuhr. Doch die golden Zeiten sind ...

MOHAWK
Richard Russo

Gleich im ersten Kapitel tauchen wir ein, in das kleine Städtchen Mohawk, Upstate New York, das seinen Aufstieg damals durch die Lederindustrie erfuhr. Doch die golden Zeiten sind vorbei. Das Städtchen befindet sich auf dem absteigen Ast und macht, wenn überhaupt, nur noch Schlagzeilen, weil die Krebsrate um ein vielfaches höher ist, als woanders. Doch die Gerberindustrie weigert sich Verantwortung zu übernehmen.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die Stadtbewohner und deren Leben. Wir lernen unter anderen Anne und ihren Sohn kennen. Anne ist schon lange in den Mann ihrer Cousine verliebt, diese nimmt aber die Wünsche ihrer Mutter wichtiger, als die des Ehemanns.
Harry, Besitzer des Mohawk Grills, hat seit Wild Bills Unfall ein Auge auf ihn. Dallas, der Ex-Mann von Anne, spielt auch eine große Rolle, aber was er und viele andere Personen miteinander zu tun haben, müsst ihr leider selber herausfinden.

Ja, der eine mag jetzt denken, so richtig spannend hört sich das nicht an … Ja und Nein, denn wer einen Krimi sucht, der ist bei Russo sicherlich falsch (obwohl es einige Verbrechen und Tote geben wird), doch Russo ist ein Meister der Erzählkunst: Minutiös, facettenreich und mit viel Feingefühl baut er seine Geschichte auf und verwebt sie ganz langsam zu einem grossen Ganzen.

Ich habe das Buch unglaublich gerne gelesen und war ganz traurig, als ich das Städtchen Mohawk und all seine Bewohner nach 490 Seiten verlassen musste.
Von mir gibt es eine Riesen Leseempfehlung - ein großartiges Buch, welches übrigens sein allererstes aus 1986 ist und erst jetzt aus dem Englischen von Monika Töpfer übersetzt wurde.
4½ / 5

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Großartig!

GOTT
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Was passiert, wenn ein 78-jähriger Mann nach dem Tode seiner Frau nicht mehr leben möchte? Der Mann ist weder krank noch depressiv, sondern einfach lebensmüde - er hat keine Freude mehr an seinem Leben.
Soll ...

Was passiert, wenn ein 78-jähriger Mann nach dem Tode seiner Frau nicht mehr leben möchte? Der Mann ist weder krank noch depressiv, sondern einfach lebensmüde - er hat keine Freude mehr an seinem Leben.
Soll ein Arzt ihm dabei helfen und ihm ein Medikament, das ihn tötet, verschreiben? Oder soll der Arzt das ablehnen und damit riskieren, dass der Mann vom Balkon springt? Dieses birgt wiederum die Gefahr, dass der Suizid misslingt und der Patient paralysiert zurückbleibt.
Darf man selbst über sein Leben bestimmen?

GOTT
Ferdinand von Schirach
Ein Theaterstück

Der Ethikrat kommt zusammen und soll klären, ob Herr Gärtner mithilfe seiner Ärztin Suizid begehen darf.
Anwesend ist die Ärztin des Betroffenen, sein Rechtsanwalt, eine Rechtssachverständige sowie ein medizinischer und ein theologischer Sachverständiger.
Argumente dafür und dagegen werden aufgeführt, am Ende soll das Publikum entscheiden, ob Herr Gärtner das Medikament bekommt oder nicht.

Wie immer lässt Ferdinand von Schirach mich zum Fähnchen im Wind werden. In dem einen Moment denke ich: „Na klar darf er über sein Leben entscheiden!“ Doch in der nächsten Sekunde kippe ich schon wieder um, genau in dem Moment, wo eine Frau sterben will, weil sie vor sechs Jahren, mit 25, bei einem Unfall ein Kind totgefahren hat. Sie konnte nichts dafür. „Alle haben mir verziehen, aber ich selbst kann mir nicht verzeihen.“ (S. 106) Nein, natürlich darf diese Frau sich nicht umbringen!
Ferdinand von Schirach ist ein Meister der Erzählkunst, man wird in die Geschichte eingesogen und kann sich dem sensiblen und hochemotionalen Thema nicht entziehen.
Ein wunderbares Buch zum Diskutieren, hervorragend auch für die Oberstufe im Ethikunterricht geeignet.
Ein schmales Buch, das schnell gelesen ist und lange nachwirken wird.

Am Ende bleibt die Frage: Darf man Gott spielen?
5/ 5

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