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Veröffentlicht am 17.07.2020

Von einem Jungen ohne Namen

Lodernde Schwingen
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Es gibt Bücher, die gewinnen mich schon nach der ersten Seite für sich. So ging es mir mit ›Goldene Flammen‹ von Leigh Bardugo, das ich in kürzester Zeit verschlungen habe. Auch ›Eisige Wellen‹ habe ich ...

Es gibt Bücher, die gewinnen mich schon nach der ersten Seite für sich. So ging es mir mit ›Goldene Flammen‹ von Leigh Bardugo, das ich in kürzester Zeit verschlungen habe. Auch ›Eisige Wellen‹ habe ich wirklich gerne gelesen, doch hat mich dieser 2. Band der Reihe ›Legenden der Grisha‹ nicht darauf vorbereitet, wie sehr ich den 3. Band mögen würde. Hatte ich schon nach dem 1. Band keine Zweifel mehr daran, dass Leigh Bardugo eine begnadete Schriftstellerin ist, würde ich mittlerweile jedes Buch von ihr ohne zu zögern lesen.

Bardugos Bücher sind düster, ihre Welten voller Gefahren, Geheimnisse und Abgründe. Und in diesem düsteren Setting können nicht nur charmante Nebencharaktere strahlen.

Nachdem 2. Band liegt die Welt der Grisha, wie die Lesenden sie kannten, in Trümmern. Sowohl der Dunkle als auch Alina sind nur knapp ihrem Tod entronnen. Viele andere hatten dieses Glück nicht. Doch während der Dunkle die Zeit danach genutzt hat, um den Thron des Zaren für sich zu beanspruchen, lebt Alina tief unter der Erde, weggesperrt vom Sonnenlicht. Doch Alina hat etwas, das der Dunkle nicht hat: Freunde, die ihr helfen wollen, sich zu befreien.

»Das Ungeheuer heißt Izumrud, und manche sagten, es habe die Gänge unterhalb von Ravka geschaffen. Von einem unersättlichen Hunger getrieben, habe dieser gewaltige Wurm Schlick und Gestein verschlungen, sich immer tiefer gebohrt, bis er zu weit vorgedrungen sei und sich am Ende in der Finsternis verirrt habe.«

Dabei ist Alina Starkov im Besitz zweier Kräftemehrer. Obwohl die junge Frau spürt, dass diese sie verändern und ihr Wunsch, den dritten Kräftemehrer an sich zu bringen, nicht nur positiven Ursprungs ist, kann sie die Suche nicht aufgeben. Auch der Dunkle lässt ihr keine Ruhe, ihr bleibt kaum genug Zeit, ihre Verbündeten um sich zu sammeln.

Doch spätestens nach dem 1. Band ist klar, dass Freunde und Verbündete oft nur schwer von Feinden und Verrätern zu trennen sind. Es gibt wenige, auf die sich Alina glaubt, verlassen zu können, doch diese wenigen haben es in sich. Und hinter den Geschehnissen um Alina wird eine weitere Geschichte in ihren Ansätzen freigelegt: die Geschichte einer Familie, aus der ein Mann wie der Dunkle hervorgehen konnte.

»Er hatte um diesen Thron gekämpft, hatte Hunderte von Jahren gefochten und gedient, um ihn endlich für sich beanspruchen zu können. Ich musste zugeben, dass er wie geschaffen dafür war.«

Wer also wissen will, wie es im Kampf um Ravka weitergeht, wie der Dunkle mit seinem wirklichen Namen heißt und wie ein Prinz, der sein Leben lang keine Not kannte, doch noch lernen muss, was Hunger ist, der sollte den finalen Band der Trilogie der ›Legenden der Grisha‹ unbedingt lesen. Es wird spannend!

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Veröffentlicht am 17.07.2020

Charmante Verbündete und grausame Feinde

Eisige Wellen
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Dass große Macht nicht unbedingt ein bequemes und einfaches Leben mit sich bringt, musste Alina Starkov in der Vergangenheit lernen. Wie schwer und gefährlich es genau werden würde, hätte sie jedoch vermutlich ...

Dass große Macht nicht unbedingt ein bequemes und einfaches Leben mit sich bringt, musste Alina Starkov in der Vergangenheit lernen. Wie schwer und gefährlich es genau werden würde, hätte sie jedoch vermutlich ebenso wenig erwartet wie, dass sie überhaupt über derartige Kräfte verfügte.

Bereits im ersten Band der Grisha-Trilogie ›Goldene Flammen‹ ist es Leigh Bardugo gelungen, eine Welt und eine Geschichte zu erschaffen, die dem Leser den Atem raubt. Wer den ersten Band noch nicht gelesen hat, dem sei empfohlen, dies zu tun, bevor er diese Rezension liest. Es wäre schade, zu viele Details und Wendungen der Geschichte im Vorfeld zu verraten.

Alina Starkov ist noch nicht lange Teil der Grisha, die sich um den Dunklen scharen, als die Regeln und die Welt der Grisha durcheinandergeraten. Jäh wird sie aus dieser besonderen Welt herausgerissen, noch bevor sie richtig darin angekommen war. Doch die Gefahr, die ihr drohte, kommt nicht von außen. Obwohl die Grisha genug Feinde haben.

»Kein Grisha konnte etwas Körperliches hervorbringen; wir konnten kein Leben erschaffen. Trotzdem kam dieses Geschöpf auf uns zu, und die Grisha aus dem Gefolge des Dunklen drückten sich ängstlich gegen die Zimmerwände.«

Auch im zweiten Band der Trilogie schafft es die Autorin, an die Spannung des ersten Bandes anzuknüpfen. Ihre Sprache ist eindringlich, ihre Bilder stark und ihre Helden und Heldinnen facettenreich.

Alina Starkov will zugleich weg von alldem – von Grishas, Magie und der Zarenfamilie – und zu ihnen hin. Sie will ein friedliches Leben führen, ohne Gefahr, mit dem Mann, den sie liebt. Doch sie lernt auf grausame Weise, dass ein solch friedliches Leben für sie nicht möglich scheint. Ganz gleich, wohin sie geht.

»Früher, lange bevor sie die Wahre See befuhren, hatten der Junge und das Mädchen immer wieder von Schiffen geträumt: Schiffe, randvoll mit Geschichten, verzauberte Schiffe mit Masten aus wohlriechendem Zedernholz und mit Segeln aus purem Gold, von Jungfrauen gesponnen.«

So wird Alina Teil eines Kampfes, der älter ist als sie. Sie erlebt die Schrecken Ravkas, die schon viel zu lange andauern und was mit jenen geschieht, die zwischen die Fronten dieses Kampfes geraten.

Bardugos Charaktere sind vielfältig, einzigartig und alles andere als Abziehbilder von Stereotypen. Nicht nur Alinas Feinde haben es in sich – auch ihre Verbündeten müssen sich nicht verstecken.

»Ivan erstarrte, sein Grinsen verflog. Hinter ihm stand ein junger, hochgewachsener Mann, der ungefähr in meinem Alter war, vielleicht ein paar Jahre älter – Strubbelhaare, eine krumme Nase, die bestimmt schon ein paarmal gebrochen worden war.«

Bardugos Roman ›Eisige Wellen‹ ist definitiv nicht nur für eingefleischte Fantasy-Fans ein Muss und vor allem auch für Erwachsene empfehlenswert. So bleibt nach dem zweiten Band der Reihe nun nur noch auf den dritten zu warten, um das große Finale um Ravka zu erleben. Ich bin jedenfalls gespannt.

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Veröffentlicht am 17.07.2020

Die Krähen und ihre toten Götter

Knochendiebin (Die zwölf Kasten von Sabor 1)
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Namen wie ›Scheusal‹, ›Galgenstrick‹ oder ›Stur‹ sind es, die die Angehörigen der Krähen-Kaste tragen. Der einzigen, der zwölf Kasten von Sabor, der kein Geburtsrecht zusteht. Sie sind Geächtete und Vogelfreie, ...

Namen wie ›Scheusal‹, ›Galgenstrick‹ oder ›Stur‹ sind es, die die Angehörigen der Krähen-Kaste tragen. Der einzigen, der zwölf Kasten von Sabor, der kein Geburtsrecht zusteht. Sie sind Geächtete und Vogelfreie, denen man jedes erdenkliche Leid zufügen kann, ohne sich dafür verantworten zu müssen.

Doch zugleich sind sie in diesem Land, in dem seit Generationen eine Seuche wütet, die einzigen, die sich um die Bestattung der von dieser Befallenen kümmern können. Fast jede Krähe in Sabor hat durch die anderen Kasten Angehörige oder Freunde verloren, nur wenige Krähen werden alt.

Doch während die Ausgrenzung der Krähen ebenso fest zu Sabors Gesellschaft gehören wie die Sündenseuche selbst, für die viele die Krähen verantwortlich machen, halten die Krähen fest zusammen. ›Beschütze die Deinen!‹ ist die Regel, nach der sie leben.

»Stur hatte während ihrer sechzehn Lebensjahre viele Lektionen gelernt, meist auf die harte Art: immer die Menge im Blick behalten; immer einen Fluchtweg parat haben; keine Stadt allein betreten.
Und in den Nächten, in denen sie Sünder verbrannten, in den Sandalen schlafen.«

Die junge Hexe und zukünftige Flügelherrin Stur ist alles andere, als auf den Mund gefallen. Weder wenn es darum geht, um Zähne zu feilschen, noch in Bezug auf die Männer ihrer Rotte. Doch plötzlich mit einem Phönix-Prinzen und seinem Habicht-Leibwächter durch das Land zu reisen, um den Prinzen zu schützen, ist selbst für die aufgeweckte Stur Neuland.

Denn während sie sich mit der Frage auseinandersetzen muss, ob sie Mitgliedern der Phönix- oder der Habicht-Kaste trauen kann, die sie und die ihren stets wie Dreck behandelt haben, müssen Prinz und Leibwächter ebenfalls neue Erfahrungen machen. In das Gewand der Krähen gehüllt, spüren sie zum ersten Mal die Ausgrenzung und den Hass der anderen. Müssen mit der Angst leben, die dies erzeugt, und der Ungerechtigkeit.

»Sie konnte nicht sprechen, nickte aber. Habichte baten nicht. Stur wusste nicht, wie sie mit einem umgehen sollte, der es trotzdem tat.«

Während es für den Prinzen Jasimir und seinen Leibwächter Tavin ums Überleben geht, steht für Stur die Zukunft ihrer Kaste auf dem Spiel. Wenn es ihnen gelingt, den Prinzen lebend zu seinen Verbündeten zu bringen, müssen die Habichte zukünftig die Krähen schützen.

Doch diese Abmachung ist alles andere als einfach zu erfüllen. Schienen die Krähen doch bislang vom Glück und den tausend toten Göttern verlassen zu sein.

»Eine Krähe hätte gewusst, wie man sich verhielt. Man ließ die Leute höhnen. Man ließ die Leute fluchen und pöbeln und ging weiter, denn wenn man sich wehrte, mussten auch andere dafür büßen.«

Margaret Owen gelingt es, in ihrem Debüt ›Knochendiebin‹ eine Welt zu erschaffen, die von der ersten bis zur letzten Seite zwingt, den Atem anzuhalten. Das Leben, das die Krähen führen müssen, ist düster und voller Not. Und doch gelingt es den Krähen durch ihren Zusammenhalt untereinander innerhalb dieser Düsternis ein Leben zu führen, das mitreißt. Owens Schreibstil ist eindringlich und lässt nicht nur beim Mammon-Tanz die Nackenhaare zu berge stehen.

Die Sündenseuche ist ein für die Krähen allgegenwärtiges Grauen in Sabor und es bleibt spannend, im zweiten Band der Reihe ›Die zwölf Kasten von Sabor‹ hoffentlich zu erfahren, wie diese einst ihren Anfang nahm.

›Knochendiebin‹ gehört zu jenen Büchern, die nicht nur für Jugendliche geschrieben sind, sondern auch Erwachsene fesseln können. Eine starke, berührende Protagonistin, witzige und kluge Dialoge und eine düstere Welt voller Geheimnisse machen Owens Debüt mehr als lesenswert.

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Veröffentlicht am 17.07.2020

Eine Fabrik, ein Wolf und andere Rätsel

Hier ist noch alles möglich
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Eine junge Frau nimmt einen Job in einer Verpackungsfabrik an und zieht dafür in einen Raum auf dem Fabrikgelände. Während die Tage der Fabrik bereits gezählt sind und das Gebäude immer verlassender wird, ...

Eine junge Frau nimmt einen Job in einer Verpackungsfabrik an und zieht dafür in einen Raum auf dem Fabrikgelände. Während die Tage der Fabrik bereits gezählt sind und das Gebäude immer verlassender wird, verbreitet sich ein Gerücht: Ein Wolf wurde auf dem Gelände gesehen.

Die junge Frau, die für die Sicherheit der Fabrik zuständig ist, verbringt Nacht für Nacht damit, auf den Monitoren nach dem Tier Ausschau zu halten. Doch so sehr sie auch eine Spur des Wolfes finden will, hält dieser sich auf dem Bereich der Kameras fern. Nur eine Person in der Fabrik scheint den Wolf bislang überhaupt zu Gesicht bekommen zu haben.

Doch obwohl die Fabrik bereits vor ihrer Schließung steht, will der Leiter keinen Zwischenfall riskieren. Gruben werden auf dem Gelände ausgehoben, die das Tier fangen sollen.

»Der Wolf kam aus den Bergen, und mit ihm kamen andere Wölfe, kamen ins Flachland. Drangen in Gebiete vor, in denen man sie nie zuvor gesehen hatte.
Sie trieb der Hunger, das Wissen um Welpen, das Wissen um den Hunger der Welpen.«

Und obwohl der Gedanke an den Wolf die junge Frau nicht mehr los lässt, ist seine Geschichte nicht die einzige, die man sich auf dem Fabrikgelände erzählt.

Auch der M. d. v. H. f. – der Mann, der vom Himmel fiel, – erhält einen Eintrag im Universal-General-Lexikon der jungen Frau. Nicht nur die Gerüchte und Geschichte um das Fabrikgelände sind besonders, ebenso der Blick der jungen Frau auf die Welt und ihre Art, die Dinge zu ordnen.

»Es gibt eine Insel, auf der vor vielen Jahrhunderten ein Hahn zum Tode verurteilt wurde. Sein Verbrechen bestand im Leben eines Eis. Das war gegen die Natur und darum gesetzeswidrig.«

Eine Fabrik, ein Wolf und eine junge Frau: Aus diesen Zutaten lässt Molinari eine Geschichte entstehen, die von der ersten bis zur letzten Seite etwas Besonderes ist.

Die Angst vor dem Fremden und Unbekannten, die Gefahren, die es mit sich bringen könnte, auch wenn sie nur eine dunkle Ahnung sind, durch Vermutungen geschürt. Eine Art Blaupause, vor deren Hintergrund Themen aufscheinen, weit näher als die Hallen einer bald stillgelegten Fabrik. Molinaris Debütroman ist originell und regt vielseitig zum Nachdenken an – wenn man bereit ist, sich auf den besonderen Schreibstil einzulassen.

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Veröffentlicht am 17.07.2020

Die Stimme des Nicht-Sagbarem

Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein
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Wie schreibt man über ein Thema, über das oft selbst das Reden oder Erzählen schwerfällt? Wie findet man Worte für etwas, das Benjamin Maack immer wieder als Leere und als Nichts beschreibt?

Bereits zu ...

Wie schreibt man über ein Thema, über das oft selbst das Reden oder Erzählen schwerfällt? Wie findet man Worte für etwas, das Benjamin Maack immer wieder als Leere und als Nichts beschreibt?

Bereits zu Beginn seiner Arbeit an diesem Besuch ist Maack eines wichtig: Abklären, ob ein Text über Depressionen und Selbstmordgedanken Menschen dazu verleiten könnte, sich umzubringen.

»›Im Gegenteil‹, sagte [der Suizidologe], es wäre gut und richtig, dass darüber geschrieben und gesprochen würde. Wichtig sei, dass man dabei nichts beschönige oder heroisiere.«

Bereits nach den ersten Seiten von ›Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein‹ ist klar, dass dieses Buch nicht vorhat, zu heroisieren.

Am leichtesten fällte es vielleicht, sich Benjamin Maacks Buch über das zu nähern, was es ›nicht‹ ist. Es ist weder ein Ratgeber für Betroffene noch einer für Angehörige. Es schaut nicht von außen auf die Depression, versucht nicht sie in geordnete Kategorien zu ordnen.

»Wenn Sie Tipps und Tricks für den Umgang mit Depressionen suchen, legen Sie dieses Buch auch weg. Und melden Sie sich, wenn Sie etwas gefunden haben, das wirkt.«

Maacks Buch lässt nicht sprachlich aufgearbeitet von außen auf die Depression schauen. Er lässt in sie schauen. Dabei bleibt er oft fragmentarisch. In anderen Momenten scheint er mit und um Sprache zu ringen, um die Momente der Depression ausdrücken zu können. Dabei schaffen seine Worte oft keine Ordnung mehr, keine Semantik, sie hinterlassen Weißräume und Satzfetzen.

Durch Maacks Buch zieht sich der Wunsch, funktionieren zu wollen. Das hin- und herschwanken zwischen der Angst, zu krank für das ›normale‹ Leben zu sein und zugleich vielleicht nicht krank genug für das psychiatrische Leben; die Frage, wie es einem geht. Der rührende Versuch, den Alltag zu bewältigen, irgendwie an der Oberfläche zu bleiben, der Ehe und den Kindern gerecht zu werden. Das Auf und Ab durch neue Medikamente, die ihrerseits Befürchtungen mit sich bringen. Pfleger und Ärzte, die den Klinikalltag begleiten. Ebenso wie Freunde und Mitpatienten, der Aufenthalt in einer Psychiatrie, begleitet von ›Cobra 11‹. Die Seiten des Buches brauchen ihre Weißräume, um der Schwere des Geschriebenen Raum zu geben, an wenigen Stellen gewährt Maack auch Momente des Aufatmens.

»Ein paar Monate später geht es mir wieder gut. Ich bin wieder draußen, noch ein paar Monate später arbeite ich wieder, bin wieder für die Familie da, treffe wieder Freunde.«

bookcoverAn das Ende des Buches ist Maacks Rede bei einer Preisverleihung in Karlsruhe angehängt, bei der er für sein Werk ›Monster‹ ausgezeichnet wurde. Bei dieser ging Maack bereits auf seine Depressionen ein, die er damals überwunden glaubte. Weder die Zuhörer noch Maack selbst wussten, dass sie wiederkommen würde. Doch besteht das, was diese Rede auszeichnet, nicht vorrangig daraus, dass die Depression besiegt werden konnte. Es besteht daraus, dass darüber gesprochen wurde.

Maacks Schilderungen lassen keinen Zweifel daran, dass im Verlauf der Depression Gefühle der Wertlosigkeit, des Versagens und der Schuld vorherrschen. Doch Maack entscheidet sich nicht, nachdem die depressive Episode überwunden ist, diese Gefühle zu verschweigen oder wegzudrängen; er teilt sie.

» …, dass mein Leben nach und nach abgestorben ist, weil es nicht mehr von Gefühlen durchblutet wurde. Dass mein Kopf, dem es schwerer- und schwerergefallen ist, zu fühlen, die Emotionen unbemerkt immer härter rationiert hat, bis das Fühlen in großen Teilen meines Lebens vertrocknet und verschwunden ist.«

Depressionen haben viele Gestalten. ›Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein‹ bezeugt den Wunsch, zu funktionieren, und findet zugleich Worte für einen Zustand, in dem man oft nicht mehr funktionieren kann. Es ist eine Stärke dieses Buches, dass es aushält, zugeben zu können, dass es Zeiten gibt, in denen Funktionieren anders geworden ist. Es ist ein Versuch, die Depression greifbarer zu machen. Damit darüber gesprochen werden kann, in der Hoffnung, dass so Betroffene nicht allein damit sein müssen.

»Ich bin krank, denke ich und bin beruhigt, weil jemand mich von dem Leben erlöst, das aus meinem Leben geworden ist. Weil jemand sagt, das ist nicht normal, es gibt da ein Leben, das du nur vergessen hast.«

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