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Veröffentlicht am 07.07.2024

Faszinierend

Das Pfauengemälde
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„Das Pfauengemälde“ von Maria Bidian ist mir zuerst aufgefallen, weil es einem anderen gerade erschienen Roman vom Cover her erstaunlich ähnlich sieht. Nachdem ich angefangen hatte, zu lesen, wusste ich ...

„Das Pfauengemälde“ von Maria Bidian ist mir zuerst aufgefallen, weil es einem anderen gerade erschienen Roman vom Cover her erstaunlich ähnlich sieht. Nachdem ich angefangen hatte, zu lesen, wusste ich aber schnell, dass dies hier ein einzigartiges Debüt ist.

Zwei Jahre nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters beschließt Ana im Sommer nach Rumänien zu fahren, um ihre rumänische Familie zu unterstützen, enteigneten Familienbesitz zurückzubekommen. Im Gegensatz zu ihrer Verwandtschaft, die hauptsächlich an der großen alten Familienvilla interessiert ist, möchte Ana das „Pfauengemälde“ finden, ein Erbstück, von dem ihr Vater oft geredet hatte. Vor Ort taucht sie einerseits in die Geschichte ihrer Familie und ihres Vaters im Kommunismus ein, andererseits gerät sie in die aktuellen Proteste für Demokratie.

Der Roman thematisiert so Fragen von Erinnerung, Identität, Wahrheit und Verantwortung. Bidian gelingt es dabei, diese Fragen in eine fesselnde Handlung einzubetten und diese in einer Weise zu erzählen, die einfühlsam, melancholisch, komisch, politisch und sehr persönlich ist.

Insgesamt war „Das Pfauengemälde“ ein überraschend packendes Debüt, das mich nicht nur sehr gut unterhalten und gefesselt hat, sondern auch sprachlich überzeugt und neugierig auf die Geschichte und aktuelle Politik Rumäniens gemacht hat, mit der ich mich noch nie beschäftigt habe. Eine klare Leseempfehlung für alle, die Anas Reflexionen über ihre rumänische Familie folgen möchten und Lust auf schöne Sprache haben!

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Veröffentlicht am 06.07.2024

Zeitlos, grandios, erschütternd

Aus guter Familie. Leidensgeschichte eines Mädchens
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Endlich, endlich, endlich habe ich diesen Roman gelesen, der seit Nicole Seiferts Empfehlung in „Frauenliteratur“ auf meiner Wunschliste stand – und ich wurde nicht enttäuscht. Dank der Neuauflage des ...

Endlich, endlich, endlich habe ich diesen Roman gelesen, der seit Nicole Seiferts Empfehlung in „Frauenliteratur“ auf meiner Wunschliste stand – und ich wurde nicht enttäuscht. Dank der Neuauflage des Reclam Verlags konnte ich nun in Agathes Leben eintauchen. Mein Fazit: Ich bin restlos begeistert! Was für ein toller, mitreißender, tiefgründiger, zur Diskussion anregender Roman!

Gabriele Reuters „Aus guter Familie“ erzählt die Geschichte der jungen Agathe, die in der Enge der bürgerlichen Gesellschaft um 1900 aufwächst. Es handelt sich dabei um einen ganz ungewöhnlichen Entwicklungsroman, denn Agatha wird von außen beständig an ihrer Entwicklung gehindert. Der Roman schildert dabei eindrucksvoll ihre innere Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Zwängen und den Erwartungen an Frauen ihrer Zeit. Agathes Entwicklung und ihr Schicksal werden so lebendig dargestellt, dass man tief in ihre Welt eintaucht und einerseits mit Agathe leidet und hofft, andererseits durch ihr Schicksal und das anderer geschilderter Frauenfiguren immer wieder wütend wird. Auch Reuters Schreibstil beinhaltet für mich schon alles, was die Moderne um 1900 so anziehend macht. Wie kann es sein, dass eine solch kraftvolle und bedeutende Stimme der Literaturgeschichte bisher so wenig Beachtung gefunden hat? Ich kann kaum nachvollziehen, warum ich im Studium der Literaturwissenschaft nicht von der Autorin gehört habe, auch in Material zu Literatur um 1900 kommt sie nicht vor.

Diese liebevoll gestaltete Neuauflage des Reclam Verlags kommt aber nicht nur inhaltlich, sondern auch äußerlich wunderbar daher. „Aus guter Familie“ wird definitiv einen Ehrenplatz bei mir finden. Insgesamt ist dieser Roman ein Muss für alle Literaturfans. Er fordert heraus, regt zur Diskussion an und bleibt lange im Gedächtnis. Gabriele Reuter verdient es, aus der Vergessenheit hervorgeholt und neu entdeckt zu werden. Ich kann „Aus guter Familie“ nur wärmstens empfehlen.

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Veröffentlicht am 02.07.2024

Mehr als Harry und Sally

Man sieht sich
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Frie und Robert sind seit der Schulzeit gute Freunde und auch immer mal wieder ineinander verliebt, aber sie finden einfach nicht zueinander. Klingt erst einmal nach Harry und Sally, allerdings bietet ...

Frie und Robert sind seit der Schulzeit gute Freunde und auch immer mal wieder ineinander verliebt, aber sie finden einfach nicht zueinander. Klingt erst einmal nach Harry und Sally, allerdings bietet „Man sieht sich“ von Julia Karnick sehr viel mehr als eine romantische Geschichte. Der Autorin gelingt es, die Entwicklung der Charaktere im Laufe ihres Lebens darzustellen und dabei verpasste Chancen und wichtige Lebensentscheidungen zu thematisieren. Ihre Coming-of-Age-Geschichte ist dabei unterhaltsam und tiefgründig zugleich.

Besonders spannend fand ich es, Frie und Robert beim Erwachsenwerden in den 80ern und 90ern zuzuschauen, wie sie sich mit den Höhen und Tiefen des Lebens auseinandersetzen. Der Roman vermittelt hier eine große Leichtigkeit, was ich sehr mochte. Ein weiterer Pluspunkt sind die zahlreichen Bezüge zu Hamburg, die dem Roman eine authentische Note verleihen.

Je älter die Charaktere werden, desto weniger handlungsgetrieben und reflexiver werden die Kapitel. Anfangs hat mich das langsame Tempo etwas vom Weiterlesen abgehalten, da eben auch unangenehme Themen wie verpasste Chancen und unerfüllte Träume angesprochen werden, aber rückblickend scheint mir dieser Aufbau sehr stimmig zu sein und den Charakteren mehr Tiefe zu verleihen. Die letzten Kapitel haben mich deshalb emotional sehr berührt und mitgenommen. Ich kann deshalb den Roman allen empfehlen, die gerne nachdenkliche Coming-of-age-Geschichten und Liebesgeschichten mit sehr viel Tiefgang lesen. Ich freue mich auf jeden Fall auf weitere Bücher von Julia Karnick.

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Veröffentlicht am 30.06.2024

Abgründe der Hamptons

Die Einladung
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Mit Alex, der Protagonistin, kann man sich kaum identifizieren: Sie lebt in den Tag hinein, begeht immer wieder zwischenmenschliche Fehler, wodurch sich ihre Lebenssituation weiter verschlechtert, geht ...

Mit Alex, der Protagonistin, kann man sich kaum identifizieren: Sie lebt in den Tag hinein, begeht immer wieder zwischenmenschliche Fehler, wodurch sich ihre Lebenssituation weiter verschlechtert, geht aber gleichzeitig sehr berechnend mit ihren Mitmenschen um und knüpft nur Kontakte, um die Menschen auszunutzen. Trotzdem ist Alex faszinierend, ich wollte immer weiterlesen, um zu sehen, ob sie noch bekommt, was sie will: das Leben der Reichen und Schönen, endlich dort nicht mehr nur zu Gast sein. Nie erfährt man dabei etwas Wichtiges über sie. Mit ihren eigenen Emotionen setzt sie sich lieber nicht auseinander. So richtig scheint das die Reichen um sie herum aber auch nicht zu stören, die sind nämlich auch viel zu sehr mit sich selbst und den künstlich erzeugten Problemen beschäftigt. Menschen, die offensichtlich nicht dazu gehören, werden von ihnen kategorisch ausgeschlossen. Alex schafft es allerdings, sich ihnen so anzupassen, dass die fehlende Zugehörigkeit oft nicht bemerkt wird. Bis zum Schluss wird das Lesen von Fragen begleitet, die dafür sorgen, dass man durch die Seiten eilt: Fliegt Alex auf? Entkommt sie Dom, dem sie Geld schuldet? Lebt sie einfach immer so weiter im Dunstkreis der reichen Leute?

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Veröffentlicht am 30.06.2024

Melancholisch und schön

Das erste Licht des Sommers
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Das erste Licht des Sommers“ ist eine Fortsetzung des Romans „An den Ufern von Stellata“, wobei der Roman auch ohne den ersten Band gelesen werden kann, denn er führt die Leser:innen dieses Mal durch das ...

Das erste Licht des Sommers“ ist eine Fortsetzung des Romans „An den Ufern von Stellata“, wobei der Roman auch ohne den ersten Band gelesen werden kann, denn er führt die Leser:innen dieses Mal durch das Leben von Norma, einer Protagonistin, deren Lebensgeschichte von Schmerz und Verlust geprägt ist, die aber auch immer wieder Glück findet.

Im Vergleich zum ersten Band, der die epische Geschichte der Familie Casadio über 200 Jahre hinweg erzählt und durch die verschiedenen Generationen hindurch immer wieder Hoffnung und Happy Ends bietet, ist die Fortsetzung melancholischer. Dies liegt hauptsächlich daran, dass „Das erste Licht des Sommers“ sich auf das einzelne Leben von Norma konzentriert, das von Traurigkeit und Enttäuschungen durchzogen ist. Die Geschichte springt zwischen Normas Gegenwart, in der sie das Sterben ihrer Mutter Elsa begleitet, und ihrer Vergangenheit, die durch die schwierige Beziehung zu ihrer Mutter, den Selbstmord der besten Freundin und Enttäuschungen in der Liebe geprägt ist. Dennoch gibt es auch immer wieder Lichtblicke, wie die gute Beziehung zur Großmutter und den kleinen Jungen aus dem Dorf, den sie kennenlernt.

Der Roman hat in der Mitte ein paar Längen, da Normas anhaltende Traurigkeit und die ständigen Rückschläge das Tempo der Geschichte verlangsamen. Dennoch schafft es die Autorin, die inneren Konflikte und emotionalen Turbulenzen von Norma eindrucksvoll darzustellen. Raimondi ist einfach eine großartige Geschichtenerzählerin und ich werde sicher auch alle weiteren Romane von ihr lesen.

Insgesamt ist „Das erste Licht des Sommers“ ein intensives Leseerlebnis, welches Fans des ersten Bands sicher nicht verpassen sollten. Denjenigen, die „An den Ufern von Stellata“ noch nicht gelesen haben, würde ich aber zuerst den ersten Band ans Herz legen. Für mich hatte der erste Band noch mehr Magie, noch mehr Wärme und noch mehr Sogwirkung.

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