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Veröffentlicht am 06.01.2022

Facettenreicher Roman vor historischem Hintergrund

Die Hafenärztin. Ein Leben für die Freiheit der Frauen (Hafenärztin 1)
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Obwohl ich üblicherweise eher weniger von fotoähnlichen Portraits echter Menschen auf Covern halte, hat mich dieses Cover sofort angesprochen. Die Frau im Vordergrund strahlt so viel Selbstbewusstsein ...

Obwohl ich üblicherweise eher weniger von fotoähnlichen Portraits echter Menschen auf Covern halte, hat mich dieses Cover sofort angesprochen. Die Frau im Vordergrund strahlt so viel Selbstbewusstsein und Souveränität aus, dass man sie nur bewundern kann und damit passt sie hervorragend zu den Protagonistinnen der Geschichte.
Zum Inhalt: Anne Fitzpatrick setzt sich als Ärztin im Hamburg des Jahres 1910 für Frauen der unteren Gesellschaftsschichten ein. Die Pastorentochter Helene kämpft um ein selbstbestimmtes Leben und möchte sich ebenfalls für das Wohl der Frauen engagieren. Doch dann werden die Opfer von Gewaltverbrechen gefunden und alles deutet auf Verbindungen zur Frauenbewegung hin. Können die jungen Frauen ihr Engagement aufrechterhalten und die Suche nach dem Täter unterstützen?
Was den Schreibstil angeht, bin ich etwas zwiegespalten. Manche Abschnitte flogen nur so dahin, enthielten packende Gruselelemente, andere, vor allem im Mittelteil des Buchs, hatten Längen. Wir verfolgen drei verschiedene Erzählperspektiven: Annes, Helenes und die des ermittelnden Kommissars Berthold Rheydt. Das erhöht die Spannung und ermöglicht dem Leser emotionalen Zugang zu den Protagonisten, macht das ganze jedoch auch sehr umfangreich. Den Faden darf man hier nicht verlieren. Hin und wieder sorgt eine Prise Humor für Auflockerung der doch recht düsteren Ereignisse.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert ausgearbeitet. Dem Leser wird eine ganze Bandbreite an diversen, verschiedenartigen Persönlichkeiten geboten. Die bereits angesprochen drei Protagonisten wirken durch ihre jeweils ganz eigenen Motivationen, Leidenschaften und Dämonen authentisch und glaubwürdig. Die Frauenfiguren erscheinen stark im Kampf um die eigene Unabhängigkeit. Meine Lieblingsperspektive und die für mich überzeugendste Charakterentwicklung stellt eindeutig die der jungen, kämpferischen, frechen Helene dar. Die anderen beiden Charaktere sind zwar auch durchaus sympathisch, blieben aber über große Teile sehr mysteriös und unnahbar.
Dieser Roman enthält Elemente verschiedener Genres, was ihn unglaublich interessant macht. Da ist die solide Krimihandlung mit fesselnden Einblicken in die zeitgenössische Kriminalistik, bei der mir jedoch Überraschungsmomente gefehlt haben - der Täter lag für mich auf der Hand. Dann sind da feministische Einschläge und im Fall von Helene Spuren einer Coming of Age-Geschichte. Mich hat aber auch insbesondere der Input rund um die Entwicklung der Frauenbewegung begeistern können.
Insgesamt wurde ich gut unterhalten. Wer starke Frauenfiguren sucht, sich für die historische Entwicklung der Frauenrechtsbewegung interessiert und möglicherweise auch noch Krimi-Fan ist, sollte sich diesen Roman unbedingt einmal ansehen.

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Veröffentlicht am 07.12.2021

Eher düsterer Roman als fesselnder Krimi

Was wir verschweigen
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Das Cover ist großartig gestaltet. Die dunklen Farben strahlen etwas Geheimnisvolles und eine düstere Atmosphäre aus, was ebenso wie die verschwommenen Bildelemente gelungen auf das Krimigenre anspielt. ...

Das Cover ist großartig gestaltet. Die dunklen Farben strahlen etwas Geheimnisvolles und eine düstere Atmosphäre aus, was ebenso wie die verschwommenen Bildelemente gelungen auf das Krimigenre anspielt. Auch der bildliche Fokus auf die einsame Hütte passt in diesem Zusammenhang sehr gut.
Zum Inhalt: Im finnischen Pori wird ein Mann während eines Trinkgelages erstochen. Die ermittelnden Beamten scheinen den Fall schnell aufgeklärt zu haben, als der potenzielle Täter in der Nähe gefasst wird. Für den Ermittlungsleiter Jari Paloviita gestaltet sich die Lösung jedoch weitaus komplizierter, da der Festgenommene sein bester Freund aus Kindertagen ist, mit dem ihn noch eine Schuld verbindet.
Der Schreibstil ist angenehm. Die Geschichte ließ sich gut lesen, war jedoch nicht durchgehend spannend. Gefallen hat mir, wie der Autor mithilfe von ungemütlichen Wetterphänomen und bedrohlichem Verhalten einzelner Charaktere gekonnt eine eisige und finstere Atmosphäre erschafft.
Die gelungen eingebauten Rückblenden haben für mich den Großteil der Spannungselemente ausgemacht. Die Kapitel, die in der Vergangenheit spielen, gingen mir extrem unter die Haut. Die Geschichte dreht sich um Mobbing und häusliche Gewalt. Wer explizite Gewaltdarstellungen nicht lesen kann oder möchte, sollte nicht zu diesem Buch greifen.
Die Charaktere sind detailliert ausgearbeitet. Der Autor konzentriert sich, ausgehend von ihren jeweiligen Erfahrungen in der Vergangenheit, auf deren psychologische Abgründe und negative Seiten. Das ist zwar interessant umgesetzt, identifizieren konnte ich mich dadurch jedoch mit keinem der Protagonisten. Ebenso wenig fand ich sie sympathisch. Eher habe ich eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Abneigung gegen jeden von ihnen entwickelt. Das hat mir das Lesen wohl zusätzlich erschwert.
Der Fall, wenn man ihn aufgrund seiner Geradlinigkeit denn überhaupt als solchen bezeichnen kann, konnte mich nicht überzeugen. Die eingebauten Wendungen, sowohl in der Gegenwart als auch in den Rückblenden, konnte ich leicht vorhersehen. Was mir außerdem gar nicht gefallen hat, ist, dass wir in die dunklen Seiten der weiblichen Ermittlerin eingeführt werden, diese irgendwann jedoch einfach aus der Handlung herausfällt und nie wieder erwähnt wird. Daneben bleiben auch im Fall der weiterhin Ermittelnden zu viele Frage offen.
Insgesamt konnte mich der Krimi nicht begeistern. Womöglich hatte ich zu hohe Erwartungen. Die Geschichte gleicht insgesamt eher einem nachdenklich stimmenden Roman, der sich mit Schuld und dem Umgang mit beziehungsweise dem Weiterleben nach traumatischen Erlebnissen beschäftigt. Wer eine Geschichte sucht, die sich vordergründig mit den Abgründen der menschlichen Seele beschäftigt und weniger fesselnde Krimiunterhaltung erwartet, wird diesem Buch eventuell mehr abgewinnen können.

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Veröffentlicht am 03.12.2021

Gelungene Liebesgeschichte abseits von 0815

Eine Prise Salz für die Liebe
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Das Cover gefällt mir richtig gut. Es fällt auf. Die fröhliche, bunte Farbgebung macht direkt gute Laune und passt super zum Genre.
Zum Inhalt: Reenas Familie wollte sie schon so manches Mal verkuppeln. ...

Das Cover gefällt mir richtig gut. Es fällt auf. Die fröhliche, bunte Farbgebung macht direkt gute Laune und passt super zum Genre.
Zum Inhalt: Reenas Familie wollte sie schon so manches Mal verkuppeln. Bisher ließen sie diese Versuche aber kalt. Der aktuelle Kandidat entpuppt sich jedoch als ihr ansehnlicher Nachbar Nadim, mit dem sie sich auf Anhieb gut versteht und der sich als angeblicher Freund ausgibt, um Reena die Teilnahme an einem Paar-Kochwettbewerb zu ermöglichen. Daraufhin nimmt das (Gefühls)Chaos seinen Lauf…
Erzähl- und auch Sprechweise sind super angenehm. Die ruhige und unaufgesetzte Vortragsweise der Sprecherin hat das Hören zum Genuss werden lassen. Der Schreibstil ist von Humor und frechen Sprüchen durchsetzt, behandelt jedoch gleichzeitig auch ernste Themen gekonnt, ohne sie ins Lächerliche zu ziehen.
Die Charaktere sind divers und originell angelegt, was mir sehr gefallen hat. Die Einbeziehung ihres religiösen und kulturellen Hintergrunds ist wahnsinnig gut gelungen. Aber nun direkt zu den Protagonisten: Reena war mir von Beginn an super sympathisch. Ihre Zweifel und Wünsche sind sehr gut nachvollziehbar. Ihre Begeisterung fürs Backen und Kochen ist förmlich spürbar und reißt mit. Dieses Hörbuch sollte man eher nicht auf leeren Magen genießen, sonst droht immenser Hunger. Auch Nadim ist dank seines warmherzigen Verhaltens und seiner positiven Art ein toller, liebenswerter Charakter. Das Knistern zwischen den beiden Protagonisten ist regelrecht spürbar, ohne zu viel zu sein oder übertrieben kitschig zu wirken. Durch die abwechslungsreichen Persönlichkeiten kann sich bestimmt jeder mit einem der liebevoll gestalteten Charaktere identifizieren.
Die Geschichte bietet eine gute Mischung aus dem Ernst des Lebens, Beziehungsdramen, amüsanten und romantischen Momenten. Besonders die fein gezeichneten Familiendynamiken haben mich überzeugt. Auch wenn die Handlung etwas ruhiger vonstattengeht, habe ich mich zu keiner Sekunde gelangweilt und diese besondere romantische Komödie sehr genossen.
Insgesamt wurde ich sehr gut unterhalten und würde jederzeit mehr von der Autorin lesen. Wer authentische Liebesgeschichten mit einer guten Prise Humor, Familiendramen und nahbaren Charakteren sucht, wird hier sicher fündig werden.

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Veröffentlicht am 14.11.2021

Solider Wohlfühl-Krimi

Sarg niemals nie (Betty-Pabst-Serie 1)
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Die Cover-Gestaltung ist einfach nur genial. Ein auffälliger Eyecatcher, der gleichzeitig eine Portion Humor und Düsternis umfasst, womit der äußere Eindruck perfekt zur Umsetzung als Cosy Crime passt. ...

Die Cover-Gestaltung ist einfach nur genial. Ein auffälliger Eyecatcher, der gleichzeitig eine Portion Humor und Düsternis umfasst, womit der äußere Eindruck perfekt zur Umsetzung als Cosy Crime passt.
Zum Inhalt: Betty Papst braucht eine Auszeit von ihrer stressigen Assistenzarztstelle an der Berliner Charité und fährt kurzerhand in die Heimat, wo ihre Familie ein Bestattungsunternehmen leitet. Als die Leiterin eines Esoterik-Instituts auf dem dortigen Tisch landet, schrillen bei Betty hinsichtlich der angeblichen Todesursache sofort alle Alarmglocken. Wild entschlossen, ihre Vermutung zu bestätigen, stürzt sie sich ins Ermittlungsabenteuer.
Der Schreibstil ist locker und leicht. Einmal angefangen, ließ sich das Buch nur noch schwer weglegen. Eine ordentliche Portion Humor lockert den ernsten Inhalt gehörig auf und hat mich hin und wieder zum Schmunzeln gebracht. Gerade das Setting im Umfeld eines Bestatters lädt aber auch zum Nachdenken über die Vergänglichkeit und den Wert des Lebens ein. Dem Autor ist hier eine gelungene Kombination aus Witz und Ernsthaftigkeit gelungen. Das Gefühl von Heimat und das Kleinstadt-Feeling wurde perfekt umgesetzt, wodurch das Setting glaubhaft erscheint.
Betty ist eine sympathische Protagonistin. Viele ihrer Gedankengänge und Erfahrungen konnte ich gut nachvollziehen, weshalb ich einfach mit ihr mitfiebern musste. Die teilweise herrlich eigenwilligen Charaktere wirken nicht zuletzt aufgrund der detailliert ausgearbeiteten Familien- und Beziehungsdynamiken authentisch und liebenswert.
Der Krimiteil wirkt insgesamt solide und rund, enthält aber keine Unmenge an überraschenden, fesselnden Wendungen, sondern läuft eher vorhersehbar, ruhig und entspannt ab. Was die Spannung angeht, gibt es somit noch etwas Luft nach oben - gerade, weil es neben der Krimihandlung auch um zwar unterhaltsame, aber doch viel Raum entnehmende Familiendramen sowie angedeutete Liebesgeschichten geht.
Insgesamt wurde ich gut unterhalten und würde mich freuen, irgendwann noch mehr von Betty lesen zu dürfen. Allen Cosy-Crime-Fans sei der Krimi wärmstens empfohlen!

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Veröffentlicht am 07.11.2021

Spannendes Konzept, gewöhnungsbedürftiger Schreibstil

Commodus
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Die Covergestaltung gefällt mir wahnsinnig gut. Sowohl die Motive als auch die Farben passen zum Inhalt sowie zum Genre eines historischen Romans. Noch dazu ist das Cover durch die auffällige Farbgebung ...

Die Covergestaltung gefällt mir wahnsinnig gut. Sowohl die Motive als auch die Farben passen zum Inhalt sowie zum Genre eines historischen Romans. Noch dazu ist das Cover durch die auffällige Farbgebung ein echter Eyecatcher.
Der Inhalt dreht sich um den Lebensweg des römischen Kaisers Commodus, dem Sohn Marc Aurels. Commodus muss sich in einer von Krieg, Hunger und Krankheit gebeutelten Gesellschaft behaupten, wobei er gleichzeitig von ganz eigenen Problemen bedrängt wird. Wem kann er dabei noch vertrauen und wie wird er seine Herrschaft vor diesem Hintergrund gestalten? Es geht nicht zuletzt um Intrigen und Ränkespiele, Macht und Ohnmacht, Liebe und Feindschaft.
Der Schreibstil stellt für mich einen meiner größten Kritikpunkte am Roman dar. Die Geschichte wird aus der Sicht von Marcia, einer engen Vertrauten des Kaisers, beschrieben. Dialoge gibt es leider nur sehr wenige, hauptsächlich beschränkt sich der Autor auf beschreibende Passagen aus Sicht der Protagonistin. Dadurch wirkt das Erzähltempo sehr langsam, was zusammen mit den vielen interessanten, aber sachbuchähnlichen historischen Details dazu führte, dass mir der Roman oftmals langatmig vorkam und das Vorankommen etwas mühselig und zeitaufwendig war. Auch wenn es immer wieder spannende Passagen gab, hätte ich mir noch mehr dauerhafte Atmosphäre gewünscht. Auf actionreiche Schlachtszenen muss man in diesem historischen Roman generell verzichten.
Marcias Sichtweise führt auch dazu, dass Commodus, um den sich die Handlung ja eigentlich drehen sollte, nicht dauerhaft im Fokus steht. Der Roman erzählt fast noch mehr Marcias Lebensgeschichte. Zudem ist sie in meinen Augen ein unsympathischer Charakter, selbstsüchtig und manipulativ. Meine relative Abneigung gegen sie hat mir das Lesen zusätzlich erschwert. Bis auf Marcia und Commodus fühlten sich alle anderen Charaktere seltsam fern und schwer zu greifen an. Sie schienen nur ihrem Zweck als Freund oder Feind der Protagonisten und damit dem Voranschreiten der Handlung zu dienen.
Nun aber zum Positiven: Man merkt, dass der Autor viel Zeit in Recherche investiert hat und sich mit der behandelten Epoche auskennt. Damit bietet der Roman unglaublich viel Input für Geschichtsinteressierte - auch in Form eines angehängten Glossars und des ausführlichen Nachworts. Ein riesiges Lob verdient der Autor für seine Herangehensweise an die Person des Commodus, der nicht selten als grausam, wahnsinnig und damit eindeutig negativ beschrieben wird. Der Autor hinterfragt, wieso Commodus auf diese Weise auftrat und welche Ereignisse ihn zu dieser ambivalenten Persönlichkeit werden ließen. Turney bietet so ein differenziertes und in der Unterhaltungsliteratur wohl einmaliges Bild von Commodus.
Doch auch wenn mich die Darstellung des römischen Kaisers vollends überzeugt hat, stellt der Roman durch die schwere Lesbarkeit im Zusammenhang mit der unsympathischen Erzählerin und der mangelhaften Umsetzung der Nebencharaktere für mich nur mäßig gute Unterhaltung dar. Wer sich langsam entwickelnde Handlungsstränge bevorzugt, großes Interesse an der römischen Kaiserzeit hat und die zwei vielschichtigen Protagonisten kennenlernen möchte, wird den Roman wohl dennoch schätzen.

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