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Veröffentlicht am 22.07.2022

Für alle Literaturliebhaber

Bei Regen in einem Teich schwimmen
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Wie funktionieren Geschichten eigentlich? Welche Erwartungen wecken sie im Leser und wie lenken sie die Wahrnehmung?

Diesen Fragen geht George Saunders in seinem neuen Buch “Bei Regen in einem Teich ...

Wie funktionieren Geschichten eigentlich? Welche Erwartungen wecken sie im Leser und wie lenken sie die Wahrnehmung?

Diesen Fragen geht George Saunders in seinem neuen Buch “Bei Regen in einem Teich schwimmen” nach, indem er sich intensiv sieben Kurzgeschichten der russischen Meister annimmt. Er kann dabei auf seinen Erfahrungen als Dozent an der Syracuse University aufbauen, wo er jahrelang Creative Writing unterrichtet hat. Wir als Leser haben nun die wunderbare Möglichkeit, in eines seiner Seminare reinzuschnuppern. Wir können unter Saunders Anleitung das entdecken, was Literatur ausmacht und tauchen tief in die Zeilen der von ihm ausgewählten Kurzgeschichten ein.

Ich bin davon überzeugt, dass dieses Buch jeden, der sich für Literatur interessiert, begeistern wird. Es ist klug und zeugt von einem tiefen Verständnis für die Gattung der Kurzgeschichten, der Saunders sich selbst als Autor gewidmet hat. Sein eigenes Können beweist er im Übrigen in seinen Erläuterungen, die seinen Humor und seinen meisterhaften Umgang mit Sprache widerspiegeln.

“Bei Regen in einem Teich schwimmen” ist ein Buch für alle leidenschaftlichen Leser, Fans von Kurzgeschichten und der russischen Literatur, für Nerds der Literaturwissenschaft und Close Reading-Liebhaber, für angehende Schriftsteller und Hobbyautoren. Und auch allen anderen, die sich in dieser Liste nicht wiederfinden, kann das Buch nur ans Herz gelegt werden! Es ist eine Bereicherung und ein riesiges Vergnügen.

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Veröffentlicht am 10.07.2022

Prekarität, Armut und Chancenlosigkeit

Beifang
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Als das Haus seiner Eltern, in dem er aufgewachsen ist, verkauft werden soll, begibt sich der Erzähler zurück in seinen Heimatort am Rande des Ruhrgebiets: Selm-Beifang. Dort setzt er sich zum ersten Mal ...

Als das Haus seiner Eltern, in dem er aufgewachsen ist, verkauft werden soll, begibt sich der Erzähler zurück in seinen Heimatort am Rande des Ruhrgebiets: Selm-Beifang. Dort setzt er sich zum ersten Mal mit der Geschichte seiner Familie und besonders die seines Vaters und Großvaters auseinander. Es ist eine Geschichte, die geprägt ist von Prekarität, Armut und Chancenlosigkeit.

So wurde der Großvater nach dem Krieg zwar Bergmann, aber: „was er [...] überhaupt nicht gern war, war Bergmann. Und das blieb er sein Leben lang.“ Er wäre gerne gereist und hatte auch ein Talent für das Fotografieren, was er nie richtig ausleben konnte. Spätestens dann nicht mehr, als dem Vater des Protagonisten der Blinddarm durchbricht und der Großvater seine Kamera verkauft, um die Behandlung bezahlen zu können.

Auch beim Vater wird die Entscheidung über die Berufswahl durch die Umstände bestimmt. Um Fahrtkosten für Bus und Bahn zu sparen, muss er eine Ausbildung im Fernsehgeschäft machen. Dann ist da noch die Großmutter, die eigentlich Kinderärztin werden wollte und am Ende ihres Lebens sagt: „Ich wollte es doch ganz anders“.

Es sind die Umstände, der Ort, die Lotterie des Lebens, die diese Menschen gefangen halten und die den Vater behaupten lassen, als er vom Sohn das Buch „Die Asche meiner Mutter“ geschenkt kriegt: „Bei uns war es schlimmer“. Fatalismus und oft auch das Zerbrechen am eigenen Schicksal bestimmen über Generationen hinweg das Leben der einzelnen Familienmitglieder.

„Er machte nicht den verbreiteten Fehler, die grundsätzlichen Ungerechtigkeiten des Lebens als etwas Persönliches misszuverstehen.“

Die Lektüre hat mich an Didier Eribon erinnert, an Edouard Louis, an Christian Baron, die bekanntlich auch auf einem literarischen Weg ihre Beziehungen zum Vater reflektieren. Martin Simons Roman reiht sich ein in diese Gruppe von Werken, die sich mit der sozialen Herkunft der eigenen Familie auseinandersetzen und geht in ihr durchaus nicht unter, im Gegenteil.

Das Buch wird deshalb all diejenigen Leser überzeugen können, die das unbeschönigte, glaubhafte Erzählen über das Schicksal einer Arbeiterfamilie zu schätzen wissen und nicht zuletzt auch all diejenigen, die sich für literarische Darstellungen des Lebens im Ruhrgebiet interessieren. Mich jedenfalls hat es vollends überzeugt.

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Veröffentlicht am 23.06.2022

Ein außergewöhnlicher Science-Fiction-Roman

Der Mann, der vom Himmel fiel
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Was passiert mit einem Außerirdischen, der auf die Erde kommt, um Raumschiffe zu bauen und die Bewohner seines eigenen Planeten zu retten? Diese Frage bildet den Kern des von Walter Tevis bereits 1963 ...

Was passiert mit einem Außerirdischen, der auf die Erde kommt, um Raumschiffe zu bauen und die Bewohner seines eigenen Planeten zu retten? Diese Frage bildet den Kern des von Walter Tevis bereits 1963 verfassten Romans „Der Mann, der vom Himmel fiel“. Auf den ersten Blick mag die Geschichte an Science Fiction erinnern, doch im Laufe der Lektüre zeigt sich, dass es Tevis eigentlich um etwas anderes geht. Nämlich um die psychologische Entwicklung dieses Außerirdischen, der sich Newton nennt. Er gewöhnt sich zwar an das Leben als Mensch, doch zu den Menschen selbst bewahrt er stets eine Distanz. Einsamkeit und Melancholie plagen ihn. Er ist zerbrechlich, in physischer und psychischer Hinsicht. Bald kommen Alkoholismus, Verzweiflung und die Entfremdung von seiner Herkunft hinzu.

„Er war menschlich, aber nicht wirklich ein Mensch.“

Beschäftigt man sich näher mit Walter Tevis, so fällt auf, dass Newtons Schicksal auf der Erde einige Parallelen zum Leben des Autors aufweist. Genau wie Newton verfiel Tevis dem Alkohol. Er war als Kind außerdem krank und schwächlich, musste Medikamente nehmen. Schließlich verbindet auch Kentucky als Ort den Autor mit seiner Figur.

Das Außerirdischsein steht, wenn man diese Parallelen weiterdenkt, im übertragenen Sinne dafür, wie schnell es passieren kann, dass man unverstanden bleibt, dass man keinen Platz in der Gesellschaft findet.

Und diese biographische Lesart erklärt vielleicht auch, warum sich das Buch so introspektiv anfühlt, warum seine Melancholie nie aufgesetzt oder zwanghaft herbeigeschrieben wirkt. Es ist kein durchweg schweres Buch, aber auch keine leichte, unterhaltende Aliengeschichte. Und gerade das fasziniert.

Wenn man Tevis schon gelesen hat, dann weiß man, dass er erzählen kann. Und auch mit dem “Mann, der vom Himmel fiel” vermag er seinen Leser zu überzeugen. Es ist ein bemerkenswerter, nachdenklicher Roman.

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Veröffentlicht am 30.05.2022

Auf den Spuren von Fäden

Fischers Frau
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Mia Sund ist Faserärcheologin und erforscht altes Gewebe. Als ihr Chef ihr eines Tages einen alten Fischerteppich bringt, beginnt sie zu ahnen, dass sie es mit einem besonderen und einzigartigen Exemplar ...

Mia Sund ist Faserärcheologin und erforscht altes Gewebe. Als ihr Chef ihr eines Tages einen alten Fischerteppich bringt, beginnt sie zu ahnen, dass sie es mit einem besonderen und einzigartigen Exemplar zu tun hat. Denn der Teppich ist in ungewöhnlich kräftigen Grüntönen gehalten und die Motive sind zwar typisch maritim, aber gleichzeitig auch orientalisch. Mia erliegt dem Geheimnis des Teppichs und begibt sich auf dessen Spuren.

Karin Kalisa entfaltet das Vergangene stückweise vor den Augen ihrer Leser. Sie lässt sie tief in die Geschichte der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts eintauchen und schafft es gleichzeitig, die historische Ebene mit dem gegenwärtigen Leben ihrer Protagonistin Mia zu verknüpfen. Beides harmoniert erstaunlich gut, ergänzt sich und macht es dem Leser leicht, sich auf die Spuren der unbekannten Teppichknüpferin zu begeben.

Denn das ist auch das Faszinierendste an dem Roman: Die Geschichte der Pommerschen Fischerteppiche, die wohl nur den wenigsten Lesern bekannt sein dürfte. Sie beginnt damit, dass im Jahr 1928 wegen Überfischung ein dreijähriges Fangverbot in Vorpommern verhängt wurde, welches die Fischer arbeitslos machte. Um die Fischerfamilien vor der Armut zu bewahren, wurden sie von einem österreichischen Tappisseristen im Teppichknüpfen unterrichtet und so entstanden die Fischerteppiche.

“Fischers Frau” ist eine besondere Geschichte, zart und feinfühlig, die zu fesseln vermag. Eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 08.05.2022

Ein Buch für Pflanzenliebhaber

Pflanzenglück
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Anders Røynebergs Buch “Pflanzenglück” ist ein toller Ratgeber für alle Pflanzenfans und für die, die es noch werden wollen.

Der norwegische Autor, der auch auf Instagram als @arcticgardener aktiv ist ...

Anders Røynebergs Buch “Pflanzenglück” ist ein toller Ratgeber für alle Pflanzenfans und für die, die es noch werden wollen.

Der norwegische Autor, der auch auf Instagram als @arcticgardener aktiv ist und der in seiner Wohnung über 100 Pflanzen hat, widmet sich in seinem Buch dem Leben mit Zimmerpflanzen. Er erklärt, wie man die passenden Pflanzen für sich und seine Wohnung findet, wie man Pflanzen vermehrt, um das Zuhause grüner gestalten zu können und natürlich auch, wie man sich richtig um seine Pflanzen kümmert.

Besonders hilfreich sind dabei die unterschiedlichen Pflanzenporträts, in denen auf beliebte Zimmerpflanzen im Detail eingegangen wird. Sie erklären, wie viel Licht, Wasser und Dünger die Pflanzen brauchen und an welchem Platz in der Wohnung sie sich am wohlsten fühlen.

Insgesamt ist “Pflanzenglück” ein lehrreiches Buch, das voller Wissen ist, das ich immer wieder gerne zur Hand nehme und das nicht zuletzt durch die wunderschönes Fotos zu überzeugen vermag.

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