Ein Actionmovie in Buchform
Die HerdeEin schwedischer Biologe, der sich kompromisslos für den Schutz der Tiere einsetzt. Eine Ingenieurin, die als erste Frau einen Staudamm in China bauen darf. Eine Herde Elefanten, die ihren Naturpark verlässt. ...
Ein schwedischer Biologe, der sich kompromisslos für den Schutz der Tiere einsetzt. Eine Ingenieurin, die als erste Frau einen Staudamm in China bauen darf. Eine Herde Elefanten, die ihren Naturpark verlässt. Ein Regierungsbeamter und ein Grosswildjäger, die Blut wittern. Ein schwedischer Archäologe auf den Spuren eines jahrtausendealten Geheimnisses in Mexiko. Dazu eine wildgewordene Affenbande in Bangkok und penetrante Grackeln in Houston. - Das ist Thilo Winters Öko-Thriller “Die Herde”.
Kurze Kapitel, häufige Perspektivenwechsel, Cliffhanger bis die Arme schmerzen und immer ist die nächste Krise in Sichtweite- Winter versteht es, seine Leser:innen nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Diese Strukturelemente gepaart mit Winters bildhaften Erzählstil erweckte bei mir den Eindruck, einen Film zu lesen, das Buch quasi durch die Kamera zu verfolgen. Das hat die Spannung und die Herzfrequenz beim Lesen definitiv hoch gehalten. Diese Erzählweise hatte für mich allerdings den Nachteil, dass sie mich zur Zuschauerin machte. So habe ich Handlung und die Figuren eher aus der Distanz, aus einer Aussenperspektive beobachtet und hatte wenig Gelegenheit, in die Geschichte einzutauchen. Auch die vielen Perspektiven und Identifikationsfiguren waren etwas überwältigend - ich konnte mich einfach nicht überall emotional engagieren. Viele Figuren blieben für mich (zu) flach, Entwicklung nicht glaubhaft genug. Insbesondere der stereotype Überbösewicht war für mich uninteressant.
Interessant war hingegen die Handlung als Ganzes, inklusive des Themas. Während man sich am Anfang noch fragt, wie das alles zusammenhängt, verdichten sich im Verlauf die Parallelen. Noch interessanter wäre es gewesen, wenn ich als Leserin noch etwas mehr hätte miträtseln können, wenn es Hinweise auf die Lösung zu entdecken gegeben hätte. Wäre ich da etwas mehr involviert gewesen, wäre mir die abschliessende Erklärung vielleicht etwas weniger dünn vorgekommen. Thematisch legt Winter aber eine starke Konklusion und Message vor, die in einem informativen und anregenden Nachwort eine überzeugende Pointe finden.
Im Fazit würde ich “Die Herde” von Thilo Winter als gute Unterhaltung mit philosophisch solidem Unterbau bezeichnen. Stilistisch attraktiv präsentiert, spannend, kurzweilig. Action ja, der Thrill blieb aber aus - dafür war ich sowohl emotional als auch sachlich zu wenig involviert. Hängen bleibt weniger die Geschichte als die Message. Und in diesem Fall ist dieser erhobene Zeigefinger im Gedächtnis sogar wünschenswert.
Ich bedanke mich beim Verlag Lübbe für das Rezensionsexemplar und bei meinen Mitleser:innen bei Lesejury für den anregenden Austausch in der Leserunde! Meine Meinung bleibt natürlich und wie immer trotzdem meine eigene.