Sie hatten Träume und mussten sich fügen
Goldener Boden1896 bricht Gustav Hirsch von Deutschland nach Amerika auf. Er trägt nicht mehr bei sich als einen Koffer voller Hoffnungen. In Amerika möchte er das große Geld verdienen, um sich und seiner Familie eine ...
1896 bricht Gustav Hirsch von Deutschland nach Amerika auf. Er trägt nicht mehr bei sich als einen Koffer voller Hoffnungen. In Amerika möchte er das große Geld verdienen, um sich und seiner Familie eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Doch so einfach, wie er, und sein auf dem Schiff neugewonnener Freund Max, sich das vorgestellt haben, ist es nicht. Täglich kommen etliche Menschen am Hafen von Manhattan an und versprechen sich ein besseres Leben. Allerdings findet nicht jeder direkt eine Arbeit. Durch einen Zufall landet Gustav in einem Warenhaus und anschließend beim Friseur. Wer hätte gedacht, dass diese Arbeit von jetzt an sein Leben bestimmt und finanziert. Gustav sammelt viele Erfahrungen. Er erlebt glückliche Zeiten, bemerkt aber auch die Schattenseiten des Lebens in solch einer gigantischen Metropole. Auch wenn er sich gut einlebt in dem Land, dessen Sprache er kaum beherrscht, hält sein Aufenthalt nicht ewig an. Sein Traum vom großen Glück platzt. Er erhält eine Nachricht und muss zurück in die Heimat.
Das Buch ist in zwei Teile unterteilt. Allein vom Stoff her hätte das Buch mit 608 Seiten auch gut in zwei Einzelbände unterteilt werden können. Denn im ersten Teil berichtet Gustav von seinen Erlebnissen in New York. Im zweiten Teil, der deutlich später spielt, übernimmt Tochter Clara die Regie. Gustav bekommt wohl oder übel nur noch eine Nebenrolle und muss sich den Ideen seines nationalsozialistischen Schwiegersohnes beugen. Claras Familie besteht aus dem Ehemann Rudolf und vier Töchtern. Sie alle bekommen das Grauen des 2. Weltkrieges deutlich zu spüren. Für mich hat dieser zweite Teil des Buches an Fahrt aufgenommen. Die Kriegszeit und die Jahre danach waren so unglaublich spannend, dass ich das Buch nur widerwillig bei Seite legen konnte. Die Schreckensberichte waren breit gefächert und gingen mir sehr nahe. Vieles was ich bisher über die Kriegsjahre erfahren hatte, kam auch im Buch vor und ebenso war mir einiges neu. Die Entwicklung jeder einzelnen Person durch den Krieg war deutlich wahrzunehmen. Es gab unerfüllte Träume und jede Menge Schicksalswendungen. Interessant fand ich, welche Eigenarten die Familienmitglieder durch die Erlebnisse entwickelten und auch auch in den Jahren des Aufbaus und weit später nicht ablegen konnten. Jeder einzelne von ihnen trägt seine Narben aus der schlimmsten Zeit ihres Lebens. Ich glaube, ich muss nicht erwähnen, dass dieses Buch zum Nachdenken anregt. Mir wurde wieder einmal deutlich bewusst, in welchem Wohlstand wir leben und wie schnell sich das Blatt wenden kann. Die bildreichen Beschreibungen versetzten mich in diese andere Welt. Zum Schluss hatte ich mich so sehr an die Friseurfamilie gewöhnt, dass ich mir vorkam, als sei ich selbst ein Nachbar von ihnen. Aus meiner Sicht hätte der Beruf des Friseurs noch etwas ausgeprägter dargestellt werden können. Er war auch der Grund, warum ich das Buch unbedingt lesen wollte. Trotzdem bin ich mit diesem Werk sehr zufrieden. Es hat mir intensive Momente aus der Vergangenheit geschenkt.