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Veröffentlicht am 17.04.2024

Ein wichtiges Stück Geschichte, das nicht in Vergessenheit geraten darf.

Der Tunnelbauer
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DER TUNNELBAUER
Maja Nielsen,
wundervoll gelesen von Mio Lechenmayr und Diana Ganter

… ist die Geschichte zweier Massenfluchten aus der DDR im Jahre 1962 und 1964. Sie wurden als „Tunnel 29" und "Tunnel ...

DER TUNNELBAUER
Maja Nielsen,
wundervoll gelesen von Mio Lechenmayr und Diana Ganter

… ist die Geschichte zweier Massenfluchten aus der DDR im Jahre 1962 und 1964. Sie wurden als „Tunnel 29" und "Tunnel 57“ bekannt. Die Zahlen bezeichnen die Anzahl der Menschen, die durch diese Tunnel von Ost- nach Westberlin flohen.

1961:
Für Achim Neumann läuft es in Ostberlin richtig gut: Gerade hat er sein Abitur in der Tasche und dann lernt er auch noch Chris kennen und verliebt sich in sie. Demnächst kann er seinen Studienplatz antreten und alles wäre perfekt, wenn das DDR-Regime nicht über Nacht die Mauer baute. Als dann auch noch sein Freund Hartmut fälschlicherweise als Anführer einiger Aufständischer festgenommen und zu 6½ Jahren Zuchthaus verurteilt wird, ändert sich schlagartig sein Leben und er beginnt seine Flucht in den Westen zu planen.
Doch in Westdeutschland angekommen, merkt er schnell, dass er seine Freunde und Familie vermisst, allen voran Chris.
Er schließt sich einer Gruppe Fluchthelfern an, die einen Tunnel von West nach Ost graben wollen.
Das Unterfangen ist schwierig, da die Stasi ihre Informanden überall hat.
Ob Achim es schafft, seine Familie und Chris in den Westen zu holen, hört ihr euch am besten selber an.

Was für eine spannende Geschichte. Selten habe ich so mitgefiebert wie mit Achim.
Kaum vorstellbar ist es, wie Achim und seine Mithelfer viele Jahre in wechselnden Schichten an diesen Tunneln arbeiteten; immer mit der Angst im Nacken entdeckt oder verraten zu werden. Auch wenn sie gerade "Schichtfrei“ hatten, durften sie das Gebäude, wo der Tunneleingang sich befand, nicht verlassen. Kontinuierlich wurde das Gebiet im Westen nahe der Mauer von den Grenzsoldaten im Osten beobachtet.

Fazit:
Ein wichtiges Hörbuch, das bereits im Alter ab 13 Jahre gehört werden sollte. Ein wichtiges Stück Geschichte, das nicht in Vergessenheit geraten darf.
Große Hörempfehlung von mir
5/ 5

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  • Cover
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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.04.2024

Der Schreibstil war nicht meins, dennoch wichtiges Thema

Die Sonne stand tief, als ich meinen Vater fand
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„[…] doch meine Großeltern hatten mir schon beigebracht, dass das Schwarz - nicht nur das spezifische Schwarz meines Vaters, sondern Schwarz überhaupt, jedes Schwarz in Kombination mit meinen eigenen Schwarz ...

„[…] doch meine Großeltern hatten mir schon beigebracht, dass das Schwarz - nicht nur das spezifische Schwarz meines Vaters, sondern Schwarz überhaupt, jedes Schwarz in Kombination mit meinen eigenen Schwarz - das Schlimmste an mir sei, aber auch nebensächlich.“ (S. 70)

DIE SONNE STAND TIEF, ALS ICH MEINEN VATER FAND
Shane McCrae

… ist die Geschichte des jungen Shane, der im Alter von drei Jahren von seinen Großeltern entführt und vollkommen entwurzelt wurde. Rassismus und Gewalt erfuhr er nicht nur von fremden Leuten, sondern auch von seinen Großeltern.

„Das Spiel (in der Schule) nannte sich Weiße gegen Schwarze, wobei es keine anderen Schwarzen gab als mich.“ (S. 76)

Das Buch ist bedrückend, einige Szenen haben mich beschäftigt, aber nicht alles konnte mich überzeugen: Zum Beispiel der ungewöhnliche, minutiöse und gewöhnungsbedürftige Repetitio-Schreibstil des Autors; bestehend aus unzähligen Wiederholungen.

„Wir verließen das Piggly Wiggly mit etwas Rotem. Mein Großvater verließ das Piggly Wiggly mit etwas Rotem. Oder die Verpackung hatte größtenteils eine andere Farbe, aber die Ware in der Verpackung war rot und mit einem attraktiven inszenierten Foto bedruckt, das größtenteils rot war. Mein Großvater verließ das Piggly Wiggly mit etwas Rotem, aber ich sehe ihn nicht mit einer Tüte im Arm, wie er einen Piggly-Wiggly-Angestellten zu unserem Auto führt, die Heckklappe aufwirft oder den Angestellten bittet, die Tüte mit dem roten Etwas in den Kofferraum zu stellen.“ (S. 87)

Trotz dieser vielen Repetitionen habe ich am Ende nicht das Gefühl, alles erfasst zu haben.
Es bleibt mir ein Rätsel, warum Shane die Nachbarhunde grün angesprüht oder die unwichtige Spirale im Buch nicht rollen konnte.

Fazit:
Ein Buch mit einem wichtigen Thema und einem wunderschönen Cover. Besser wäre es allerdings für mich gewesen, vor dem Lesen eine Leseprobe zu laden. Dennoch hoffe ich, dass es für dieses Buch auch Lesebegeisterte geben wird.

  • Einzelne Kategorien
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Veröffentlicht am 10.04.2024

Sehr authentisch!

Mühlensommer
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Ist es nicht so, Maria, dass man im Leben oft nicht weiß, wo es hingeht?“ Ich nicke, drücke ihre Hand. „Aber ich weiß genau, wo ich herkomme.“ Damit lege ich meinen Kopf an ihre Schulter, und so bleiben ...

Ist es nicht so, Maria, dass man im Leben oft nicht weiß, wo es hingeht?“ Ich nicke, drücke ihre Hand. „Aber ich weiß genau, wo ich herkomme.“ Damit lege ich meinen Kopf an ihre Schulter, und so bleiben wir einfach sitzen. Für eine halbe Ewigkeit. (S. 170)

MÜHLENSOMMER
Martina Bogdahn

Maria und ihre zwei Mädchen sind gerade für einen Kurzurlaub in den Bergen angekommen, als ihr Handy klingelt: Ihr Vater hatte einen Unfall und sie muss unverzüglich zum elterlichen Hof, dem Mühlenhof, kommen, um ihre Mutter zu unterstützen. Ihr Bruder, der dort eigentlich mit seiner Familie lebt, ist unerreichbar und die an Demenz erkrankte Großmutter sowie die Schweine und Kühe müssen versorgt werden.
Maria macht sich sofort auf den Weg. Sie war seit dem großen Streit um das Erbe nicht mehr dort gewesen. Selbst mit ihrem Bruder, der ihr immer so nah war, hatte sie kaum noch Kontakt. Sie hatten einfach verlernt, miteinander zu sprechen.
Dort angekommen fühlt es sich an, als wäre sie nie fortgewesen. Schnell fällt sie in den Rhythmus, den der Hof ihr vorgibt.
Beim Arbeiten kehren die vielen Erinnerungen aus Kindertagen zurück: Hart war das Leben hier auf dem Hof gewesen, für Zipperlein gab es keine Zeit. Tiere waren Nutztiere oder sie wurden getötet, denn zusätzliche Fresser brauchte man keine. Nie fuhren sie in den Urlaub, Freizeit war ein Fremdwort. Nach der Schule mussten sie den Eltern auf dem Hof helfen. Und dann der Geruch, der damals an ihr haftete; er ließ Mitschülern die Nasen rümpfen. Dieser Geruch nach Schweinestall war auch mit Shampoo und Seife nicht beizukommen.
Aber am schlimmsten war damals der Ärger, den sie bekam, als die Lehrerin ihr eine Gymnasialempfehlung gab.
Leute wie sie besuchen niemals ein Gymnasium.
Ob Maria dann doch noch ihren Vater überzeugen konnte, auf das Gymnasium zu wechseln, müsst ihr selber herausfinden ...

Leicht, authentisch, eindrücklich und flüssig ist der Schreibstil von Martina Bogdahn und steht damit im großen Gegensatz zu dem harten Leben auf dem Bauernhof.
Die Autorin schreibt die Geschichten der Marie auf zwei Zeitebenen - damals als Fünftklässlerin und heute als alleinerziehende Mutter von zwei pubertierenden Töchtern mit Stadtwohnung.
Diverse Male hatte ich Flashbacks, einige Male musste ich laut lachen. Dabei konnte ich förmlich die Gerüche des Sommers und des Hopfens riechen - leider auch die des Schweinestalls. :)
Der Erzählstrang der jungen Maria gefiel mir besonders gut, aber auch die Ängste und Sorgen der heutigen Maria sind sehr gut herausgearbeitet.

Für mich war dieses Buch ein wunderbares Leseerlebnis.
Gerne möchte ich euch das Buch empfehlen.
5/ 5

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Veröffentlicht am 08.04.2024

Sehr guter Auftakt der Dilogoie!

Kaiserwald
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KAISERWALD
Anja Jonuleit

Allgäu 1998: Penelope ist 8 Jahre alt, als ihre Mutter spurlos verschwindet. Ihr Jeep wurde auf einer Autobahnraststätte gefunden. Ob sie Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, ...

KAISERWALD
Anja Jonuleit

Allgäu 1998: Penelope ist 8 Jahre alt, als ihre Mutter spurlos verschwindet. Ihr Jeep wurde auf einer Autobahnraststätte gefunden. Ob sie Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, ist nicht bekannt. Seit dem mysteriösen Verschwinden wächst Penelope bei ihren Großeltern auf, dabei gibt das junge Mädchen nie die Hoffnung auf, dass ihre Mutter eines Tages zurückkehren wird.

Riga 1997: Rebecca lehrt an dem deutschen Gymnasium Riga Kunst und Deutsch. Erst kürzlich war sie mit ihrem Mann Robert, der auch an der Schule lehrt, und der gemeinsamen Tochter Penelope nach Riga gezogen. Es ist ein neuer weiterer Versuch, ihre Ehe zu retten: Gerüchte hatten sich an der alten Schule verbreitet, dass Robert ein Verhältnis mit einer Schülerin hatte.
Als Georg von Prokhoff, Vater der sehr talentierten Schülerin Xenia, Rebecca Avancen macht, verliebt sie sich Hals über Kopf in diesen. Nicht wissend, dass es in seiner Familie einige Geheimnisse und Disharmonien gibt.

Berlin 2023: Mathilda lauert Falk von Prokhoff auf und fährt ihm mit voller Absicht in die Seite seines schwarzen Mercedes. Zu lange hatte sie versucht, ihn auf normalem Wege kennenzulernen. Jetzt muss sie härtere Geschütze auffahren.

Anja Jonuleits neuester Roman hat mehrere Erzählstränge auf unterschiedlichen Zeitebenen. Erst später führt sie diese geschickt zu einem großen Ganzen zusammen.

Seit ich das Buch „Rabenfrauen“ von Anja Jonuleit gelesen habe, bin ich ein ganz großer Fan dieser Autorin.
Der Schreibstil ist unglaublich flüssig und fesselnd; jedoch sollte man wissen, dass man einige Kapitel braucht, bis man sich eingelesen hat. Wer sich die Zeit nimmt, wird mit einer spannenden Geschichte belohnt.

Mir hat Kaiserwald der Auftakt einer Dilogie, die uns von Riga über Namibia bis ins Allgäu führt, sehr gut gefallen. Ich kann es kaum erwarten, bis der zweite Teil „Sonnenwende“ im Herbst 2024 erscheint.
4½/ 5

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Veröffentlicht am 03.04.2024

Ein faszinierender Roman!

Yellowface
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YELLOWFACE
Rebecca F. Kuang
👀
June Hayward ist zum ersten Mal in Athenas Wohnung zu Besuch, als Althena sich an einem Pfannkuchen verschluckt und vor ihren Augen stirbt.
Sie kannten sich seit Jahren, ...

YELLOWFACE
Rebecca F. Kuang
👀
June Hayward ist zum ersten Mal in Athenas Wohnung zu Besuch, als Althena sich an einem Pfannkuchen verschluckt und vor ihren Augen stirbt.
Sie kannten sich seit Jahren, waren aber nie beste Freundinnen, sondern trafen sich gelegentlich in Bars oder Cafés.
Zwischen ihnen stand der große Erfolg Athenas als Autorin und der Neid Junes. Während Junes Debütroman floppte, gewann Athena einen Buchpreis nach dem anderen, und erst heute Morgen hatte sie einen Vertrag bei Netflix für eine Buchverfilmung unterzeichnet.
Aus einem Impuls heraus und wohl wissend, dass Athena nie über ihre unfertigen Buchprojekte sprach, nimmt June ein gerade beendetes Manuskript, das neben der toten Athena auf dem Schreibtisch liegt, an sich. June gibt sich als dessen Autorin aus und redet sich ein, dass das Buch Aufmerksamkeit verdiene, damit die Arbeit Athenas nicht umsonst war. Dabei vergisst sie die „Kleinigkeiten“, nämlich den wahren Namen der wirklichen Autorin hinzuzufügen.
Wie weit June geht, damit der ganze Schwindel nicht auffliegt, müsst ihr selber lesen.

Was für ein faszinierender Roman (in einer wunderbaren Aufmachung)!
Ganz besonders gut gefiel mir der tiefe Eindruck in die Verlagswelt. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie heutzutage Autor:innen in den sozialen Medien den unterschiedlichsten Meinungen, Hetzkommentaren, Shitstorm, Diskussionen und Plagiat-Vorwürfen ausgesetzt sind. Außerdem war es mir neu, dass es sensuell Readers gibt, die über Texte lesen, um mögliche ethnische Gruppen und Kulturen zu schützen.
Des weiteren muss der Druck, der von den Verlagen und Agenten auf einzelne Autor:innen ausgeübt wird, bis endlich eine neue Buchidee vorliegt, immens hoch sein. Ja, die Verlage kommen in diesem Roman nicht unbedingt gut weg.

Folgende Diskussionen haben mich beschäftigt: Darf eine weiße Frau überhaupt ein Buch über eine andere ethnischen Gruppe, der sie selbst nicht angehört, verfassen?
Ist es diskriminierend oder sogar rassistisch, einer anderen Frau mit einer anderen Hautfarbe ein ehrlich gemeintes Kompliment über ihre Frisur zu machen?

Auch wenn mir unsere Protagonistin nicht sonderlich sympathisch war, haben mich zwei Drittel des Buches fasziniert.
Leider riss dann für mein Empfinden der Spannungsbogen im letzten Drittel ein wenig ab.
Dennoch: Ein sehr gutes Buch, das ich gerne gelesen habe und den wenigen letzten Lesern, die es noch nicht kennen, empfehle. 👀
4½/ 5

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