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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.03.2025

Ein Actionmovie in Buchform

Die Herde
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Ein schwedischer Biologe, der sich kompromisslos für den Schutz der Tiere einsetzt. Eine Ingenieurin, die als erste Frau einen Staudamm in China bauen darf. Eine Herde Elefanten, die ihren Naturpark verlässt. ...

Ein schwedischer Biologe, der sich kompromisslos für den Schutz der Tiere einsetzt. Eine Ingenieurin, die als erste Frau einen Staudamm in China bauen darf. Eine Herde Elefanten, die ihren Naturpark verlässt. Ein Regierungsbeamter und ein Grosswildjäger, die Blut wittern. Ein schwedischer Archäologe auf den Spuren eines jahrtausendealten Geheimnisses in Mexiko. Dazu eine wildgewordene Affenbande in Bangkok und penetrante Grackeln in Houston. - Das ist Thilo Winters Öko-Thriller “Die Herde”.

Kurze Kapitel, häufige Perspektivenwechsel, Cliffhanger bis die Arme schmerzen und immer ist die nächste Krise in Sichtweite- Winter versteht es, seine Leser:innen nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Diese Strukturelemente gepaart mit Winters bildhaften Erzählstil erweckte bei mir den Eindruck, einen Film zu lesen, das Buch quasi durch die Kamera zu verfolgen. Das hat die Spannung und die Herzfrequenz beim Lesen definitiv hoch gehalten. Diese Erzählweise hatte für mich allerdings den Nachteil, dass sie mich zur Zuschauerin machte. So habe ich Handlung und die Figuren eher aus der Distanz, aus einer Aussenperspektive beobachtet und hatte wenig Gelegenheit, in die Geschichte einzutauchen. Auch die vielen Perspektiven und Identifikationsfiguren waren etwas überwältigend - ich konnte mich einfach nicht überall emotional engagieren. Viele Figuren blieben für mich (zu) flach, Entwicklung nicht glaubhaft genug. Insbesondere der stereotype Überbösewicht war für mich uninteressant.
Interessant war hingegen die Handlung als Ganzes, inklusive des Themas. Während man sich am Anfang noch fragt, wie das alles zusammenhängt, verdichten sich im Verlauf die Parallelen. Noch interessanter wäre es gewesen, wenn ich als Leserin noch etwas mehr hätte miträtseln können, wenn es Hinweise auf die Lösung zu entdecken gegeben hätte. Wäre ich da etwas mehr involviert gewesen, wäre mir die abschliessende Erklärung vielleicht etwas weniger dünn vorgekommen. Thematisch legt Winter aber eine starke Konklusion und Message vor, die in einem informativen und anregenden Nachwort eine überzeugende Pointe finden.

Im Fazit würde ich “Die Herde” von Thilo Winter als gute Unterhaltung mit philosophisch solidem Unterbau bezeichnen. Stilistisch attraktiv präsentiert, spannend, kurzweilig. Action ja, der Thrill blieb aber aus - dafür war ich sowohl emotional als auch sachlich zu wenig involviert. Hängen bleibt weniger die Geschichte als die Message. Und in diesem Fall ist dieser erhobene Zeigefinger im Gedächtnis sogar wünschenswert.

Ich bedanke mich beim Verlag Lübbe für das Rezensionsexemplar und bei meinen Mitleser:innen bei Lesejury für den anregenden Austausch in der Leserunde! Meine Meinung bleibt natürlich und wie immer trotzdem meine eigene.

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  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 23.02.2025

Es ist nicht deine Schuld. Und du bist nicht allein.

It's Not You!
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“It’s not you!” ist ein Ratgeber von Ramani Durvasula, Psychologin und Narzissmus-Expertin, übersetzt aus dem Amerikanischen von Elisabeth Liebl.
“Narzissmus durchschauen und in toxischen Beziehungen ...

“It’s not you!” ist ein Ratgeber von Ramani Durvasula, Psychologin und Narzissmus-Expertin, übersetzt aus dem Amerikanischen von Elisabeth Liebl.
“Narzissmus durchschauen und in toxischen Beziehungen für sich einstehen” - was dieser Untertitel verspricht, ist genau das, was man hier findet. Anschaulich und eingängig entmystifiziert Durvasula Muster und Strategien (gemässigter) Narzissten und benennt schonungslos ehrlich die emotionalen, psychischen, physischen und materiellen Konsequenzen dieses missbräuchlichen Verhaltens. Mit ihrem Konzept der radikalen Akzeptanz gibt sie ihren Leser:innen ausserdem eine konkrete Strategie an die Hand, wie sie sich selbst schützen können - ob sie nun bleiben oder gehen. Und sie macht Mut und schenkt Hoffnung, dass Heilung möglich ist.

Ramani Durvasula ist hier ein wunderbar einfühlsames und behutsames Buch gelungen, das nicht - wie sonst so oft üblich - die narzisstischen Menschen in den Fokus stellt, sondern deren Opfer. Opfer - dieses Wort hat einen schalen Beigeschmack, ist in unserer Gesellschaft negativ konnotiert. Es bedeutet, ausgeliefert, hilflos zu sein. Aber auch schuldlos. Und genau an diesen Punkten setzt die Autorin an. Denn erst wenn die Schuld dort ist, wo sie hingehört - bei jenen, die den narzisstischen Missbrauch ausüben - können die Opfer wieder selbstwirksam werden und sich aus diesem Leiden befreien. Durvasula ermutigt ihre Leser:innen, ehrlich zu sich selbst zu sein, ihre eigene Geschichte anzuerkennen und achtsam in die Zukunft zu schreiten. Sie verschweigt dabei nicht, dass es nicht einfach wird und weist dabei auch gleich auf mögliche Fallen, Rückschläge und Stolpersteine hin. Vor allem teilt sie aber konkrete Konzepte und Strategien, an denen man sich orientieren kann. Und illustriert Situationen und Methoden mit Fallbeispielen aus ihrem reichen Erfahrungsschatz als praktizierende Psychologin, die durch ihre persönlichen und privaten Erfahrungen ergänzt werden. Die Message ist klar. Es ist nicht deine Schuld. Und du bist nicht allein.

“It’s not you!” ist ein Buch, dass ich definitiv nicht zum letzten Mal in der Hand hatte. Ich bedanke mich ganz herzlich beim Droemer-Knaur Verlag für dieses Rezensionsexemplar! Meine Meinung bleibt natürlich und wie immer trotzdem meine eigene.

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Veröffentlicht am 23.02.2025

Breit und tief genug

All about Africa
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“All about Africa - Was du über den Kontinenten wissen solltest” ist ein Sachbuch von Stève Hiobi. Hiobi - geboren in Kamerun, aufgewachsen in Deutschland - ist ein Afrofluencer und informiert in dieser ...

“All about Africa - Was du über den Kontinenten wissen solltest” ist ein Sachbuch von Stève Hiobi. Hiobi - geboren in Kamerun, aufgewachsen in Deutschland - ist ein Afrofluencer und informiert in dieser Eigenschaft auf Social Media über den afrikanischen Kontinenten, räumt mit Vorurteilen auf, erkundet die Geschichte und Kultur und wirft einen Blick hinter die negativen Schlagzeilen. Und das tut er nun auch in Form dieses Buches.

In überschaubaren Kapiteln führt Hiobi durch eine Auswahl der 54 Staaten des afrikanischen Kontinents, berichtet mal über (untergegangene) Kulturen und Königreiche, die koloniale Vergangenheit und deren Auswirkungen, modernen Imperialismus, Sprachkulturelle Feinheiten, aufstrebende Musikkultur und noch einiges mehr. Die Informationen bewegen sich dabei über das ganze Spektrum von Funfact und Nice to know bis zu den grossen Aha- und Wtf?!-Momenten. Und ich räume hier gerne ein, dass mir mal wieder peinlich bewusst wurde, wie mein Bewusstsein immer wieder verdrängt, dass der territoriale Kolonialismus in Afrika erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts überwunden wurde. Und vom wirtschaftlichen Imperialismus spricht ja niemand… Gerade in diesem Punkt liegt, in meinen Augen, Hiobis grosser Verdienst. In leicht verständlicher Sprache zeigt er komplexe Abhängigkeitsverhältnisse und ihre Folgen auf - so trocken und kompliziert, dass man davor die Augen verschliessen muss, ist bei ihm weder Geschichte noch (wirtschaftliche und politische) Gegenwart. Der persönliche, kumpelhafte Stil mit dem humorvollen Unterton, den Hiobi in den thematisch leichteren Kapiteln anschlägt, verleihen dem Buch zudem eine angenehme Atmosphäre.

Es ist, als wäre ich auf eine kleine Entdeckungsreise gegangen, ein Abenteuer von zu Hause aus. Inhaltlich ist “All about Africa” eher breit aufgestellt, geht aber punktuell und exemplarisch doch tief - immer grad so tief, dass ich zwar genug bekomme, aber eigentlich doch noch mehr möchte. Es regt zur Recherche an. Oder dazu, dem Autor auf einem seiner Kanäle zu folgen. Persönlich hätte ich thematisch gerne mehr von Menschen wie Wangari Maathai und ihren Projekten gelesen, von Afrikas eigenem Weg in und Ausblick auf die Zukunft. Denn mit 1.5 Milliarden Menschen ist Afrika die wohl grösste marginalisierte Gruppe der Welt - wie dieser Kontinent in die Zukunft geht, wird für uns alle noch von Bedeutung sein. Also Augen auf und den ersten Schritt auf diesen faszinierenden Kontinent zugemacht!

Ich bedanke mich beim Droemer-Knaur Verlag für das Rezensionsexemplar! Meine Meinung bleibt natürlich und wie immer trotzdem meine eigene.

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Veröffentlicht am 09.02.2025

Originell und anders

The Surviving Sky (Die Rages-Trilogie 1): Eine epische Science-Fantasy
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“The Surviving Sky” ist der erste Band der Rages-Trilogie von Kritika H. Raos, die in deutscher Übersetzung von Anne Bergen im Cross Cult Verlag erscheint. Ich bin eine ganze Weile um diesen Science-Fantasy ...

“The Surviving Sky” ist der erste Band der Rages-Trilogie von Kritika H. Raos, die in deutscher Übersetzung von Anne Bergen im Cross Cult Verlag erscheint. Ich bin eine ganze Weile um diesen Science-Fantasy Roman herumgeschlichen, unsicher, ob es was für mich ist. Zum Glück habe ich mich dafür entschieden! Dabei war ich mir nach dem ersten Kapitel noch nicht sicher, ob es mir wirklich gefallen würde. Man wird nämlich schon auf den ersten Seiten mit sämtlichen Konflikten und Themen konfrontiert. Da ist diese wirklich ausserordentliche Welt - eine schwebende Plattformen aus Pflanzen, die von den Architekten geformt und gesteuert wird (vereinfacht ausgedrückt)und die Menschheit von den Erdstürmen fernhält. Das Trajezieren - im Grunde die Magie dieser Welt - mit ihren zwei Wahrnehmungen. Solgenieure, die mit ihrer Technik zum Überleben der Menschen beitragen. Dann das komplexe Gesellschaftssystem, an deren Spitze die Architekten stehen. Ahylia, der genau dieser Punkt missfällt und die eigenwillig an ihrer eigenen Theorie arbeitet. Und nicht zuletzt die Ehekrise von ihr und Iravan - einem leitenden Architekten.
Nachdem ich aber in dieser Welt angekommen bin und mich in die Logik eingearbeitet hatte (ja, es war Arbeit und auch immer mal wieder etwas Hirnleistung nötig, um mitzuhalten), haben mich sowohl das Setting, als auch die Prämisse absolut in ihren Bann geschlagen. Rao baut eine komplexe Welt, inspiriert von ihrem eigenen kulturellen Hintergrund - und das allein mutet für eine westliche Leserin wie mich ja schon etwas fantastisch an. Sie zeigt ausserdem Talent, diese Welt, so anspruchsvoll ihre Theorie mitunter sein mag, anschaulich und bildhaft zum Leben zu erwecken. Und mir hat das Gleichgewicht von intellektueller zu physischer Action, wie auch das Pacing allgemein sehr gut gefallen. Die Erkenntnisse der Protagonisten und die Wendungen und Twists waren nicht vorher absehbar, dennoch in sich logisch; irgendwie abgefahren und trotzdem glaubwürdig. Gefühlt gab es kaum Verschnaufpausen - neue Erkenntnisse oder Ereignisse kamen Schlag auf Schlag und ich habe mich bis zum Schluss keine Minute gelangweilt.
Ebenfalls abseits des Mainstreams sind die Beziehungsdynamiken. Ahilya und Iravan sind beide starke, vielschichtige Persönlichkeiten, die nicht durchweg sympathisch sind und mit denen ich doch extrem mitgefiebert habe. Ihre Beziehung, die kriselnde Ehe im Spannungsfeld individueller Wünsche und Ambitionen und gesellschaftlicher Erwartungen fand ich spannend an- und umgesetzt.

“The Surviving Sky” hat für mich das Potenzial, zu einem Jahreshighlight der Fantasy zu werden. Dafür sorgen eine atemberaubende Welt, die einem durch Raos eindringlichen Schreibstil förmlich von den Seiten entgegenspringt; eigensinnige Charaktere mit Ecken und Kanten, an denen man sich tatsächlich stossen kann; ein faszinierendes Magiesystem, das meine Vorstellungskraft herausfordert und eine thematische Tiefe, die mich nachdenklich zurücklässt.

Ich bedanke mich herzlichst beim Verlag für das Rezensionsexemplar. Meine Meinung bleibt wie immer natürlich trotzdem meine eigene.

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Veröffentlicht am 07.02.2025

Weniger wäre manchmal mehr

We free the Stars
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Achtung: Enthält Spoiler zu Band 1!

“We free the Stars” ist der zweite Band der Dilogie “Die Reiche von Arawyia” von Hafzah Faizal. Nachdem die Zumra um Zafira und Nahir auf Shar zumindest teilweise erfolgreich ...

Achtung: Enthält Spoiler zu Band 1!

“We free the Stars” ist der zweite Band der Dilogie “Die Reiche von Arawyia” von Hafzah Faizal. Nachdem die Zumra um Zafira und Nahir auf Shar zumindest teilweise erfolgreich war, kehrt, was von der Gruppe noch übrig ist, zurück aufs Festland. Neue Umgebung, neue Zusammensetzung - die Zumra ist jetzt unvollständig und ziellos. Und das hat sich für mich sofort aufs Leseerlebnis ausgewirkt. Denn die Dynamiken, die mir im ersten Band so gut gefallen haben, fehlen. Die neuen Figuren hatten für mich nicht die Persönlichkeit und Tiefe, diesen Verlust auszugleichen. Und weil sie mir sowohl unsympathisch, als auch fern blieben, haben mich weder ihre Handlungen schockiert, noch ihre Schicksale berührt. Auch die geheimnisvolle und bedrohliche Atmosphäre der Insel hat gefehlt. Die Kalifate von Arawyia sind zwar einigermassen interessant - und es wird auch fleissig hin und her gereist - aber die Bühne war für mich weit weniger attraktiv, als noch im ersten Band, als das Setting selbst schon fast ein Charakter war.
Die Handlung insgesamt ist nicht uninteressant - hat sich aber immer wieder verzögert. Natürlich, da gibt es die inneren Konflikte der Figuren, die ihren Platz haben sollen. Für mich waren sie aber nicht pointiert genug, schienen sich immer wieder im Kreis zu drehen. Vor allem die Beziehung zwischen Nasir und Zafira hat mich mit ihrer sich wiederholenden Sprunghaftigkeit irgendwie abgehängt und schlussendlich gelangweilt - sie war zu absehbar. Absehbar waren auch die meisten Twists und Wendungen - weil die Finten für mich von Anfang an nicht glaubwürdig waren und dann auch noch immer wieder gleich aufgebaut. Wenn dann mal Action angesagt war, war diese wenig zu spüren. Denn die Figuren nehmen sich während des Kampfes ausgiebig Zeit, zu quatschen, ihre Lage und Emotionen zu analysieren, ihren Gefährten beim Kämpfen zuzusehen - das nimmt jeder Schlacht das Tempo und die Spannung.
Ich fand “We free the Stars” mit seinen über 600 Seiten zu schwerfällig und behäbig - in der Kürze wäre hier vielleicht etwas mehr Würze gelegen. Wie gesagt, die Handlung insgesamt war eigentlich ganz ansprechend. Die Geschichte des Löwen war sogar faszinierend. Und es gibt einige interessante Auflösungen. Allerdings auch einige lose Enden. Schön zu lesen war es allemal - ich mag Faizals blumigen, opulenten Stil, ihre Metaphern und die Bilder, die sie mit Worten zeichnet. Jedenfalls, wenn sie das alles nicht an Beschreibungen von Architektur und Kleidung verschwendet. Ich staune immer wieder - und verdrehe dabei ausgiebig die Augen - wie akkurat und ausschweifend ein Mädchen der Unterschicht im Stande ist, Stoffe und Architektur zu beschreiben, die es noch nie in seinem Leben gesehen hat! Ein Makel, der dem Genre scheinbar inhärent ist.

Alles in Allem habe ich die Dilogie gerne gelesen, habe die Figuren gerne kennen gelernt, mit ihnen mitgefiebert und gelitten. Ich bin aber auch froh, jetzt Lebewohl sagen zu können. Herzlichen Dank an den Droemer Knaur Verlag für das Rezensionsexemplar! Meine Meinung bleibt natürlich und wie immer trotzdem meine eigene.

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