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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.04.2024

Archaische Inselwelt

Die Tage des Wals
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"Die Tage des Wals" ist für mich ein überraschend sprachmächtiges Debüt, das mich von Anfang bis Ende gefesselt hat. Der Schreibstil ist einerseits klar und nüchtern, gleichzeitig aber auch poetisch und ...

"Die Tage des Wals" ist für mich ein überraschend sprachmächtiges Debüt, das mich von Anfang bis Ende gefesselt hat. Der Schreibstil ist einerseits klar und nüchtern, gleichzeitig aber auch poetisch und bildhaft, was insbesondere die Atmosphäre auf der Insel, der Heimat der Protagonistin Manod, genau beschreibt. Besonders gefallen haben mir die Beschreibungen der Landschaft, die sowohl zart und verwunschen als auch kalt und unerbittlich wirkt. Diese Dualität spiegelt sich auch im Leben der Protagonistin Manod wider, die zwischen Alltagsroutine und Melancholie gefangen ist.

Die kurzen Kapitel, die sich zwischen Handlung und Beschreibungen des Insellebens abwechseln, tragen zum Sog der Geschichte bei. Manod sucht nach einer Möglichkeit, als Frau Ende der 1930er Jahre selbstbestimmt zu leben. Ihre Suche nach Freiheit und Identität wird dabei einersei von ihrer Familie beeinflusst, um die sie sich nach dem Tod der Mutter kümmert, andererseits von den mysteriösen Engländern Joan und Edward, die für ethnologische Forschungen auf die Insel kommen und eine komplexe Dynamik schaffen. Und dann ist da noch der Wal, der angespült wird, die Bewohner:innen der Insel aus ihrer Routine reißt und große Veränderungen ankündigt.

Obwohl der Roman viele Leerstellen enthält, fügen sich diese organisch in die rätselhafte Atmosphäre der Geschichte und lassen Raum für Interpretationen. Insgesamt ist "Die Tage des Wals" ein Roman mit einer fesselnden Sprache und rätselhafter Tiefe. Es ist eine Entdeckung, die mich nachdenklich und begeistert zurücklässt, und ich freue mich auf weitere Werke der Autorin.

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Veröffentlicht am 21.04.2024

Wenn Frauen streiken würden

Und alle so still
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Was wäre, wenn sich alle Frauen* solidarisieren und einheitliche Ziele verfolgen würden? Sicher ist das unrealistisch, aber es ist ein spannendes Gedankenexperiment!" Und alle so still" ist ein fesselnder ...

Was wäre, wenn sich alle Frauen* solidarisieren und einheitliche Ziele verfolgen würden? Sicher ist das unrealistisch, aber es ist ein spannendes Gedankenexperiment!" Und alle so still" ist ein fesselnder Roman, der von diesem bemerkenswerten Ereignis ausgeht: Frauen liegen auf der Straße und verweigern Care-Arbeit, um gegen die Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft zu protestieren. Die Wege der Protagonist:innen Elin, Nuri und Ruth überschneiden sich an diesem besonderen Tag im Juni, und durch ihre unterschiedlichen Perspektiven erfahren wir mehr über die Auswirkungen dieses Protests. Dabei spitzt der Roman die Konflikte zwischen Männern und Frauen stark zu, um auf die gesellschaftlichen Probleme aufmerksam zu machen.

Der Roman bringt die Themen der Ausbeutung von Frauen, prekären Arbeitsverhältnissen und sozialen Ungerechtigkeiten eindringlich, teils derb, teils poetisch zur Sprache. Besonders einfallsreich sind die Zwischeneinschübe aus der Perspektive von Gegenständen wie einer Pistole oder einer Gebärmutter, die eine einzigartige Sichtweise auf die Ereignisse bieten.

Insgesamt ist "Und alle so still" ein äußerst aktuelles Werk, das wichtige gesellschaftliche Probleme anspricht und den Leser zum Nachdenken anregt. Auch wenn mich die anfänglich derbe Sprache zunächst abschreckte, konnten mich die Tiefe und Relevanz der Geschichte letztendlich überzeugen. Dies war mein erster Fallwickl-Roman, aber sicher nicht mein letzter!

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Veröffentlicht am 20.04.2024

Großartige Romanheldin

Popcorn süß-salzig
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Lena Hachs Jugendroman "Popcorn süß-salzig" bietet eine mitreißende und unterhaltsame Handlung, die mir von Anfang bis Ende gefallen hat. Die Protagonistin Ruby ist nicht nur sympathisch, sondern auch ...

Lena Hachs Jugendroman "Popcorn süß-salzig" bietet eine mitreißende und unterhaltsame Handlung, die mir von Anfang bis Ende gefallen hat. Die Protagonistin Ruby ist nicht nur sympathisch, sondern auch eigensinnig, was sie zu einer Figur macht, mit der sich sicher viele junge (und ältere) Leserinnen und Leser identifizieren können. Besonders gelungen ist die Grundidee des Romans, die mit typischen Tropes aus dem New Adult-Genre spielt und dem romantischen Genre eine erfrischende Wendung verleiht. Ruby kennt zwar die ganzen Tropes, aber im real life hilft ihr das trotzdem nicht, sich entscheiden zu können, was sie eigentlich will: Deutsch oder Englisch? Süßes oder salziges Popcorn? Und soll sie Phils fake Freundin werden oder nicht?

Ein Aspekt, der besonders positiv hervorsticht, ist die Aufklärung und Sensibilität, die die Jugendlichen im Buch zeigen. Insbesondere Rubys offene Haltung, z.B. in Bezug auf Identität, Geschlechterstereotype oder Sex und Selbstbefriedigung, kann für Jugendliche sicherlich ein inspirierendes Vorbild sein. Auch wenn einige Charaktere vielleicht auch klischeehaft wirken mögen, spiegeln sie dennoch authentische Situationen aus dem Schulalltag von Jugendlichen wider, was dem Buch Authentizität und durch die leicht überzeichneten Charaktere auch Witz verleiht. Allerdings spielt sich die Handlung hauptsächlich im gymnasialen Umfeld ab, was eine gewisse Einseitigkeit mit sich bringt. Dennoch gelingt es Lena Hach, eine sehr sympathische Clique zu präsentieren, deren Entwicklung und Dynamik sie den Leserinnen und Lesern mit jedem Kapitel näher bringt.

Lena Hach beweist insgesamt also ihr Talent als Autorin für jugendliche Zielgruppen und schafft es, mit "Popcorn süß-salzig" eine Geschichte zu erzählen, die nicht nur unterhält, sondern auch für Gesprächsstoff sorgt.

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Veröffentlicht am 19.04.2024

Bullerbü für Erwachsene

Mühlensommer
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"Mühlensommer" ist für mich eine echte Überraschung unter den aktuellen Debütromanen, der das ländliche Leben auf einem Bauernhof einfühlsam porträtiert. Die Sicht der Hauptfigur Maria, die zwischen ihrem ...

"Mühlensommer" ist für mich eine echte Überraschung unter den aktuellen Debütromanen, der das ländliche Leben auf einem Bauernhof einfühlsam porträtiert. Die Sicht der Hauptfigur Maria, die zwischen ihrem modernen Leben in der Stadt und ihren Wurzeln auf dem Land hin- und hergerissen ist, wird mit Tiefe und Authentizität aber trotzdem mit Humor liebevoll dargestellt.

Nach langer Abwesenheit kehrt Maria mit ihren Töchtern auf den Hof ihrer Eltern zurück, da ihr Vater im Krankenhaus liegt. Die Rückkehr Marias auf den Hof ermöglicht ihr nicht nur eine Reise in die Vergangenheit, sondern auch eine Auseinandersetzung mit den Konflikten und Verletzungen innerhalb ihrer Familie. Diese Zwiespältigkeit zwischen Nostalgie und Konfrontation wird dabei durch die Erzählerin eindringlich eingefangen und mit Hilfe von lustigen Anekdoten immer wieder durchbrochen, wobei die Schattenseiten des Landlebens dennoch ungeschönt dargestellt werden.

Insgesamt ist "Mühlensommer" ein Roman, der mich von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhalten hat. Durch die verschiedenen Charaktere des Hofes, die humorvollen Anekdoten und die tiefgründigen Themen fühlte ich mich mehr als einmal an die zeitlosen Klassiker wie "Bullerbü" und "Michel von Lönneberga" erinnert - mit dem Unterschied, dass dieser Roman gleichzeitig ein moderner und relevanter Beitrag zur zeitgenössischen Literatur für Erwachsene ist!

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Veröffentlicht am 17.04.2024

Süß und bitter

Nostalgia Siciliana
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Tita reist nach Sizilien, um ihr Erbe anzutreten. Spontan kauft sie das alte Familienanwesen und taucht ein in die Vergangenheit ihres Vaters, der als italienischer Gastarbeiter nach Deutschland ausgewandert ...

Tita reist nach Sizilien, um ihr Erbe anzutreten. Spontan kauft sie das alte Familienanwesen und taucht ein in die Vergangenheit ihres Vaters, der als italienischer Gastarbeiter nach Deutschland ausgewandert war. "Nostalgica Siciliana" entfaltet eine spannende Erzählung, die geschickt die Vergangenheit mit der Gegenwart verwebt.

Besonders berührend ist die einfühlsame Darstellung von Titas Vater, die den Leser immer wieder mitfiebern lässt. Die Darstellung des kindlichen Gianni ist liebevoll und authentisch, und seine Abenteuer fügen eine charmante Leichtigkeit hinzu. Bei seinem Leben in Deutschland werden schnell auch die bitteren Seiten des Lebens als Gastarbeiter deutlich. Später findet man heraus, was Gianni mit dem Weltkonzern Dr. Oetker zu tun hatte.

Titas Reaktion auf das Erbe und ihre Reise nach Sizilien machen außerdem Lust auf die Insel, da auch Landschaft, Sehenswürdigkeiten und Essen so detailliert und liebevoll beschrieben werden. Die lebendige Beschreibung des sommerlichen Lebens in Italien lässt die Leser:innen richtig in die Atmosphäre eintauchen. Ein Tipp dazu: Es gibt zu dem Roman eine Homepage, die zusätzlich eine Playlist, Rezepte und Hintergrundinformationen zur Verfügung stellt.

Insgesamt ist "Nostalgica Siciliana" ein fesselnder Roman, der mit seinem liebevollen Blick auf die Menschen und die Kultur Siziliens begeistert, ohne die bitteren Seiten des Lebens auf Sizilien und als italienische Gastarbeiter nicht ausblendet und somit die richtige Mischung aus Unterhaltung, neuen Erkenntnissen und Tiefgang bietet.

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