Streben nach Selbstbestimmung
Die WahnsinnigeDas Cover ist wunderschön gestaltet. Das detaillierte Portrait lässt Rückschlüsse auf den historischen Kontext der Handlung zu. Die Anordnung des Titels mit den Spiegelungen im Hintergrund wirkt in sich ...
Das Cover ist wunderschön gestaltet. Das detaillierte Portrait lässt Rückschlüsse auf den historischen Kontext der Handlung zu. Die Anordnung des Titels mit den Spiegelungen im Hintergrund wirkt in sich schon irgendwie wahnsinnig, verrückt und springt sofort ins Auge.
Inhaltlich beleuchtet der Roman beispielhaft einige Episoden aus dem Leben Johannas von Kastilien näher. Dabei geht die Autorin der Frage nach, welchen Einfluss verschiedene Ereignisse oder Personen auf Johannas Leben und vor allem ihren Charakter und ihr Verhalten hatten, wie die junge Frau also von ihrer Umwelt geprägt wurde. Dadurch wirft Alexa Hennig von Lange einen kritischen Blick auf Johanna als „die Wahnsinnige“, wie ihr Beiname lautet.
Der Brief am Anfang des Romans hat den Einstieg sehr angenehm gestaltet. Der Schreibstil ist sehr direkt, aber auch bildhaft, atmosphärisch und passt zu den philosophischen Fragen, denen der Roman inhaltlich nachgeht. Dabei bleibt jede Art von Wertung außen vor, was ich sehr gelungen finde. So wird man beim Lesen dazu angehalten, sich eine eigene Meinung zu bilden und über das Gelesene nachzudenken. Dank des Schreibstils konnte ich Johannas Gefühle beim Lesen sehr gut nachempfinden.
Letztlich geht es vor allem um jene Gefühle. Es handelt sich hier nicht um einen actionreichen historischen Roman. Der Fokus liegt vielmehr auf den zwischenmenschlichen Beziehungen, die Johannas Verhalten bzw. Charakter prägten und den Regeln, nach denen sie lebte. Für mich ergab das einen faszinierenden, berührenden und erschreckenden Einblick in die Lebensumstände der spanischen Kronprinzessin, die sich innerhalb ihres Käfigs aus Verhaltensvorschriften nach Freiheit und Selbstbestimmung sehnte.
Auf den historischen Kontext wird im Roman nicht näher eingegangen. Hier wäre vielleicht etwas Vorwissen nötig. Für geschichtlich Interessierte, die einen modernen und kritischen Blick auf historische Persönlichkeiten gewinnen möchten, ist dieser Roman sehr zu empfehlen.