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Veröffentlicht am 30.05.2022

Auf den Spuren von Fäden

Fischers Frau
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Mia Sund ist Faserärcheologin und erforscht altes Gewebe. Als ihr Chef ihr eines Tages einen alten Fischerteppich bringt, beginnt sie zu ahnen, dass sie es mit einem besonderen und einzigartigen Exemplar ...

Mia Sund ist Faserärcheologin und erforscht altes Gewebe. Als ihr Chef ihr eines Tages einen alten Fischerteppich bringt, beginnt sie zu ahnen, dass sie es mit einem besonderen und einzigartigen Exemplar zu tun hat. Denn der Teppich ist in ungewöhnlich kräftigen Grüntönen gehalten und die Motive sind zwar typisch maritim, aber gleichzeitig auch orientalisch. Mia erliegt dem Geheimnis des Teppichs und begibt sich auf dessen Spuren.

Karin Kalisa entfaltet das Vergangene stückweise vor den Augen ihrer Leser. Sie lässt sie tief in die Geschichte der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts eintauchen und schafft es gleichzeitig, die historische Ebene mit dem gegenwärtigen Leben ihrer Protagonistin Mia zu verknüpfen. Beides harmoniert erstaunlich gut, ergänzt sich und macht es dem Leser leicht, sich auf die Spuren der unbekannten Teppichknüpferin zu begeben.

Denn das ist auch das Faszinierendste an dem Roman: Die Geschichte der Pommerschen Fischerteppiche, die wohl nur den wenigsten Lesern bekannt sein dürfte. Sie beginnt damit, dass im Jahr 1928 wegen Überfischung ein dreijähriges Fangverbot in Vorpommern verhängt wurde, welches die Fischer arbeitslos machte. Um die Fischerfamilien vor der Armut zu bewahren, wurden sie von einem österreichischen Tappisseristen im Teppichknüpfen unterrichtet und so entstanden die Fischerteppiche.

“Fischers Frau” ist eine besondere Geschichte, zart und feinfühlig, die zu fesseln vermag. Eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 08.05.2022

Ein Buch für Pflanzenliebhaber

Pflanzenglück
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Anders Røynebergs Buch “Pflanzenglück” ist ein toller Ratgeber für alle Pflanzenfans und für die, die es noch werden wollen.

Der norwegische Autor, der auch auf Instagram als @arcticgardener aktiv ist ...

Anders Røynebergs Buch “Pflanzenglück” ist ein toller Ratgeber für alle Pflanzenfans und für die, die es noch werden wollen.

Der norwegische Autor, der auch auf Instagram als @arcticgardener aktiv ist und der in seiner Wohnung über 100 Pflanzen hat, widmet sich in seinem Buch dem Leben mit Zimmerpflanzen. Er erklärt, wie man die passenden Pflanzen für sich und seine Wohnung findet, wie man Pflanzen vermehrt, um das Zuhause grüner gestalten zu können und natürlich auch, wie man sich richtig um seine Pflanzen kümmert.

Besonders hilfreich sind dabei die unterschiedlichen Pflanzenporträts, in denen auf beliebte Zimmerpflanzen im Detail eingegangen wird. Sie erklären, wie viel Licht, Wasser und Dünger die Pflanzen brauchen und an welchem Platz in der Wohnung sie sich am wohlsten fühlen.

Insgesamt ist “Pflanzenglück” ein lehrreiches Buch, das voller Wissen ist, das ich immer wieder gerne zur Hand nehme und das nicht zuletzt durch die wunderschönes Fotos zu überzeugen vermag.

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Veröffentlicht am 23.03.2022

Ein großer Lesespaß und eine wunderbar kluge Protagonistin

Mord im Gewächshaus
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Als Myrtle Hardcastle eines Morgens weder die Nachbarin noch deren Gärtner im Garten sieht, weiß sie, dass etwas nicht stimmt. Das Nachbarhaus ist unheimlich still und das Hausmädchen verhält sich komisch. ...

Als Myrtle Hardcastle eines Morgens weder die Nachbarin noch deren Gärtner im Garten sieht, weiß sie, dass etwas nicht stimmt. Das Nachbarhaus ist unheimlich still und das Hausmädchen verhält sich komisch. Myrtle ruft die Polizei und tatsächlich wird die Nachbarin tot in ihrer Badewanne aufgefunden. Als Myrtle auch noch bemerkt, dass die berühmten Lilien aus dem Garten ausgegraben wurden, ist sie sich sicher: Das ist ein Mordfall.

Zusammen mit ihrer Gouvernante macht sie sich daran, zu beobachten, Spuren nachzugehen und Beweise zu finden. Dass die Erwachsenen ihr zuerst keinen Glauben schenken, hält sie nicht davon ab, weiterzuforschen, im Gegenteil. Denn da sind schließlich so viele Fragen, die beantwortet werden müssen. Zum Beispiel, was es mit der Katze der Nachbarin auf sich hat. Oder was der Gärtner verschweigt. Und wer überhaupt diese Nichte ist, die plötzlich auftaucht. Und dann ist da auch noch eine legendäre Lilie...

Myrtle ist eine Protagonistin, wie man sie sich für ein gutes Jugendbuch nur wünschen kann. Sie ist aufgeweckt, klug und lässt sich von Erwachsenen nicht einschüchtern. Ihr Tatendrang und ihr Mut sind ansteckend und inspirierend. Sie versteht es, die Sympathien der Leser auf ihre Seite zu ziehen. Man schließt sie einfach sofort ins Herz.

Ich bin kein Krimi-Leser und mache eigentlich stets einen weiten Bogen um jede Geschichte, in der ein Mord im Mittelpunkt steht. Aber für Myrtle lohnt es sich, eine Ausnahme zu machen und ich hoffe, dass der Verlag die anderen Bücher der Reihe, die auf Englisch bereits erschienen sind, auch ins Deutsche übersetzen lassen wird. Denn Myrtle hat in mir einen treuen Fan gefunden.

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Veröffentlicht am 21.03.2022

Ein Leben in der Fremde

Wenn ich wiederkomme
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Als Daniela ihre Familie verlässt, um in Italien illegal als Altenpflegerin zu arbeiten, sind ihre Kinder noch im Schulalter. Ihr Mann ist arbeitslos, das rumänische Dorf, in dem sie leben, strukturschwach ...

Als Daniela ihre Familie verlässt, um in Italien illegal als Altenpflegerin zu arbeiten, sind ihre Kinder noch im Schulalter. Ihr Mann ist arbeitslos, das rumänische Dorf, in dem sie leben, strukturschwach und jegliche Hoffnung auf eine bessere Zukunft scheint in der Ferne zu liegen. Ganz ohne Abschied flieht Daniela daher in ein Leben, von dem sie sich erhofft, dass es ihrer Familie finanzielle Sicherheit geben wird. Sie will ihre Kinder auf gute Schulen schicken und ihnen damit den Weg in eine erfüllendere und freiere Zukunft ermöglichen.

Doch ihre Träume zerschellen nicht nur an der harten Arbeitsrealität in Italien, sondern auch an der Distanz, die sich zwischen ihr und ihren Kindern entwickelt. Vorwürfe und Schuldgefühle reißen Gräben zwischen ihnen auf. Als Manuel, Danielas Sohn, einen schweren Motorradunfall erleidet und ins Koma fällt, muss sie zurückkehren.

Marco Balzano erzählt auf einfühlsame Weise aus dem Leben einer Familie, deren Leben von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen und Missständen ihres Landes beherrscht wird. In einem schlichten und klaren Erzählstil versucht der Autor nachzuempfinden, welchen Einfluss Verlust, Armut, Verzweiflung, Schuld und Abwesenheit auf die einzelnen Familienmitglieder hat.

Insbesondere Daniela selbst bleibt es verwehrt, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Ihre künstlerische Seite kann sie nie ausleben. Sie wird durch die harte körperliche Arbeit erstickt. Ihr Leben dreht sich ums Überleben. Sie muss ihre Familie durchbringen, auch wenn dafür die eigenen Träume aufgegeben werden müssen.

Balzano hat eine starke und wichtige Geschichte geschrieben, die die prekär arbeitenden rumänischen Alten- und Krankenpflegerinnen und Kindermädchen in Italien aus dem Schatten hervorholt und sie auf eine Bühne stellt. Er verleiht denjenigen eine Stimme, die von der Gesellschaft (und im Übrigen auch von der Literatur) oft vergessen werden und die unsichtbar sind, obwohl sie einen großen Beitrag zu ihrem Funktionieren beitragen.

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Veröffentlicht am 20.03.2022

„Ein Querkopf, ein Bergler, ein Wilderer“

Tell
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Mit seiner Neuerzählung der Tell-Sage entführt Joachim B. Schmidt den Leser in eine archaische und raue Welt. Wilhelm Tell lebt in ärmlichen Verhältnissen mit seiner Familie auf einem Bergbauernhof. Um ...

Mit seiner Neuerzählung der Tell-Sage entführt Joachim B. Schmidt den Leser in eine archaische und raue Welt. Wilhelm Tell lebt in ärmlichen Verhältnissen mit seiner Familie auf einem Bergbauernhof. Um zu überleben muss er wildern, doch das Wild gehört per Gesetz dem Landvogt Gessler. Dessen Soldaten und besonders deren Anführer Harras scheuen keine Konfrontation und so kann ein Blutvergießen zwischen ihnen und Tell nur knapp verhindert werden. Als Tell schließlich eine Kuh verkaufen möchte, weigert er sich auf dem Viehmarkt, den Hut des Landvogts zu grüßen. Was als Bestrafung folgt, ist der berühmte Apfelschuss.

Schmidts Roman ist lebendig. Er besticht durch eine moderne Sprache, die die Legende um Wilhelm Tell zugänglich macht, die zeitliche Distanz zu ihr überbrückt und sie dadurch nah wirken lässt. Die verschiedenen Figuren aus Tells Umfeld, die in den kurzen Kapiteln sprechen und denken, tragen außerdem dazu bei, dass die Geschichte schnell eine Vielschichtigkeit, Tiefe und Dynamik entwickelt. Schmidt porträtiert Tell durch Fremdperspektiven und lässt ihn so als einen wortkargen, grimmigen, aber auch furchtlosen, entschlossenen und unnachgiebigen Mann in Erscheinung treten. Er bleibt für den Leser interessant, das Sagenhafte scheint ihm schon anzuhaften.

“Tell” ist eine gelungene Neuerzählung, die die Legende des Schweizer Nationalhelden einer heutigen Leserschaft auf unterhaltsame Weise nahebringt. Unter Schmidts Feder nimmt die Geschichte eine aktualisierte Form an, die lesenswert ist und es nicht nötig hat, dass man sie mit filmischen Vergleichen bewirbt, wie der Verlag dies im Klappentext tut. Schmidts “Tell” muss sich nicht hinter “The Revenant” oder “Braveheart” verstecken. Ganz im Gegenteil!

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